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Das Frühjahr und die Sommertage nähern sich – die Zecken ebenfalls

Abb. 2:  Lauerndes Weibchen von I. ricinus auf einer Pflanze

Foto: H. Mehlhorn

Abb. 2: Lauerndes Weibchen von I. ricinus auf einer Pflanze
Abb. 3:  An der Haut angesogenes, bereits mit Blut gefülltes Weibchen, das ein Vielfaches ihres Eigengewichts an Blut aufgenommen kann, weil es sehr große Mengen Eier produzieren und ablegen wird

Foto: H. Mehlhorn

Abb. 3: An der Haut angesogenes, bereits mit Blut gefülltes Weibchen, das ein Vielfaches ihres Eigengewichts an Blut aufgenommen kann, weil es sehr große Mengen Eier produzieren und ablegen wird
Abb. 4:  Paarungsbild: Ein Männchen begattet ein vollgesogenes Weibchen

Foto: H. Mehlhorn

Abb. 4: Paarungsbild: Ein Männchen begattet ein vollgesogenes Weibchen

Eine der wichtigsten Zeckenarten in Europa ist Ixodes ricinus (➥ Abb. 1–4, s. folgende Seiten). Sie überträgt zwei wichtige und leider auch relativ weit verbreitete Krankheitserreger. Daher sollte nach Auftreten von Krankheitssymptomen als Folge eines Zeckenbefalls die ärztliche Praxis aufgesucht werden.

Borreliose – die verkannte ­Volkskrankheit

Name

Der Name der Krankheit (Lyme-Borreliose) wurde zu Ehren des französischen Mikrobiologen Andre Borrel gewählt. Die Artnamen in Borrelia burgdorferi, B. garinii, B. bavariensis, B. afzelii und B. spielmanii gehen zurück auf Willy Burgdorfer (den Schweizer Entdecker der Erreger in der Zecke im Jahre 1983), auf A. Afzelius (den dänischen Hautarzt, der 1909 das Leitsymptom der Borreliose, die Wanderröte (Erythema migrans) zuerst beschrieb), C. Garin (einen französischen Mikrobiologen) sowie auf Andy Spielman (einen verstorbenen Parasitologen der Harvard University). Die im Englischen sogenannte Lyme Disease beziehungsweise in Deutsch als Zeckenborreliose bezeichnete Erkrankung erhielten ihren Namen nach dem kleinen Ort Lyme in Connecticut (USA), wo das Bakterium 1975 in Betroffenen entdeckt und 1979 das erste Krankheitsbild (Erythema migrans) vom Schweizer Wissenschaftler Burgdorfer auf Zeckenstiche zurückgeführt wurde.

Erreger

Borrelia-Arten sind Bakterien, die mit der Gruppe der Lues- beziehungsweise Syphilis-Erreger (Treponema pallidum, syn. Spirochaeta pallida) nahe verwandt sind, so dass es bei serologischen Untersuchungen zu Kreuzreaktionen kommen kann. Borrelien, die zur „Lyme disease“ führen, erscheinen als spiralige Bakterien von 10–30 µm Länge und einem Durchmesser von 0,2–0,3 µm. Sie besitzen 7–11 im Elektronenmikroskop sichtbare sogenannte Endoflagellen (Geißeln vom Bakterientyp ohne den typischen inneren Aufbau von 9 x 2 + 2 Mikrotubuli). Die Bakterien können im Dunkelfeld an ihren Bewegungen beziehungsweise bei Färbungen durch die gramnegative Reaktion ihrer Hülle erkannt werden.

Es sind aus dieser Gruppe der Erreger der Zeckenborreliose mindestens zwölf Arten beschrieben, von denen in Europa und Amerika B. burgdorferi (in engerem Sinn = sensu stricto) auftritt. In Europa kommen dazu aus dem B.-burgdorferi-Komplex (sensu lato = im weiteren Sinn) mit den B. spielmanii, B. afzelii und B. garinii weitere pathogene Arten hinzu (z. B. B. lusitaniae, B. valaisiana als möglicherweise pathogene Arten). In Asien finden sich B. garinii, B. afzelii, B. burgdorferi sensu stricto wie auch B. japonica.

Übertragungswege

Der Erreger Borrelia burgdorferi wird in Europa von Zecken der Art Ixodes ricinus übertragen, in Asien von I. persulcatus und in den USA vorwiegend von I. scapularis, wobei alle Entwicklungsstadien (Larve, Nymphe, Adulte) involviert sind. Das Hauptreservoir sind kleine Nagetiere (z. B. Mäuse) und auch Vögel, die insbesondere für die Verbreitung in den jeweiligen Ländern sorgen.

Auftreten

Die besonders häufigen und zudem humanpathogenen Arten vom B.-burgdorferi-sensu-stricto-Komplex finden sich in den USA und Europa, dazu (s. oben) weitere in Europa. In Europa erwiesen sich in manchen Gebieten bis zu 40 % der gefangenen Zecken der Art Ixodes ricinus und in geringer Anzahl auch Dermacentor reticulatus als Träger von Borrelien. In den USA waren die dort nachgewiesenen Überträger-Zecken (Ixodes-Arten) ebenfalls in hohem Maße infiziert. Allerdings bedeutet dies nicht, dass es dann bei jedem Saugakt zu einer patenten, das heißt erfolgreichen Infektion kommt. Als Reservoir für die Borrelien dient eine Vielzahl von Wirbeltieren (Vögel, Nager, Hunde, Katzen, Pferde, Wildtiere etc.), ohne dass diese unbedingt Symptome zeigen müssen. Mäuse zum Beispiel erkranken faktisch nicht.

Krankheitssymptome

Die Lyme- beziehungsweise Zeckenborreliose ist wegen ihrer relativ unspezifischen, aber faktisch lebenslang anhaltenden Symptome eine der am meisten verkannten Erkrankungen des Menschen. Wie das bei solchen Fällen häufig der Fall ist, bilden sich bei den Betroffenen und vor allem bei den in der Therapie tätigen Berufsgruppen bestimmte Lager, deren Anhänger eher zu weltanschaulichen Grabenkämpfen neigen als zu sorgfältiger tiefgreifender Analyse oder sogar zur Entwicklung von standardisierten optimalen Diagnose- und Therapieverfahren. Fakt ist jedoch, dass die Verbreitung der Borreliose mit Blick auf die jährlich zum Beispiel in Deutschland gemeldeten Zahlen von Neuinfektionen und die sich daraus ergebenden Folgeschäden fast als Volkskrankheit angesehen werden kann.

  • Die erste Phase der Borreliose umfasst Symptome der sogenannten lokalisierten Infektion. Während dieser meist 1–8 Wochen dauernden Phase zeigt sich von der Stichstelle ausgehend (leider aber nur in 50–70 % aller Fälle) das Leitsymptom „Wanderröte“ (Erythema migrans), wobei die Rotfärbung der Haut insgesamt oder als ringförmige Struktur (mit zentraler Ausbleichung) wandern kann. Der Durchmesser dieser Rötung kann leicht 15 cm erreichen und später ringförmig ausbleichen. Als Allgemeinsymptome zeigen sich Lymphknotenschwellungen (Lymphozytom), Fieber, Müdigkeit, Übelkeit. Zu ihnen können (müssen aber nicht!) Meningismus des Nervensystems (ein Komplex aus Kopfschmerzen und Nackensteife) sowie Milz- und/oder Leberschwellungen kommen.
  • Die zweite Phase wird als disseminierte (ausgebreitete) Infektion betrachtet. Die frühzeitig disseminierte Phase tritt nach Wochen ein und kann für längere Zeit anhalten. Auf der Haut erscheinen hier entzündliche Reaktionen sowie zum Beispiel Lymphknotenschwellungen. Als Allgemeinsymptomatik zeigt sich ein starkes Krankheitsgefühl, wozu ausgehend vom Nervensystem sich Symptome der Meningitis (Hirnhautentzündung) entwickeln wie auch solche der Neuritis (Nervenentzündung, Nervenwurzelentzündung) und Nervenlähmung (insbesondere des Nervus fascialis im Gesicht). Hinzu kommen oft Wahrnehmungsprobleme und Karditis (Herzentzündung), Leberentzündung, Augenprobleme, Leber- und Nierenprobleme, Bewegungsprobleme durch Arthritis (Gelenksentzündungen) beziehungsweise Myalgien (Muskelentzündungen) oder Osteomyelitis (Knochenmarksentzündungen) – also ein breites Spektrum von Krankheitssymptomen.
  • Die dritte Phase und damit das Spätstadium, das durch eine dauerhafte (persistierende) Infektion der Betroffenen charakterisiert ist, zeigt im Hautbereich in 1–3 % der Fälle eine sogenannten Acrodermatitis chronica atrophicans (Auflösung von Hautbereichen im Bereich eines Beins). Durch Beeinträchtigung/Befall des Zentralnervensystems kommt es zu Lähmungen, Sprachstörungen, Erinnerungslücken, ataktischem Gang und Psychosen. Die Bewegungsfähigkeit wird massiv durch chronische, irreversible Gelenksentzündungen gestört, so dass häufig die Nutzung eines Rollstuhls die logische Folge ist. Gleichzeitig erfolgt eine Beeinträchtigung des gesamten Körpergefühls mit dem sich steigernden Auftreten einer dauerhaften massiven Abgeschlagenheit.
  • Abb. 5:  Schematische Darstellung der Körper weiterer Schildzecken in Europa, die sowohl ­Menschen wie auch Tiere befallen. Zwei Gattungen (Haemaphysalis- und Ixodes-Arten) besitzen keine Augen, die als grüner Punkt gekennzeichnet sind (E). A = Porenplatte (Area porosae, ­Luftzufuhr); AP = Segment des Pedipalpus; CH = Chelicere; E = Auge; P = Pedipalpus (Taster). (Bild: H. Mehlhorn)

    Abb. 5: Schematische Darstellung der Körper weiterer Schildzecken in Europa, die sowohl ­Menschen wie auch Tiere befallen. Zwei Gattungen (Haemaphysalis- und Ixodes-Arten) besitzen keine Augen, die als grüner Punkt gekennzeichnet sind (E). A = Porenplatte (Area porosae, ­Luftzufuhr); AP = Segment des Pedipalpus; CH = Chelicere; E = Auge; P = Pedipalpus (Taster). (Bild: H. Mehlhorn)

    Verlauf

    Die beiden ersten Phasen können spontan ausheilen (1. Phase in etwa 90 % der Fälle, 2. Phase in etwa 80 % der hiervon betroffenen Personen). Allerdings können auch einzelne Phasen unterbleiben, so dass die Krankheitsbilder je nach Immunlage, dem Alter der Personen sowie dem Auftreten verschiedener Krankheitserreger stark variieren können, was die diagnostischen Probleme nur noch verstärkt. So finden sich die Symptome der Neuroborreliose nur bei 10–12 % der Betroffenen, die Arthritis bei 8–10 % in Europa, aber bei bis zu 30 % der in Amerika auftretenden Fälle.

    Therapie

    Zur Therapie der Borreliose wird die Anwendung relativ hoher Dosen von Antibiotika empfohlen, zum Beispiel Doxycyclin 2-mal 100 mg/Tag für 14–21 Tage; bei Kindern Amoxicillin, bei Allergikern Makrolide.

    Vorbeugung

    Bei Wanderungen in Wald- und Wiesengebieten Socken über die Hosenbeine ziehen und diese wie auch nackte Beine mit einem Zeckenrepellens aus der Apotheke besprühen.

    Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

    Diese von einem Virus induzierte Erkrankung (engl. tick-borne encephalitis, TBE), auch Zeckenenzephalitis, Frühsommerenzephalitis oder Zentraleuropäische Enzephalitis (ZEE) genannt, hat ihr Hauptreservoir in Kleintiernagern des Waldes und von Wiesen. Da diese Tiere stets in Bodennähe leben, können die von ihnen abgesetzten Zecken auch leicht auf den Menschen übertreten und dabei beim Blutsaugakt die FSME-Viren übertragen. Die Übertragung des Virus erfolgt allerdings nicht bei jedem Saugakt und zudem entwickelt nur jeder Dritte der Infizierten die Krankheitssymptome. Diese treten zweigipflig auf, und zwar zunächst nach etwa 10 (5–28) Tagen (Kopfschmerzen, Fieber). Nach Abschwächung der Symptome kommt es oft zu einer isolierten Hirnhautentzündung (Meningitis) oder bei etwa 35–40 % der Fälle zu einer zusätzlichen isolierten Meningitis wie eventuell auch Meningoenzephalomyelitis. Bei allen diesen Erkrankungen kann es zu schweren Verläufen und auch Todesfällen kommt.

    Diagnose

    Befunde eines potenziellen FSME-Befalls werden aufgrund folgender Fakten erstellt:

  • Aufenthalt in einem FSME-Gebiet;
  • hohes Fieber;
  • neurologische Ausfälle (Bewusstseinsstörungen, Lähmungen etc.);
  • Anwesenheit von FSME-spezifischen IgM- und IgG-Antikörpern im Serum etwa 2–4 Wochen nach Einsatz von Krankheitssymptomen;
  • im Blutbild tritt eine Leukose von mehr als 10.000 Zellen/µl auf;
  • meist findet sich auch eine Pleozytose und bei ca. 60 % der Fälle auch eine charakteristische Störung der Blut-Liquor-Schrankenfunktion;
  • besonders charakteristisch ist, dass etwa 2–3 Wochen nach Eintritt erster Symptome bei 90–95 % der Betroffenen der FSME-spezifische Liquor-Serum-Antikörper-Index erhöht ist.
  • Therapie

    Leider existiert keine kausale Therapie bei FSME-Befall, sondern es muss auf unterstützende Maßnahmen (meist mit Klinikaufenthalt) zurückgegriffen werden. Wichtig: Personen mit Immunsuppression sind besonders gefährdet und daher ist bei deren Befall unbedingt eine klinische Einweisung erforderlich.

    Prophylaxe

    Wegen der Schwere der potenziellen Krankheitssymptome sollte bei geplanter Einreise in ausgewiesene FSME-Endemiegebiete vorher unbedingt eine vorbeugende Impfung mit drei Grundimmunisierungen (wichtige Beachtung bei der Reiseplanung in Endemiegebiete!) erforderlich. Die Wiederholung der Impfung wird je nach Alter der betroffenen Person empfohlen (zwischen 3–5 Jahren). In Deutschland sind verfügbar: Encepur Kinder, Encepur Erwachsene, FSME Immun Junior und FSME Immun (ab ca. 16 Jahre).

    Informationen zur FSME bietet die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (s. „Weitere Infos“).

    Interessenkonflikt: Der Autor ist bei der Alpha-Biocare GmbH, Neuss, beschäftigt. Weitere Interessenkonflikte liegen nicht vor.

    Literatur

    Mehlhorn B, Mehlhorn H: Zecken auf dem Vormarsch. Vorbeugung und Maßnahmen gegen Krankheitserreger. Düsseldorf University Press, Düsseldorf, 2009 (auch beim Autor erhältlich).

    Mehlhorn B, Mehlhorn H: Zecken, Milben, Fliegen, Schaben … Schach dem Ungeziefer. 4. Aufl. Heidelberg: Springer, 2020.

    Mehlhorn H: Encyclopedia of parasitology. 4. Aufl. Heidelberg, New York: Springer, , 2016

    Mehlhorn H: Die Parasiten des Menschen. Erkrankungen erkennen, bekämpfen und vorbeugen. 7. Aufl. (8. Aufl. im Druck). Heidelberg: Springer Spektrum, 2012

    doi:10.17147/asu-1-189960

    Weitere Infos

    Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Leitlinie Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)
    https://dgn.org/wp-content/uploads/2013/01/030035_LL_FSME_2020.pdf

    Abb. 6:  Borreliosesymptome. Links: Ausbleichen des Erythems; rechts: Rosacea-migrans-Schwellung

    Fotos: H. Mehlhorn

    Abb. 6: Borreliosesymptome. Links: Ausbleichen des Erythems; rechts: Rosacea-migrans-Schwellung

    Kernaussagen

  • Zecken sind Teil der Natur, sie sind relativ klein und fügen beim Blutsaugen ihren Wirten (Tieren und Menschen) keinen Schmerz zu, weil ihr blutverflüssigender Speichel schmerz­betäubend wirkt.
  • Beim Blutsaugen an menschlichen und tierischen Wirten nehmen Zecken eine Reihe von Krankheitserregern auf, die sich in ihnen vermehren und die sie beim nächsten Saugakt auf Menschen und deren Haustiere weitergeben und so durchaus schwere Erkrankungen indu­zieren können.
  • Daher ist es erforderlich, dass sich Menschen und ihre Tiere stets in einem durch in Apotheken oder Drogerien erhältliche sogenannte Abwehrmittel (Repellenzien) geschützten Zustand bewegen und der eigene Garten durch Anbringen von feinen Gittern vom Zuzug von potenziell zeckentragenden Tieren (z. B. Igel, Ratten etc.) geschützt wird.
  • Kontakt

    Prof. Dr. rer. nat. Heinz Mehlhorn
    Department Biologie; Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; Universitätsstraße 1; 40225 Düsseldorf

    Foto: privat

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