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Shaping the Future: Occupational Medicinedigital
Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien in der Medizin
Ob in der Allgemeinmedizin, Neurologie, Radiologie, Notfallmedizin oder Dermatologie: Diese und viele weitere medizinische Fächer haben die Vorteile und Chancen digitaler Unterstützungsangebote erkannt und nutzen sie zum Teil schon zur Optimierung der Patientenversorgung sowie Schonung von Ressourcen und Verbesserung von klinischen Abläufen. Interessant und innovativ sind beispielsweise die Ansätze des Telemonitoring von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz, die Mit- und Nachbetreuung von Schlaganfallpatientinnen und -patienten via Videosprechstunde, die Möglichkeiten der Teledermatologie mit der räumlich und zeitlich versetzten Befundung (S2K-Leitlinie „Teledermatologie“, s. „Weitere Infos“) oder der Teleradiologie. In der Notfallmedizin finden sich beispielsweise Konzepte des prähospitalen telemedizinisch unterstützten Notfallmanagements (eine S2e-Leitlinie für Telemedizin in der prähospitalen Notfallmedizin ist derzeit in Bearbeitung). Ein Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus zeigt, dass in anderen Ländern digitale Ansätze in der Medizin zum Teil progressiver verfolgt werden: Wer zum Beispiel in Frankreich insbesondere im ländlichen Raum keinen Arzttermin bekommt, kann für eine telemedizinische Konsultation per Videosprechstunde auch die nächste Apotheke aufsuchen, wo speziell eingerichtete Kabinen hierfür bereitstehen.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für digitale Anwendungen in der Medizin sind in Deutschland seit einigen Jahren gegeben. Das lange tradierte Fernbehandlungsverbot wurde im Rahmen des 121. Deutschen Ärztetages 2018 gelockert und die Musterberufsordnung für Ärztinnen und Ärzte entsprechend angepasst. Seitdem ist eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist, die ärztliche Sorgfalt gewahrt wird und die Patientinnen und Patienten über die Besonderheiten dieser Form der Beratung und Behandlung aufgeklärt werden.
Chancen und Vorteile von Arbeitsmedizindigital
Die Vorteile digitaler Methoden liegen auf der Hand, können doch Beratung, Diagnostik oder eine Versorgung von Patientinnen und Patienten unabhängig von ihrem geografischen Standort oder zeitversetzt erfolgen. Sektor- und fachübergreifend können Daten und Informationen ausgetauscht sowie Akteure miteinander vernetzt, Abläufe optimiert und zum Beispiel redundante Untersuchungen vermieden werden.
Diese Vorteile sind nicht auf den Bereich der kurativen Medizin begrenzt. Selbstverständlich gelten sie auch für die Arbeits- und Betriebsmedizin. Gerade zur Optimierung der Betreuung von Kleinst- Klein- und mittelständischen Unternehmen oder Arbeitsplätzen mit eingeschränkter Erreichbarkeit wie beispielsweise Offshore-Arbeitsplätzen oder Arbeitsplätze im Ausland können digitale Unterstützungsangebote hilfreich sein. Unter anderem kommen folgende Anwendungsbereiche in Betracht:
Mutterschutz oder Ergonomieberatung
Bezüglich der Akzeptanz und Nutzung digitaler Versorgungskonzepte liegen Daten aus dem Bereich der Primärversorgung vor (u. a. KBV PraxisBarometer Digitalisierung, s. „Weitere Infos“). Nicht zuletzt agierte auch die Corona-Pandemie als ungewollter Treiber der Telemedizin.
Im Rahmen des 127. Deutschen Ärztetages wurde auf das Potenzial der Anwendung digitaler Methoden in der Arbeitsmedizin hingewiesen, insbesondere um die betriebsmedizinische Betreuung von Klein- und Kleinstbetrieben besser gewährleisten zu können. Gleichzeitig wurde gefordert, Modellprojekte voranzutreiben, die sowohl die Chancen als auch die Limitationen telemedizinischer Methoden in der Arbeitsmedizin praxisnah untersuchen.
Informationsbedarf unter anderem zu den Themen Datenschutz, Berufsrecht, technische Ausstattung und Einsatzmöglichkeiten
Umfragen im Rahmen des Modellvorhabens „Gesund Arbeiten in Thüringen“ (GAiT) im Jahr 2022 ergaben, dass Arbeitgeber der im Modellvorhaben beteiligten Netzwerkfirmen digitale arbeitsmedizinische Angebote durchaus nutzen würden, sofern diese überhaupt von den betreuenden Betriebsärztinnen und -ärzten angeboten werden. Gleichzeitig offenbaren Erhebungen bei Betriebsärztinnen und Betriebsärzten, dass Informationsbedarf insbesondere zu den Themen Datenschutz, Berufsrecht, Haftung, technische Ausstattung, Einsatzmöglichkeiten, Evidenz und Limitationen sowie Kontraindikationen digitaler Anwendungen besteht. Ein Blick in die digitalen Möglichkeiten des eigenen Fachs und insbesondere auch über den Tellerrand hinaus in andere Fachbereiche zeigt, wie innovativ, aber auch komplex das Thema Arbeitsmedizindigital sein kann. Zudem finden sich für viele Bereiche „Insellösungen“, die den Überblick erschweren.
Im Hinblick auf die Vielzahl und Komplexität der Möglichkeiten ist aus Sicht der DGAUM deshalb ein koordiniertes und mehrgleisiges Vorgehen erforderlich:
Grenzen und Limitationen von Arbeitsmedizindigital
Neben allen potenziellen Chancen und Vorteilen dürfen aber auch die Grenzen und Limitationen digitaler Methoden nicht außer Acht gelassen werden: Nicht jede Aufgabe kann mit Hilfe digitaler Anwendungen bewältigt werden. Der persönliche Kontakt und die Arbeitsplatzbegehung mit sensorischen Eindrücken oder dem persönlichen Erleben von Arbeitsplatzeinflüssen können digital nicht adäquat abgebildet werden und werden weiterhin fester Bestandteil arbeitsmedizinischen Handelns sein. Viele arbeitsmedizinische Untersuchungen können ebenfalls nicht oder nicht ausschließlich digital abgebildet werden, sondern erfordern die persönliche Präsenz. Des Weiteren sind ethische Aspekte wie ein Diskriminierungsverbot von Personen mit zum Beispiel Hör- oder Sehbeeinträchtigungen zu beachten. Insbesondere darf auch der persönliche ärztliche Kontakt in Präsenz bei komplizierten Sachverhalten nicht vergessen werden.
Nicht zuletzt sollten gerade Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner beachten, dass die Anwendung digitaler Methoden Stresserleben und gegebenenfalls negative Beanspruchungsfolgen sowohl bei Patientinnen und Patienten als auch auf Anwenderseite verursachen kann. Letztlich soll Arbeitsmedizindigital unser Handeln unterstützen, effizienter gestalten, harmonisieren und Redundanz vermeiden und nicht als zusätzlicher Stressfaktor empfunden werden. Unter anderem mit diesen Impulsen widmet sich auch die Jahrestagung der DGAUM 2024 dem Thema Arbeitsmedizindigital in Form
eines eigenen Symposiums.
Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Literatur
Die Literatur kann beim Verfasser angefordert werden.
doi:10.17147/asu-1-342867
Weitere Infos
S2k-Leitlinie Teledermatologie
https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-097
PraxisBarometer Digitalisierung 2023
http://www.kbv.de/html/praxisbarometer.php
Kernaussagen
Info
Arbeitsmedizin im Wandel:
Welche Chancen bieten digitale arbeitsmedizinische Präventions- und Versorgungsangebote?
Symposium der DGAUM-Projektgruppe „Arbeitsmedizin digital“ im Rahmen der 64. Wissenschaftlichen Jahrestagung der DGAUM
Zeit: Donnerstag, 14. März 2024, 15:00 – 17:00 Uhr
Ort: Klinikum der LMU München-Großhadern, Marchioninistr. 15, 81337 München, Hörsaal 3
Online: Livestream (keine aktive Teilnahme), Zugangslink im Kongressprogramm