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Begutachtung

Die Begutachtung von Menschen mit psychischen Erkrankungen im Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

The Assessment of People With Mental Illness in the Medical Service of the Federal Employment Agency

Arbeitslosigkeit und seelische Gesundheit

Menschen, die länger arbeitslos sind, leiden häufiger unter Depressionen, Angststörungen und Suchterkrankungen als die Allgemeinbevölkerung (Hoell u. Salize 2015). Umgekehrt werden psychisch Vorerkrankte öfter arbeitslos – je nach Studie wird ein 2- bis 15fach erhöhtes Risiko geschätzt (Schütte u. Kaul 2015) – als psychisch gesunde Personen.

Begutachtung nach dem biopsychosozialen Krankheitsmodell

Die Leistungsbegutachtung psychisch erkrankter Menschen folgt eigenen Gesetzmäßigkeiten (Hoffmann-Richter u. Pielmaier 2016). Sie erfordert in gewisser Weise ein Umdenken weg von einem Krankheitsmodell, das ausschließlich an quantifizierbaren, „objektiven“ Parametern ausgerichtet ist, hin zu einer mehrdimensionalen Betrachtungsweise. Jede Erkrankung – und vornehmlich eine psychische Erkrankung – bildet sich in drei Dimensionen ab: der somatischen, der psychischen und der sozialen Dimension (biopsychosoziales Gesundheits- und Krankheitsmodell).

Beispiel 11: Herr A. leidet unter wiederkehrenden, teils schweren depressiven Phasen mit starker Antriebshemmung, verschobenem Tag-Nacht-Rhythmus, passiven Todessehnsüchten und gleichzeitig starken Krankheitsängsten. Wegen der depressiven Verarbeitung einer schon jahrelang bestehenden Reizdarmsymptomatik ist er der festen Überzeugung, Darmkrebs zu haben; er scheut aber die diagnostische Abklärung, „weil er es nicht wissen will“. Gleichzeitig fesselt ihn die Reizdarmsymptomatik oft buchstäblich ans Haus und isoliert ihn sozial.

Das Beispiel zeigt: Es ist nur selten direkt aus der psychiatrischen Diagnose ableitbar, welche individuellen Leistungseinschränkungen daraus resultieren. Entscheidend ist vielmehr, wie sich die Person zu ihrer Erkrankung verhält und welche Einstellung sie zu der Erkrankung entwickelt. Dieser Themenbereich umfasst unter anderem das individuelle Krankheitsverständnis, aber auch die persönlichen Strategien zur Krankheitsbewältigung.

Der „subjektive Faktor“ – welche Bedeutung hat die psychische Erkrankung für das innere Gefüge der konkreten Person? – ist also aus der Begutachtung nicht herauszukürzen und darf auch nicht scheinbar „objektiveren“ Parametern (Medikamentenspiegel, Drogentests etc.) untergeordnet werden.

Nun ist es ohnehin nicht das primäre Ziel der Begutachtung im Ärztlichen Dienst der Bundesagentur, eine eingehende psychiatrische Diagnostik zu betreiben; vielmehr sollen auswärtig gesicherte Diagnosen in ihren Auswirkungen auf die individuelle Leistungs- und Integrationsfähigkeit bewertet werden.

Mini-ICF

Ein wichtiges Instrument ist dabei die internationale Klassifikation der Funktionsstörung (ICF), und zwar speziell diejenigen Items, die sich mit psychischen Funktionen befassen, das sog. „Mini-ICF“ (Linden et al. 2018). Hierdurch lässt sich schärfer und zugleich integrationsrelevanter abbilden, in welchem Ausmaß sich zum Beispiel eine depressive Episode auswirkt auf die Umstellfähigkeit, auf die Selbstbehauptungsfähigkeit gegenüber forderndem Publikumsverkehr oder auf die Fähigkeit, neue Kontakte zu Arbeitskolleginnen und -kollegen zu knüpfen.

Gleichzeitig ermöglicht die ICF-Systematik auch, besser die Ressourcen des Einzelnen in den Blick zu bekommen, das heißt zu beschreiben, welche psychische Funk­tionsbereiche noch intakt geblieben sind und möglicherweise dazu dienen könnten, nach und nach die beeinträchtigten Funktionen wiederzugewinnen. Diese ressourcenorientierte Betrachtungsweise ist ausdrücklich im Leitbild des ÄD verankert.

Das gutachterliche Gespräch

Im Untersuchungsgespräch – zumindest dort, wo die Fragestellung der beruflichen (Re)Integration im Fokus steht und wo es kaum Vorinformationen durch Fremdbefunde gibt – interessieren also nicht nur die bekannten psychiatrischen Diagnosen und die bisher wahrgenommenen Behandlungen. Mindestens ebenso wichtig ist die Schilderung des Tageablaufs, die Charakterisierung des sozialen Umfelds, die Erörterung der bisher gewählten Bewältigungsstrategien und die Einordnung außerberuflicher Interessen und Aktivitäten.

Um tiefgründig über psychische Belastungen sprechen zu können, ist ein besonderer „zwischenmenschlicher Raum“ erforderlich. Dieser muss einerseits geschützt sein, andererseits aber auch genügend Offenheit zulassen. Nur so schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass die befragte Person wirklich Bedeutsames mitteilen kann.

Formal betrachtet entspricht die gutachterliche Exploration den Kriterien eines halbstrukturierten Interviews. Dabei sollte den befragten Personen insbesondere zu Beginn des Gesprächs ausreichend Gelegenheit zur freien Äußerung gegeben werden. Um die notwendige gutachterliche Prüfung auf Kohärenz und Konsistenz durchführen zu können, bedarf es ausreichend „Texts“ vonseiten der befragten Personen und eben auch genügend „freien Text“.

Bei den psychisch belasteten Kundinnen und Kunden der BA, die zur Begutachtung vorgestellt werden, bildet die psychische Erkrankung in der Mehrzahl der Fälle nicht eine einmalige, scharf abgegrenzte Episode, sondern hat sich über die Lebensspanne entwickelt. Es ist also für eine valide gutachterliche Einschätzung nicht nur eine Querschnittsbetrachtung, sondern auch – zumindest überblicksweise – eine Längsschnittbetrachtung notwendig. Dies auch deswegen, um verlässlichere prognostische Aussagen treffen zu können zur Frage, ob sich die seelische Störung unter adäquater Behandlung voraus­sichtlich zurückbilden wird (in welchem Zeitraum?) oder ob mit einer bleibenden Vulnerabilität gegenüber künftigen beruflichen Stressoren (welchen genau?) zu rechnen ist.

Beispiel 2: Frau B. ist 61 Jahre alt und Bürgergeldempfängerin. Nach ihrer Schulzeit war sie durchgehend bis zu ihrem 56. Lebensjahr berufstätig, und zwar in ihrem Ausbildungsberuf als Einzelhandelskauffrau. Seit ihrem 41. Lebensjahr arbeitete sie in einem großen Kaufhaus für Spielwaren; dank ihrer Fähigkeiten und ihres Einsatzes wurde sie zur Abteilungsleiterin befördert, eine Stelle, die sie über acht Jahre innehatte. Sie verlor ihre Stelle, als das Kaufhaus schloss. Vergleichbare freie Stellen bei Konkurrenzunternehmen waren nicht verfügbar, so dass Frau B. sich eine Stelle als Verkaufskraft bei einem Discounter für Billigtextilien suchte; dort wurde sie einen Tag vor Ablauf der sechsmonatigen Probezeit entlassen – ihrer Vermutung nach aus Altersgründen. Weitere Bewerbungen schlugen fehl.

Der Verlust der Arbeit führte bei Frau B. zu einer langanhaltenden, phasenweise schweren depressiven Episode sowie zu einer Angststörung mit nächtlichen Panik­attacken. Zwei verordnete Antidepressiva wurden nicht vertragen; die Suche nach einem ambulanten Psychotherapieplatz war über mehrere Jahre nicht erfolgreich. Eine beantragte psychosomatische Rehabilitation wurde vom Rententräger unter Hinweis auf die vor Ort nicht ausgeschöpften Behandlungsmöglichkeiten abgelehnt.

Eine genauere Exploration ergab, dass Frau B. bereits im 21. Lebensjahr eine ernste depressive Episode mit konkreten Suizidplänen durchgemacht hatte; sie habe sich im letzten Moment zwar ihren Eltern offenbart, aber – entsprechend dem Stil ihrer Familie („Man hat keine Depressionen“) – keine Behandlung gesucht, sondern sich zu erhöhter beruflicher Leistung gezwungen. Auch in den folgenden Jahren kam es als Folge von Partnerschaftskonflikten mehrfach zu depressiven Einbrüchen. Die längste Phase psychischer Stabilität erlebte Frau B. während ihrer Zeit als Abteilungsleiterin.

Die „Traumaperspektive“

Ein besonderes Augenmerk ist bei der Begutachtung auf die Frage zu richten, ob traumatische Vorerfahrungen bestehen, deren Folgen in die Gegenwart hineinwirken und die Persönlichkeitsstruktur dadurch nachhaltig erschüttern. Viele Frauen – aber auch eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Männern – gerade aus der Gruppe der Langzeitarbeitslosen waren in der Kindheit und Jugendzeit nicht nur psychosozialen Stressoren ausgesetzt (Armut, beengte Wohnverhältnisse, Ausgrenzung), sondern haben auch körperliche, emotionale und/oder sexualisierte Gewalt erlitten. Oft setzen sich diese Erfahrungen im Erwachsenenalter (z. B. in Form von destruktiven Partnerschaften) fort. Zwar entwickelt nur ein Teil der Betroffenen eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder eine komplexe Traumafolgestörung, allerdings sind die Auswirkungen auf die Persönlichkeitsorganisation auch in minderschweren Fällen beträchtlich.

Beispiel 2 (Fortsetzung): Als Frau B. sechs Jahre alt war, verstarb ihre Mutter unerwartet nach kurzer Krankheit. Frau B. erinnert zwar den Tag der Todesnachricht, aber die Beisetzung und die folgenden Monate sind komplett aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Ihr Vater und die nahen Angehörigen seien so in ihrer eigenen Trauer gefangen gewesen, dass sich keiner um die verstörte Sechsjährige kümmern konnte oder wollte. Das änderte sich auch nicht, als ihr Vater nach einem Jahr erneut heiratete. Frau B. erlebte die Stiefmutter als harte, lieblose Frau, die eine Atmosphäre permanenter Angst verbreitet habe. Als Frau B. 16 Jahre alt war, wurde sie Opfer einer Vergewaltigung durch einen damaligen Bekannten, ohne dass sie sich jemandem in der Familie oder außerhalb habe anvertrauen können. Später erlitt sie in ihrer Partnerschaft über viele Jahre körperliche und emotionale Gewalt.

Noch heute wird Frau B. von quälenden Albträumen heimgesucht, in denen man ihr nach dem Leben trachtet. Sie schildert sich als sehr schreckhaft, oft angespannt und mental ständig in Erwartung der nächsten Katastrophe. Sozial lebe sie weitgehend isoliert, weil sie von neuen Kontakten eher Ungutes befürchte.

Zwar lässt es der Begutachtungsrahmen innerhalb der BA nicht zu, eine erschöpfende, ins Detail gehende Traumanamnese zu erheben oder gar die gerichtsfeste Diagnose einer PTBS zu stellen; trotzdem ist die „Traumaperspektive“ (Wöller 2013) nicht außer Acht zu lassen.

Das bedeutet im Zusammenhang mit der Begutachtung, dass auch scheinbar „leichtere“ Traumafolgen sich erheblich auf die berufliche Leistungsfähigkeit auswirken können. Zunächst verdoppelt eine Traumavorgeschichte das Risiko für Depressionen und Angststörungen. Weiterhin kann eine permanente innere Anspannung zu vermehrter Erschöpfbarkeit und zu stark reduzierter Toleranz gegenüber – auch unspezifischen – Stressoren führen. Unbekannte, wenig kontrollierbare soziale Situationen (z. B. an einem neuen Arbeitsplatz) lösen oft diffuse Ängste aus. Die Selbstbehauptungs- und Abgrenzungsfähigkeit ist nicht selten vermindert, so dass die Betroffenen anfälliger sind für berufliche und private (Selbst)Überforderung. Das fortwährende Erleben negativer Ereignisse sowie mangelnde Selbstwirksamkeitserwartungen führen zu einen Kreislauf von Pessimismus, Antriebshemmung und Scheitern (Hoell u. Salize 2019). Dieser kann auch erschweren oder verhindern, dass die Betroffenen sich um eine adäquate Behandlung bemühen (Bahemann 2017). Der Begriff des „entmutigten Klienten“ (Breitenbach 2001) bringt diese Problematik auf den Punkt.

Beispiel 2 (Fortsetzung): Zum Zeitpunkt der Erstbegutachtung hatte Frau B. weitgehend resigniert. Sie sah sich gefangen in ihrer schlechten psychischen Verfassung einerseits und in der von ihr so erlebten moralischen Verpflichtung, sich intensiv um ihren inzwischen pflegebedürftigen Vater und die Stiefmutter zu kümmern. Die Familie erwarte das von ihr, da sie ja arbeitslos sei.

Einige Gedanken zur Leistungs­beurteilung

Es ist hier nicht der Raum, einen detaillierten Begutachtungsleitfaden zur Leistungsbeurteilung bei psychischen Störungen zu entwickeln; hier sei auf die einschlägige Literatur (z. B. Schneider 2012; DRV 2018) verwiesen. Eine kurze Übersicht findet sich im Infokasten.

Im Folgenden sollen nur wenige Schlaglichter auf einzelne Leistungsaspekte psychischer Erkrankungen geworfen werden.

Die besondere Problematik von Menschen, die länger arbeitslos sind, wurde oben beleuchtet. Personen, die neu von Arbeitslosigkeit betroffen werden, empfinden den Verlust einer langjährig innegehabten Stelle meist als gravierendes Lebensereignis. Nicht selten findet sich ein Ineinander von quälenden Selbstwertzweifeln („Ich bin ein Versager“) und einer sogenannten Gratifikationskrise (Siegrist 2015) – („All mein beruflicher Einsatz war umsonst, und ich bin um die Früchte meiner Mühe gebracht worden“). Beide Gemütslagen verhindern die rasche Besserung zum Beispiel einer depressiven Episode.

Depressive Episoden

Beim Personenkreis der zu Begutachtenden wird auch nach Abklingen der depressiven Episode oft noch mit einer Residualsymptomatik gerechnet werden müssen, die sich in Defiziten der Konzentration und Umstellfähigkeit und einer vermehrten Erschöpfbarkeit äußern kann (Meisenzahl u. Wege 2022). Die Vulnerabilität gegenüber beruflichen Stressoren ist in diesen Fällen für längere Zeit erhöht. Auch die körperliche Belastbarkeit in und nach einer depressiven Episode ist um bis zu 20 % herabgesetzt (Meisenzahl u. Wege 2022).

Angststörungen

Ängste können isoliert auftreten (und dann auch verhaltenstherapeutischen Interventio­nen gut zugänglich sein), sie können aber auch – vor allem in der Form der sozialen Phobie – das gesamte Leben durchziehen und die gesellschaftliche und berufliche Teilhabe weitgehend unmöglich machen. Die Anbindung an das therapeutische System ist für Menschen mit schwerer Sozialphobie besonders schwierig.

Persönlichkeitsstörungen

Menschen mit Persönlichkeitsstörungen sind oft beruflich beeinträchtigt durch interpersonelle Konflikte am Arbeitsplatz. Das Bewusstsein für die eigenen Belastungsgrenzen ist bei vielen Betroffenen defizitär: Es findet sich die gesamte Spannbreite von massiven und jede Aktivität hemmenden Selbstwertzweifeln bis zu unrealistischer Selbstüberschätzung, gepaart mit der Tendenz, die eigenen Belastungsgrenzen zu überlaufen. Bei der Leistungsbeurteilung ist außerdem in Rechnung zu stellen, dass Persönlichkeitsstörungen erhöhte innerseelische Energie verbrauchen (vor allem für Gefühlsregulation, Selbst­steuerung und Umgehen mit destruktiven Impulsen), die dann für die berufliche Leistung nicht zuverlässig zur Verfügung steht.

Persönlichkeitsstörungen, die mit Traumafolgestörungen vergesellschaftet sind, bedingen in der Regel eine besonders hohe interpersonelle Vulnerabilität, so dass ohne therapeutische Unterstützung eine dauerhafte berufliche Integration schwerlich gelingen wird.

Paranoide Psychose

Bei Menschen mit paranoiden Psychosen sind Krankheitsakzeptanz und eine stabile Therapieadhärenz wichtige, aber nicht einfach zu erreichende Ziele. Gerade jüngere Betroffene benötigen oft längere Zeit dafür. Der individuellen Situation angepasste Teilhabeleistungen zur beruflichen Integration sind meist unverzichtbar, zur Feststellung des optimalen Zeitpunkts hierfür sind wiederum die Fachdienste der BA gefragt.

Beispiel 2 (Fortsetzung): Bei Frau B. war gutachterlich bei der Erstbegutachtung eine auf unter drei Stunden abgesunkene Belastbarkeit festzustellen – zunächst für einen begrenzten Zeitraum (aus formalen Gründen für bis zu sechs Monaten); medizinisch-therapeutische Maßnahmen standen eindeutig im Vordergrund. Das Jobcenter vermittelte Frau B. in einen Kurs für Psychoedukation sowie in ein psychologisches Einzelcoaching, das sie hochmotiviert über 18 Monate wahrgenommen hat. Inzwischen hat sich Frau B. auf mäßigem Niveau stabilisiert und könnte sich als ersten Schritt zur beruflichen Reintegration einen Minijob mit bis zunächst 15 Stunden pro Woche vorstellen, was auch der hiesigen gutachterlichen Einschätzung eines drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögens bei der Folgebegutachtung entspricht.▪

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

Bahemann A: Langzeitarbeitslosigkeit und Gesundheit, Perspektive des Ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmedizin 2017; 8: 568–570.

Breitenbach G, Requardt H:  Psychotherapie mit entmutigten Klienten. Heidelberg: Asanger, 2001.

DRV (Hrsg.): Leitlinie Sozialmedizinische Beurteilung von psychischen und Verhaltensstörungen. 2012 (Update 2018). https://www.deutsche-Rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Expe…

Hoell A, Salize HJ: Soziale Ungleichheit und psychische Gesundheit. Nervenarzt 2019; 11: 1187–1200.

Hoffmann-Richter U, Pielmaier L: Die psychiatrisch-psychologische Begutachtung. Stuttgart: Kohlhammer, 2016.

Lech S, Buspanavich P: Epidemiologie der Depressionen. In: Adli M, Hautzinger M (Hrsg.): Praxishandbuch Depression. München: Elsevier, 2022, S. 107–114.

Linden M, Muschalla B, Baron B, Ostholt-Corsten M:  Exploration mittels Mini-ICF-App: Arbeits- und Leistungsfähigkeitsbeeinträchtigungen bei psychischen Erkrankungen. Hrsg.: DRV (ohne Jahr). https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahU…

Meisenzahl E, Wege N: Verlauf und Prognose. In: Adli M, Hautzinger M (Hrsg.): Praxishandbuch Depression. München: Elsevier, 2022, S. 97–105.

Schneider W et al.: Begutachtung bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Bern: Huber, 2012.

Schütte M, Kaul G: Depression, Erwerbsarbeit, Arbeitslosigkeit: Empirische Befunde. Ethik und Gesellschaft, 2015; 2: 4–21. Download unter: https://dx.doi.org/10.18156/eug-2-2015-art-4

Siegrist J: Arbeit und stressbedingte Erkrankungen. München: Elsevier, 2015

Wöller W: Trauma und Persönlichkeitsstörungen, 2. Aufl., Stuttgart: Schattauer, 2013.

Wolfersdorf M, Laux G: Depressionen. Ein Erfahrungsbuch zu Diagnostik, Verlauf, Therapie und Prävention. Stuttgart: Kohlhammer, 2022.

doi:10.17147/asu-1-377915

Online-Quellen

DRV (Hrsg.): Leitlinie Sozialmedizinische Beurteilung von psychischen und Verhaltensstörungen. 2012 (Update 2018)
https://www.deutsche-Rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Expe…

Linden M, Muschalla B, Baron B, Ostholt-Corsten M: Exploration mittels Mini-ICF-App: Arbeits- und Leistungsfähigkeitsbeeinträchtigungen bei psychischen Erkrankungen. Hrsg.: DRV (2018)
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Expe…

Kernaussagen

  • Die Begutachtung von arbeitslosen Menschen mit psychischen Erkrankungen sollte mehr­dimensional erfolgen, den psychosozialen Hintergrund der Erkrankung ausleuchten und – ­ohne die Auswirkungen der erlebten Stressoren und ggf. Traumatisierungen auszublenden – einer ressourcenorientierten und fähigkeitsbezogenen Betrachtungsweise Raum geben.
  • Es ist nur selten direkt aus der psychiatrischen Diagnose ableitbar, welche individuellen ­Leistungseinschränkungen daraus resultieren. Entscheidend ist vielmehr, wie sich die Person zu ihrer Erkrankung verhält und welche Einstellung sie ihr gegenüber entwickelt.
  • Die Beschreibung von psychischen Funktionen nach der ICF-Systematik dient auch dazu, ­genauer die Ressourcen des Einzelnen in den Blick zu bekommen.
  • Ein besonderes Augenmerk ist bei der Begutachtung vor allem von langzeitarbeitslosen Menschen auf die Frage zu richten, ob traumatische Vorerfahrungen bestehen, deren Folgen in die Gegenwart hineinwirken und die Persönlichkeitsstruktur dadurch nachhaltig erschüttern.
  • Info

    Fähigkeitsdimensionen nach Mini-ICF (nach Linden et al. 2018) und ihre Entsprechung zu klinischen Parametern (in Fettdruck)

  • Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen, u. a. Tagesstruktur
  • Kompetenz- und Wissensanwendung, u. a. Konzentration/Aufmerksamkeit
  • Widerstands- und Durchhaltefähigkeit, u. a. körperliche und seelische Spannkraft
  • Gruppenfähigkeit, u. a. Sozialkompetenz, Impulskontrolle
  • Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, u. a. Selbststeuerung
  • Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit, u. a. Selbstreflexion, rationales Abwägen
  • Selbstbehauptungsfähigkeit, u. a. Selbstvertrauen, Konfliktfähigkeit
  • Fähigkeit zu engen dyadischen Beziehungen, u. a. Balance von Nähe und Distanz, Empathie, Konfliktfähigkeit
  • Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, u. a. Stresstoleranz
  • Proaktivität und Spontanaktivitäten, u. a. Antrieb, Entschlusskraft
  • Konversation und Kontaktfähigkeit zu Dritten, u. a. Empathiefähigkeit, Sozialkompetenz
  • Fähigkeit zur Selbstpflege und Selbstversorgung, u. a. Antrieb, Selbstfürsorge
  • Mobilität, u. a. psychische Wegefähigkeit
  • Info

    „Red flags“ für langfristig (> 2 Jahre) oder dauerhaft ­aufgehobenes Leistungsvermögen

  • Psychiatrische Mehrfachdiagosen in erheblicher Ausprägung.
  • Langjähriger Krankheitsverlauf mit insgesamt absteigender Tendenz: z.B. häufigere ­Psychiatrieaufenthalte, die nur kurzfristig Besserung bringen.
  • Hohe biografische Last bei weitgehendem Fehlen von Ressourcen, keine hinreichenden ­Kompensations- und Bewältigungsstrategien.
  • Soziale Desintegration; Herausfallen aus dem Versorgungssystem; tief eingewurzelte Muster von Selbstschädigung oder Hilflosigkeit.
  • Fehlgeschlagene (längerfristige und leitlinienadaptierte) Behandlungsversuche; Notwendigkeit eines aufwändigen Therapiewegs (z.B. bei komplexer PTBS), der mehrere Jahre benötigt.
  • Effiziente Behandlung nur eingeschränkt bzw. gar nicht möglich (aufgrund von fehlender Krankheitseinsicht, Persönlichkeitsstruktur, aber auch Versorgungslage).
  • Alltagsbewältigung trotz Hilfen nicht bzw. nur auf niedrigem Niveau oder mit unzumutbar ­hohem Energieaufwand möglich.
  • Kontakt

    Dr. med. Gabriel Ehren
    Fernblick 2; 45259 Essen

    Foto: privat

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