Einleitung
Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit (BK) bewegen sich in der Grünen Branche seit Jahren auf hohem Niveau. Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) als zuständige Berufsgenossenschaft gewährt Betroffenen, die an einer anerkannten BK leiden, umfängliche Leistungen. Fachberaterinnen und -berater der SVLFG begleiten und unterstützen diesen Personenkreis von der Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK bis hin zu notwendigen Veränderungen des Arbeitsplatzes. In dieser Serie wird in loser Folge darüber berichtet, wie BKen in der Grünen Branche durch gezielte Präventionsmaßnahmen verhindert oder gemildert werden können und wie Betroffene dank individueller Präventionsmaßnahmen trotz ihrer BK weiter in ihrem Beruf verbleiben können.
In Folge 1 berichten wir über das Hautarztverfahren nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Gesunde Haut tut nicht weh – 20 Jahre Hautarztverfahren der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG)
Occupational Diseases in the Green Sector (Part 1): Healthy Skin Does Not Hurt – Twenty Years of Dermatology Procedure of the Social Insurance for Agriculture, Forestry and Horticulture
Versichertenorientierung ist oberstes Ziel
Langjährige Erfahrung zeigt: Dank der Möglichkeiten, die das Hautarztverfahren eröffnet, können vielfach die Bedingungen an den Arbeitsplätzen der Betroffenen so auf deren Bedürfnisse hin abgestimmt werden, dass eine Beschäftigung dort weiterhin möglich ist. Maßgeblich für den Erfolg des Hautarztverfahrens ist die Bereitschaft der von der Krankheit Betroffenen, die Empfehlungen der SVLFG-Beraterinnen und -Berater umzusetzen.
Wissen, worum es geht
Die dafür ausgebildeten SVLFG-Präventionsfachleute verfügen in der Regel über eine Berufsausbildung in der Grünen Branche. Sie kennen die beruflichen Anforderungen an die Betroffenen aus eigener Erfahrung und können den Versicherten so auf Augenhöhe begegnen. Ihre Ratschläge werden sicher auch deshalb zu einem hohen Maß angenommen, weil sie die Vorzüge des Hautarztverfahrens und die Vorteile der zur Verfügung gestellten Materialien authentisch und nachvollziehbar darstellen können. Sie geben praxisnahe Hinweise zu einem sinnvollen Wechsel von Arbeitsstoffen (Substitution), zu möglichen Veränderungen des Arbeitsverfahrens und zur effektiven Verwendung der Hautschutzprodukte.
Dermatologinnen und Dermatologen wirken bei der Produktauswahl mit
Die Präventionsberaterinnen und -berater besuchen die erkrankten Personen innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Anzeige durch die Hautärztin/den Hautarzt zum ersten Mal. Innerhalb von sechs Monaten folgen zwei weitere Beratungsgespräche vor Ort an deren Arbeitsplatz oder zuhause bei den Versicherten (siehe Infokasten). Bei den Terminen füllen die Betroffenen gemeinsam mit den SVLFG-Mitarbeitenden Fragebögen zum Arbeitsplatz und zu Einwirkungen aus. Die so gewonnenen Informationen helfen, die passenden Produkte zusammenzustellen und – falls sinnvoll – Verhaltensänderungen anzustoßen. Bei Bedarf übernimmt die SVLFG auch die Kosten für weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel den Besuch eines Hautschutzzentrums.
Die von der SVLFG empfohlenen Materialien sollen erst nach Absprache mit der/dem behandelnden Hautärztin/Hautarzt angewendet werden. Letztere kennen ihre Patientinnen und Patienten und wissen, ob Allergien oder Unverträglichkeiten vorliegen oder ob es andere Gründe gibt, alternative Cremes, Reinigungsmittel oder Handschuhe auszuwählen.
Arbeitgeber einbeziehen
Sind Beschäftigte von einer Hauterkrankung betroffen, hängt der Erfolg des Verfahrens auch von der Mitwirkung des Unternehmens ab. Stimmen die Versicherten zu, werden die Beratungen im Betrieb direkt am Arbeitsplatz und unter Beteiligung des Arbeitgebenden durchgeführt. Die SVLFG-Fachleute dokumentieren die Tätigkeiten der Versicherten. Sie notieren mögliche schädigende Stoffe und andere Faktoren, die für die Hautschädigungen am Arbeitsplatz verantwortlich sein können. Daneben werden zahlreiche weitere Parameter erhoben.
Informationen für Personalverantwortliche
Durch die Beteiligung der Personalverantwortlichen in den Betrieben soll sichergestellt werden, dass Arbeitsverfahren gegebenenfalls geändert sowie krankmachende Gefahrstoffe substituiert werden. Ziel ist es, den Hautschutz am Arbeitsplatz nachhaltig zu etablieren. Die SVLFG berät die Personalverantwortlichen entsprechend und gibt ihnen Informationsmaterialien an die Hand, wie zum Beispiel Betriebsanweisungen, Hautschutzpläne und Hautschutzbroschüren (s. auch „Weitere Infos“).
Da das Hautarztverfahren im Regelfall nach sechs Monaten ausläuft, ist es wichtig, die Führungskräfte von der Notwendigkeit der Hautschutzmaßnahmen zu überzeugen. Denn nach den sechs Monaten sollen die Schutzmaßnahmen auf jeden Fall weitergeführt werden. Die Kosten dafür trägt ab diesem Zeitpunkt der Betrieb. Führungskräfte erkennen in der Regel den Nutzen des Hautarztverfahrens.
Sperrt sich ein Unternehmen, kann die SVLFG in Ausnahmefällen die nötigen Maßnahmen einschließlich der Kostenübernahme für die erforderlichen Produkte anordnen. Grundlage hierfür sind das Arbeitsschutzgesetz und die Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz der
SVLFG. Dort ist geregelt, dass Arbeitgebende ihren Mitarbeitenden die notwendige persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung stellen müssen. Dazu zählen auch Produkte zum Hautschutz, zur Reinigung und zur Hautpflege. Diesen Anspruch haben alle Beschäftigten, nicht nur diejenigen, die am Hautarztverfahren teilnehmen. Bei Fragen beraten SVLFG-Präventionsfachleute auch nach Ablauf des ersten halben Jahres.
Individualpräventive Maßnahmen zum Hautschutz
Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Tierhaltung, Gartenbau, Floristik – die Arbeitsfelder und die Tätigkeiten der SVLFG-Versicherten variieren sehr stark. Diese großen Unterschiede rechtfertigen die Maßnahmen der Individualprävention. Die häufigsten Hautarztverfahren fanden 2022 in Betrieben mit Tierhaltung und Ackerbau statt, gefolgt von Garten- und Landschaftsbau-Unternehmen sowie Betrieben, die Blumen- und Zierpflanzen anbauen. Nur wenn das Angebot der SVLFG zur jeweiligen Situation der Betroffenen passt, besteht eine Chance, ernsthaften Hauterkrankungen mit schweren Verläufen vorzubeugen beziehungsweise sie zu mildern.
Hautschutzpakete je nach Tätigkeit
Für alle Tätigkeitsfelder in der Grünen Branche hat die SVLFG Hautschutzpakete entwickelt, die auf die verschiedenen Arbeitsplätze und auf die daraus resultierenden Hautbelastungen abgestimmt sind. Derzeit geben die SVLFG-Beraterinnen und -Berater Standard-Erstversorgungspakete für elf unterschiedliche Tätigkeitsfelder aus. Wesentlich für die Auswahl der Produkte sind die Art und Stärke der mechanischen Beanspruchungen der Haut sowie die Belastung durch Wasser und andere Flüssigkeiten. Darüber hinaus werden – wie oben schon angesprochen –
die individuellen Bedürfnisse der Versicherten erhoben und berücksichtigt.
Beispiel Handschuhe
Die meisten Hauterkrankungen betreffen die Hände. Die Wahl der passenden Schutzhandschuhe ist wesentlich für den Erfolg. Die Handschuhe werden zunächst in zwei Größen ausgeliefert. Soweit keine genaueren Informationen vorliegen, erhalten Frauen Größe 7/8, Männer Größe 9/10. So kann die passende Ausführung vor Ort ausgewählt werden. Bei den Nitril-Handschuhen werden je Größe fünf Paare ausgegeben, ansonsten zwei. Bei gefütterten Handschuhen erhalten die Versicherten zunächst ein Paar. Bei Nachbestellungen und bei bekanntem Bedarf, bekannter Handschuhgröße und Akzeptanz wird die Anzahl angepasst. Leiden Betroffene an Allergien oder sind die speziellen Belastungen sehr hoch, werden die Handschuhe ausgegeben, die für die Situation am besten geeignet sind. Wünschenswert wäre, dass die Hautärztinnen und -ärzte diese Informationen schon in ihren ersten Hautarztberichten vermerken. Derzeit erfolgt dies aber nur in fünf bis zehn Prozent aller Fälle. Fehlen diese Angaben, verzögert sich die Lieferung der passenden Produkte.
Bei sehr speziellen Bedürfnissen, etwa Schnittschutz, sehr langen Stulpen, besondere Rissfestigkeit oder spezieller Akzeptanz (zum Beispiel bezogen auf die Sensitivität der Fingerkuppen), können die Betroffenen in Absprache mit der SVLFG die erforderlichen Schutzhandschuhe selbst kaufen. Die SVLFG erstattet dann die Anschaffungskosten.
Zu den am häufigsten angegebenen Stoffen, die zu Hautveränderungen geführt haben, zählen „Wasser“, „Erden/Substrate“ sowie „Treibstoffe“ und „Öle/Fette“ (➥ Abb. 2).
Auch wenn es sich nicht auf den ersten Blick erschließt, haben die grünen Branchen regelmäßig mit Treibstoffen, Ölen und Fetten zu tun. Gründe sind der hohe Grad an Mechanisierung und Automatisierung.
Hautbelastung durch Wasser spielt bei den aufgeführten Branchen ebenfalls eine wesentliche Rolle. Beim Reinigen der Hände, von Arbeitsmaterialien und von Oberflächen sowie selbst beim Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe kommt Wasser an die Haut und kann sie schädigen, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
doi:10.17147/asu-1-250961
Weitere Infos
SVLFG – Leistungen der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft
https://www.svlfg.de/berufsgenossenschaft-leistungen
SVLFG – Leistungen der Unfallversicherung
https://www.svlfg.de/leistungen-der-unfallversicherung
Broschüre Hautschutz
https://cdn.svlfg.de/fiona8-blobs/public/svlfgonpremiseproduction/
Kernaussagen
Info
Ablauf des Hautarztverfahrens der SVLFG gemäss § 3 BKV
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