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Examination and Assessment of the Musculoskeletal System in the Medical Service of the Federal Employment Agency
Erkrankungen des Bewegungsapparats sind neben den psychischen Erkrankungen ein Hauptgrund für die Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (BA), den Ärztlichen Dienst (ÄD) mit der Erstellung eines Leistungsbilds zu beauftragen. Gemäß der demografischen Entwicklung stehen dabei die altersbedingten, degenerativen Erkrankungen im Vordergrund. In der Gruppe der „ausgesteuerten“ Kundinnen und Kunden etwa, also Menschen, bei denen in der Regel nach 18-monatiger Krankschreibung die Krankengeldzahlung der Krankenkasse beendet wird und eine Neubeurteilung des Leistungsvermögens durch die Arbeitsagentur ansteht, liegt die Hauptdiagnose „chronischer Rückenschmerz“ zu etwa einem Drittel vor, bei einem weiteren Drittel ist sie Komorbidität.
Neben der Erstellung von Leistungsbildern spielt die ärztliche Stellungnahme in Fragen der Leistung nach dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) eine Rolle, beispielhaft seien die Prüfung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA), etwa für eine unterstützte Ausbildung, oder der Hilfsmittelbedarf zur Ausübung der Tätigkeit genannt.
Anamnese
Bei der Anamneseerhebung ist in besonderer Weise auf die funktionelle Anamnese zu achten, also die Auswirkung angegebener/untersuchter Beeinträchtigungen in Hinsicht auf die Gebrauchs- und Leistungsfähigkeit von Extremitäten und Wirbelsäule.
Eine sinnvolle Funktionsanamnese umfasst wie auch bei vielen anderen gutachterlichen Fragestellungen den Tagesablauf:
Mobilität:
Sportliche (bewegungsbezogene) Aktivitäten:
Die Erfassung der Schmerzintensität bei verschiedenen Aktivitäten auf der VAS (visuelle Analogskala) kann die Angaben ergänzen, ist jedoch kein Muss – Diagnostik und Therapie sind ja zum Zeitpunkt der Begutachtung in der Regel bereits abgeschlossen.
Erfahrene Gutachterinnen und Gutachter lassen durch offene Fragestellungen der zu begutachtenden Person Freiraum, um mit ihr ins Gespräch zu kommen; wichtige Hinweise auf Beeinträchtigungen ergeben sich oft von selbst.
Auf die Bedeutung der Unfallanamnese wie auch stattgehabter Operationen soll hingewiesen werden; dies gibt wertvolle Hinweise auf zu erwartende Funktionsbeeinträchtigungen, und legt im Falle von Unfallfolgen die Zuständigkeiten/Leistungspflichten in Abgrenzung zu Berufsgenossenschaften beziehungsweise Haftpflichtversicherern fest. Ergänzt wird dies durch die Dokumentation einer möglichen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) beziehungsweise des Grades der Behinderung (GdB).
Untersuchung und Beurteilung der Wirbelsäule und der Extremitäten
Schmerzsymptome der Wirbelsäule, insbesondere der Lendenwirbelsäule („low back pain“), beschäftigen seit vielen Jahrzehnten Therapeutinnen und Therapeuten, Sozialversicherungssysteme sowie Gutachterinnen und Gutachter.
Die zugrunde liegenden, meist degenerativen Hauptpathologien sind die Spondylose, Spondylarthrose, der chronische nichtoperierte oder operierte Bandscheibenvorfall (auch als Postdiskektomiesyndrom bezeichnet) und Folgezustände nach operativen Versteifungsoperationen oder Unfällen (auch osteoporotische Frakturen und Folgezustände). Eher selten finden sich Folgezustände von Skoliosen/Kyphosen, seien sie anlagebedingt oder traumatisch.
Bei einem nicht unerheblichen Teil der Betroffenen sind allerdings – bei altersentsprechenden degenerativen Veränderungen in der Bildgebung – Bewegungsarmut und Trainingsmangel als Hauptursache der Beschwerden zu nennen.
Wie auch für alle folgenden Körperabschnitte ist die Erfassung der Beweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode zwar der Goldstandard, empfohlen wird aber im Rahmen zeitlich begrenzter Ressourcen nur die Dokumentation von klinisch auffälligen, beeinträchtigenden Befunden in Abhängigkeit von den Angaben der Probandinnen und Probanden. Die explizite Erwähnung von Normalbefunden ist nicht unbedingt erforderlich.
Funktionsprüfungen geben Aufschluss auf krankheitsbedingte Folgen/Einschränkungen; die orientierende, gegebenenfalls auch gezielte neurologische Untersuchung der entsprechenden Wirbelsäulenabschnitte schließt sich an, hier ergeben sich Überlappungen mit der Untersuchung der Extremitätenfunktion.
Im Folgenden wird der Untersuchungsablauf an sich geschildert, auf die explizite Erwähnung der Winkelgerade wird verzichtet, sie kann den einschlägigen Tabellen beispielsweise der Berufsgenossenschaften entnommen werden.
Halswirbelsäule (HWS)
Bei der Inspektion wird auf auffällige Fehlhaltung und Unterschiede des Muskelmantels geachtet. Die Untersuchung der Halswirbelsäule erfolgt üblicherweise im Sitzen. Die untersuchende Person steht dabei hinter der Probandin/dem Probanden. Die Nasenspitze wird als Zeiger benutzt und die
Rotation links/rechts in Relation zur Sagittalebene (Medianebene) sowie die Seitneigung erfasst. Wie auch in den folgenden Untersuchungen kann ein Winkelmesser zur exakten Dokumentation bei pathologischen Befunden benutzt werden, für die schnelle Erfassung eines altersentsprechenden Normalbefunds sollte jedoch der Blick der erfahrenen untersuchenden Person mit Schätzung der Werte genügen. Insbesondere die Rotation der Halswirbelsäule kann Einfluss haben auf das Führen eines Kraftfahrzeugs (Spiegelblick, Schulterblick).
Es schließt sich die Messung des Kinn-Jugulum-Abstands in maximaler Inklination und Reklination an – dies ist von Bedeutung zum Beispiel für PC-Arbeitsplätze, aber auch für Kundenkontakte, etwa im Dienstleistungs-/Schalterbetrieb.
Atrophien der oberen Extremitäten und der Schultermuskulatur geben Hinweise auf segmentale oder zentrale Nervenschädigungen. ➥ Tabelle 1 zeigt eine kurze, praxisrelevante Zusammenfassung der wichtigsten Arm- und Handfunktionen mit ihren Kennmuskeln und den dazugehörigen segmentalen Nerven.
Zur Erfassung der sensiblen Ausfälle hat sich eine kurze orientierende Untersuchung bewährt. Dabei steht die untersuchende Person der oder dem Probanden frontal gegenüber und diese oder dieser spreizt die Hände ab. Es wird im Seitenvergleich das Gefühl getestet:
Die Erfassung von Reflexen kann erfolgen, sie ist für die Funktion jedoch unbedeutend.
Aufgrund der funktionellen neurologischen Einheit werden im praktischen Ablauf jetzt die oberen Extremitäten untersucht.
Obere Extremitäten
Degenerative Schultererkrankungen bilden einen Schwerpunkt in der gutachterlichen Praxis, gefolgt von degenerativ-arthrotischen Veränderungen der Hand- und Fingergelenke sowie unfallbedingten Folgeschäden.
Neben der Arthrose von Schulter und Schultereckgelenk zählen zu den funktionsbeeinträchtigenden Schultererkrankungen insbesondere die vielfältigen Erkrankungen der Rotatorenmanschette. Diese umfassen unter anderem das Supraspinatussyndrom, die chronische Tendinitis/Peritendinitis sowie Teil- oder Vollrupturen der Rotatorenmanschettensehnen und chronische Schleimbeutelaffektionen. Operative Folgezustände sind zum Beispiel der Zustand nach Naht der Rotatorenmanschette oder nach subkapitalen Humerusfrakturen.
Bei der Inspektion wird auf offensichtliche Unterschiede des Muskelmantels der oberen Extremitäten geprüft, gegebenenfalls Extremitätenverkürzungen- oder Fehlstellungen. Es ist auf Gelenkverdickungen-/Veränderungen insbesondere der Fingergelenke, auf Kontrakturen, Einsteifungen und (Teil-)Amputationen zu achten.
Eine gezielte Funktionsanalyse ist leicht durchführbar. Die untersuchende Person steht der Probandin oder dem Probanden direkt gegenüber und bittet diese oder diesen, die Bewegungen nachzumachen. So werden geprüft:
Der Phalentest prüft nicht nur auf das Vorliegen eines Karpaltunnelsyndroms, sondern gibt auch Aufschluss über die Beugefähigkeit der Handgelenke, der umgekehrte Phalentest über die Streckfähigkeit der Handgelenke.
Es schließt sich die Überprüfung der Kraft mit den Kraftgraden von 1–5 nach Janda an:
Brust- und Lendenwirbelsäule
Die Untersuchung der Brust und Lendenwirbelsäule erfolgt in der frontalen Ebene von hinten. Dabei werden Schulter- und Beckenstand erfasst, die Aufschluss sowohl auf Beinverkürzungen/Beinverlängerungen als auch auf skoliotische/kyphotische Verkrümmungen geben können.
Bei der Inspektion von hinten (frontales Profil) ist wichtig:
Bei der Inspektion im seitlichen Profil ist auf eine verstärkte thorakale Kyphose oder lordale Hyperlordose zu achten. Letztere kann Hinweise auf eine manifeste Spondylolisthese (Wirbelgleiten) geben.
Wesentliche spezifische Funktionstests für die Brustwirbelsäule existieren nicht, durch lokale Palpation sollten bei Angabe entsprechender Schmerzsyndrome beziehungsweise chronischer Blockierungen, aber auch Folgezuständen nach Rippenfrakturen die klinischen Angaben bestätigt werden. Die segmentale neurologische Untersuchung ist nur sinnvoll bei Folgezuständen nach schweren Wirbelsäulen- oder Rippenverletzungen, beziehungsweise Folgezuständen einer Gürtelrose.
Wie bei der Halswirbelsäule beinhaltet die Prüfung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule die Rotation rechts/links: Prüfung im Stehen oder Sitzen, dabei wird wie an der Halswirbelsäule die Verdrehung von Schulterebene gegenüber der fixierten Beckenebene in Winkelgeraden gemessen/geschätzt; die Seitneigung links/rechts wird ebenso bei fixiertem Becken
geprüft.
Der Finger-Boden-Abstand (FBA) ergänzt die Beweglichkeitsuntersuchung und gibt Hinweise auf Nervendehnungszeichen, etwa bei bekannten Ischialgien.
Vorsicht: Auch komplett versteifte lumbale Wirbelsäulen, zum Beispiel nach Frakturen oder Skolioseoperationen können einen FBA von wenigen Zentimetern vortäuschen, die untersuchten Personen beugen dabei mit den Hüftgelenken. Die Kenntnis der Voroperationen ist daher essenziell.
Die Gegenprobe zum Finger-Boden-Abstand ist der Lasegue-Test oder auch „straight-leg-raise“-Test (SLR): das Anheben des gestreckten Beins bis zum Eintreten von Dehnungsschmerzen der Ischiasnerven, die in Rückenlage und auch in Seitenlage geprüft werden können.
Dies leitet wie an der Halswirbelsäule über zur neurologischen Untersuchung der unteren Extremitäten; in ➥ Tabelle 2 ergeben sich wie oben Funktionen und Kennmuskeln.
Dermatome zur segmentalen Diagnostik sind:
Im Anschluss an die Untersuchung von Brust- und Lendenwirbelsäule lässt sich bei der Probandin oder dem Probanden entweder stehend oder in Rückenlage sehr gut auch die Kraft der unteren Extremitäten testen.
Untere Extremitäten
Hauptpathologien sind wiederum die degenerativen Erkrankungen, insbesondere also die Arthrosen der Hüft- und Kniegelenke, zahlenmäßig eher seltener die der Sprunggelenke und der Zehen.
Bei Knie- und Sprunggelenken ist die Untersuchung auf Instabilitäten nach Bandverletzungen – Kreuzband, Innenband –, aber auch Meniskusverletzungen zielführend, am oberen Sprunggelenk führt die laterale Instabilität nach Außenbandrupturen die Diagnoseliste an.
Die Untersuchung des Hüftgelenks erfolgt in der Regel in Rückenlage, dabei kann sehr gut auf Streckung, Beugung, Innen- und Außenrotation (bei 90°gebeugtem Hüftgelenk) getestet werden. Bei auffälligem Befund, der mit den Symptomen korreliert, sollte immer auch die Gegenseite zum Vergleich herangezogen werden.
Am Kniegelenk wird neben dem Bewegungsumfang vor allem auf mediale oder laterale Instabilität (Varus-/Valgusstress) geprüft, dies zunächst am gestreckten sowie 30° gebeugten Gelenk. Nach Verletzungen oder operativen Rekonstruktionen der Kreuzbänder erfolgt die Untersuchung der vorderen und hinteren Schublade sowie eine orientierende Prüfung der Meniskuszeichen.
In gleicher Weise wird auf Instabilitäten im Sprunggelenk untersucht.
Funktionstests der unteren Extremitäten sind das Stehen und Hüpfen auf einem Bein, der Zehen- und Hackenstand, das Einnehmen der Hocke, das Knien.
Hierzu gehört auch die Überprüfung des Gangbildes und die Nutzung von Gehhilfen; beides kann und sollte auch in unbeachteten Momenten geprüft werden.
Folgezustände nach Endoprothetik
Obwohl zahlenmäßig weniger häufig, stellen Folgezustände nach Schulter-, Hüft- und Knieendoprothesen bei den Kundinnen und Kunden der BA eine relevante Gruppe in der gutachterlichen Bewertung dar. Dies liegt insbesondere am oft jüngeren bis mittleren Alter der Betroffenen, was mit einer längeren zu erwartenden Berufstätigkeit verbunden ist. Gutachterlich Neueinsteigende, aber auch die Probandinnen und Probanden selbst sehen trotz verbesserter Parameter wie Schmerz, Beweglichkeit und Gehstrecke eine berufliche Wiedereingliederung oft skeptisch. Grundsätzlich wird bei jedem endoprothetisch versorgten Gelenk von einer deutlichen Minderbelastbarkeit ausgegangen, wichtig ist jedoch die Prüfung des individuellen Falles, vor allem in Hinblick auf einen konkreten Zielberuf.
Die Schulterendoprothetik hat als Hauptindikation den arthrotischen Schmerz, weniger die Erlangung einer sehr guten, normwertigen Beweglichkeit. In der gängigen Einschätzung von Operationserfolgen wird eine Abduktion bis 90° als gutes Ergebnis bezeichnet.
An der Schulter sind leichte, im Einzelfall auch leichte bis mittelschwere Hebe- und Tragebelastungen möglich, eine dauerhafte Überkopftätigkeit entfällt. Tätigkeiten, die zum Beispiel auf Leitern oder Gerüsten die vollständige Armhaltekraft erfordern, sollten nicht durchgeführt werden.
Ein breites Spektrum an Büro- und PC-Tätigkeiten ist für Betroffene mit Folgezuständen nach Schulterendoprothesen geeignet. Der Einsatz von Hilfsmitteln wie ergonomischen Mäusen und Tastaturen kann diese Tätigkeiten zusätzlich erleichtern. Darüber hinaus sind auch Sortiertätigkeiten, leichte Verpackungstätigkeiten, Montagetätigkeiten und Feinarbeiten möglich.
Hüft- und Kniegelenksprothetik: Die Prothetik von Hüft- und Kniegelenken ist seit Jahrzehnten eine Erfolgsgeschichte, wobei die Ergebnisse der Knieendoprothetik denen der Hüftendoprothetik hinsichtlich Beweglichkeit, Schmerz- und Wegstreckenverbesserung sowie Standzeiten hinterherhinken. Bei gutem Operationsergebnis ist funktionell bei beiden großen Gelenken von einer Beugefähigkeit von 90° bis 110° auszugehen, ein leichtes Streckdefizit bis zu 10° kann bei Hüftgelenken besser toleriert werden, bei Kniegelenken ist damit die Gehfähigkeit und das Treppensteigen eingeschränkt. Leichte Tätigkeiten, im Einzelfall auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sind bei beiden Arten der prothetischen Versorgung vollschichtig möglich.
Arbeiten in der Hocke, im Bücken, Knieen sind nicht leistungsbildgerecht, ebenso wenig wie Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten.
Zu einer überwiegenden Arbeitshaltung im Sitzen wird geraten, individuell können auch Arbeiten überwiegend im Gehen oder Stehen wahrgenommen werden, wenn es sich beispielsweise um Botentätigkeiten, Kontroll- oder Vertriebstätigkeiten oder Tätigkeiten mit der Möglichkeit des selbstbestimmten Wechsels der Arbeitshaltung handelt.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur
Buckup K: Klinische Tests an Knochen, Gelenken und Muskeln. Stuttgart: Thieme, 2000.
Hoppenfeld S: Orthopädische Neurologie. Stuttgart: Enke, 1980 (vergriffen, das amerikanische Original wird weiter aufgelegt unter Orthopaedic Neurology, Lippincott Williams&Wilki; 2018).
Leitfaden für die arbeitsamtsärztliche Begutachtung. Nürnberg: Bundesanstalt für Arbeit, Hauptstelle, Ärztlicher Dienst, 2000.
Deutsche Rentenversicherung: Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung. Berlin Heidelberg: Springer, 2018.
doi:10.17147/asu-1-378121
Kernaussagen
Fallbeispiele
Die 58-jährige ausgesteuerte Kundin war durchgehend im Lernberuf als Bürokauffrau mit überwiegender Sekretariats-PC-Tätigkeit beschäftigt. In Folge eines zervikalen Bandscheibenvorfalls C6/7 rechts mit neurologischen Ausfällen wurde eine ventrale Fusion dieser Etage durchgeführt. Bei der Untersuchung sechs Monate nach der Operation zeigte sich ein leichtes Rotationsdefizit der HWS mit links/rechts 80-0-70°, eine leichte Schwäche des Musculus (M.) triceps und der Fingerstreckung mit Kraftgraden 4/5 rechts (dominante Hand) sowie eine geringe Hypästhesie entsprechend des sensiblen Versorgungsgebiets der Wurzel C7 für Zeige-, Mittel- und Ringfinger. Eine Schmerzsymptomatik bestand kaum noch, PC-Tätigkeit war bereits seit längerem im privaten Bereich möglich. Die Probandin konnte im Gespräch zu einer Rückkehr in den zuletzt ausgeübten Beruf überzeugt werden, vor allem unter Hinweis auf das weitere Beüben der Handfunktion unter beruflichen Bedingungen („Krankengymnastik am Arbeitsplatz“).
Der 38-jährige Balletttänzer beantragte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) – konkret eine Umschulung zum Physiotherapeuten oder Fitnesstrainer – wegen einer Arthrose des linken Hüftgelenks. Bei früherer Auslandstätigkeit war die Agentur für Arbeit zweitangegangener Rehabilitationsträger, die Deutsche Rentenversicherung hatte bereits unter Hinweis auf nichterfüllte Beitragszeiten Leistungen abgelehnt.
Zuletzt hatte der Betroffene nur noch Einsätze in kleineren Nebenrollen, schließlich folgte die dauerhafte Krankschreibung. Unter beruflicher Belastung wurden regelmäßige nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) eingenommen, im Alltag waren die Schmerzen erträglich. In der Bildgebung zeigte sich im Magnetresonanztomogramm (MRT) auf beiden Seiten eine beginnende Hüftgelenksarthrose.
Bei der klinischen Untersuchung imponierte ein unauffälliges Gangbild, an der rechten Hüfte uneingeschränkte, schmerzlose Beweglichkeit. An der linken Hüfte lag ein klassischer Leistendruckschmerz vor, eine eingeschränkte Innenrotation von 30° sowie ein auffälliges Streckdefizit von 10° jeweils mit hartem Anschlag.
Eine Prüfung von LTA konnte hier empfohlen werden, da der körperliche Hochleistungseinsatz als Balletttänzer sicher nicht mehr möglich war. Die vorgeschlagenen Umschulungsberufe sind leistungsbildgerecht, zumal auf berufliche Vorerfahrung zurückgegriffen werden kann.
Ein 19-jährige Kunde steht vor der Berufswahl. Er hat zunächst die Förder-, danach die Hauptschule erfolgreich absolviert, anamnestisch ist ein der ICP (Infantile Cerebralparese) ähnliches Krankheitsbild dokumentiert. Das Gutachten des berufspsychologischen Dienstes diagnostizierte eine Lernbehinderung und empfahl eine theoriereduzierte Ausbildung; der Mitarbeiterin der Abteilung für berufliche Rehabilitation fiel ein merkwürdiges Gangbild und ein „kleiner linker Arm“ auf. Erarbeitete Zielberufe waren der Fachpraktiker Gartenbau oder Fachlagerist. Die Eignung dafür sollte überprüft werden, ferner die Fähigkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (ÖPNV).
Bei dem freundlichen, äußerst motivierten Kunden war ein linksbetontes leicht spastisches Gangbild auffällig, Gehhilfen waren nicht nötig, eine diesbezügliche Medikation wurde nicht verabreicht, am linken Arm lag eine minimale Spastik und eine Verkürzung von ca. 15 cm im Seitenvergleich vor. Sowohl die obere als auch die untere Extremität links waren zwar homogen verschmächtigt, jedoch kräftig ausgebildet – seit Jahren besuchte der Kunde das Fitnessstudio zum Ausgleich, dementsprechend war ein insgesamt athletischer Muskelmantel vorhanden. Es zeigte sich ein leicht verringerter Faustschluss links mit dem Kraftgrad 4.
Sicher bestand Eignung sowohl für die oben genannten Zielberufe als auch für die Teilnahme am ÖPNV.