Identification and evaluation of tools for implementing psychosocial risk assessment at the workplace
Objective: One difficulty for companies in the implementation of psychosocial risk assessments in the workplace lies in the selection of suitable tools for assessing work-related psychosocial stress factors. The aim of the project was to identify psychosocial risk assessment tools and to develop and apply criteria for examining these tools.
Methods: The first step was to conduct a search for tools by using the BAuA-Toolbox, PSYNDEX, Google Scholar and websites of accident insurance providers. The second step was to develop criteria for examining the inclusion of tools and criteria for further evaluation. Existing quality policies and feedback from experts were considered in the process. All the identified tools were then examined independently by two reviewers using the developed criteria.
Results: Overall, 170 tools were identified. Six criteria that tools must meet in order to be included were developed: 1. goal orientation through the assessment of psychosocial stress, 2. and 3. user orientation through comprehensible information for the application and the analysis, 4. user orientation for respondents through, e.g. comprehensible questionnaires, 5. involvement of employees in the psychosocial risk assessment process and 6. empirically tested validity and reliability. Eleven further evaluation criteria regarding information on possible areas of application, consideration of work patterns from the Joint German Occupational Safety and Health Strategy (GDA) and support in deriving measures are used as information for the presentation of the tools. Overall, 51 tools were included. The majority determine psychosocial stress by means of a questionnaire (n = 24), workshop (n = 13) or observational interview (n = 12).
Conclusions: The search results show the existing variety of psychosocial risk assessment tools in German-speaking countries. The criteria developed for examining these instruments can be confirmed by comparable projects and significantly reduced the number of tools included. These will be made available to companies in an online tool.
Keywords: occupational safety and health – risk assessment – psychosocial stress – assessment tools – inclusion and evaluation criteria
doi:10.17147/asu-1-189982
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2022 57: 316–323
Identifizierung und Prüfung von Instrumenten zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung in Unternehmen
Zielstellung: Eine Schwierigkeit für Unternehmen bei der Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (GB-Psych) liegt in der Auswahl geeigneter Instrumente zur Erhebung arbeitsbedingter psychischer Belastungsfaktoren. Ziel des Projekts war es, Instrumente zur Durchführung der GB-Psych zu identifizieren sowie Kriterien zur Prüfung dieser Instrumente zu entwickeln und anzuwenden.
Methoden: Zunächst erfolgte eine Instrumentenrecherche in der BAuA-Toolbox, bei PSYNDEX, Google Scholar und Unfallversicherungsträgern. Im zweiten Schritt wurden Kriterien für die Prüfung eines Einschlusses von Instrumenten sowie Kriterien für eine weitere Bewertung entwickelt. Dabei wurden bestehende Qualitätsgrundsätze und Rückmeldungen von Expertinnen/Experten einbezogen. Anhand der Kriterien wurden anschließend alle identifizierten Instrumente unabhängig von zwei Beurteilenden geprüft.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 170 Instrumente identifiziert. Sechs Kriterien wurden entwickelt, die Instrumente für einen Einschluss erfüllen müssen: 1. Zielorientierung durch die Erhebung psychischer Belastung,
2. und 3. Nutzungsorientierung für Anwendende durch verständliche Informationen für die Durchführung und die Auswertung, 4. Nutzungsorientierung für Befragte durch z. B. verständliche Fragebögen, 5. Einbezug von Beschäftigten im GB-Psych-Prozess und 6. empirisch geprüfte Validität und Reliabilität. Elf weitere Bewertungskriterien zur Angabe möglicher Einsatzbereiche, Berücksichtigung von Merkmalsbereichen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) und Hilfestellung bei der Maßnahmenableitung dienen als Information für die Darstellung der Instrumente. Insgesamt wurden 51 Instrumente eingeschlossen. Die Mehrheit ermittelt psychische Belastung mittels Fragebogen (n = 24), Workshop (n = 13) oder Beobachtungsinterview (n = 12).
Schlussfolgerungen: Die Rechercheergebnisse zeigen die existierende Instrumentenvielfalt im deutschsprachigen Raum. Die entwickelten Kriterien zur Prüfung dieser Instrumente können durch vergleichbare Vorhaben bestätigt werden und reduzierten die Anzahl der eingeschlossenen Instrumente deutlich. Diese werden Unternehmen in einem Online-Tool zugänglich gemacht.
Schlüsselwörter: Arbeitsschutz – Gefährdungsbeurteilung – psychische Belastung – Erhebungsinstrumente – Einschluss- und Bewertungskriterien
Einleitung
Psychische Belastung und Beanspruchung im Arbeitskontext
Die Bedingungen der Arbeitswelt und damit zusammenhängend die Anforderungen und Belastung im Arbeitskontext unterliegen einer fortlaufenden Entwicklung (GDA 2018). Eine Folge dieser Veränderungen ist die Zunahme an Bedeutung und Einfluss psychischer Belastungsfaktoren und Anforderungen für die Beschäftigten und die Arbeitswelt allgemein (GDA 2018). Nach der DIN EN ISO 10075-1 (2018) wird psychische Belastung als „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ definiert. Psychische Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz werden von der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) darauf aufbauend in fünf Merkmalsbereiche mit diversen untergeordneten Merkmalen kategorisiert. Demnach resultiert psychische Belastung aus der Gestaltung der Arbeitsaufgabe (z. B. dem Handlungsspielraum), der Arbeitsorganisation (z. B. dem Arbeitsablauf und der Arbeitszeit), den sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz (z. B. zu Kolleginnen/Kollegen), der Gestaltung der Arbeitsumgebung (z. B. der Bereitstellung von Arbeitsmitteln) und der Umsetzung neuer Arbeitsformen (z. B. der zeitlichen Flexibilisierung und reduzierten Abgrenzung) (GDA 2017a). In Erwerbstätigenbefragungen nennen rund zwei Drittel der Befragten fehlende oder geringe Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten. Jeder Zweite gibt in Bezug auf die Arbeitsintensität häufige Unterbrechungen des Arbeitsablaufs und Zeitdruck an, zwei Drittel der Betroffenen nehmen diese Faktoren subjektiv als beanspruchend wahr (DGB-Index Gute Arbeit 2020; Lück et al. 2019). Demgegenüber verfügt ein Großteil der Beschäftigten über die Ressource der Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen (DGB-Index Gute Arbeit 2020; Lück et al. 2019). Übergeordnet ist anzumerken, dass jede oder jeder sechste Beschäftigte in Deutschland unter Bedingungen arbeitet, die durch hohe Anforderungen und wenige arbeitsbedingte Ressourcen gekennzeichnet sind und von ihnen als negativ beanspruchend wahrgenommen werden (DGB-Index Gute Arbeit 2020).
Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz können im Zusammenhang mit einer gestiegenen Arbeitsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen stehen. Im Jahr 2019 waren psychische Erkrankungen nach Muskel-Skelett-Erkrankungen mit 11,9 % die zweithäufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit (Meyer et al. 2020). Der Anteil von psychischen Erkrankungen an Krankheitstagen hat dabei über die letzten 11 Jahre um 67,5 % zugenommen (AOK Fehlzeitenreport 2020). Hinzu kommt, dass Personen, die psychisch erkranken, besonders lange krank sind: Die Arbeitsunfähigkeitsdauer bei psychischen Erkrankungen ist mit 27 Tagen mehr als doppelt so lang wie die durchschnittliche Ausfallzeit bei körperlichen Erkrankungen (AOK Fehlzeitenreport 2020). Psychische Belastungsfaktoren können somit oft langfristige, gesundheitsbeeinträchtigende Wirkungen nach sich ziehen und stellen ein an Bedeutung zunehmendes Thema für den Arbeitsschutz dar (Rau u. Buyken 2015). Um negativen Folgen für die psychische Gesundheit entgegenzuwirken, gilt es, psychische Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz zu identifizieren und Maßnahmen zur Prävention und zur Reduktion potenziell negativer Folgen von Belastung zu entwickeln.
Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (GB-Psych) am Arbeitsplatz
Seit 2013 müssen dem Arbeitsschutzgesetz zufolge neben körperlichen Belastungsfaktoren auch psychische Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung überprüft werden, um Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit der Beschäftigten zu vermeiden und möglichst gering zu halten (§§ 4–5 ArbSchG). Im Arbeitskontext muss somit durch die Unternehmensleitung eine Ermittlung, Beurteilung und Reduktion der mit der Arbeit verbundenen psychischen Gefährdungen gewährleistet werden (Beck et al. 2017; Herbst 2013).
Untersuchungen zur Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes weisen auf eine geringfügige, defizitäre Durchführung der GB-Psych im Arbeitskontext hin (Amler et al. 2018; Beck u. Schuller 2020; Irastorza 2020). Insbesondere in Kleinst-, kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) wird die Gefährdungsbeurteilung und vor allem die zur psychischen Belastung nur selten umgesetzt (Amler et al. 2018, Beck u. Schuller 2020, Irastorza et al. 2016). Untersuchungen zeigen, dass 30–50 % von befragten KMU keine Gefährdungsbeurteilung durchführen (Amler et al. 2018; Irastorza et al. 2016) und nur 20–30 % derer, die eine Gefährdungsbeurteilung umsetzen, erheben dabei psychische Belastungsfaktoren (Amler et al. 2018; Beck u. Lenhardt 2019). Zudem legt ein Drittel der Betriebe, die Gefährdungsbeurteilungen anwenden, den Fokus nur auf Bereiche mit besonderer Gefährdung (Amler et al. 2018). Diese fehlende Vollständigkeit der Gefährdungsbeurteilung sowie auch ihre Qualität stehen dabei im Zusammenhang mit der Betriebsgröße. Je kleiner der Betrieb, desto seltener wird eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt und desto geringer ist ihre Qualität (Amler et al. 2018, Irastorza et al. 2016).
Herausforderungen bei der Umsetzung der GB-Psych im Arbeitsschutzprozess
Die Ursachen für die nicht flächendeckende und unvollständige GB-Psych sind vielfältig. Eine zentrale Problematik bei der Umsetzung der GB-Psych entsteht durch die hohe Komplexität und Interdependenzen der psychischen Belastungsfaktoren (Beck 2019; Schuller 2019; Zwingmann et al. 2015). Diese stehen im Kontrast zu den im betrieblichen Arbeitsschutz bekannten, übersichtlicheren technisch-stofflichen Gefährdungen der physischen Gesundheit, was zur Folge hat, dass psychische Belastungsfaktoren der Arbeit in ihrer Bedeutung weiterhin den physischen Belastungsfaktoren untergeordnet werden (Beck 2019). Die Wahrnehmung einer geringen Bedeutung von GB-Psych spiegelt sich in grundlegenden Überzeugungen von Führungskräften und Beschäftigten wider. Dabei werden die Ursachen von psychischen Erkrankungen oft im privaten Umfeld gesehen und die GB-Psych demnach nicht auf betriebliche Aspekte ausgerichtet (Schuller 2019). Zudem wird der Aufwand der Durchführung insbesondere im Vergleich zum gering eingeschätzten Nutzen von GB-Psych als zu hoch bewertet (GDA 2017b). Darüber hinaus werden keine Einflussmöglichkeiten auf psychische Belastungsfaktoren und ihre Folgen (Schuller 2019) oder generell keine Gefährdungen erkannt (GDA 2017b).
Neben diesen den Prozess hemmenden Überzeugungen sind weitere Herausforderungen bei der Umsetzung der GB-Psych fehlende Klarheiten über Verantwortungsstrukturen und Zuständigkeiten (Beck 2019; Schuller 2019), fehlende Bereitschaft zur Veränderung von grundlegenden betrieblichen Strukturen (Schuller 2019) und nicht ausreichende zeitliche, finanzielle oder personelle Ressourcen (Sczesny et al. 2014).
Bei der Organisation und Durchführung der GB-Psych sind außerdem konfligierende Interessen (gesundheitsfokussierte und präventive vs. wirtschaftliche und finanzielle Interessen) sowie eine Einbindung interner und/oder externer Expertinnen und Experten zu berücksichtigen (Beck 2019). Die letztendliche Gestaltung und Durchführung der GB-Psych sowie die Ableitung von Maßnahmen ergeben sich somit aus einem komplexen, idealerweise partizipativen Kompromissbildungsprozess (Beck 2019; Mikkelsen et al. 2000).
In einigen Branchen bestehen bereits Maßnahmen zur Reduzierung psychischer Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz, die nicht direkt in den Arbeitsschutzprozess oder der Durchführung einer GB-Psych eingebettet sind, sondern auf die grundlegenden Strukturen der Arbeit zurückzuführen sind, wie Teambesprechungen, Supervisionen oder berufliche Weiterbildungen (Beck 2019; GDA 2017b). Diese bereits bestehenden Maßnahmen müssen ebenfalls mit der GB-Psych und den grundlegenden Anforderungen des Arbeitsschutzes vereinbart werden (Beck 2019).
Eine weitere Herausforderung der komplexen, interdependenten Natur psychischer Belastungsfaktoren zeigt sich in der Auswahl und Anwendung angemessener Erhebungsmethoden und Verfahren zur GB-Psych (Beck 2019; Schuller 2019). Die Durchführung der GB-Psych wird zwar gesetzlich vorgeschrieben, allerdings erfolgen keine allgemeinverbindlichen Vorgaben oder Orientierungshilfen zu konkreten Erhebungsinstrumenten, mit denen psychische Belastungsfaktoren erfasst werden können und sollten (GDA 2017b; Zwingmann et al. 2015). Gleichzeitig hat die Vielschichtigkeit dieser Faktoren zur Folge, dass bestehende Methoden zur Messung, Bewertung und Gestaltung von stofflich-technischen Gefährdungen nicht für die Erhebung psychischer Belastungsfaktoren übernommen werden können (Beck 2019). Bereits im Betrieb bekannte Erhebungsinstrumente für psychische Belastungsfaktoren werden oft nicht für die spezifischen, betrieblichen Anforderungen als passend erlebt (GDA 2017b). Die GB-Psych kann somit nicht in bereits vorhandene Arbeitsschutzprozesse integriert werden, sondern angemessene Erhebungsmethoden sowie angepasste Strukturen des Gefährdungsbeurteilungsprozesses müssen zunächst entwickelt und ausgestaltet werden (Beck 2019). Eine weitere Problematik zeigt sich in diesem Zuge durch unzureichendes Fachwissen oder fehlende Expertinnen/Experten sowie kaum bis geringfügig vorhandene Erfahrungen mit GB-Psych im Betrieb (Beck 2019; Beck u. Lenhardt 2019). Somit sind oft Möglichkeiten der Umsetzung der GB-Psych und Anforderungen an Verfahrensweisen nicht ausreichend bekannt und bedürfen einer zeitintensiven Einarbeitung (Beck 2019; Zwingmann et al. 2015).
Durch die angeführten Herausforderungen, mit denen sich Unternehmen in der Umsetzung der GB-Psych konfrontiert sehen, und die fehlenden Vorgaben und Orientierungshilfen zur Integration der GB-Psych in den Arbeitsschutzprozess ist ein fortschreitender Lern- und Entwicklungsprozess mit Anpassungen und Veränderungen vor der eigentlichen Implementierung der GB-Psych notwendig (Beck 2019). Aktuelle Untersuchungen zur Umsetzung der GB-Psych in der Praxis weisen somit auf ein enormes Defizit sowie auf großen Unterstützungsbedarf hinsichtlich der Ermittlung und Bewertung von Gefährdungen hin. Ein zentraler Unterstützungsbedarf, der sich aus der Komplexität psychischer Belastungsfaktoren ergibt, liegt dabei in der Auswahl geeigneter Erhebungsinstrumente.
Zielstellung
Der vorliegende Beitrag berichtet von dem Forschungsprojekt „GB-Psych Kompass“, das von der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg beauftragt wurde. Das Gesamtziel des Forschungsprojekts besteht darin, ein Online-Tool zu entwickeln, das Anwendende aus Unternehmen und insbesondere aus KMU bei der Auswahl von Instrumenten zur Durchführung der GB-Psych unterstützt. An dieser Stelle wird der erste Teil des Projekts zur inhaltlichen Entwicklung dieses Tools vorgestellt, die im März 2020 begann. Ziele waren dabei
Es handelt sich um ein fortlaufendes Projekt, von dem zum Stand vom Januar 2022 berichtet wird. Neu entwickelte oder überarbeitete Instrumente werden zukünftig regelmäßig recherchiert, nach den Kriterien geprüft und die Datenbasis entsprechend aktualisiert.
Methoden
Identifizierung von Instrumenten
Als erster Schritt erfolgte eine unsystematische Literaturrecherche nach Instrumenten zur Durchführung der GB-Psych von März bis Juli 2020. Die Recherche erfolgte in der Toolbox von Instrumenten zur Erfassung psychischer Belastungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (Richter 2010), in der elektronischen Datenbank PSYNDEX, in Google Scholar sowie auf den Internetseiten der Unfallversicherungsträger in Deutschland. Im Projektverlauf wurden weitere Instrumente durch den Austausch mit Expertinnen eines Unfallversicherungsträgers und eines Unternehmensverbands sowie durch die Recherche und Anfrage nach Informationen zu Instrumenten bei herausgebenden Verlagen und Universitäten identifiziert. Berücksichtigt wurden zunächst alle Instrumente, aus denen hervorging, dass sie arbeitsbezogene psychische Belastungsfaktoren erheben oder zur GB-Psych dienen können. Nicht-deutschsprachige Instrumente wurden nicht einbezogen. Alle identifizierten Instrumente wurden in einem standardisierten Tabellenblatt (Instrumentensammlung) gelistet. Darin wurden Informationen zum Instrumentennamen, Autorin/Autor, Erscheinungsjahr, Methodik (Art der Datengewinnung, Vorhandensein von Gütekriterien), Anwendung (Verfahrenstiefe, erforderliche Nutzungsqualifikation, Art der Belastungsbewertung, Zugang, Kosten), Inhalt (Ziel, GDA-Merkmalsbereiche), Umfang (Anzahl Items und Antwortformat, Dauer, Auswertungszeit) und Einsatzbereich (Branche, Tätigkeiten, Betriebsgröße, Anpassbarkeit) gesammelt. Fehlende oder nicht frei zugängliche Informationen wurden direkt bei den Autorinnen und Autoren, den Herausgeberinnen und Herausgebern oder dem Verlag angefragt.
Entwicklung von Einschluss- und Bewertungskriterien
In einem zweiten Schritt wurden spezifische Kriterien zur Prüfung der Instrumente in Hinblick auf Methodik, Güte, Anwendbarkeit, Inhalte, Einsatzbereiche und Partizipation entwickelt. Als Grundlage dienten die Qualitätsgrundsätze der GDA (GDA 2017a), die DIN EN ISO 10075-3 (2004) sowie wissenschaftliche Artikel (Böckelmann u. Seibt 2011; Kliche et al. 2006; Schuller 2018), die Empfehlungen für Instrumente und zum Vorgehen bei der GB-Psych geben oder Kriterien für die Beurteilung der Benutzerfreundlichkeit von Instrumenten darstellen. Identifizierte Kriterien wurden im Forschungsteam von Arbeitspsychologinnen, Sozial- und Gesundheitswissenschaftlerinnen/-wissenschaftlern gesammelt, diskutiert, gegebenenfalls angepasst und durch selbstentwickelte Kriterien ergänzt. Es wurde differenziert, welche Kriterien ein Instrument zum Einschluss erfüllen muss und welche Kriterien zur weiteren Bewertung eingeschlossener Instrumente herangezogen werden. Dafür erfolgte eine unabhängige Einteilung der Kriterien von allen Mitgliedern des Forschungsteams. Die Ergebnisse wurden anschließend im Team diskutiert und eine Einigung hinsichtlich der erforderlichen Einschlusskriterien und der Bewertungskriterien erzielt. Für die Kriterien wurden zudem Operationalisierungen festgelegt. Anschließend wendete ein Mitglied des Forschungsteams die Kriterien probeweise an einem Instrument an. Die Ergebnisse wurden im Team diskutiert und die Kriterien angepasst. Daraufhin erfolgte eine Prüfung weiterer Instrumente anhand der Kriterien von jeweils zwei unabhängigen Beurteilenden. Aufgetretene Schwierigkeiten bei der Prüfung wurden im gesamten Team diskutiert und die Kriterien weiter modifiziert. Zudem wurden die Kriterien Expertinnen eines Unfallversicherungsträgers vorgestellt und anhand der Rückmeldungen weiter überarbeitet.
Durchführung der Prüfung identifizierter Instrumente
Im dritten Schritt wurden die entwickelten Kriterien auf die Instrumente angewandt. Dabei wurden zunächst alle identifizierten Instrumente auf die erforderlichen Einschlusskriterien hin überprüft. Die Instrumente, die diese Kriterien erfüllten, durchliefen zudem die Bewertungskriterien. Die gesamte Prüfung erfolgte dabei immer unabhängig von zwei Beurteilenden. Unterschiedliche Bewertungen wurden diskutiert bis ein Konsens gefunden wurde oder im ganzen Team besprochen. Im Zuge dieser Prüfung wurden die Kriterien immer weiter verfeinert, zum Beispiel durch die Zusammenfassung oder weitere Differenzierung von Kriterien oder die Differenzierung bei der Prüfung qualitativer und quantitativer Instrumente.
Ergebnisse
Einschlusskriterien für die Instrumentenauswahl
Die ➥ Tabelle 1 bildet die entwickelten Einschlusskriterien ab. Es wurden sechs Kriterien als zwingend erforderlich eingestuft, damit ein Instrument eingeschlossen und zur Durchführung der GB-Psych in Unternehmen empfohlen werden kann. Das 1. (zentrale) Einschlusskriterium ist die Zielorientierung. Die Operationalisierung wurde vom Forschungsteam selbst entwickelt. Instrumente müssen zielführend für die Bewertung psychischer Belastungsfaktoren sein, das heißt, sie müssen arbeitsbezogene psychische Belastungsfaktoren erheben und dabei mindestens zwei der von der GDA empfohlenen Merkmalsbereiche mit mindestens einem ihrer untergeordneten Merkmale einbeziehen. Die Einschlusskriterien 2. und 3. betreffen die Nutzungsorientierung für Anwendende des Instruments. Bei quantitativen Verfahren wird zudem als 4. Einschlusskriterium die Nutzungsorientierung für Befragte durch verständliche Instruktionen und Fragebögen (übersichtlich, strukturiert, selbsterklärend, eindeutig formuliert) hinzugezogen. Dieses Kriterium entfällt bei qualitativen Verfahren, da die Verständlichkeit zum Beispiel bei frei zu formulierenden Fragen von der moderierenden Person abhängt. Ein weiteres Einschlusskriterium ist 5. die Partizipation von Beschäftigten bei der Beurteilung der psychischen Belastungsfaktoren. Hierbei wird geprüft, ob das Instrument einen Einbezug der Beschäftigten, deren Arbeitsplatz beurteilt wird, in Form einer Befragung oder Beteiligung im Prozess der Gefährdungsbeurteilung vorsieht. Das
6. Einschlusskriterium umfasst die methodische Güte bei quantitativen Instrumenten. Bei diesen muss eine empirische Datenerhebung zur Überprüfung der Gütekriterien Validität und Reliabilität stattgefunden haben und Ergebnisse dieser Prüfung beziehungsweise statische Kennzahlen vorliegen. Aufgrund fehlender einheitlicher Gütekriterien für qualitative Instrumente werden bei diesen lediglich die weiteren Einschlusskriterien (z. B. Nutzungsorientierung für Anwendende: Vorgabe eines Gesprächsleitfadens) geprüft.
Bewertungskriterien für die eingeschlossenen Instrumente
Die ➥ Tabelle 2 zeigt die entwickelten Kriterien zur weiteren Bewertung eingeschlossener Instrumente. Aus den Bewertungskriterien leiten sich Informationen für die Darstellung eingeschlossener
Instrumente im Online-Tool ab. Sie bilden keine Grundlage für den Ein- oder Ausschluss von Instrumenten. Nach den Qualitätsgrundsätzen der GDA wurden Bewertungskriterien in Bezug auf die Angabe zu geeigneten Einsatzbereichen der Instrumente und die Berücksichtigung von Belastungsfaktoren nach der GDA entwickelt. Dabei wurde die Berücksichtigung des Merkmalsbereichs „neue Arbeitsformen“ als Kriterium, das über die Qualitätsgrundsätze der GDA hinausgeht, ergänzt. Weitere Bewertungskriterien umfassen die Angabe weniger geeigneter Einsatzbereiche, Anpassungsmöglichkeiten des Instruments an Einsatzbereiche und Hilfestellung bei der Maßnahmenableitung. Diese wurden selbst vom Forschungsteam entwickelt.
Instrumentenrecherche, -einschluss und -charakteristika
Der Prozess der Literaturrecherche und der Prüfung und Auswahl von Instrumenten ist in ➥ Abb. 1 dargestellt. Insgesamt wurden 170 Instrumente identifiziert, in die Instrumentensammlung aufgenommen und anhand der Einschlusskriterien geprüft. 51 Instrumente erfüllten die Einschlusskriterien und wurden in das Online-Tool aufgenommen.
Unter den eingeschlossenen Instrumenten sind 26 quantitative und 25 qualitative Instrumente. Die Mehrheit (n = 24) verwendet einen Fragebogen für eine anonyme Personalbefragung. Ein Instrument besteht aus einem Fragebogen, der variabel als anonyme Befragung, Beobachtungsinterview oder Workshop angewandt werden kann. Dreizehn Instrumente sind Workshop- beziehungsweise Gruppendiskussionsverfahren, zwölf sind Beobachtungsinterviews (teilweise inkl. Dokumentenanalyse) und eins verwendet eine Arbeitsplatzbegehung. Insgesamt 32 der Instrumente sind übergreifend in allen Branchen einsetzbar oder haben keine Angabe in Bezug auf einen bestimmten Branchenbezug vorgenommen. Die weiteren
19 Instrumente sind auf eine oder mehrere Branchen spezifiziert. Davon sind die meisten Instrumente in den Bereichen Gesundheits- und Sozialwesen (n = 8), verarbeitendes Gewerbe (n = 4) und Groß- und Einzelhandel/Lagerei (n = 3) einsetzbar.
Anhand der Bewertungskriterien wurde für alle eingeschlossenen Instrumente (n = 51) die Verfügbarkeit relevanter Informationen geprüft. Für die Mehrheit der Instrumente kann eine direkte oder aus den bereitgestellten Informationen ableitbare Angabe getroffen werden, für welche Betriebsgrößen (71 %), Branchen (94 %) und Berufs- oder Tätigkeitsklassen (82 %) das Instrument geeignet ist und für welche Einsatzbereiche es als weniger geeignet erachtet wird (69 %). Über die Möglichkeit der Anpassung des Instruments an bestimmte Einsatzbereiche, beispielsweise durch optionale Skalen, verfügen 61 % der eingeschlossenen Instrumente. Alle 51 eingeschlossenen Instrumente berücksichtigen bei der Beurteilung der Tätigkeiten und Ausführungsbedingungen mindestens ein Viertel der vorgegebenen psychischen Belastungsfaktoren (untergeordnete Merkmale) aus den GDA-Merkmalsbereichen Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe und Arbeitsorganisation. Dies erfüllen für den Merkmalsbereich soziale Beziehungen 94 %, für den Bereich Arbeitsumgebung 84 % und für den Bereich neue Arbeitsformen 31 % der Instrumente. Noch über 70 % der eingeschlossenen Instrumente berücksichtigen mindestens die Hälfte der vorgegebenen Belastungsfaktoren (untergeordneten Merkmale) aus den vier GDA-Merkmalsbereichen Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen und Arbeitsumgebung. Bei dem Merkmalsbereich der neuen Arbeitsformen berücksichtigen 6 % der Instrumente mindestens die Hälfte der vorgegebenen Belastungsfaktoren. Rund 75 % aller eingeschlossenen Instrumente geben Beispiele oder direkte Informationen und Hilfestellungen für die Ableitung von Maßnahmen aus den Ergebnissen zur psychischen Belastung.
Diskussion
Die gesetzlichen Vorgaben zur Durchführung der GB-Psych in Deutschland werden bislang von Unternehmen nicht flächendeckend und vollständig umgesetzt (Amler et al. 2018; Beck u. Lenhardt 2019). Ein Grund für diese Situation ist die Schwierigkeit für Unternehmen, geeignete Instrumente zur Erhebung arbeitsbedingter psychischer Belastungsfaktoren auszuwählen (Beck 2019; GDA 2017b; Schuller 2019). Im vorliegenden Projekt konnten in einer umfassenden Literaturrecherche 170 Instrumente identifiziert werden. Diese wurden nach eigens entwickelten und zusammengestellten Kriterien geprüft. Insgesamt 51 Instrumente erfüllten die Einschlusskriterien.
Nach unserer Kenntnis gibt es keine vergleichbar aktuelle und umfangreiche Recherche und kriterienbasierte Prüfung von Instrumenten zur Durchführung der GB-Psych. Im Jahr 2016 führte das Arbeitsprogramm „Psyche“ der GDA eine Abfrage des Instrumentenangebots zum Zwecke der GB-Psych ihrer Träger und Sozialpartner durch. Insgesamt wurden 28 unterschiedliche Instrumente gemeldet. Die Darstellung blieb jedoch unvollständig, da sich nicht alle Träger an der Befragung beteiligt hatten und keine Instrumente von privaten Dienstleistern sowie aus der Wissenschaft und Forschung abgefragt wurden. Zudem fand hinsichtlich ihrer Qualitätsgrundsätze lediglich eine Selbsteinschätzung der Träger zu den Instrumenten statt und keine externe Bewertung (GDA 2017c). Daher wurden keine kriterienbasierten Empfehlungen gegeben, wie es im vorliegenden Projekt vorgenommen wird. Die Autorinnen und Autoren merkten jedoch an, dass Qualitätsgrundsätze der GDA, unter anderem die Berücksichtigung relevanter Belastungsfaktoren, noch nicht zufriedenstellend umgesetzt werden (GDA 2017c). Die hier angewandte Bewertung eingeschlossener Instrumente ergab vor allem Defizite bei der Berücksichtigung psychischer Belastungsfaktoren im Bereich neuer Arbeitsformen. Eine Ursache könnte sein, dass diese Belastungsfaktoren noch nicht Gegenstand des Aufsichtshandelns sind (GDA 2017a).
Eine Arbeitsgruppe der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) erarbeitete in Kooperation mit dem Competenzzentrum Epidemiologie und Versorgungsforschung bei Pflegeberufen (CVcare) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) eine Übersicht qualitätsgesicherter Analyseinstrumente zur GB-Psych (Kersten et al. 2021). Diese Übersicht schließt jedoch lediglich geeignete Instrumente für die Branche des Gesundheits- und Sozialwesens ein. Wie bei dem hier beschriebenen Einschluss und der Bewertung kamen auch bei ihnen Kriterien zur Auswahl von Instrumenten zum Einsatz, die sich aus Mindestanforderungen (z. B. Erhebung psychischer Belastung, Praxisbewährtheit) und Strukturierungskriterien (z. B. Branchenspezifität, Abdeckung von GDA-Merkmalen) zusammensetzten. Insgesamt 17 ihrer eingeschlossenen Instrumente (BGW 2021) konnten durch die im vorliegenden Projekt vorgenommene Instrumentenauswahl bestätigt werden. Diese große Schnittmenge bestätigt die Qualität und Gültigkeit der gewählten Einschlusskriterien.
Der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen stellt in einem Online-Tool ebenfalls Instrumente zur Ermittlung und Beurteilung psychischer Belastung bereit, die Urheberinnen/Urheber bei ihnen einreichen können. Eingeschlossen werden organisationsdiagnostische Verfahren, die nach testtheoretisch-wissenschaftlichen Standards entwickelt wurden und inhaltlich zur Messung psychischer Belastung geeignet sind. Dies beinhalten nach ihren Angaben hauptsächlich Fragebogeninstrumente (Berufsverband Österreichischer PsychologInnen 2016b). Die Einschlusskriterien sind mit den hier entwickelten Einschlusskriterien der Zielorientierung und methodischen Güte vergleichbar. Wobei ein wesentlicher Unterschied darin besteht, dass die methodische Güte in der vorliegenden Arbeit bereits durch eine empirische Datenerhebung zur Prüfung der Validität und Reliabilität erfüllt ist und diese nur bei quantitativen Instrumenten angewendet wird. Qualitative Instrumente wie Workshop- oder Interviewverfahren können bei Erfüllung aller anderen Einschlusskriterien berücksichtigt werden. Das wurde als wichtig erachtet, da sie insbesondere für KMU hilfreiche Instrumente darstellen können (Beck u. Schuller 2020). Der Berufsverband hat darüber hinaus Kriterien zur Bewertung und Informationsdarstellung der Instrumente entwickelt (Berufsverband Österreichischer PsychologInnen 2016a). Es zeigen sich Überschneidungen mit den Bewertungskriterien der vorliegenden Arbeit hinsichtlich der Angabe von Einsatzbereichen und der Berücksichtigung von Arbeitsmerkmalsbereichen.
Im englischsprachigen Raum existiert eine Zusammenstellung von Instrumenten zur GB-Psych zum Beispiel durch die University of South Australia (Owen u. Dollard 2018; Potter et al. 2018). Dort wurde eine vergleichbare Strategie zur Identifizierung von Instrumenten angewandt wie im vorliegenden Projekt. In Form einer gemischten Suche in Online-Datenbanken und Suchmaschinen (Google Scholar), auf Webseiten von Interessenvertretungsorganisationen im Bereich Arbeitsmedizin, über Initiativen/Standards auf Makroebene sowie Snowballing-Techniken wurden Instrumente identifiziert. Jedoch wurde keine systematische Prüfung der Instrumente vorgenommen, sondern lediglich beschreibende Informationen zu den Instrumenten zur Verfügung gestellt (Owen u. Dollard 2018; Potter et al. 2018).
Nutzen für die Praxis und Forschung
Durch die im vorliegenden Projekt vorgenommene Instrumentenrecherche und -prüfung kann Unternehmen eine Übersicht über Verfahren zur Durchführung der GB-Psych gegeben werden, die sich nach den hier angewandten Kriterien als empfehlenswert erwiesen haben. Damit soll die Auswahl eines Erhebungsinstruments insbesondere für KMU erleichtert und langfristig dazu beigetragen werden, dass arbeitsbezogene psychische Belastungsfaktoren vermehrt in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden.
Aus wissenschaftlicher Sicht besteht ebenfalls ein besonderer Mehrwert darin, eine Übersicht über bestehende Instrumente zur Durchführung der GB-Psych zu geben. Basierend auf diesen Ergebnissen können Schwerpunkte aber auch Lücken in der derzeitigen Instrumentenpraxis aufgezeigt und Handlungsbedarfe für die Weiterentwicklung von Instrumenten, zum Beispiel in Hinblick auf Empfehlungen der GDA (2017a), konkretisiert werden.
Methodische Stärken und Limitationen
Insgesamt wurden bei der Durchführung dieses Projekts sowohl wissenschaftliche Qualitätsstandards verfolgt als auch eine anwendungsorientierte und praxisnahe Umsetzung fokussiert. Bei der Entwicklung der Einschluss- und Bewertungskriterien wurde sich an allgemein anerkannten Empfehlungen wie den Qualitätsgrundsätzen der GDA (2017a) orientiert. Zudem wurden die Kriterien im gesamten Forschungsteam entwickelt und Anpassungen nur im Konsens des Teams vorgenommen. Eine weitere Stärke des methodischen Vorgehens liegt in der Anwendung des Vier-Augen-Prinzips bei der Sichtung und Bewertung aller identifizierten Instrumente. Hierdurch konnte sichergestellt werden, dass Entscheidungen beispielsweise zum Ein- oder Ausschluss von Instrumenten sowie ihrer Bewertung mindestens von zwei beurteilenden Expertinnen und Experten im Konsens getroffen wurden. Sobald den zwei Beurteilenden keine klare Entscheidung möglich war, wurde das Instrument im Forschungsteam besprochen. Eine Limitation im Rahmen der Prüfung von Instrumenten stellt dar, dass die methodische Güte lediglich für quantitative Verfahren und nicht für qualitative Instrumente herangezogen wurde, da für die qualitative Forschung bislang keine einheitlich definierten Gütekriterien beziehungsweise Standards verbindlich sind (Flick 2014; Misoch 2015). Positiv hervorzuheben ist die umfassende Recherche nach Instrumenten zur Durchführung der GB-Psych, bei der 170 Instrumente identifiziert werden konnten. Dementgegen ist einschränkend anzumerken, dass durch die Anwendung umfangreicher und differenzierter Einschlusskriterien ein Großteil der Instrumente ausgeschlossen werden musste. Die Auswahl an geeigneten Instrumenten für Unternehmen kann dadurch limitiert sein. Eine Stärke stellt hierbei jedoch dar, dass lediglich Instrumente, die den hier festgelegten Mindestanforderungen entsprechen, in das Online-Tool aufgenommen und dort empfohlen werden.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Bei dem hier vorgestellten Projekt handelt es sich um ein komplexes methodisches Vorhaben, dessen Anspruch in der Instrumentenauswahl und -prüfung darin bestand, sowohl wissenschaftliche Standards umzusetzen, als auch einen größtmöglichen Nutzen für die GB-Psych in der betrieblichen Praxis zu verfolgen. Das Projekt umfasste im ersten Schritt die umfassende Recherche von Instrumenten für die GB-Psych sowie die Entwicklung und Anwendung von Kriterien zur Prüfung dieser Instrumente. Dabei wurde dynamisch vorgegangen, das heißt, die Kriterien wurden kontinuierlich im Prozess der Instrumentenprüfung weiterentwickelt und wiederum auf alle Instrumente angewandt. Dieses Vorgehen ermöglichte es, auf etwaige Herausforderungen bei der Prüfung der Instrumente zu reagieren und die Kriterien an die Vielfalt der Instrumente anzupassen. Durch andere Projekte, in denen Instrumente zur Erhebung psychischer Belastung zusammengestellt wurden, können diese Kriterien bestätigt werden. Insgesamt wurde eine umfassende inhaltliche Grundlage für das geplante Online-Tool erarbeitet. Fortschreitende Entwicklungen im Arbeitsschutz und in der Instrumentenbasis erfordern auch in Zukunft eine kontinuierliche Aktualisierung der Datenbasis.
Im nächsten Schritt erfolgt die technische Umsetzung des Online-Tools, das Informationen zu den eingeschlossenen Instrumenten in Form von Steckbriefen zugänglich macht. Daneben soll eine Oberfläche mit Eingabemaske die Auswahl von Instrumenten nach der jeweiligen Branche des Unternehmens, der Anzahl der Beschäftigten, die in die GB-Psych einbezogen werden sollen, und den Kosten des Instruments ermöglichen. Ein erster Prototyp des Online-Tools soll durch betriebliche Akteurinnen und Akteure aus KMU erprobt und im Rahmen von Telefoninterviews evaluiert werden. Somit soll sichergestellt werden, dass die Funktionen des Online-Tools und die zur Verfügung gestellten Informationen zu den Instrumenten einen größtmöglichen praktischen Nutzen für die Unternehmen und betrieblichen Akteurinnen und Akteure bei der Umsetzung der GB-Psych bieten. Dadurch soll ein wichtiger Beitrag zum Arbeitsschutz in Unternehmen in Hinblick auf die Gefährdungen durch psychische Belastungsfaktoren geleistet werden.
Danksagung: Wir bedanken uns bei Dr. Volker Kregel und Susanne Friederichs vom Amt für Arbeitsschutz der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg für die inhaltliche Projektinitiierung. Ein weiterer Dank gilt Swantje Robelski von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) für die Mitarbeit an der Projektkonzeption und -vorbereitung. Zudem danken wir allen Autorinnen/Autoren, Herausgeberinnen/Herausgebern und Verlagen für die freundliche Bereitstellung von Informationen und Unterlagen zur ihren Instrumenten.
Beiträge der Autorinnen und Autoren: Konzeption und Design: E.R., J.C.L., V.H. und S.M.; Instrumentenrecherche: J.F. und N.K.; Kriterienentwicklung: T.W., J.F., E.R., J.C.L., N.K. und S.M.; Instrumentenbewertung: T.W., J.F., E.R., J.C.L., N.K. und S.M.; Erstellung des Manuskripts: T.W. und J.F.; kritische Durchsicht und Einbringung wichtigen intellektuellen Inhalts: E.R., J.C.L., N.K., V.H. und S.M. Alle Autorinnen und Autoren haben die finale Version des Manuskripts gelesen und ihr zugestimmt.
Ethikkommissionsvotum: Nicht erforderlich.
Interessenkonflikte: Alle Autorinnen und Autoren bestätigen, dass keinerlei Interessenkonflikte bestehen.
Literatur
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Kontakt
Dr. Tanja Wirth
Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM)
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Arbeitsgruppe Psychische Gesundheit
Seewartenstraße 10, Haus 1, 20459 Hamburg
t.wirth.ext@uke.de
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