Herr Professor Drexler, Sie waren an zwei jüngst veröffentlichten Studien der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) beteiligt. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass viele Menschen, die im Freien arbeiten sich oftmals nicht ausreichend vor UV-Strahlung schützen. Können Sie uns hier ein paar Zahlen und Ergebnisse nennen?
Die Ergebnisse lassen aufhorchen und zeigen, dass der UV-Schutz am Arbeitsplatz oftmals nicht richtig ernst genommen wird. So verwenden beispielsweise nur 38% der Befragten einen Sonnenschutz fürs Gesicht. Gut ein Viertel der im Freien Beschäftigten gaben an, dass sie nie oder kaum Gelegenheit hätten im Schatten zu arbeiten oder ihre Pausen im Schatten machen können. Nur etwa die Hälfte bekam eine Sonnenschutzbekleidung und nur ein Viertel Sonnenschutzcremes zur Verfügung gestellt.
Woran liegt es, dass das Thema UV-Schutz am Arbeitsplatz häufig nicht die richtige Aufmerksamkeit bekommt?
Wahrscheinlich, weil man die Sonne als natürlichen Umweltfaktor gut zu kennen glaubt. Im Vergleich zur Einwirkung chemischer Stoffe oder ionisierenden Strahlung ist hier der regulatorische Arbeitsschutz viel risikobereiter.
Ab welchem Monat empfehlen Sie Sonnenschutzmittel zu verwenden? Bei welcher Aufenthaltsdauer im Freien ist man gefährdet und muss besondere Schutzmaßnahmen ergreifen?
Im Prinzip gibt es in den UV-intensiven Monaten von März bis September keine Untergrenze, schützen sollte man sich daher immer, wenn man im Freien ist.
Aber gestatten Sie mir noch einen Hinweis: Zunächst sollten wir festlegen, worüber wir sprechen, denn häufig werden Sonnenschutzmittel mit Sonnenschutzcremes gleichgesetzt. Die besten Sonnenschutzmittel sind die Beschattung und die Bekleidung. Nur an Körperstellen, die nicht bekleidet werden können, sollten chemische Lichtschutzmittel eingesetzt werden. Dabei ist aber stets zu bedenken, dass der Sonnenbrand und damit die fühlbare akute Wirkung der UVB-Strahlung mit chemischen Lichtschutzmitteln viel besser verhütet werden können als die gesundheitsschädlichen chronischen Wirkungen der UVA-Strahlung, wie Hautalterung, Immunsuppression, Krebsentstehung etc.
Ein unzureichender Schutz vor UV-Strahlung, das ist hinlänglich bekannt, erhöht das Risiko, an Hautkrebs zu erkranken. Wie häufig kommt beruflich bedingter Hautkrebs vor? Kann man diese Erkrankung als Berufskrankheit anerkennen lassen?
Das Plattenepithelkarzinom der Haut ist der häufigste Berufskrebs in Deutschland. Jährlich werden mehr als 5.000 Fälle dieses Krebses neu als Berufskrankheit anerkannt. Basalzellkarziome sind nach derzeitigem Wissensstand bei Beschäftigten, die im Freien arbeiten, zwar ebenfalls berufsbedingte Erkrankungen, erfüllen aber nicht die Kriterien einer Berufskrankheit (Wesentlichkeit). Beim schwarzen Hautkrebs, dem malignen Melanom, sind Beschäftigte im Freien nicht häufiger betroffen als Menschen, die in geschlossenen Räumen arbeiten.
Welche Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz empfehlen Sie? Welche Pflichten haben hierbei Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber?
Die Pflichten können wir immer nach dem TOP-Prinzip abgeleitet werden ( Anm. der Red.: Das TOP-Prinzip gibt die Rangfolge im Vorgehen des Arbeitsschutzes vor): T steht für technische Maßnahmen, in diesem Fall wäre das zum Beispiel die Beschattung von Arbeitsplätzen. Das O steht für organisatorische Maßnahmen wie die Verlagerung der Arbeitszeiten in die Morgen- oder Abendstunden, das Meiden der Mittagssonne und Pausen in Innenräumen. Das P ist gleichbedeutend für persönliche Maßnahmen. Dazu zählen das Tragen langärmliger Kleidung oder breitrandige Kopfbedeckung, die Anwendung von geeignetem chemischem Lichtschutz, also Sonnencremes oder das Aufsuchen von Schattenplätzen in den Pausen.
Welchen Beitrag können Betriebsärztinnen und Betriebsärzte zur besseren Prävention von Hautkrebs leisten?
Wenn es, wie bei anderen krebserzeugenden Einwirkungen eine Pflichtvorsorge gäbe, könnte der Beschäftigte individuell beraten werden. Zum Beispiel sollten auch Menschen dunkleren Hauttyps auf die Krebsgefahr hingewiesen werden. Hellhäutige Menschen schützen sich in der Regel wegen der Erfahrung eines Sonnenbrandes besser von sich aus. Ein risikoreiches Verhalten lässt sich gut am Bräunungszustand erkennen. Spätestens wenn erste Zeichen der chronischen UV-Belastung wie Pigmentierung, Hautalterung und Gefäßneubildung sichtbar werden, muss auf das erhöhte
Krebsrisiko hingewiesen werden. Was viele Beschäftigte nicht wissen: Bei Bedarf können sie auch eine betriebsärztliche Vorsorgeuntersuchung veranlassen, eine sogenannte Wunschvorsorge. Die Kosten hierfür trägt der Arbeitgeber. Unabhängig davon, sollten insbesondere Menschen, die im Freien arbeiten ab einem Alter von 35 Jahren regelmäßig an einer Untersuchung zur Hautkrebsfrüherkennung teilnehmen. Diese werden in Haus- oder Hautarztpraxen angeboten und von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.
Generell ist eine Sensibilisierung von Arbeitgebern und Beschäftigten für das Thema Hautschutz wichtig. Betriebsärztinnen und Betriebsätze können mit ihrer Expertise die notwendige Aufklärungsarbeit leisten.
Die zitierten Studien der FAU finden Sie hier: n
https://doi.org/10.1093/annweh/wxad014
https://doi.org/10.1002/ajim.23480
Prof. Dr. med Hans Drexler ist Arbeits- und Umweltmediziner sowie Facharzt für Dermatologie. Er ist Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM).