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In Folge 4 wird der gezeigt, wie Robotik und Künstliche Intelligenz in der Landwirtschaft zur Produktivitätssteigerung eingesetzt werden und welche neuen Gefährdungen für die Beschäftigten daraus entstehen können.
Part 4: Robot colleague – autonomous vehicles and machines in the green sector
Robotics and artificial intelligence (AI) are finding their way into the green sector. The German Social Insurance for Agriculture, Forestry and Horticulture (SVLFG) is involved in the development of new safety standards and advises manufacturers on the development of self-propelled, highly automated vehicles and machines.
Folge 4: Kollege Roboter – Autonome Fahrzeuge und Maschinen in der Grünen Branche
Robotik und Künstliche Intelligenz (KI) halten Einzug in der Grünen Branche. Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) als Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft wirkt mit an der Erstellung neuer Sicherheitsnormen und berät Hersteller bei der Entwicklung selbstfahrender hochautomatisierter Fahrzeuge und Maschinen.
Kernaussagen
In der Landwirtschaft können Künstliche Intelligenz (KI) und hochautomatisierte Systeme die Produktivität steigern. Dieser technische Fortschritt gewährleistet zum Beispiel auch dann einen reibungslosen Arbeitsablauf, wenn Unternehmen nicht genug Beschäftigte für die intensiven Tätigkeiten in der Grünen Branche finden. Richtig eingesetzt, schonen selbstfahrende hochautomatisierte Fahrzeuge und hochautomatisiert arbeitende Maschinen die Gesundheit der in der Grünen Branche beschäftigen Personen. Denn viele der körperlich belastenden Arbeiten auf dem Feld, im Stall oder im Gartenbau können an den „Kollegen Roboter“ delegiert werden. Er leidet nicht unter Rückenschmerzen und bekommt keinen weißen Hautkrebs durch UV-Strahlung. Stäube, Lärm und Vibration sind ebenfalls kein Problem für ihn. Der Einzug der Robotik in die Landwirtschaft und in den Gartenbau bietet damit viele Chancen und Möglichkeiten, die die SVLFG ausdrücklich begrüßt.
Alle Akteure müssen aber auch die Herausforderungen und Risiken im Auge behalten. Hochautomatisierte Maschinen und Fahrzeuge handeln selbstständig. Das heißt, auch in potenziell gefährlichen Situationen gibt es keine Person mehr, die aufgrund ihrer Erfahrung und ihres Wissens schnell und richtig eingreifen und den Prozess stoppen könnte. Die Verantwortung verschiebt sich zum Hersteller der Maschine. Betreiberinnen und Betreiber müssen hingegen verstärkt darauf achten, die hochautomatisiert agierenden Maschinen nur in einem passenden Umfeld einzusetzen und die vom Hersteller festgelegte bestimmungsgemäße Verwendung der Maschine zu befolgen, so dass durch sie keine Personengefährdung besteht.
Schulterschluss für mehr Sicherheit
Damit Hersteller hochautomatisierter Systeme sichere Maschinen entwickeln können, benötigen sie Vorgaben, welche Anforderungen diese erfüllen müssen. Nur so können sie das Haftungsrisiko abwägen. Große Hoffnung setzen sie in die neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 (s. Online-Quellen). Alles in allem erfordert die Entwicklung dieser hochmodernen Maschinen einen engen Schulterschluss zwischen Forschung, Herstellung, Praxis und Kontrollbehörden. In diesem Zusammenspiel legt die SVLFG ihr Augenmerk darauf, dass Hersteller und Anwender die Interaktion zwischen Mensch und Maschine sicher gestalten können.
Robotik auf dem Feld und im Betrieb
In der Landwirtschaft fallen im Wesentlichen Tätigkeiten auf dem Hofgelände mit dessen Innen- und Außenbereichen sowie auf den Feldern an.
Zum Arbeitsbereich „Hofgelände“ gehören zum Beispiel automatische Fütterungssysteme (AFS), Mistschieber und Futteranschieber. Automatisierte oder autonom fahrende Fahrzeuge befahren Stallungen, Silolagerplätze und mitunter sogar die gesamte Hoffläche. Die Betriebe müssen bei der Risikoabschätzung Anforderungen an den Einsatz sowohl in Innenräumen („indoor“) als auch im Freien („outdoor“) beachten. Bei den autonom arbeitenden Maschinen handelt es sich häufig um miteinander verbundene technische Komponenten. Beispiele dafür sind Futterbehälter, Förderbänder, Mischbehälter und Austragsysteme. Die Voraussetzung dafür, dass autonome Fahrzeuge ihre Arbeit in einem Unternehmen aufnehmen können, ist eine Konformitätserklärung, die den Vorgaben der Maschinenrichtlinie entspricht. Diese Konformitätserklärung muss die Gesamtanlage des jeweiligen Betriebs berücksichtigen.
Für die Feldarbeit gibt es inzwischen hochautomatisierte Traktoren und andere Maschinen mit und ohne Fahrerplatz. Mittlerweile ist die Bandbreite hierbei groß. Marktbeobachtungen zeigen Varianten von Traktoren mit über 300 PS bis hin zu winzigen Robotern, die ackerbauliche Daten wie Bodenfeuchtigkeit, Temperatur, Humusgehalt und Pflanzenrückstände erfassen und an eine Datenbank liefern. Auf den offenen Feldern erreichen die hochautomatisiert arbeitenden Fahrzeuge höhere Geschwindigkeiten als auf dem Hofgelände. Dadurch wird die Arbeit für Personen im Umfeld der Maschinen deutlich gefährlicher. Die Risikoabschätzung muss insbesondere diesen Umstand berücksichtigen.
Umfelderkennung kann Menschenleben retten
Wenn Fahrerinnen oder Fahrer fehlen, muss die Umfelderkennung der hochautomatisiert arbeitenden Maschinen tadellos funktionieren. Es gibt dann keinen Menschen mehr, der einen gefährlichen Vorgang erkennen und eingreifen könnte. Gerade in der Übergangsphase von personengesteuerten Maschinen hin zu Maschinen ohne Fahrerin oder Fahrer ist der Kontakt mit Personen, die sich im Gefahrenbereich der Maschine aufhalten, vorhersehbar. Zur Qualitätskontrolle und Störungsbeseitigung beim Wechsel von Feld zu Feld oder bei Service- und Wartungsarbeiten werden sich immer Menschen den hochautomatisierten Maschinen nähern. Auch betriebsfremde Dritte dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden.
Die Fahrzeuge müssen daher selbsttätig und rechtzeitig stoppen, sobald Personen in deren Gefahrenbereich eintreten. Dazu bedarf es Sensor- und Kamerasysteme, die Personen, Objekte und Hindernisse im Bereich der durchzuführenden Arbeiten zuverlässig erkennen. Die Umfelderkennung muss dabei alle Fahrtrichtungen sowie den gesamten Gefahrenbereich der Maschine überblicken. Insbesondere die Kombination von Traktoren und Anbaumaschinen sind hier von Belang. So reicht es zum Beispiel nicht aus, wenn die Herstellerfirma des Traktors die Umfelderkennung auf dessen Größe und die Fahrtrichtung auslegt und eine wesentlich breitere Anbaumaschine kombiniert wird. Problematisch ist es auch, wenn Anbaugeräte ausschwenken. In beiden Beispielen können die Anbaugeräte Personen im Gefahrenbereich trotz der Umfelderkennung des Traktors verletzen. Immer riskant ist das Anfahren der Maschine. Die Umfelderkennung muss dabei die Fahrtrichtung des Trägerfahrzeugs überwachen und zusätzlich die gesamte Fahrzeugkombination. Sie muss gewährleisten, dass sich keine Person im Gefahrenbereich des Fahrzeuggespanns aufhält – auch nicht zwischen Traktor und Anbaumaschine.
Abgeschlossene Betriebsbereiche
Damit unbefugte Personen nicht in den Gefahrenbereich von hochautomatisierten Maschinen kommen, müssen auf dem Betriebsgelände die entsprechenden Betriebsbereiche abgesperrt und ausgewiesen sein. Diese abgeschlossenen Betriebsbereiche sind mit automatisierten Fertigungseinrichtungen vergleichbar. Für den Fall, dass Personen ausnahmsweise dort arbeiten, etwa zur Störungsbeseitigung oder zu Instandhaltungsarbeiten, muss die Betriebsleitung Maßnahmen zu deren Schutz festlegen. Zum Beispiel müssen die dazu befugten Personen die autonom arbeitenden Fahrzeuge und andere automatisierte Anlagenteile vorher in einen sicheren Ruhezustand versetzen. Sie dürfen dann maximal einzeln und mit reduzierter Geschwindigkeit durch manuelle Steuerung im Instandhaltungsmodus bewegt werden. Haben alle Menschen den Bereich verlassen und wurden die Zugänge geschlossen, wird der Instandhaltungsmodus von außen manuell aufgehoben.
Ausgereifte Sensortechnik
Alle Überwachsungsanlagen können nur so gut sein, wie die verbauten Komponenten. Die SVLFG rät grundsätzlich zum Einbau zertifizierter Überwachungssysteme, die für die Personenerkennung geeignet sind. Andere Systeme, wie zum Beispiel Rückfahrkameras oder Assistenzsysteme älterer Baureihen für Fahrzeuge, die von Personen gefahren werden, sind meist ungeeignet, um autonom arbeitende Fahrzeuge sicher zu betreiben. Weiterhin muss zwischen Personenerkennungssystemen für den Indoor-Bereich und für den wesentlich herausfordernderen Outdoor-Bereich unterschieden werden. Wechselnde Lichtverhältnisse, Regen, Schnee, Laub und Staub sind nur einige Faktoren, die die Umfelderkennung zuverlässig erfassen und bewerten muss. In vielen Fällen kann dies nur durch eine Kombination von verschiedenen Sensoren erreicht werden (s. Infokasten).
Präventionsziele in der Normung verankern
Die SVLFG beteiligt sich an der aktuellen Überarbeitung der Norm „Sicherheit hochautomatisierter Maschinen – Konstruktionsgrundsätze“ (EN ISO 18497:2018). Das zentrale Präventionsziel der SVLFG ist es, dass hochautomatisiert arbeitende Maschinen Personen zuverlässig erkennen und dadurch Unfälle vermeiden. Schutzeinrichtungen, die ein aktives Abschalten der Maschine durch Kontakt mit einer Person erfordern (Bumper), sind als alleinige Schutzmaßnahme nicht akzeptabel. Insbesondere bei höheren Fahrgeschwindigkeiten reichen die klassische Totmannschaltung oder ähnliche Nothalt-Systeme nicht aus. KI und modernste Umfelderkennungssysteme bieten inzwischen viel geeignetere Möglichkeiten, den Arbeitsschutz von Personen, die sich in der Nähe hochautomatisierter Fahrzeuge oder Maschinen aufhalten, deutlich zu verbessern. Den Einbau solcher Systeme gilt es in der Normung zu verankern. Der unbeabsichtigte Kontakt einer Person mit einer hochautomatisierten Maschine ist aus Sicht des Arbeitsschutzes nicht hinnehmbar.
Die Norm wurde weiterentwickelt und neu aufgeteilt. Das heißt, im ersten Teil sind die Konstruktionsgrundsätze festlegt. Der zweite Teil beschreibt die Grundsätze für die Objekterkennung. Teil drei beschäftigt sich mit den Gestaltungsprinzipien für hochautomatisierte Betriebszonen und Teil vier informiert über Verifizierungs- und Validierungsmethoden. Ebenfalls in der Erarbeitung ist die ISO 3991 zur Sicherheit automatischer Fütterungssysteme. An beiden Projekten beteiligen sich die Präventionsexpertinnen und -experten der SVLFG, um Sicherheit und Gesundheitsschutz auch für die Zukunft zu erreichen.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Online-Quellen
Fachkolloquium der SVLFG: „Robotik in der Landwirtschaft“
www.svlfg.de/fachkolloquium-robotik
YouTube-Kanal der SVLFG
www.svlfg.de/youtube-digital
Verordnung (EU) 2023/1230 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2023 über Maschinen
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/
Info
Sensoren
Hält sich eine Person im Gefahrenbereich einer hochautomatisierten Maschine auf, entscheidet vor allem die Qualität und die Eignung der verbauten Sensoren darüber, ob die Maschine den Menschen erkennt und rechtzeitig stoppt oder nicht. Je nachdem, wofür die Maschine verwendet wird, kommen unterschiedliche Sensoren zum Einsatz. Sinnvoll können zum Beispiel Systeme sein, die mit Ultraschall, Radar oder Lidar, eine dem Radar verwandte optische Form der Abstands- und Geschwindigkeitsmessung, arbeiten.
Darüber hinaus gibt es Tag-basierte Ortungssysteme, die mit UWB- (Ultrabreitband-) oder RFID-Technologie (Radio-Frequency Identification) arbeiten. Ferner gibt es 3D-Kamerasensoren sowie Kamerasysteme mit KI zur Personenerkennung.
Im Sommer 2023 organisierte die SVLFG ein Fachkolloquium zur Robotik in der Landwirtschaft. Eine Zusammenstellung aller Fachvorträge kann im Internet eingesehen werden (s- Online-Quellen).
Wie effektiv KI-gestützte Kamerasysteme mit Personenerkennung die Sicherheit auf landwirtschaftlichen Betrieben erhöhen, zeigen Videos YouTube-Kanal der SVLFG (s. Online-Quellen).