Covid-19 in health and social welfare workers
Objectives: We give details of reports of suspected cases of SARS-CoV-2 infections and Covid-19 disease among health workers (HW). In addition, we describe the provision of support for health workers from the Institution for Statutory Accident Insurance and Prevention in the Health and Welfare Services (BGW) during the Covid-19 pandemic.
Methods: Reports on suspected cases of an occupational disease caused by SARS-CoV-2 or Covid-19 are stored in a special data bank. These data were analysed up to and including 30.02.2020. In addition, the website www.bgw-online.de was searched for the offers of psychological support provided by BGW during the pandemic.
Results: 1,920 reports of suspected cases have now been filed after the diagnosis of a SARS-CoV-2 infection among HW. This number is twice that for all infection reports normally filed in a normal year. The mortality rate among HW infected with SARS-CoV-2 is 0.3%. Doctors suffer severe symptoms more often than other occupational groups (8.3% compared to 3.1%). The pandemic is increasing psychological strain among HW and they are therefore making use of psychological support provided by the BGW.
Conclusions: Knowledge about the spread of SARS-CoV-2 infections among HW is still limited but our data indicate that they are much affected, as shown by the mortality rate after infection. Occupational health examinations are currently being undertaken to screen for Covid-19 and these are to be analysed systematically in order to gain a further insight into the epidemiology of SARS-CoV-2 infections among HW.
Keywords: corona pandemic – SARS-CoV-2 – mortality rate – health worker
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2020; 55: 376–381
Covid-19 bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst
und in der Wohlfahrtspflege
Ziele: Es wird über die gemeldeten Verdachtsanzeigen auf SARS-CoV-2-Infektionen und Covid-19-Erkrankungen bei Beschäftigten im Gesundheitswesen berichtet. Ferner werden die Hilfsangebote der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) für Beschäftigte im Gesundheitswesen angesichts der Pandemie vorgestellt.
Methoden: Verdachtsanzeigen auf eine Berufskrankheit, verursacht durch SARS-CoV-2, werden in einer Datenbank gesondert erfasst. Diese Datenbank wird mit Stand vom 30.04.2020 ausgewertet. Ferner wurde die Internetseite www.bgw-online.de nach Angeboten zu Unterstützungsangeboten während der Pandemie durchsucht.
Ergebnisse: Es wurden mittlerweile 1920 Verdachtsanzeigen nach der Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion bei Beschäftigten gemeldet. Das ist doppelt so viel wie alle Infektionsanzeigen, die normalerweise pro Jahr eingehen. Die Mortalität bei den mit SARS-CoV-2 infizierten Beschäftigten beträgt 0,3 %. Ärztinnen und Ärzte sind von schweren Verläufen häufiger betroffen als andere Berufsgruppen (8,3 % versus 3,1 %). Die Pandemie führt zu erhöhten psychischen Belastungen bei den Beschäftigten. Angebote der BGW zur psychologischen Betreuung werden daher von den Beschäftigten genutzt.
Schlussfolgerung: Trotz des noch geringen Wissens über die Ausbreitung von SARS-CoV-2-Infektionen bei Beschäftigten scheint die Betroffenheit groß zu sein. Dafür spricht die Mortalität bei infizierten Beschäftigten. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, die zurzeit durchgeführt werden, sollten systematisch ausgewertet werden, um weitere Erkenntnisse zur Epidemiologie von Covid-19 bei Beschäftigten im Gesundheitswesen zu gewinnen.
Schlüsselwörter: Corona-Pandemie – SARS-CoV-2 – Mortalität – Beschäftigte im Gesundheitswesen
Einleitung
Corona legt sein schweres Band über das ganze Land. Der Tanz in den 1. Mai fiel aus. Die 1.-Mai-Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) fand in diesem Jahr nur virtuell statt. Die einzige reale Mai-Demo, die es in Berlin-Kreuzberg gab, wurde von der Polizei aufgelöst. „Droht jetzt ein Ischgl in Berlin?“, titelten Medien am nächsten Tag. Aber es gibt auch Hoffnung – der Anblick grauer Haaransätze und wilder Locken hat bald ein Ende. Deutschland wird schöner: Die Friseure durften ab dem 4. Mai ihre Salons wieder öffnen. Zwar sollen sich Kundschaft und das Friseurpersonal nur mit Masken begegnen, trotzdem ist das ein Zeichen, dass der Einstieg in die Öffnung der strengen Kontaktbeschränkungen vollzogen ist. Wie gut diese Öffnung gelingt, ohne dass die Infektionszahlen besorgniserregend ansteigen, bleibt abzuwarten.
Das neuartige Coronavirus wurde zuerst im Dezember 2019 in China entdeckt. Wahrscheinlich wurde es von Wildtieren (z. B. Fledermaus) auf einem Markt in Wuhan auf Menschen übertragen. Im Januar 2020 wurde über die ersten Fälle in Deutschland berichtet. Von Mitte März bis Anfang April meldete das Robert Koch-Institut (RKI) täglich bis zu 6000 neue Fälle. Mittlerweile liegt die Anzahl der neuen Meldungen pro Tag unter 1000 (RKI, Stand 04.05.2020).
Wegen der Ähnlichkeit des neuen Virus aus der Corona-Familie mit den Viren, die das Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS) und das Middle Eastern Respiratory Syndrome (MERS) verursachten, wurde es SARS-Corona-Virus-2 oder kurz SARS-CoV-2 und die Atemwegserkrankung, die es verursacht, Covid-19 (Corona Virus Disease 19) genannt. Ähnlich wie in der Influenza-A(H1N1)-Pandemie im Jahr 2009 waren auch bei den SARS-Ausbrüchen in den Jahren 2002 und 2003 sowie bei den MERS-Ausbrüchen seit 2012 Beschäftigte im Gesundheitswesen besonders betroffen (Kuster et al. 2013; Lietz et al. 2016; Ho et al. 2005; Poon et al. 2004; Lee et al. 2003; Booth et al. 2003; Oraby et al. 2020).
Noch gibt es nur wenige offizielle Zahlen zur Gefährdung der Beschäftigten im Gesundheitswesen. Die WHO schätzt mit Datum vom 08.04.2020, dass über 20 000 Beschäftigte im Gesundheitswesen aus 52 Ländern an Covid-19 erkrankt sind (WHO 11.04.2020). Allein in Italien gab es bis zum 10.04.2020 bei Beschäftigten im Gesundheitswesen 15 314 SARS-CoV-2-Infektionen. Das waren 11% aller bekannten Infektionen in Italien (Istituto Superiore di Sanità, Italien, 10.04.2020). In China war der Anteil der Beschäftigten im Gesundheitswesen an den Infizierten und Erkrankten am Anfang der Epidemie besonders hoch (Min Zhang 2020). Die Verbesserung der Schutzmaßnahmen und die bessere Anwendung von persönlicher Schutzausrüstung scheinen das Risiko im weiteren zeitlichen Verlauf deutlich verringert zu haben (National Health Commission, China, 2020). Das Beispiel von Singapur zeigt, dass ein Infektionsschutz für Beschäftigte im Gesundheitswesen möglich ist. Nach der SARS-Epidemie in den Jahren 2002/2003 wurde in Singapur ein Pandemieplan ausgearbeitet, der unter anderem auch die Bevorratung von persönlicher Schutzausrüstung beinhaltete. Dadurch bestand in Singapur – im Gegensatz zu anderen Ländern – kein Engpass und die Beschäftigten im Gesundheitswesen konnten optimal geschützt werden (Koh 2020). Nur am Rande sei erwähnt, dass der Pandemieplan die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Fremdarbeiter offensichtlich nicht ausreichend berücksichtigte. Ein folgenschwerer Fehler, der dazu führte, dass sich Singapur nun mit einer neuen Welle an SARS-CoV-2-Infektionen konfrontiert sieht.
Für Deutschland gibt es bisher nur wenige publizierte Zahlen zum Infektionsgeschehen bei Beschäftigten im Gesundheitswesen. Entsprechend einer mündlichen Information wurde in München bei etwa 10 % der rund 1000 untersuchten Beschäftigten im Gesundheitswesen SARS-CoV-2 gefunden. In den Anfängen der Testungen auf Antikörper nannte ein Hamburger Labor einen Anteil von 3 % positiver Ergebnisse bei rund 2000 Tests, die überwiegend bei Beschäftigten im Gesundheitswesen durchgeführt worden waren (persönliche Mitteilung). Für Aufregung sorgten zwei Chefärzte aus Nordrhein-Westfalen (NRW), die nach einem Skiurlaub positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden und nach dem Urlaub bereits Kontakt zu Erkrankten und Kolleginnen/Kollegen hatten (persönliche Mitteilung). Ähnliche Fälle sind aus Österreich bekannt. Nach arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen in einem Krankenhaus in NRW mit 1300 Beschäftigten hatten 150 von den abgestrichenen Beschäftigten SARS-CoV-2-positive Befunde (persönliche Mitteilung).
Am Universitätsklinikum Münster wurde am 29.02.2020 der erste Covid-19-Patient diagnostiziert (Schwierzeck et al 2020). Bis zum 17.04.2020 wurden insgesamt 242 Patientinnen und Patienten positiv auf SARS-CoV-2 getestet. Abstriche und eine Untersuchung mittels qRT-PCR wurden bei insgesamt 957 Beschäftigten des Klinikums durchgeführt. Dabei waren 52 (5,4 %) positiv in der qRT-PCR. Von diesen 52 positiv getesteten Beschäftigten im Gesundheitswesen hatten 39 (75 %) Kontakt zu infektiösen Patientinnen/Patienten oder im Kollegenkreis. Danach beträgt der Anteil der wahrscheinlich beruflich bedingten Infektionen an allen SARS-CoV-2-Infektionen in dem untersuchten Kollektiv 75 %.
Das RKI berichtet regelmäßig über die Anzahl der Covid-19-Fälle bei in medizinischen Einrichtungen Tätigen gemäß § 23 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Zu den Einrichtungen zählen beispielsweise Krankenhäuser, ärztliche Praxen, Dialyseeinrichtungen und Rettungsdienste. Von den 9885 Fällen unter dem Personal in medizinischen Einrichtungen waren 72 % weiblich und 28 % männlich. Der Altersmedian lag bei 41 Jahren. Der Anteil der Genesenen war mit 88 % etwas höher als bei allen gemeldeten Fällen (81,3 %). Der Anteil der Verstorbenen ist mit 0,2 % deutlich geringer als bei allen gemeldeten Fällen (4,1 %). Ähnliches gilt für die 7433 gemeldeten Fälle bei Tätigen in Betreuungseinrichtungen (z. B. Pflegeheimen). Hier betrug der Anteil der Verstorbenen 0,4% (RKI 04.05.2020).
Es ist nicht bekannt, ob die Betroffenen in medizinischen Einrichtungen oder Betreuungseinrichtungen bei ihrer Tätigkeit oder außerhalb der Einrichtungen infiziert wurden. Die relative hohe Anzahl von Beschäftigten aus Betreuungseinrichtungen stammt überwiegend aus Altenpflegeeinrichtungen (➥ Tabelle 1).
Neben der Infektionsgefährdung führt die Covid-19-Pandemie zu weiteren Belastungen für Beschäftigte im Gesundheitsdienst. Überfüllte Intensivstationen, überfüllte Notaufnahmen, lange Arbeitszeiten, um den Ausfall von Kolleginnen und Kollegen, die erkrankt oder in Quarantäne sind, auszugleichen, das fortwährende Tragen von persönlicher Schutzausrüstung, die Isolation von Erkrankten und insbesondere von Bewohnerinnen und Bewohnern in Alten- und Pflegeeinrichtungen, zusätzliche administrative Aufgaben durch Meldepflicht, Task-Force-Besprechungen und Umgebungsuntersuchungen, begrenzte Kontakte im Kollegenkreis und die Furcht, die Infektion in die eigene Familie zu tragen, sind Faktoren, die zur Erschöpfung und psychischen Überforderung der Beschäftigten führen können (Jing Huang et al. 2020; Fraher et al. 2020). Neben dem Infektionsschutz sollten diese Aspekte der Pandemie bedacht und entsprechende Unterstützungsangebote entwickelt werden. Eine Arbeitsgruppe der WHO weist daher darauf hin, dass die Pandemie nicht dazu führen dürfe, dass sich die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen verschlechtern und Arbeitsschutzstandards nicht mehr eingehalten werden (WHO Ad hoc Working Group).
Weder H1N1 noch SARS oder MERS haben bei den als Berufskrankheiten gemeldeten Infektionen zu einem wesentlichen Anstieg der gemeldeten Infektionen geführt (Nienhaus 2018). Da es bei der Covid-19-Pandemie aufgrund der Erfahrungen in China und Italien klar war, dass diese Epidemie nicht schnell beendet sein wird und schwerwiegende Verläufe bis hin zu Todesfällen wahrscheinlich sind, hat die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) ein eigenes Erfassungssystem für SARS-CoV-2-Fälle bei ihren Versicherten eingerichtet. Alle gemeldeten Fälle werden zusätzlich zu der standardisierten Erfassung von Berufskrankheitenanzeigen in der Dokumentation des Berufskrankheiten-Geschehens (BK-DOK) gesondert erfasst, um fortlaufende Auswertungen zu ermöglichen.
Zielstellung
Im Folgenden soll über die gemeldeten Fälle von SARS-CoV-2-Infektionen und Covid-19-Erkrankungen bei der BGW (Stand vom 30.04.2020) berichtet werden. Ferner werden die Hilfsangebote der BGW für Beschäftigte im Gesundheitswesen angesichts der Pandemie vorgestellt.
Methode
Die Verdachtsanzeigen wegen einer Berufskrankheit werden in der BK-DOK der Unfallversicherungsträger (UVT) regelmäßig standardisiert erfasst. Die BK-DOK erlaubt aber nicht die getrennte Erfassung neuer Infektionskrankheiten, da hierfür keine Ziffern vorgehalten werden. Deshalb werden bei der BGW alle Meldungen, die sich auf SARS-CoV-2 oder Covid-19 beziehen, seit dem 01.03.2020 systematisch von den Bezirksstellen, bei denen sie eingehen, in einem getrennten Dokumentationssystem erfasst. Registriert werden neben Beruf und Branche, die Meldepflicht, ob eine Testung durchgeführt wurde, das Ergebnis des Tests, der Verlauf der Erkrankung sowie die Ausheilung beziehungsweise der Tod.
Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, den Verdacht auf Vorliegen einer Berufskrankheit entweder den Landesgewerbeärztinnen/-ärzten oder dem zuständigen UVT zu melden. Die Prüfung der Zuständigkeit obliegt allerdings nicht den Ärztinnen und Ärzten, sondern den UVT. Diese prüfen, ob sie für die Meldung beziehungsweise für die betroffene Person zuständig sind und geben die Meldung gegebenenfalls weiter an den zuständigen UVT. Das Gleiche geschieht mit den Meldungen an die Landesgewerbeärztinnen/-ärzte. Auch sie geben die Meldungen weiter an die zuständigen UVT.
Eine Covid-19-Erkrankung, die vermutlich beruflich verursacht wurde, ist daher den UVT oder dem Landesgewerbeamt zu melden. Das berührt oder ersetzt nicht die Meldepflicht nach dem IfSG an das Gesundheitsamt. Einschränkend muss erwähnt werden, dass die Berufskrankheit (BK) 3101, unter die Covid-19 fällt, nur für vier Gruppen gilt: Beschäftigte im Gesundheitswesen, in der Wohlfahrtspflege, im Labor und Beschäftigte mit Tätigkeiten, bei denen ein erhöhtes, mit dem Gesundheitswesen vergleichbares Infektionsrisiko besteht (Merkblatt BK 3101). Bei allen anderen Konstellationen wird geprüft, ob ein Arbeitsunfall vorliegt.
Meldepflicht besteht, wenn die Krankheit diagnostiziert wurde oder wenn der begründete Verdacht auf Vorliegen einer bestimmten Krankheit besteht. Bei Covid-19 ist Letzteres nach Kontakt zu infektiösen Erkrankten oder Materialien gegeben, wenn im zeitlichen Zusammenhang Covid-19-typische Symptome auftreten: Husten, Fieber, Störung des Geruchs- und Geschmacksinns usw. Entsprechende Meldungen können einen Leistungsanspruch entsprechend der BK-Verordnung begründen. Die Meldung von reinen
Kontakten ohne Hinweise auf eine entsprechende Erkrankung ist nicht meldepflichtig und begründet in der Regel keinen Leistungsanspruch.
Es wird lediglich erfasst, ob ein Test durchgeführt wurde und wie der Test ausgefallen ist (positiv/negativ). Es wird nicht erfasst, welcher Test durchgeführt wurde. Am Anfang standen lediglich der Mund-Nasen-Abstrich und die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) zur Verfügung. Mittlerweile gibt es auch Antikörpertests. Die Daten erlauben hier keine Differenzierung. Ein Krankheitsverlauf wird als schwer eingestuft, wenn eine Hospitalisierung notwendig war.
Die Daten zu den einzelnen Meldungen werden beim Eingang der Meldungen erfasst und die Sachbearbeiterinnen und -bearbeiter der BGW nehmen möglichst schnell Kontakt zu den Versicherten auf, um fehlende Angaben zu recherchieren und möglichst früh einen Unterstützungsbedarf abzuklären. Die meisten Fälle wurden bisher noch nicht offiziell entschieden. Daher liegen noch keine Informationen zur Bestätigung des BK-Verdachts vor.
Ergebnisse
Bis zum 30.04.2020 wurden bei der BGW 7506 Fälle gemeldet. Davon wurden 1920 (25,6 %) als meldepflichtig eingestuft. Bei 6601 Meldungen lag eine Testung vor. Das Testergebnis war aber nur bei 4588 (69,5 %) Meldungen bekannt. Von diesen Testungen waren 1576 (34,4 %) positiv. Einschätzungen zum Verlauf der Erkrankung liegen für 1601 (83,4 %) der meldepflichtigen Fälle vor. Das bedeutet, für 25 (1,6 %) dieser Meldungen gibt es bisher keine Angaben zur Testung. Einen leichten Verlauf hatten 1507 (94,1 %), einen schweren Verlauf 59 (3,7 %). Gestorben sind fünf (0,3%) Versicherte und wieder genesen 30 (1,9 %) Versicherte (➥ Tabelle 2).
Die Mehrzahl der gemeldeten Fälle mit bekanntem Testergebnis betreffen Kliniken (79,3 %). Allerdings wurden hier nur 15,3 % der Betroffenen positiv getestet. Aus der stationären oder ambulanten Pflege kommen 803 Meldungen (12,2 %). Von diesen Meldungen hatten 69,9 % ein positives Testergebnis. Der Anteil der Meldungen aus Arztpraxen ist mit 4,9 % relativ gering. Der Anteil positiver Tests beträgt hier 37,5 %. Der Anteil der schweren Verläufe in der gesamten Stichprobe liegt bei 3,4 %. Bei Meldungen, die Arztpraxen betreffen, ist der Anteil mit 12,5 % am höchsten. Die fünf Todesfälle betreffen Kliniken (n = 2) und die Altenpflege (n = 3; ➥ Tabelle 3).
Die meisten gemeldeten Fälle mit bekanntem Testergebnis betreffen Beschäftigte aus der Kranken- und Altenpflege (61,3 %). Danach folgen Ärztinnen und Ärzte mit insgesamt 1069 (16,2 %) Meldungen. Der Anteil positiver Testergebnisse beträgt im Durchschnitt 23,9 %. Die Häufigkeitsverteilungen in den Berufsgruppen ähneln sich. Schwere Verläufe sind bei Ärztinnen und Ärzte etwa doppelt so häufig wie bei den anderen Berufsgruppen (8,3 % im Vergleich zum Durchschnitt von 3,7 % bzw. 3,1 %, wenn die Ärzte beim Durchschnitt nicht berücksichtigt werden). Die Todesfälle betreffen jedoch die Kranken- und Altenpflege (n = 4) sowie die Sozialpflege (n = 1; ➥ Tabelle 4).
Hilfsangebote der BGW, insbesondere Beratungsangebote zu psychischen Belastungen
Das Angebot „BGW-Coaching“ wurde kurzfristig als Telefon- oder Videocoaching mit dem Schwerpunkt „Krisen-Coaching“ verfügbar gemacht. Die Coaches stammen aus dem Coach- und Beraterpool der BGW. Sie wurden für diese Aufgabe speziell vorbereitet, damit sie wichtige Informationen der BGW (Meldepflicht, FAQ-Seite) sachgerecht in die Gespräche einfließen lassen können. Regelmäßige Reflexionstreffen stellen die Qualität der Maßnahme sicher und sorgen dafür, dass für die BGW relevante Informationen und Fragestellungen zurückfließen. Bislang wurden 109 Anfragen aus den folgenden Branchen an die Beratungskräfte gerichtet: ambulante (n = 21) und stationäre (n = 38) Altenpflege, Arztpraxen (n = 12), Krankenhaus (n = 5), Behindertenhilfe (n = 9) und sonstige (n = 24), Stand 15.04.2020. Ferner werden die probatorischen Sitzungen, die normalerweise nach Unfällen durch traumatisierende Ereignisse wie gewaltsame Übergriffe angeboten werden, auch allen Beschäftigten angeboten, die aufgrund der Pandemie an Symptomen von Burnout, psychischer Erschöpfung oder anderen Formen des Post-Pandemie-Syndroms leiden.
Diskussion
Corvid-19 hat das beruflich bedingte Infektionsgeschehen in Deutschland völlig verändert. In den vergangenen Jahren wurden jährlich etwa 10.000 Anzeigen auf Verdacht einer BK 3101 bei der BGW gestellt. Von diesen gemeldeten Fällen waren 800 bis 1000 jeweils meldepflichtig (Nienhaus 2018). In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden wegen SARS-CoV-2 und Covid-19 bereits 7500 Verdachtsanzeigen, von denen 1920 meldepflichtig waren, bei der BGW erstattet. Fünf Todesfälle und 59 Erkrankungen mit schwerem Verlauf zeigen die besondere Betroffenheit von Beschäftigten im Gesundheitswesen.
Die Rate schwerer Verläufe ist bei Ärztinnen und Ärzte doppelt so hoch wie bei den übrigen Beschäftigten (8,3 % versus 3,1 %). Das kann durch ein gegenüber den übrigen Berufsgruppen unterschiedliches Test- und Meldeverhalten begründet sein. Möglicherweise lassen sich Medizinerinnen und Mediziner seltener testen, wenn sie nur milde Symptome haben, so dass diese Fälle bei ihnen untererfasst werden. Es könnte aber auch sein, dass die höhere Rate schwerer Verläufe durch eine höhere Expositionsart begründet ist. In der Literatur wird darüber diskutiert, dass eine Exposition mit einer höheren Virenlast das Risiko für schwere Verläufe erhöht (Wander 2020). Die Durchführung von Bronchoskopien, Intubationen oder Untersuchungen im Kopfbereich könnte zu höheren Expositionen führen als bei Tätigkeiten in der Pflege.
Der hohe Anteil an leichten Verläufen (94 %, s. Tabelle 2) kann zum einen darin begründet sein, dass jüngere Menschen weniger häufig schwere Verläufe zeigen als ältere (RKI 2020). Es könnte aber auch darin begründet sein, dass bei Beschäftigten im Gesundheitswesen eine aktivere Fallfindung im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen beziehungsweise arbeitsmedizinischer Vorsorge stattfindet. Dadurch werden Fälle entdeckt, die aufgrund ihrer Symptomarmut ansonsten nicht erfasst worden wären.
In der „Heinsberg Studie“ von Streek et al. (2020) waren 15 % der Population infiziert und die Mortalitätsrate unter den Infizierten betrug 0,36 % (95 %-CI 0,29–0,45). Das Alter des untersuchten Kollektivs betrug im Median 53 Jahre (min-max: 1–90 Jahre). Die bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen ermittelte Mortalitätsrate unter den Infizierten ist sehr ähnlich, sowohl nach den Beobachtungen des RKI als auch der BGW (0,2–0,4 %). Für die Datensätze des RKI und der BGW liegen keine Altersangaben vor. Es handelt sich aber um Kollektive von Berufstätigen. Daher dürfte der Altersdurchschnitt ebenfalls deutlich unter 60 Jahren liegen.
Insbesondere die hohe Sterblichkeit unter den infizierten Beschäftigten zeigt, wie wichtig ein ausreichender Schutz im Gesundheitswesen ist. Vorübergehend gab es Engpässe bei der Beschaffung der entsprechenden Schutzausrüstung. Deshalb empfiehlt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA 2020), dass außerhalb des Gesundheitswesens nur nichtmedizinischer Mund-Nasen-Schutz verwendet wird (z. B. selbst gefertigte Stoffmasken). Medizinischer Mund-Nasen-Schutz mit entsprechender Kennzeichnung oder FFP2/3-Masken sollen für Beschäftigte im Gesundheitswesen reserviert bleiben. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Versicherungsschutz durch die Unfallversicherung auch gegeben ist, wenn keine ausreichende persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung stand oder wenn diese nicht benutzt wurde. Das darf aber kein Grund sein, den Infektionsschutz bei Beschäftigten zu vernachlässigen, da diese auch Patientinnen und Patienten infizieren können. Fast noch wichtiger ist, dass wir es uns gerade jetzt nicht leisten können, Beschäftigte im Gesundheitswesen durch Krankheit zu verlieren, weil der Infektionsschutz nicht ausreichend war. Ferner besteht die moralische Verpflichtung, durch einen guten Infektionsschutz die Sorgen der Beschäftigten um ihre eigene Gesundheit und der ihrer Angehörigen zu verringern.
Schlussfolgerungen
Noch ist das Wissen über die Ausbreitung von SARS-CoV-2-Infektionen bei Beschäftigten im Gesundheitswesen relativ gering. Durch die systematische Auswertung der arbeitsmedizinischen Untersuchungen, die zurzeit durchgeführt werden, sollte diese Lücke möglichst schnell geschlossen werden.
Danksagung. Wir bedanken uns bei den Sachbearbeiterinnen und -bearbeitern der BGW, die die Daten zu den Covid-19-Fällen in einer zusätzlichen Datenbank einpflegen. Ferner bedanken wir uns bei allen Beschäftigten im Gesundheitswesen, die trotz der Infektionsgefahr und der psychischen Belastung die Gesundheitsversorgung aufrechterhalten.
Interessenkonflikt. Die Forschungsarbeiten des CVcare am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) werden überwiegend von der BGW gefördert. Die BGW nimmt keinen Einfluss auf die Publikation der Forschungsergebnisse.
Literatur
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Empfehlungen der BAuA zum Einsatz von Schutzmasken im Zusammenhang mit SARS-CoV-2, Stand 27.4.2020 (https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Biostoffe/FA…).
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Merkblatt zur BK Nr. 3101: Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war Merkblatt für die ärztliche Untersuchung, Bek. des BMA v. 1.12.2000, BArbBl. 1/2001, S. 35 (https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Beruf…).
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Kontakt:
Prof. Dr. med. Albert Nienhaus
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
Abteilung Arbeitsmedizin, Gefahrstoffe und Gesundheitswissenschaften (AGG)
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