Die regelmäßig veröffentlichten Statistiken zum Unfallgeschehen in Deutschland zeigen, dass ein guter Stand der Arbeitssicherheit erreicht ist. Hier hat neben der technischen Entwicklung sicher auch die Arbeitsschutzorganisation in den Betrieben einen hohen Anteil. Vor dem Hintergrund einer älter werdenden Belegschaft gewinnt der Gesundheitsschutz zunehmend eine höhere Bedeutung, was sich u.a. auch in den Arbeitsprogrammen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) zeigt. Prävention im Betrieb hat viele Ansatzpunkte und Chancen. Es können sowohl die Verhältnisse im Betrieb beeinflusst werden als auch das Verhalten der Beschäftigten. Inhaltliche Aspekte umfassen die Optimierung von Belastungen und die Entwicklung von Ressourcen (s. auch Tabelle 1).
Ausgehend von Diskussionen und Veröffentlichungen im Zusammenhang mit Industrie 4.0 ist ein intensiver Prozess der Beschäftigung mit der Zukunft der Arbeit und den veränderten Rahmenbedingungen und Anforderungen für die Prävention in Gang gekommen.
Im BMAS-Weißbuch „Arbeiten 4.0 „werden u. a. die vier Treiber und Trends
- digitale Transformation (Digitalisierung),
- Globalisierung,
- Demografie und Arbeitskräfteangebot der Zukunft sowie
- kultureller Wandel
für die Arbeit der Zukunft und demzufolge auch für die Prävention identifiziert.
Die digitale Transformation ermöglicht neue Formen der Produktion, der Organisation von Unternehmen und insbesondere auch der Zusammenarbeit von Menschen. Der Übergang von analoger zu digitaler Technik vollzieht sich bereits seit den 1980er Jahren. Das Internet hat seit 1990 kontinuierlich an Bedeutung gewonnen und seit den 2000er Jahren prägen mobile Endgeräte die Kommunikation.
Der Begriff der Digitalisierung bezeichnet zunächst die Überführung von Informationen von einer analogen in eine digitale Speicherung. Aus dieser Technologie des Digitalisierens sind Produkte entstanden, die die Lebens- und Arbeitswelt nachhaltig verändert haben und auch in Zukunft verändern werden. Durch die Digitalisierung in Form von neuen Entwicklungen z. B. in der Sensorik und Steuerungstechnik sind neue Produktionsprozesse möglich. Kollaborative Robotersysteme oder additive Fertigungsverfahren wie z. B. der 3D-Druck ermöglichen eine bislang nicht gekannte Flexibilität in der Herstellung von Produkten.
Der Vertrieb von Waren und Dienstleistungen wird durch die Digitalisierung auf neuen Wegen möglich und mündet in die Globalisierung (als zweiten Treiber), d. h. der Aktionsradius von Unternehmen erweitert sich. Grenzüberschreitender Handel ist möglich und weltweite Kommunikation ist erforderlich. Auf der Angebotsseite bedienen Unternehmen zunehmend eine weltweite Kundschaft bei wechselnden Marktbedingungen.
Als dritter Treiber für Veränderungen wird das Thema Demografie und Arbeitskräfteangebot der Zukunft benannt. Das seit Jahren dauerhaft niedrige Geburtenniveau bewirkt einen inzwischen an vielen Stellen dokumentierten Rückgang der Erwerbsbevölkerung. Engpässe in einzelnen Berufen und Regionen bei der Gewinnung von Fachkräften zeichnen sich ab.
Als vierter Treiber für die Veränderungen der Arbeit wird im BMAS-Weißbuch der kulturelle Wandel aufgeführt. Mit dem Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft verändern sich auch Lebensstile und Werte. Der Wunsch nach Zeitsouveränität ergänzt die klassischen Anliegen von Sicherheit und Entlohnung.
Tabelle 2 führt exemplarisch Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Prävention im Betrieb an. Es ist abzusehen, dass v. a. eine weitere Ausdifferenzierung der Präventionsangebote notwendig sein wird.
Neben den inhaltlichen Anforderungen an die Prävention im Betrieb muss auch der zeitliche Aspekt betrachtet werden ( Abb. 1). Bislang erfolgt eine Beurteilung der Arbeitsbedingungen (wenn überhaupt) in der Regel nach der Inbetriebnahme eines Arbeitssystems. Das heißt, es werden real vorhandene Arbeitsplätze und Arbeitstätigkeiten beurteilt. Wenn dann aus der Sicht des Arbeitsschutzes Optimierungen notwendig sind, so ist dies oft mit einem hohen Aufwand verbunden. Besser ist die Situation im Bereich der Produktsicherheit. Hersteller von Maschinen müssen entsprechend der Maschinenrichtlinie bzw. dem Produktsicherheitsgesetz eine Risikobeurteilung durchführen, bevor sie das Produkt dem Markt zur Verfügung stellen. Günstig ist es nun, wenn – analog zur Produktsicherheit – die Integration des Arbeitsschutzes bereits in der Planungsphase von Arbeitssystemen erfolgt. Wenn Änderungen an bereits installierten Arbeitssystemen notwendig sind, so sind die Änderungskosten hoch und aufgrund vieler Randbedingungen die Gestaltungsmöglichkeiten oft gering. Günstiger ist es, wenn Planungsergebnisse prospektiv betrachtet werden und bereits vor Inbetriebnahme eine Gefährdungsbeurteilung erfolgt. Jedoch ist auch hier der Änderungsaufwand hoch. Optimal ist es, wenn die Anforderungen von Sicherheit und Gesundheitsschutz bereits in einem frühen Stadium der Planung berücksichtigt werden. Hierzu müssen der betrieblichen Praxis geeignete Methoden zur Verfügung gestellt werden.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Autor
Prof. Dr.-Ing. Martin Schmauder
Professur Arbeitswissenschaft
Institut für Technische Logistik
und Arbeitssysteme
Technische Universität Dresden
Dürerstraße 26
01062 Dresden