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Anliegen von Beschäftigten einer Universitätsklinik während des ersten „Lockdown“1

Eine arbeitsmedizinisch betreute Telefonhotline in der Corona-Pandemie 2020

M. Tolksdorf

S. Letzel

P. Kegel

E. Dahlke

F. Darstein

An occupational physician-led telephone hotline in the 2020 ­coronavirus pandemic – Concerns of employees of a ­university hospital during the first lockdown

Objectives: Apart from organizational factors, the ability and willingness of clinical staff to work during a pandemic is crucial to guaranteeing the functional capability of hospitals and therefore of the whole healthcare system. Trust in the crisis management of the employer and the provision of information to the employees can be assisted by successful crisis communication. The role of directly accessible occupational medical advice via a telephone hotline is to be evaluated here.

Methods: During the first lockdown in March and April 2020 Mainz University Hospital established a telephone hotline managed by occupational physicians and made it available to all its employees. The questions and concerns raised there by the employees are analyzed quantitatively and qualitatively.

Results: A total of one-third of the 122 hotline callers raised questions about testing modalities and quarantine regulations. Employees from the medical service were overrepresented compared to their share of all university hospital employees. The number of callers peaked during the first week of the hotline’s operation, at 68 % of all calls, and then declined rapidly.

Conclusion: Occupational health expertise is particularly useful for counseling employees from a wide variety of work settings, especially at the beginning of a pandemic and where there is some psychological stress. In future employees should have the possibility of evaluating the consultation so that the offer can be further improved and adapted.

Keywords: hospital staff – pandemic – occupational medicine support hotline

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2021; 56: 160–166

Eine arbeitsmedizinische betreute Telefonhotline in der Corona-Pandemie 2020 – Anliegen von Beschäftigten einer Universitätsklinik während des ersten „Lockdown“

Zielstellung: Neben organisatorischen Faktoren ist vor allem die Arbeits­fähigkeit und Arbeitsbereitschaft des Personals von Krankenhäusern ein wichtiger Baustein, um in einer Pandemie die Funktionsfähigkeit der Kliniken und damit der Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten. Vertrauen in das Krisenmanagement des Arbeitgebenden und die Information der Beschäftigten lassen sich durch eine gelungene Krisenkommunikation positiv beeinflussen. Die Rolle einer unmittelbar erreichbaren, arbeitsmedizinischen Beratung über eine Telefonhotline soll hier evaluiert werden.

Methoden: Während des ersten „Lockdown“ im März und April 2020 stand den Beschäftigten der Universitätsklinik Mainz für fünf Wochen eine arbeitsmedizinisch betreute Telefonhotline zur Verfügung. Die dort geäußerten Fragen und Sorgen der Beschäftigten wurden quantitativ und qualitativ ausgewertet.

Ergebnisse: Insgesamt ein Drittel der 122 Anrufenden meldeten sich mit Fragen zu Testmodalitäten und Quarantäneregelungen. Beschäftigte aus dem ärztlichen Dienst waren im Vergleich zu ihrem Anteil an allen Mit­arbeitenden der Universitätsklinik überrepräsentiert. Die Anzahl der Anrufe erreichte in der ersten Woche der Betriebszeit der Hotline mit 68 % aller Anrufe ihren Höhepunkt und nahm dann rasch ab.

Schlussfolgerung: Gerade zu Beginn einer Pandemie ist arbeitsmedizinischer Sachverstand für die Beratung von Beschäftigten aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen und in Anbetracht psychischer Belastungen sinnvoll. In Zukunft sollten die Anrufenden die Möglichkeit zur Evaluation der Beratung erhalten, damit das Angebot weiter verbessert und angepasst werden kann.

Schlüsselwörter: Krankenhausmitarbeitende – Pandemie – arbeitsmedizinische Hotline

Einleitung

Verglichen mit der ersten Pandemie dieses Jahrhunderts, verursacht durch das H1N1-Influenzavirus (2009) oder weiteren, sich epidemisch ausbreitenden Erregern der letzten Jahre wie SARS (2003), MERS (2012) und Ebola (2014) (Krause 2010; Swerdlow et al. 2011; Coltart et al. 2017), hat die aktuelle Corona-Pandemie weitreichende globale Folgen. Neben zahlreichen Auswirkungen auf wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene hat sich insbesondere auch die Arbeitswelt in Deutschland seit Beginn des Jahres 2020 stark verändert. Während für zahlreiche Erwerbstätige vor allem das mobile Arbeiten im häuslichem Umfeld zu den prägendsten Veränderungen zählt, ist dies für Teile der kritischen Infrastruktur wie das Transportwesen oder die Gesundheitsversorgung (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 2011–2020) nicht möglich. Das Arbeiten vor Ort bleibt hier unerlässlich. Aus diesen unterschiedlichen Arbeitsbedingungen erwachsen für Beschäftigte und Unternehmen verschiedenste wirtschaftliche und gesundheitliche Herausforderungen. Die Rolle der Arbeitsmedizin als Berater, Informationsvermittler und Ansprechpartner wird in diesem Zusammenhang vielfach diskutiert: Neben den täglichen Aufgaben im Rahmen der Betreuung von Unternehmen und ihren Beschäftigten rückt die Beratung der Arbeitgebenden zur Entwicklung geeigneter Pandemie- oder Notfallpläne (Schoeller 2008), die Unterstützung bei der Erstellung von Hygienekonzepten und der Umgang mit symptomatischen Beschäftigten sowie die Beratung besonders schutzbedürftiger Beschäftigter in den Vordergrund (Wicker et al. 2007; Journeay u. Burnstein 2009; Fadel et al. 2020).

Im Rahmen der individuellen Gefährdungsbeurteilung spielt die Beratung der Beschäftigten hinsichtlich gesundheitlicher Risiken oder Veränderungen am Arbeitsplatz in Zusammenhang mit SARS-CoV-2 eine wichtige Rolle für den Gesundheitsschutz im Unternehmen. Besonders der Ausfall einer großen Zahl an Beschäftigten durch Krankheitsfälle, Einschränkungen im öffentlichen Nahverkehr oder Angst vor Ansteckung kann wirtschaftliche Folgen haben (Schoeller 2008; Journeay u. Burnstein 2009) und im Gesundheitssektor auch die direkte Bewältigung der Pandemie erschweren. Vor allem Krankenhäuser sind in der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (Bundesregierung 2020) wichtige Akteure und müssen mit allen Mitteln ihre Funktionsfähigkeit bewahren (Berger et al. 2018). Wesentlich hierfür sind neben einer ausreichenden Versorgung mit Medikamenten, medizinischer Schutzausrüstung sowie der Aufrechterhaltung der nötigen Infrastruktur von Wasser und Strom auch die Sicherung der Arbeitsfähigkeit des Personals (Li et al. 2008; Nekoie-Moghadam et al. 2016). Einem einerseits erhöhten Patientenaufkommen steht eine mögliche Personalknappheit durch Krankheitsausfälle (Nienhaus 2020) und Absentismus aufgrund von organisatorischen Hindernissen oder Ängsten auf Seiten der Beschäftigten entgegen. Neben nichtarbeitsmedizinischen organisatorischen Faktoren, wie fehlender Möglichkeiten der Kinderbetreuung im Fall von Schul- und Kitaschließungen, schränken auch arbeitsplatzbezogene Themen wie mangelnde Ausstattung mit persönlicher Schutzausrüstung und ein unsicherer Arbeitsweg die Arbeitsfähigkeit des Personals ein. Aber auch die psychischen Belastungen müssen als Teil der individuellen Gefährdungsbeurteilung mitberücksichtigt werden.

Als zwei wesentliche Faktoren für die Bereitschaft zum Erscheinen am Arbeitsplatz Krankenhaus während einer Pandemie oder Epidemie sehen Studien die persönliche Risikowahrnehmung der Beschäftigten und deren Vertrauen in das Krisenmanagement des Arbeitgebenden (Balicer et al. 2006). Eine effektive Krisenkommunikation der Betriebe, die in zahlreichen Checklisten zur Pandemie- und Notfallplanung verankert ist (DGUV 2020; WHO 2020), kann einen wichtigen Beitrag zur Arbeitsfähigkeit des Personals leisten. Sie kann das Vertrauen in das verantwortliche Verhalten des Unternehmens sowie die persönliche Sicherheitswahrnehmung der Beschäftigten stärken (Tseng et al. 2005; Balicer et al. 2006; Dewar et al. 2014). Krisenkommunikation im Gesundheitskontext zielt auf das Informationsbedürfnis der Bevölkerung oder einzelner Gruppen hinsichtlich krisenhafter Ausnahmesituationen sowie Handlungen zu deren Bewältigung ab (Winter u. Rösner 2019). An dieser Schnittstelle sind Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner mit ihrem Fachwissen sowohl zu medizinischen Zusammenhängen (Infektionswege, Inkubationszeit, Epidemiologie etc.) als zu auch den arbeitsplatzspezifischen Umständen (Arbeitsorganisation in Krankenhäusern, psychische Belastungen, Schichtarbeit, Kommunikationsabläufe in Krankenhäusern) qualifiziert, um als Vermittelnde von Informationen an das Gesundheitspersonal zu agieren.

An der Universitätsmedizin Mainz hat ein Team von vier Arbeitsmedizinerinnen und -medizinern diese vermittelnde Rolle zu Beginn der Corona-Pandemie eingenommen und stand den Beschäftigten über eine Telefonhotline für Fragen zur Verfügung. Die Beschäftigtengruppen, die sich häufig bei der Hotline meldeten sowie die quantitative und qualitative Betrachtung der Anliegen gibt Aufschluss über den Bedarf an Information und mögliche Unsicherheiten von Beschäftigten. Ebenso kann die Analyse der zeitlichen Entwicklung der Auslastung der Hotline und der Zusammenarbeit mit weiteren Krisenkommunikationskanälen des Klinikvorstandes Einblicke in den Ablauf des Krisenmanagements gewähren.

Zielsetzung

Als Kommunikationsmedium ermöglicht eine Hotline eine schnelle Erreichbarkeit von persönlichen Ansprechpersonen sowie die unmittelbare Beantwortung von Fragen und gibt die Gelegenheit zum direkten Feedback. Im Rahmen der wissenschaftlichen Auswertung der an der Universitätsmedizin Mainz gesammelten Daten erfolgt eine quantitative und qualitative deskriptive Darstellung des Informations- und Unterstützungsbedarfes der Beschäftigten, die sich an die Hotline wendeten. Anhand der Ergebnisse soll die Bedeutung einer arbeitsmedizinisch besetzten Telefonhotline für Klinikpersonal im Pandemiefall evaluiert und Verbesserungsvorschläge für die Konzeption einer solchen Hotline formuliert werden.

Methoden

Für sämtliche Beschäftigte der Universitätsmedizin Mainz stand vom 23.03.2020 bis zum 28.04.2020 montags bis freitags von 08:00 bis 17:00 Uhr eine arbeitsmedizinisch besetzte Telefonhotline, die „COVIDhelpline“ zur Verfügung. Weitere Krisenkommunikationskanäle des Klinikvorstands zur Information der Beschäftigten waren ein, ab dem 13.03.2020 zunächst täglich, im weiteren Verlauf zweimal wöchentlich erscheinender E-Mail-Newsletter sowie eine Informationsseite im Intranet. Durch einen regelmäßigen Austausch zwischen dem ärztlichen Fachpersonal der Hotline und der Leitungsebene, wurden einerseits Informationen zu neuen Beschlüssen, andererseits Anliegen der Beschäftigten zeitnah in beide Richtungen weitergegeben. Während ihrer Betriebszeit wurde die Hotline bedarfsadaptiert mit ein bis zwei Arbeitsmedizinerinnen/-medizinern besetzt. Auf das Angebot wurde wiederholt über den E-Mail-Newsletter sowie über eine Ankündigung auf der Intranet-Informationsseite aufmerksam gemacht. Die Dokumentation der telefonischen Anfragen erfolgte durch die Ärztinnen/Ärzte sowohl auf einem vorgefertigten Papierfragebogen als auch elektronisch in einem hierfür erstellten Online-Fragebogen. Dieser wurde anhand der Erfahrungen der ersten Tage erstellt und dynamisch an die Anfragen angepasst. Die verwendeten Items basierten sowohl auf den Vorerfahrungen der Krankenhaushygiene mit telefonischen Anfragen der Beschäftigten als auch auf einer Literaturrecherche zu Belastungsfaktoren im Rahmen der Influenzapandemie 2009 (Goodwin et al. 2009, 2011; Rubin et al. 2009).

Zunächst erfolgte eine Erfassung personenbezogener Daten um zum einen sicherzustellen, dass es sich um Beschäftigte der Universitätsmedizin handelte, und zum anderen Kenntnis des Arbeitsplatzes und der Arbeitsumstände zu erhalten2 – eine notwendige Voraussetzung für die arbeitsmedizinische Beratung. Die Kontaktdaten wurden erfasst, um die Möglichkeit zu haben, die Anrufenden bei geänderter Informationslage zu erreichen beziehungsweise um Rückfragen stellen zu können. Zur wissenschaftlichen Auswertung wurden sämtliche Datensätze nach Ende der Betriebszeit der Hotline anonymisiert. Weiterhin erfolgte die Abfrage von respiratorischen Symptomen jeder Art, die Erhebung der Kontaktanamnese in Bezug auf Erkrankungsfälle und Verdachtsfälle einer COVID-19-Infektion und die Frage nach Reisen in ein Risikogebiet gemäß der jeweils aktuellen Definition des Robert Koch-Instituts (RKI)3. Die Angaben lieferten Hinweise entsprechend der damaligen RKI-Empfehlungen zur Einschätzung eines Corona-Verdachtsfalles und der entsprechend zu empfehlenden Maßnahmen (RKI 2020a). Ein über diese Beratung hinausgehendes Anliegen der Anrufenden wurde als separates Item mit 15 verschiedenen, ebenfalls im Verlauf angepassten Ausprägungen erfasst.4 Als Freitext konnten zusätzliche Anliegen notiert werden. Eine Mehrfachauswahl war möglich und intendiert. Im Hinblick auf die erwartete psychische Belastung durch die Corona-Pandemie dokumentierten die Hotline-Mitarbeitenden in einem weiteren Item mit acht Ausprägungen die von den Anrufenden geäußerten Sorgen. Die Sorgen wurden nicht explizit abgefragt, sondern lediglich notiert, wenn diese im Gespräch eine Rolle spielten. Auch hier konnten zusätzliche Angaben in einem Freitextfeld dokumentiert werden. Zur umfänglichen quantitativen Auswertung der Ergebnisse erfolgte nach Abschluss der Betriebszeit der Hotline eine nachträgliche Kategorisierung der Datensätze anhand der Freitextangaben. Es wurden induktiv zusätzliche Ausprägungen der Sorgen- und Anfragekategorien gebildet. Das Kollektiv der Anrufenden wurde in Subgruppen entsprechend der Berufsgruppen der Krankenhausbuchführungsverordnung, nach Leitungsfunktion sowie nach der Zugehörigkeit zu einer Fachabteilung gegliedert. Mehrfachanrufe durch eine Person wurden als separate Anrufe ausgewertet, da identische Personen verschiedene Anfragen haben können. Ebenso wurden Anrufe in die Auswertung miteinbezogen, die sich auf organisatorischer Ebene, beispielswiese mit Hinweisen zum Ablauf der Kindernotbetreuung, meldeten oder Rückfragen zur Funktionsfähigkeit der Hotline hatten. Die quantitative Auswertung erfolgt nach deskriptiv statistischen Methoden mit dem Tabellenkalkulationsprogramm Excel. Zusätzlich wurde ein zeitlicher und inhaltlicher Vergleich einzelner, in der Hotline gemeldeter Anliegen von Beschäftigten mit Kommunikationsinhalten aus dem E-Mail-Newsletter des Vorstandes vorgenommen.

Ergebnisse

Reichweite der Hotline. Insgesamt gingen bei der „COVIDhelpline“ im etwa fünfwöchigen Betriebszeitraum n = 123 Anrufe ein. Darunter war ein Anruf von extern, der nicht mit in die Auswertung einbezogen wurde. Mit 122 Anrufen haben – wenn man mehrfache Anrufe derselben Person als Einzelfall berücksichtigt – bei insgesamt 7980 Beschäftigten der Universitätsmedizin (Stand 31.12.2017; Dillinger-Reiter 2018) etwa 1,5 % der Belegschaft das Angebot der Hotline in Anspruch genommen. Der überwiegende Anteil der Anrufe stammte, mit 81 %, aus den medizinischen Abteilungen. In ➥ Abb. 1 sind diejenigen medizinischen Fachgebiete einzeln aufgeführt, aus denen mindestens fünf Anrufe bei der Hotline dokumentiert wurden. Die Kliniken der Inneren Medizin stellten mit 20 % den größten Anteil der Anrufenden, gefolgt von den Beschäftigten der chirurgischen Abteilungen mit 12 %. Unter den weiteren medizinischen Abteilungen sind insgesamt elf verschiedene medizinische Betriebseinheiten zusammengefasst. Insgesamt zählt die Universitätsmedizin Mainz 54 (Stand 10.2018; Dillinger-Reiter 2018) medizinische Betriebseinheiten in ihrer Organisationsstruktur. Das ärztliche Fachpersonal stellte mit einer relativen Häufigkeit von 35 % den größten Teil der Anrufe und war damit, im Vergleich zu seinem Anteil an der Grundgesamtheit von knapp 15 % überproportional in der Gruppe der Hotline-Nutzenden vertreten (➥ Abb. 2). Im Rahmen der Nachkategorisierung konnte aus den Angaben zur Arbeitsanamnese der Anteil der Anrufenden mit Mitarbeiterverantwortung, das heißt Abteilungsleiterinnen und -leiter, Ober- oder Chefärztinnen/-ärzte sowie Stationsleitungen, auf etwa 25 % geschätzt werden.

Abb. 2:  Verteilung der Berufsgruppen innerhalb der Gruppe der Anrufenden und der gesamten Belegschaft der Universitätsmedizin Mainz (Stand 2017)Fig. 2: Occupational group distribution among hotline callers and employees of Mainz University Hospital (as of 2017)

Abb. 2: Verteilung der Berufsgruppen innerhalb der Gruppe der Anrufenden und der gesamten Belegschaft der Universitätsmedizin Mainz (Stand 2017)
Fig. 2: Occupational group distribution among hotline callers and employees of Mainz University Hospital (as of 2017)

Subgruppen nach Symptomen und ­Kontaktanamnese: Bezogen auf alle Anrufe, wurden insgesamt bei 25 % der Gespräche respiratorische Symptome jeder Schwere angegeben. Nach der Definition des RKI lag in dieser Gruppe allerdings nur in zwei Fällen ein begründeter Corona-Verdachtsfall vor (RKI 2020a). Ähnlich niedrig war die Prävalenz der Anrufenden, die über eine Kontaktanamnese zu einer an COVID-19 erkrankten Person, einer Kontaktperson oder einem Verdachtsfall, berichteten. Insgesamt war dies bei 24 % der Fall. Ein enger Kontakt der Kategorie I5 nach RKI wurde nur viermal berichtet, wobei zwei davon im privaten Umfeld stattfanden und zwei durch Kontakt zu positiv auf COVID-19 getestete Kolleginnen oder Kollegen zustande kamen. Die Reiserückkehr aus einem Risikogebiet war lediglich einmal Anlass eines Anrufes.

Anliegen der Mitarbeitenden: Inhaltlich wurden die Anfragen im Anschluss an die nachträgliche Kategorisierung 17 verschiedenen Themengruppen zugeordnet. Insgesamt am häufigsten erfolgten Anfragen zum Thema der Testmodalitäten sowie Quarantäneregelungen bei eigener Symptomatik, bei symptomatischen Angehörigen, Reiseanamnese oder Kontaktanamnese (siehe ➥ Abb. 3). Eine weitere, wichtige Kategorie war die Erreichbarkeit und Abläufe der Betriebsärztlichen Dienststelle mit 8 %. Diesbezüglich ging es vorwiegend um unklare Kontaktmöglichkeiten hinsichtlich der Terminvereinbarung zur Testung oder Abfrage des Testergebnisses, sowie um Fragen nach der Studie zu Infektionen unter Mitarbeitenden, die Ende April an der Universitätsklinik startete. Vergleichbar häufig stellten die Anrufenden Fragen zu Möglichkeiten und Ablauf von Testungen für Beschäftigte und Kolleginnen/Kollegen, einem Versorgungsengpass mit Material oder dem Einsatz geeigneter persönlicher Schutzausrüstung (PSA). Die Meldungen zum Materialengpass bezogen sich überwiegend auf einen Mangel an Mund-Nasen-Schutz (MNS) und dem, zum Teil darauf zurückgeführten, Nicht-Tragen von Masken seitens der
Patientinnen/Patienten oder Besucherinnen/Besucher. Die Hälfte der Anrufenden der Kategorie „Versorgungsengpass mit Material“ ist dem Verwaltungsdienst oder dem Personal der Lehreinrichtungen zuzurechnen. Fragen zum „Einsatz geeigneter PSA“ kamen hingegen zu 50 % aus dem ärztlichen Dienst und dem Pflegedienst. Hier hatten die Anrufenden überwiegend Rückfragen zur Maskenpflicht auf dem Gelände der Universitätsmedizin, die am 27.04.2020 eingeführt wurde. Nur in einem Fall wurde die Frage nach der geeigneten PSA bei direktem Patientenkontakt mit an COVID-19 Erkrankten gestellt. Einige der Anrufe konnten beiden Gruppen zugeordnet werden. Bei den Subgruppen der Anrufenden aus dem ärztlichen Dienst, aus dem Pflege- und Funktionsdienst sowie dem medizinisch-technischen Dienst lag der Schwerpunkt der Anfragen ebenfalls bei dem Thema Testmodalitäten und Quarantäneregelungen. Hinsichtlich der weiteren Anfragekategorien wurden zum Teil Unterschiede zwischen den Berufsgruppen deutlich: Beschäftigte aus dem ärztlichen Dienst stellten Anfragen zu allen Kategorien, außer zur Krisenkommunikation, zur Parksituation und zur Sicherheit. Der Pflege- und Funktionsdienst meldete sich nicht bezüglich der Themen Krisenkommunikation, Patientenversorgung, Kinderbetreuung, Sicherheit, Versorgungsengpass mit Personal oder Freiwilligenmeldestelle. Innerhalb der Gruppe der symptomatischen Anrufenden überwog der Bedarf an Informationen zu Test- und Quarantänemodalitäten mit 70 % deutlich im Vergleich zur Häufigkeit dieser Fragestellung im gesamten Kollektiv. Jeweils 8 % der symptomatischen Anrufenden hatten Rückfragen zu Regelungen zu Risikogruppen und der Erreichbarkeit der Betriebsärztlichen Dienststelle.

Abb. 3:  Verteilung der Anfragekategorien der AnrufendenFig. 3: Distribution of topics expressed by hotline callers

Abb. 3: Verteilung der Anfragekategorien der Anrufenden
Fig. 3: Distribution of topics expressed by hotline callers

Sorgen der Mitarbeitenden: Die am häufigsten geäußerten Sorgen in den Gesprächen der Hotline bezogen sich auf eine mögliche Infektion der eigenen Person mit SARS-CoV-2, wobei nicht unterschieden wurde, ob es sich hierbei um eine generelle Sorge handelte oder die Angst in Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz bestand. Weiterhin spielten Ängste vor einer Infektion der Angehörigen oder des Kollegenteams beziehungsweise von Patientinnen und Patienten eine Rolle (➥ Abb. 4). Insgesamt wurden bei 58 % der Anrufe keine Sorgen notiert. Die Berufsgruppe, die unter den Anrufenden der Hotline im Verhältnis die meisten Sorgen kommunizierte, war der Pflege- und Funktionsdienst. 17 % der Anrufenden äußerten 38 % aller Sorgen.

Zeitlicher Verlauf und Zusammenarbeit: Die Anzahl der eingehenden Anrufe zeigte bereits nach der ersten Woche der Betriebszeit der Hotline eine deutliche Abnahme. In der ersten Woche wurden bereits 68 % aller Anrufe registriert. Themen, die in den letzten beiden Wochen von den Anrufenden angefragt wurden, bezogen sich auf die Erreichbarkeit und Abläufe der betriebsärztlichen Dienststelle, Zugangsbeschränkungen auf dem Gelände der Universitätsmedizin sowie die Regelungen zur Rückkehr zur Arbeit nach Rekonvaleszenz. Einige der Fragen, die den ärztlichen Beschäftigten der Hotline kommuniziert wurden, konnten im Rahmen der regelmäßigen Treffen direkt an die Unternehmenskommunikation und die Vorstandsebene weitergegeben werden: Beispielsweise stellten Beschäftigte Rückfragen zur Möglichkeit vergünstigte Parktickets auf dem Gelände der Universitätsmedizin zu erhalten. Bereits zwei Tage später reagierte der Klinikvorstand im E-Mail-Newsletter darauf: Angesichts der Infektionsgefahr und des unregelmäßig fahrenden Personennahverkehrs wurden den Beschäftigten für einen begrenzten Zeitraum ermäßigte Parktickets zur Verfügung gestellt

Abb. 4:  Verteilung der Sorgenkategorien der AnrufendenFig. 4: Distribution of concern categories expressed by hotline callers

Abb. 4: Verteilung der Sorgenkategorien der Anrufenden
Fig. 4: Distribution of concern categories expressed by hotline callers

Diskussion

Die vorgestellten Ergebnisse bieten einen Einblick in die Bedürfnisse und Unsicherheiten des Klinikpersonals der Universitätsmedizin Mainz zu Beginn der Corona-Pandemie. Hinsichtlich ihrer Interpretation gilt es allerdings einige Limitationen zu beachten: Es handelt sich um eine kleine, selbstselektierte Stichprobe mit unbekannten latenten Variablen, die die Selektion beeinflussten. Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit können daher nur bedingt gezogen werden. Weiterhin stand bei der Konzeption der „COVIDhelpline“ die Unterstützung und Information der Beschäftigten im Vordergrund. Diese Tatsache und die sehr kurzfristige Etablierung der Hotline – eine Planungszeit von etwa drei Tage – bei gleichzeitig unklarem Frage­spektrum der Beschäftigten führte dazu, dass im Vorfeld keine klare Definition der Anfrage- und Sorgenkategorien möglich war. Eine subjektiv unterschiedliche Definition der Kategorien durch die ärztlichen Beschäftigten der Hotline kann nicht ausgeschlossen werden. Die Dokumentation im Freitextanteil ist nicht umfassend genug für eine ausschließliche Kategorisierung auf deren Grundlage.

Hinsichtlich der Reichweite der Hotline zeigen die Ergebnisse, dass sowohl verschiedenste medizinische Fachabteilungen als auch Beschäftigte aus dem Verwaltungs- und Lehrbereich Rückfragen und Ängste äußerten. Unabhängig von der direkten Versorgung von
COVID-19-Patienten bestand bei den Beschäftigten ein Bedarf an Informationen und eine gewisse Unsicherheit zu Beginn der Pandemie. Der größte Teil der Anrufenden arbeitete in Abteilungen der Inneren Medizin und der Chirurgie. Durch die Zusammenfassung der verschiedenen Fachrichtungen dieser Disziplinen in einer Subgruppe zählen diese Abteilungen zu den personalstärksten der Universitätsmedizin (Universitätsmedizin 2019). Anrufe von Beschäftigten auf COVID-19-Isolierstationen konnten nicht verzeichnet werden. Dies legt eine gute Kommunikation und Schulung dieser Beschäftigten nahe. Die überproportional hohe Anzahl an Anrufen aus dem ärztlichen Dienst weist auf ein erhöhtes Bedürfnis an unmittelbaren Informationen in dieser Subgruppe hin. Ob dies ursächlich auf ein Kommunikationsdefizit oder auf die Verantwortlichkeit in der direkten Patientenversorgung zurück zu führen ist, lässt sich aus den Daten nicht ableiten.

Dass zu Beginn der Pandemie nur eine geringe Zahl der Anrufenden über eine Kontaktanamnese berichteten, korrespondiert mit der zum damaligen Zeitpunkt niedrigen Zahl an Infizierten in Deutschland: Laut RKI-Lagebericht vom 28.04.2020 waren 156.337 bestätigte Fälle gemeldet (RKI 2020b). Zudem handelte es sich bei den erwähnten Kontaktanamnesen überwiegend um private Kontakte oder solche zum Kollegenkreis während der Arbeit. Über eine enge Kontaktanamnese der Kategorie I nach RKI, die durch die Patientenversorgung zustande kam, wurde nicht berichtet. Bei Reiserückkehrenden bestand kaum Bedarf, sich bei der Hotline beraten zulassen. Symptomatische Anrufende waren vermutlich aus ihrer persönlichen Betroffenheit heraus ganz überwiegend an einer Beratung zu Testmodalitäten und Quarantäneregelungen interessiert. Aber, bezogen auf die Gesamtheit aller Anrufe, war auch die Unsicherheit zu diesem Thema am größten: Knapp ein Drittel der Anrufenden hatten Fragen, ob ein Test notwendig sei und wie dieser abzulaufen habe. In diesem Zusammenhang kann davon ausgegangen werden, dass zu Beginn der Pandemie ein Defizit an Information zu diesem Thema vorlag und auch die direkten Vorgesetzten zum Teil unsicher über die aktuellen Regelungen waren.

Die Diskrepanzen in den Anfragekategorien zwischen dem ärztlichen Dienst und dem Pflege- und Funktionsdienst lassen sich zum Teil durch die unterschiedlichen Tätigkeitsprofile erklären. Fragen zu Zugangsbeschränkungen und der Patientenversorgung wurden überwiegend von Ärztinnen und Ärzten gestellt, die diesbezügliche Entscheidungen häufig verantworten müssen. Fragen zur vergünstigten Parksituation scheint für ärztliches Personal weniger relevant gewesen zu sein als für Beschäftigte der Pflege- und Funktionsdienste. Überraschenderweise sind Fragen zu Versorgungsengpässen mit Personal und der Kindernotbetreuung nicht durch den Pflegedienst geäußert worden. Einige ältere Umfragen kamen zu dem Ergebnis, dass etwa 30 % des Klinikpersonals im Fall einer Pandemie nicht zur Arbeit erscheinen würden (Wicker et al. 2009; Balicer et al. 2010). Genannte Gründe sind neben der Versorgung von Angehörigen, fehlende Transportmöglichkeiten und vor allem die Angst vor Ansteckung der eigenen Person oder von Angehörigen. Ärztinnen und Ärzte gaben zu einem geringeren Anteil an, nicht zur Arbeit zu erscheinen als Verwaltungsangestellte oder Pflegekräfte (Wickeret al. 2009).

Bei der Analyse der Sorgen der Anrufenden zeigen sich ähnliche Schwerpunkte, wie sie in Studien zur Belastung von Gesundheitspersonal in der H1N1-Pandemie (Goulia et al. 2010) oder während des SARS-Ausbruches von 2003 beschrieben wurden (Nickell et al. 2004): Besonders relevant waren für die Beschäftigten der Universitätsmedizin die Sorgen vor der Selbstinfektion oder der Ansteckung von Angehörigen, Patientinnen/Patienten und Kolleginnen/Kollegen. Im Vergleich der verschiedenen Berufsgruppen war besonders der Pflege- und Funktionsdienst von Sorgen belastet. Eine aktuelle Umfrage unter deutschem Krankenhauspersonal während der ersten Welle der Corona-Pandemie kam zu dem Ergebnis, dass besonders das Pflegepersonal höhere Stresslevel und niedrigere Arbeitszufriedenheit aufwies im Vergleich zu Ärztinnen und Ärzten (Kramer et al. 2020). Auch gaben die Teilnehmenden an dieser Studie an, dass Ängste hinsichtlich einer Selbstinfektion und dadurch auch einer Infektion von Angehörigen eine Belastung darstellen. In ihrem aktuellen Literaturreview zu psychischen Belastungen durch Epidemien bei Beschäftigten im Gesundheitswesen nennen Mulfinger et al. (2020) ebenfalls verschiedene Studien, die eine stärkere Belastung der Pflege­kräfte im Vergleich zur Ärzteschaft beschreiben (Wong et al. 2005; Matsuishi et al. 2012). Da die Sorgen während der Anrufe jedoch nicht explizit abgefragt und keine validierten Skalen zur Erfassung der psychischen Belastung verwendet wurden, ist die Vergleichbarkeit mit den vorgestellten Studien nur eingeschränkt möglich. Dennoch korrespondieren unsere Ergebnisse hinsichtlich der Belastungen des Pflegepersonals mit denen anderer Studien, was die Notwendigkeit einer gezielten Information und Unterstützung dieser Berufsgruppe unterstreicht.

Analog zu Beobachtungen anderer Hotline-Angebote zu Beginn der Corona-Pandemie (hr-iNFO 2020) konnte auch bei der „COVIDhelpline“ während ihrer Betriebszeit eine kontinuierlich abnehmende Inanspruchnahme verzeichnet werden. Der Bedarf eines direkten Ansprechpartners/einer direkten Ansprechpartnerin war im Pandemieverlauf abnehmend. Vermutlich war die Verunsicherung zu Beginn des „Lockdown“, dem Starttermin der Hotline, am größten gewesen. Die rasche Abnahme der Anruffrequenz legt den Schluss nahe, dass im weiteren Verlauf, die über die weiteren Krisenkommunikationskanäle zur Verfügung gestellten Informationen einen Großteil der Fragen beantworten konnten.

Auch wenn Schlussfolgerungen auf Basis der hier gezeigten Ergebnisse nur mit Einschränkungen (geringe Fallzahl, Selektion) möglich sind, so zeigen sich doch Tendenzen für mögliche Schwerpunktthemen wie das Prozedere und die Voraussetzungen der Testung sowie die Erreichbarkeit der betriebsärztlichen Dienststelle. Diese Erkenntnisse können als Baustein dienen, um zukünftige Beratungsangebote zu optimieren.

Schlussfolgerung

Der arbeitsmedizinischen Beratung im Rahmen einer gelungenen Krisenkommunikation von Krankenhäusern mit ihren Beschäftigten kommt eine wichtige Funktion zu. Personen aus verschiedenen Arbeitsbereichen haben, gerade zu Beginn einer Pandemie, Fragen hinsichtlich der eigenen gesundheitlichen Gefährdung am Arbeitsplatz. Besonders im Hinblick auf die Beurteilung psychischer Belastungen im Kontext der individuellen beruflichen Situation ist arbeitsmedizinische Erfahrung wertvoll in der Gesprächsführung. Bei einer Stabilisierung der Situation, mit nicht weiter steigenden Infektionszahlen und der fortgesetzten Information über weitere Kommunikationskanäle geht der Bedarf für direkte Ansprechpartner zurück. Aufkommende Fragen scheinen ausreichend durch andere Medien beantwortet zu werden. Ebenso hat sich eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen den Beschäftigten der Hotline und dem Vorstand beziehungsweise der Krankenhauskommunikation als zielführend für eine gelungen Krisenkommunikation gezeigt. Auf diese Weise konnten Bedürfnisse der Beschäftigten unmittelbar aufgegriffen und, nach Möglichkeit, darauf eingegangen werden. Ein Aspekt, der nicht mit beurteilt werden kann, ist die Zufriedenheit der Beschäftigten der Universitätsklinik mit dem Angebot einer Hotline. Zukünftig sollte die Möglichkeit einer Evaluation für die Anrufenden geschaffen werden, um das Angebot entsprechend zu verbessern. Die vergleichsweise geringe Zahl der Anrufenden kann neben ausreichender Information der Beschäftigten auch mit der fehlenden Bekanntheit der Hotline in Zusammenhang stehen. Für eine erfolgreiche Kommunikation müssen die verschiedenen Medien in allen Ebenen der Belegschaft bekannt sein. Um ein umfassenderes Bild der Bedürfnisse und Fragen von Beschäftigten an Krankenhäusern im Kontext einer Pandemie zu erhalten wäre zudem eine ähnliche Erhebung an weiteren Standorten wünschenswert.

Interessenkonflikt: Das Autorenteam gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Literatur

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Kontakt

Marian Tolksdorf

Institut für Lehrergesundheit am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin,
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Kupferberterrasse 17–19, 55116 Mainz
marian.tolksdorf@unimedizin-mainz.de

Fußnoten