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Infektionsschutz

Meldepflichten im Infektions­schutzgesetz

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Infektionsschutz der Bevölkerung als Aufgabe der Gesundheitsämter – Teil I1

Protection of the Population Against Infection as a Task of the Health Authorities – Part I: Reporting Obligations in the Infection Protection Act

Regelungen zur Meldepflicht im ­Infektionsschutzgesetz

Im Jahr 2001 trat das Infektionsschutzgesetz (IfSG; s. „Weitere Infos“) in Kraft und löste das Bundesseuchengesetz aus den 1960er Jahren ab. Ziel war unter anderem, das Meldewesen zu verbessern. Da den bisherigen Arztmeldepflichten der meldepflichtigen Erkrankungen erfahrungsgemäß nur unvollständig nachgekommen worden war, wurden diese Arztmeldepflichten (§ 6 IfSG) deutlich reduziert und erstmals auch Labormeldepflichten (§ 7 IfSG) implementiert sowie die Möglichkeit der Sentinelerhebungen (§ 13 IfSG) geschaffen. Das IfSG sah erstmals eine namentliche und eine nichtnamentliche Meldepflicht vor.

Laut amtlichem Kommentar (Bales et al. 2003) wurde dabei die namentliche Meldepflicht im IfSG auf solche Krankheiten oder Krankheitserreger beschränkt, deren Nachweis „eine unmittelbare Reaktion des Gesundheitsamtes erfordert, um Maßnahmen zur Eindämmung einer akuten Weiterverbreitungsgefahr ergreifen zu können“. Als unmittelbare Reaktionen des Gesundheitsamtes und deren Ziele wurden beispielhaft aufgeführt: Aufdeckung von Infektionsquellen und Verhinderung der Weiterverbreitung, zum Beispiel kontaminierte Lebensmittel oder Trinkwasser, Verhinderung der Beschäftigung einer erkrankten Person im Lebensmittelbereich (z. B. bei Cholera), Verhinderung einer iatrogenen Übertragung (z. B. bei varianter Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, vCJK), rasche Gabe einer Antibiotikaprophylaxe an Kontaktpersonen (z. B. bei Diphtherie, Meningokokkenmeningitis) oder Riegelungsimpfung (z. B. bei Masern).

Eine nichtnamentliche Meldepflicht wurde für Erreger, „bei denen das Gesundheitsamt im Einzelfall nicht unmittelbar tätig wird“, sowie zur Erhebung von Daten, „die der Beurteilung der epidemischen Lage und Ableitung allgemeiner Präventionsmaßnahmen dienen“ eingeführt (Bales et al. 2003). Hier wurden als Beispiele insbesondere sexuell übertragbare Erkrankungen wie Syphilis und HIV (Human Immunodeficiency Virus), aber auch Malaria sowie Röteln und Toxoplasmose genannt.

Sentinelerhebungen „sind dann angezeigt, wenn eine Krankheit besonders häufig ist, die Meldung jedes Einzelfalls eine unzumutbare Belastung der Meldesysteme bedeuten würde und der Nachweis einer Krankheit beziehungsweise Infektion nicht das unverzügliche Handeln des öffentlichen Gesundheitsdienstes notwendig macht“ (Bales et al. 2003). Als typische für Sentinelerhebungen geeignete Krankheiten wurden Keuchhusten sowie die Gruppe der sexuell übertragbaren Krankheiten angeführt (Bales et al. 2003). Sentineluntersuchungen ermöglichen, Trends und Risiken sowie die Auswirkungen von allgemeinen Präventionsmaßnahmen zu evaluieren und neue Gefährdungspotenziale frühzeitig zu erkennen.

Die derzeit (Stand 30.09.2023) meldepflichtigen Krankheiten und Erreger sind in den Übersichten 1 und 2 zusammengestellt.

Aufgaben und Arbeitsweise der Gesundheitsämter im Zusammenhang mit der Meldepflicht nach IfSG

Nach Eintreffen der Meldung gleichen die Gesundheitsämter diese zunächst mit den Falldefinitionen des Robert Koch-Instituts (RKI; s. „Weitere Infos“) ab und entfernen etwaige Doppelmeldungen bei einem individuellen Fall (z. B. Untersuchung im selben oder in einem anderen Labor zur Befundbestätigung). Die so bereinigten Fälle werden anonymisiert an die zuständige Landesgesundheitsbehörde übermittelt, die sie wie­derum an das RKI weitergibt.

Darüber hinaus stellen die Gesundheitsämter gemäß § 25 IfSG „die erforderlichen Ermittlungen an, insbesondere über Art, Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung der Krankheit“. Das Gesundheitsamt kann die betroffenen Personen verpflichten, „weitere Untersuchungen vornehmen zu lassen, insbesondere die erforderlichen körperlichen Untersuchungen, Röntgenuntersuchungen, Tuberkulintestungen, Blutentnahmen und Abstriche von Haut und Schleimhäuten“.

Nach diesen Ermittlungen trifft „die zuständige Behörde“, in der Regel das Gesundheitsamt, gemäß § 28 „die notwendigen Schutzmaßnahmen, … soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten, … Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder … [Kinder-]Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden“.

Um diese behördlichen Ermittlungen und die Schutzmaßnahmen zu ermöglichen, legt das IfSG die Möglichkeit von Grundrechtseinschränkungen in diesen Fällen fest: „Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt.“

Für die Ermittlungen und die Überlegungen zu geeigneten Schutzmaßnahmen bedarf es eingehender Fachkenntnisse zur Art der Erreger, ihrer Infektiosität nach Stärke und Dauer, zur Übertragbarkeit, zu den Hauptübertragungswegen und den daraus abzuleitenden möglichen Schutzmaßnahmen. Im individuellen Fall müssen weitere Faktoren ermittelt und einer Entscheidung zugrunde gelegt werden wie zum Beispiel das Umfeld des Erkrankten (Familie mit Säuglingen, chronisch kranken, vulnerablen Personen oder Unterbringung in Gemeinschaft- oder Pflegeinrichtungen).

Darüber hinaus muss das Gesundheitsamt vor der Festlegung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen prüfen, ob diese verhältnismäßig sind, das heißt, ob die seitens des Staates eingesetzten Mittel in angemessenem Verhältnis zu dem staatlicherseits verfolgten Zweck stehen. Dieser Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) niedergelegt und wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt: „Eingriffe in die Freiheitssphäre [sind] nur dann und insoweit zulässig, als sie zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind; die gewählten Mittel müssen in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehen“ [BVerfGE 35, 382]. Für staatliche Handlungen muss ein legitimer Zweck vorliegen, die Maßnahme muss geeignet, erforderlich und angemessen sein. Ein legitimer Zweck liegt vor, wenn die Maßnahme auf das Wohl der Allgemeinheit gerichtet ist. Eine Maßnahme ist geeignet, wenn sie den verfolgten Zweck erreicht, ihn zumindest fördert. Sie ist erforderlich, wenn es kein gleich wirksames, aber milderes Mittel gibt, das Ziel zu erreichen, also das relativ mildeste Mittel gewählt wurde. Sie ist dann angemessen, wenn die Zweck-Mittel-Relation nicht außer Verhältnis steht.

Zur besseren Anschaulichkeit wird dies nachfolgend an einem fiktiven Beispiel durchgespielt: Nach Meldung einer Häufung von nosokomialen Infektionen (entspr. § 6 Abs. 3 IfSG) in einer Klinik sollen dort weitere nosokomiale Infektionen verhütet werden. Da es um das Wohl anderer Patientinnen und Patienten geht, ist ein legitimer Zweck für Schutzmaßnahmen zweifellos gegeben. Das Gesundheitsamt könnte nun die Klinik schließen. Diese Maßnahme wäre zweifellos geeignet, denn dann würden weitere nosokomiale Infektionen in dieser Klinik wirksam verhütet. Diese Maßnahme wäre aber keineswegs erforderlich, da es mildere Maßnahmen zur Zielerreichung gibt, allgemeine Hygienemaßnahmen, Desinfektionsmaßnahmen bis hin zur Sperrung einzelner Stationen oder Betten zum Beispiel in Zweibettzimmern. Eine Klinikschließung zur Verhinderung nosokomialer Infektionen wäre auch keineswegs angemessen, da die Nachteile für die Allgemeinheit, zum Beispiel fehlende Möglichkeiten für notwendige Krankenhausbehandlungen bis hin zu möglicher Todesfolge in keinem Verhältnis zu dem angestrebten – und auch mit milderen Mitteln erreichbaren – Nutzen stehen.

Im Sinne des „Übermaßverbots“ muss das Gesundheitsamt immer die „mildeste Maßnahme“ zur Zielerreichung wählen. Im „pflichtgemäßen Ermessen“ sind die Maßnahmen auch der Schwere der zu verhütenden Krankheit anzupassen, das heißt, je schwerer die Erkrankung, desto umfassendere Maßnahmen können angemessen sein – unter Berücksichtigung des Übertragungswegs [die in Anführungszeichen gesetzten Begriffe sind rechtliche Termini technici].

Meldepflichten im historischen und internationalen Kontext

Die EU-Kommission hat bereits 1999 eine Liste von übertragbaren Krankheiten und damit zusammenhängende besondere Gesundheitsrisiken publiziert, die von den Mitgliedstaaten für die epidemiologische Überwachung erfasst werden sollen (European Commission 1998, s. „Weitere Infos“). Nach einem weiteren Beschluss zu schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren wurde diese Liste im Jahr 2018 aktualisiert (EU-Kommission 2018, s. „Weitere Infos“). In der aktuellen Liste sind 57 Krankheiten sowie weitere „besondere Gesundheitsrisiken“ wie nosokomiale Infektionen und antimikrobielle Resistenzen aufgeführt. In diesen Beschlüssen wurde nicht festgelegt, wie diese Erfassung stattfinden soll, durch Meldepflichten oder Surveys. Hierzu hat eine Arbeitsgruppe der Europäischen Gesundheitsbehörde im Jahr 2015 eine Arbeit mit dem griffigen Titel „To notify or not to notify“ vorgelegt, in dem nicht nur die Belange der Internationalen Gesundheitsvorschriften und mögliche internationale Folgen einer Infektionskrankheit berücksichtigt wurden, sondern auch die Inzidenz und der Trend einer Infektionserkrankung, die daraus resultierende Inanspruchnahme des Gesundheitssystems, die Möglichkeit der Ermittlung von Kontaktpersonen und der Prävention weiterer Erkrankungen. Darüber hinaus wurden auch Aspekte der Praktikabilität und Umsetzbarkeit wie beispielsweise die Angemessenheit (Proportionalität) der Arbeitsbelastung des öffentlichen Gesundheitswesens sowie rechtliche Aspekte wie das Subsidiaritätsprinzip (ist die Meldepflicht vorrangig zu bewerten, um die notwendige Information zu erhalten?) und der Datenschutz, respektive der Schutz der Privatsphäre berücksichtigt (Bijkerk et al. 2015).

In Deutschland sind sämtliche in den EU-Beschlüssen aufgeführten Infektionskrankheiten in die Meldepflichten im IfSG aufgenommen, darüber hinaus sind weitere Erregernachweise in Deutschland meldepflichtig wie zum Beispiel Noroviren, Rotaviren und – seit August 2023 – auch Respiratory Syncytial Virus (RSV). Darüber hinaus bestehen Sentinels, beispielsweise das GrippeWeb, das Pneumowebsentinel, das ARE Praxissentinel für akute Atemwegserkrankungen bei Kindern und Erwachsenen, das SARI Krankenhaussentinel als syndromische Surveillance schwerer akuter respiratorischer Infektionen mit Daten zur Krankheitsschwere und saisonalem Verlauf, die ARS (Antibiotika-Resistenz-Surveillance), die Gonokokken-Resistenz-Surveillance und seit kurzem die Abwassersurveillance auf SARS-CoV-2 (RKI, s. „Weitere Infos“).

Bei der Betrachtung der einzelnen Melde­tatbestände scheinen die oben genannten Kriterien für namentliche und nichtnamentliche Meldungen aber nicht konsequent umgesetzt zu sein. Insbesondere ist nicht unmittelbar einleuchtend, warum sexuell übertragbare Krankheitserreger wie HIV oder Neisseria gonorrhoe nichtnamentlich zu melden sind, während andere durch Blut übertragbare Erreger wie zum Beispiel Hepatitis B und C namentlich meldepflichtig sind. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass nicht nur das frühere Bundesseuchengesetz, sondern auch das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten sowie die Verordnung über die Berichtspflicht für positive HIV-Bestätigungstests in das Infektionsschutzgesetz eingegangen sind.

Nicht nur bei Maßnahmen nach einer Meldung, sondern auch schon bei der Frage, ob eine namentliche Meldepflicht überhaupt eingeführt werden soll, müssen die Fragen der Legitimität, Geeignetheit, Erforderlichkeit oder Angemessenheit betrachtet werden. So wurde bereits bei der Überarbeitung des Bundesseuchengesetzes im Jahr 1990 betont, dass „die Einführung einer Meldepflicht wohlüberlegt werden [sollte]. Sie wird leider in der Öffentlichkeit oft als ein Allheilmittel gerade für neu auftretende übertragbare Krankheiten angesehen. Tatsächlich trägt sie aber nur dann etwas zur Verhütung und Bekämpfung einer Krankheit bei, wenn sie Ansatz- und Ausgangspunkt für weitere Maßnahmen ist. Als Beispiel mag das erworbene Immundefektsyndrom (AIDS) dienen […]. [Es] muss bedacht werden, dass eine Meldepflicht gerade bei einer so eng mit der Sexualität verknüpften Erkrankung doch diesen oder jenen Patienten davon abhalten könnte, einen Arzt aufzusuchen. Auch hier ist also wie bei jeder Maßnahme der Seuchenbekämpfung abzuwägen zwischen Vor- und Nachteilen [ …]“ (Schumacher u. Meyn 1992).

Geht es um die Erfassung von Trends, reichen nichtnamentliche Meldungen oder Sentinels aus. Der Vergleich zwischen Melde­flicht und Sentinels zeigt: Bei hoher Sensitivität liegt bei der Meldepflicht eine geringere Spezifität vor, da klinische Details und weitere Hintergrundinformationen in der Regel nicht vollständig erfasst werden. Da die Meldedaten im Bevölkerungsbezug gewonnen werden, können aber Inzidenzen berechnet werden. Die Meldepflicht strebt die Totalerfassung an, die jedoch in der Regel nicht erreicht wird, da sie maßgeblich von der jeweils veranlassten Diagnostik beeinflusst wird. Sie ist aber beim Auftreten erster Fälle neuer Krankheitserreger ein gut geeignetes Erfassungsinstrument (s. Anhang SARS-CoV-2). Sentinels haben eine höhere Spezifität, da eine systematische Abklärung von Verdachtsfällen erfolgt und auch präventionsrelevante Informationen systematisch erfasst werden. Die Berechnung der Untersuchungsrate (Anteil Untersuchter an Verdachtsfällen) und der Bestätigungsrate (Anteil bestätigter Fälle an Verdachtsfällen) ist möglich, Inzidenzberechnungen lassen sich nicht durchführen. Die Repräsentativität ist bei diesen Stichprobenerhebungen nicht immer gegeben und (regionale) Ausbrüche lassen sich nicht immer sicher erkennen (Poggensee et al. 2009; Siedler et al. 2013).

Mit abnehmender Krankheitslast in der Bevölkerung verlieren Sentinels ihre Aussagekraft, weshalb das bereits früh eingeführte Sentinel für Masern bei stark abnehmenden Fallzahlen im Jahr 2011 – bei weiterhin fortbestehender namentlicher Meldepflicht – aufgegeben wurde (Siedler et al. 2013). Demgegenüber sind Sentinels bei häufigen Erkrankungen ideal, da sie einen guten Überblick über die Krankheitslast geben, ohne durch die Meldepflicht die Gesundheitsämter zu überlasten. Das Paradebeispiel ist das GrippeWEB und die Surveillance von Atemwegserkrankungen, die zeitnah die Situation beschreibt sowie bei entsprechender Abdeckung und gegebener Repräsentativität auch die regionale Situation.

Angesichts der stetigen Zunahme der namentlichen Meldepflichten in den letzten Jahren und der nach IfSG gegebenen Möglichkeit der nichtnamentlichen Meldung und der Sentinels erscheint eine Evaluation der Meldepflichten und eine kritische Betrachtung der meldepflichtigen Erkrankungen und Krankheitserreger und der Meldeverfahren – namentlich oder nichtnamentlich – angebracht (Heudorf u. Gottschalk 2020).

Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

ANHANG

Beispiele von Meldepflichten und deren kritische Würdigung

Seit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes sind stetig weitere Meldepflichten aufgenommen worden, unter anderem im Jahr 2007 Arzt- und Labormeldepflicht für schwere Infektionen, hervorgerufen durch Clostridioides difficile (früher: Clostridium difficile); „bedrohliche Krankheit“ (§ 6 Abs. 1 Satz 1
Nr 5a), ab 2016 geänderte Kriterien und im Jahr 2013 eine Arzt- und Labormeldepflicht für Keuchhusten, Mumps, Windpocken, Röteln (Heudorf u. Gottschalk 2020).

Meldepflicht für schwere Infektionen mit Clostridiodes difficile: Eine kritische Betrachtung zeigt, dass beim Auftreten der ersten besorgniserregenden Fälle von Clostridium-diffizile-Infektionen (CDI) mit dem hochvirulenten Epidemiestamm Ribotyp 027 und der raschen Verbreitung die Einführung der Meldepflicht sinnvoll war – zumal keine anderen Erfassungsmöglichkeiten etabliert waren. Inzwischen gibt es hier aber ausreichend Daten (s. CDAD-KISS) und weitere gesetzliche Möglichkeiten der Gesundheitsämter nach § 23 Infektionsschutzgesetz (Heudorf et al. 2022), um zielorientiert Präventionsmaßnahmen ergreifen zu können. Dabei zeigt sich, dass die Meldedaten das tatsächliche Infektionsgeschehen sehr stark untererfassen. Vor diesem Hintergrund wurde empfohlen, sich auf die Surveys zu konzentrieren und die Meldepflicht für schwer verlaufende CDI aufzuheben (Heudorf et al. 2022).

Unter der Idee, sämtliche impfpräventablen Krankheiten meldepflichtig zu machen, wurden im Jahr 2013 namentliche Arzt- und Labormeldepflichten für Windpocken, Mumps, Keuchhusten eingeführt und die zuvor bestehende Meldepflicht für konnatale Röteln auf alle Rötelnerkrankungen und -nachweise erweitert. Eine erste Erhebung des RKI zur Meldepflicht für Keuchhusten im Jahr 2016 zeigte, dass das Ziel, bundesweit verlässliche Daten zur Krankheitslast zu erheben, nicht erreicht wurde. Die Untererfassung wurde selbst bei schweren Fällen mit Krankenhausaufenthalt auf 40 % geschätzt. Darüber hinaus wurde angegeben, dass bei Geimpften das klinische Bild häufig unspezifisch ist und dass bei Erwachsenen erst bei längerem Husten eine Diagnostik veranlasst wird, zu spät, um noch geeignete Maßnahmen einzuleiten, wie zum Beispiel den Schutz von Kontaktpersonen durch Antibiotikagabe (Hellenbrand et al. 2017). Die Abwägung des Nutzens dieser (namentlichen) Meldepflicht vs. Sentinel wurde jedoch nicht vorgenommen.

Die Erfassungspflicht für Nachweise von Rota- und Noroviren sind nicht in den EU-Beschlüssen enthalten, sie machen aber einen großen Teil der Meldungen aus; im Jahr 2022 wurden knapp 70.000 Norovirus-Nachweise und ca. 28.000 Rotavirus-Nachweise gemeldet. Das ist eine erhebliche Belastung für die Gesundheitsämter. Deswegen wurde vorgeschlagen, diese namentliche Meldepflicht abzuschaffen, zumal beim Fortbestehen der Meldepflicht nach § 6 Abs. 2, das heißt der Meldepflicht „bei Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, … wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird“, weiterhin notwendige Ermittlungen nach Quellen (z. B. Kontaminationen von Lebensmitteln) und Präventionsmaßnahmen vorgenommen werden können – unter Vermeidung von jährlich ca. 100.000 namentlicher Meldungen mit Speicherung personenbezogener Datensätze (Heudorf u. Gottschalk 2020).

Die Impfung für Säuglinge gegen Rotaviren (RV) wurden 2013 von der Ständigen Impfkommission beim RKI (STIKO 2013) empfohlen. Primäres Ziel war, schwere Rotavirus-Erkrankungen – und insbesondere die dadurch bedingten Krankenhausbehandlungen – bei Säuglingen und Kleinkindern zu verhindern; darüber hinaus wurde erwartet, dass auch bei nichtgeimpften Personen im Sinne eines Herdenschutzes weniger RV-Infektionen auftreten. Nun könnte man argumentieren, dass durch die Meldepflicht von RV-Nachweisen der Effekt der eingeführten Impfempfehlung gezeigt werden kann. Tatsächlich nahm die Inzidenz bei den 0- bis 4-Jährigen von 2013 bis 2019 von 791/100.000 auf ca. 300/100.000 ab. Dies kann aber nicht unmittelbar auf die Impfempfehlung zurückgeführt werden, da die Abnahme in den vorangegangenen Jahren 2006 bis 2013 ebenso stark war (von 1442/100.000 auf 791/100.000), und im gleichen Zeitraum auch die Inzidenz der Norovirus-Nachweise bei 0- bis 4-Jährigen um etwa ein Drittel sank. Deswegen und angesichts verschiedener anderer (unbekannter?) Einflussfaktoren wurde bis heute, also
10 Jahre nach Einführung der Impfempfehlung auf Grundlage der Meldedaten, keine valide Abschätzung des Effekts der Impfempfehlung gegen RV-Enteritis für Säuglinge vorgelegt. Demgegenüber konnte eine neue Publikation aus Italien, wo RV-Nachweise nicht meldepflichtig sind (Facciolà et al. 2022) und wo die Impfung ebenfalls ab 2013 empfohlen wurde, anhand der Krankenhausbehandlungsdaten zeigen, dass die Krankenhausaufnahmen von Kindern bis 35 Monaten wegen RV-Enteritis nach Einführung der Impfung unter Berücksichtigung der jeweiligen Impfinzidenz signifikant fielen: Mit Zunahme der Impfrate um 1 % nahmen die Krankenhausaufnahmen um 1,25 % ab (Amodio et al. 2023). Somit spricht auch das mögliche Argument, der Erfassung der Impfeffektivität, nicht gegen den oben genannten Vorschlag, die Meldepflicht für Noro- und Rotaviren abzuschaffen (Heudorf u. Gottschalk 2022).

Sonderfall SARS-CoV-2 und ­COVID-19-Pandemie

In der SARS-CoV-2-Pandemie wurden die meisten staatlichen Maßnahmen über Meldepflichtdaten gesteuert, obwohl diese erkennbar sehr stark durch Bedingungen wie Testverfügbarkeit, Testempfehlungen und Testpflichten beeinflusst wurden. Trotz erheblicher Aufstockung der Kapazitäten der Gesundheitsämter durch Verwaltungs-Mitarbeitende aus anderen Ämtern, den Studies4ÖGD und von Soldatinnen und Soldaten, konnten bei hohem Melde­aufkommen die Meldungen oft erst nach Tagen abgearbeitet werden, wodurch nicht nur die sogenannten „Inzidenzen“, sondern auch die Lagebewertung beeinflusst wurde. Aufgrund immer neuer gesetzlicher Regelungen im IfSG (§ 28a,b,c etc. und entsprechender Landesverordnungen) mussten die Gesundheitsämter klar vorgegebene und gesetzlich pauschal festgelegte Schutzmaßnahmen anordnen, ohne ihre Fachlichkeit und ihr pflichtgemäßes Ermessen im Sinne des oben genannten Verhältnismäßigkeitsprinzips einsetzen zu können, oft auch gegen fachliches Wissen. Aus Ämtern, die vor der Pandemie fachlich basiert und zielorientiert Maßnahmen empfahlen, wurden Verwaltungsämter, die überwiegend ordnungsrechtlich agieren mussten. Das soll jedoch in der vorliegenden Arbeit, die sich primär mit Meldepflichten befasst, nicht weiter ausgeführt werden.

Bezüglich der Möglichkeiten und Grenzen der Meldepflichten hatte der Influenza-Pandemieplan, der im März 2020 auf das SARS-CoV-2-Virus und die COVID-19-Pandemie angepasst wurde (RKI 2020), ganz anderes vorgegeben. Zur Meldepflicht wurde dort ausgeführt (S. 31): „Kein anderes Surveillancesystem ist so sensitiv für die Erfassung erster Fälle in Deutschland. Andererseits eignen sich die Meldungen gemäß Infektionsschutzgesetz aber nur sehr eingeschränkt zur Einschätzung der Krankheitslast in der Bevölkerung, wenn es zu einer fortgesetzten Übertragung von akuten Atemwegsinfektionen mit einem neuartigen Erreger kommt. Das RKI hat deshalb weitere Surveillanceprojekte zur Überwachung akuter Atemwegserkrankungen aufgebaut“. Erwähnt wird das Sentinel der Arbeitsgemeinschaft Influenza (https://influenza.rki.de), das Sentinel zur elektronischen Erfassung von Diagnosecodes (SEED) akuter respiratorischer Erkrankungen (ARE), das GrippeWeb (https://grippeweb.rki.de), die ICD-10-Code-basierte Krankenhaussurveillance (ICOSARI) und die Laborsurveillance ARS, die eigentlich als laborgestütztes Surveillancesystem zur kontinuierlichen Erhebung von Resistenzdaten aus der Routine konzipiert wurde und die durch Modifizierung SARS-CoV-2-Testergebnisse zeitnah abbilden kann (https://ars.rki.de/). Alle diese Sentinels wurden während der SARS-CoV-2-Pandemie fortgeführt und die Ergebnisse wöchentlich auf der Homepage des RKI veröffentlicht. Sie hätten gute Datengrundlagen für die Kommunikation mit der Bevölkerung und für die politischen Entscheidungen ergeben können. Warum dies nicht geschah, wird der notwendigen Aufarbeitung der SARS-CoV-2-Pandemie (Heudorf 2023) vorbehalten bleiben.

Literatur

Amodio E, D'Anna A, Verso MG, Leonforte F, Genovese D, Vitale F: Rotavirus vaccination as a public health strategy to reduce the burden of hospitalization: The field experience of Italy (2008–2018). J Med Virol 2023; 95: e29000 (Open Access: doi:10.1002/jmv.29000).

Bales S, Baumann HG, Schnitzler N: Infektionsschutzgesetz. Kommentar und Vorschriftensammlung. 2. überarb. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer, 2003.

Bijkerk P, Fanoy EB, Kardamanidis K et al.: To notify or not to notify: decision aid for policy makers on whether to make an infectious disease mandatorily notifiable. Euro Surveill 2015; 20: 30003.

Facciolà A, Visalli G, D’Andrea G, Laganà A, Varvarà M, Spataro P, Di Pietro A: The Italian Mandatory Notification System: an important public health tool for continuous monitoring of infectious diseases. New Microbiol 2022; 45: 115–123.

Hellenbrand W, Wichmann O, Liese J et al.: Workshop-Bericht – Drei Jahre bundesweite Keuchhusten-Meldepflicht: Erfahrungsaustausch zwischen ÖGD, Ärzteschaft und beteiligten Laboren zur Identifizierung von Maßnahmen zur Verbesserung der Surveillance. Epid Bull 2017; 21: 187–197.

Heudorf U, Berres M, Dogan O, Steul KS: Meldepflicht für schwere Clostridiodes difficile – Infektionen – Daten aus Frankfurt am Main, 2014–2018. Bestandsaufnahme und Diskussion. Gesundheitswesen 2022; 84: 293–300.

Heudorf U, Gottschalk R: Meldepflichten für Infektionskrankheiten und Infektionserreger in Deutschland: Entwicklung und Verbesserungsvorschläge. Bundesgesundheitsbl 2020;·63: 777–789 (Open Access: https://doi.org/10.1007/s00103-020-03150-7).

Heudorf U: Der öffentliche Gesundheitsdienst. Mut zur Fachlichkeit. Deutsches Ärzteblatt 2023; 120: A1066–1067.

Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI: Empfehlung und wissenschaftliche Begründung der Empfehlung zur Rotavirus-Standardimpfung von Säuglingen. Epidemiologisches Bulletin 2013; 35: 349–361.

NN: Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (Bundes-Seuchengesetz). Vom 18. Juli 1961. Bundesgesetzblatt 1961, Teil I, 1012 ff.

Poggensee G, Reuss A, Reiter S, Siedler A: Überblick und Bewertung der verfügbaren Datenquellen zur Inzidenz impfpräventabler Krankheiten, zum Durchimpfungsgrad und zum Immunstatus in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 2009; 52: 1019–1028.

RKI – Robert Koch-Institut: Ergänzung zum Nationalen Pandemieplan. COVID-19 – neuartige Coronaviruserkrankung (04.03.2020). https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Ergaenzung…

Schumacher W, Meyn E: Bundes-Seuchengesetz. Neue Kommunale Schriften 43, 4. überarb. Aufl. Köln: Deutscher Gemeindeverlag, Verlag W. Kohlhammer, 1992.

Siedler A, Grüber A, Mankertz A: Masern-Surveillance in Deutschland. Vom Sentinel zur Meldepflicht. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 2013; 56: 1321–1328.

doi:10.17147/asu-1-350369

Weitere Infos

Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 190) geändert worden ist
https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/BJNR104510000.html

RKI – Robert Koch-Institut: Falldefinitionen
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Falldefinition/falldefinition…

RKI – Robert Koch-Institut: Sentinel-Surveillance
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Sentinel/sentinel_node.html

European Commission: Decision No. 2119/98/EC of the European Parliament and of the Council of 24 September 1998 setting up a network for the epidemiological surveillance and control of communicable diseases in the Community. Official Journal of the European Union. Luxembourg: Publications Office of the European Union. 03.10.1998: L 268
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31998D2119:…

EU-Kommission (2018): Durchführungsbeschluss (EU) 2018/945 der Kommission vom 22. Juni 2018 über die durch epidemiologische Überwachung zu erfassenden übertragbaren Krankheiten und damit zusammenhängende besonderen Gesundheitsrisiken sowie über die entsprechenden Falldefinitionen. Amtsblatt der Europäischen Union 06.07.2018; L 170/1
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32018D094…

Kernaussagen

  • Eine der zentralen Aufgaben der Gesundheitsämter ist der Infektionsschutz der Bevölkerung.
  • Aufgrund der im Infektionsschutzgesetz festgelegten namentlichen Meldepflichten (§ 6 Arztmeldepflichten für bestimmte Erkrankungen; § 7 Labormeldepflichten bestimmter Krankheitserreger) haben die Gesundheitsämter die Möglichkeit, Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung zu ergreifen.
  • Diese Maßnahmen (z. B. Isolierung, Quarantänisierung, Tätigkeitsverbote) müssen legitim,
    geeignet, erforderlich und angemessen sein.
  • Übersicht 1

    Meldepflichtige Erkrankungen nach § 6 Infektionsschutzgesetz (Stand 30.09.2023)

    1) Namentlich ist zu melden:

    1. der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod in Bezug auf die ­folgenden Krankheiten:

    a) Botulismus,

    b) Cholera,

    c) Diphtherie,

    d) humane spongiforme Enzephalopathie, außer familiär-hereditärer Formen,

    e) akute Virushepatitis,

    f) enteropathisches hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS),

    g) virusbedingtes hämorrhagisches Fieber,

    h) Keuchhusten,

    i) Masern,

    j) Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis,

    k) Milzbrand,

    l) Mumps,

    m) Pest,

    n) Poliomyelitis,

    o) Röteln einschließlich Rötelnembryopathie,

    p) Tollwut,

    q) Typhus abdominalis oder Paratyphus,

    r) Windpocken,

    s) zoonotische Influenza,

    t) Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19),

    u) durch Orthopockenviren verursachte Krankheiten,

    1a. die Erkrankung und der Tod in Bezug auf folgende Krankheiten:

    a) behandlungsbedürftige Tuberkulose, auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt,

    b) Clostridioides-difficile-Infektion mit klinisch schwerem Verlauf; ein klinisch schwerer Verlauf liegt vor, wenn

    aa) die/der Erkrankte zur Behandlung einer ambulant erworbenen Clostridioides-difficile-Infektion in eine medizinische Einrichtung aufgenommen wird,

    bb) die/der Erkrankte zur Behandlung der Clostridioides-difficile-Infektion oder ihrer Komplikationen auf eine Intensivstation verlegt wird,

    cc) ein chirurgischer Eingriff, zum Beispiel Kolektomie, aufgrund eines Megakolons, einer Perforation oder einer refraktären Kolitis erfolgt oder

    dd) die/der Erkrankte innerhalb von 30 Tagen nach der Feststellung der Clostridioides-difficile-Infektion verstirbt und die Infektion als direkte Todesursache oder als zum Tode beitragende Erkrankung gewertet wurde,

    2. der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn

    a) eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 ausübt,

    b) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,

    3. der Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung,

    4. die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers,

    5. der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie der Tod, in Bezug auf eine bedrohliche übertragbare Krankheit, die nicht bereits nach den Nummern 1 bis 4 meldepflichtig ist.

    (2) Dem Gesundheitsamt ist … zu melden, wenn Personen an einer subakuten sklerosierenden Panenzephalitis infolge einer Maserninfektion erkranken oder versterben und wenn Personen, die an einer behandlungsbedürftigen Lungentuberkulose erkrankt sind, eine Behandlung verweigern oder abbrechen.

    (3) Nichtnamentlich ist das Auftreten von zwei oder mehr nosokomialen Infektionen zu melden, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.

    Krankheiten/Tatbestände nach § 6 Abs. 1 und 2 sind namentlich zu melden, die Meldepflicht von zwei oder mehr nosokomialen Infektionen ist als nichtnamentliche Meldung festgelegt.

    Übersicht 2

    Meldepflichtige Krankheitserreger nach § 7 Infektionsschutzgesetz (Stand 30.09.2023)

    (1) Namentlich ist bei folgenden Krankheitserregern, soweit nicht anders bestimmt, der direkte oder indirekte Nachweis zu melden, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen:

     1. Adenoviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis im Konjunktivalabstrich

     2. Bacillus anthracis

     3. Bordetella pertussis, Bordetella parapertussis

     3a. humanpathogene Bornaviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis

     4. Borrelia recurrentis

     5. Brucella sp.

     6. Campylobacter sp., darmpathogen

     6a. Candida auris; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut oder anderen normalerweise sterilen Substraten

     6b. Chikungunya-Virus

     7. Chlamydia psittaci

     8. Clostridium botulinum oder Toxinnachweis

     9. Corynebacterium spp., Toxin-bildend

    10. Coxiella burnetii

    10a. Dengue-Virus

    11. humanpathogene Cryptosporidium sp.

    12. Ebolavirus

    13. a) Escherichia coli, enterohämorrhagische Stämme (EHEC)

    b) Escherichia coli, sonstige darmpathogene Stämme

    14. Francisella tularensis

    15. FSME-Virus

    16. Gelbfiebervirus

    17. Giardia lamblia

    18. Haemophilus influenzae; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor oder Blut

    19. Hantaviren

    20. Hepatitis-A-Virus

    21. Hepatitis-B-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise

    22. Hepatitis-C-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise

    23. Hepatitis-D-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise

    24. Hepatitis-E-Virus

    25. Influenzaviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis

    26. Lassavirus

    27. Legionella sp.

    28. humanpathogene Leptospira sp.

    29. Listeria monocytogenes; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen

    30. Marburgvirus

    31. Masernvirus

    31a. Middle-East-Respiratory-Syndrome-Coronavirus
    (MERS-CoV)

    32. Mumpsvirus

    33. Mycobacterium leprae

    34. Mycobacterium tuberculosis/africanum, Mycobacterium bovis; Meldepflicht für den direkten Erregernachweis sowie nachfolgend für das Ergebnis der Resistenzbestimmung; vorab auch für den Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum

    35. Neisseria meningitidis; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, hämorrhagischen Hautinfiltraten oder anderen normalerweise sterilen Substraten

    36. Norovirus

    36a. Orthopockenviren

    36b. Plasmodium spp.

    37. Poliovirus

    38. Rabiesvirus

    38a. Respiratorische Synzytial Viren

    39. Rickettsia prowazekii

    40. Rotavirus

    41. Rubellavirus

    42. Salmonella Paratyphi; Meldepflicht für alle direkten Nachweise

    43. Salmonella Typhi; Meldepflicht für alle direkten Nachweise

    44. Salmonella, sonstige

    44a. Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) und Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2)

    45. Shigella sp.

    45a. Streptococcus pneumoniae; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, Gelenkpunktat oder anderen normalerweise sterilen Substraten

    46. Trichinella spiralis

    47. Varizella-Zoster-Virus

    48. Vibrio spp., humanpathogen; soweit ausschließlich eine Ohr­infektion vorliegt, nur bei Vibrio cholerae

    48a. West-Nil-Virus

    49. Yersinia pestis

    50. Yersinia spp., darmpathogen

    50a. Zika-Virus und sonstige Arboviren

    51. andere Erreger hämorrhagischer Fieber

    52. der direkte Nachweis folgender Krankheitserreger:

    a) Staphylococcus aureus, Methicillin-resistente Stämme; Meldepflicht nur für den Nachweis aus Blut oder Liquor

    b) Enterobacterales bei Nachweis einer Carbapenemase-
    Determinante oder mit verminderter Empfindlichkeit
    gegenüber Carbapenemen außer bei natürlicher Resistenz; Meldepflicht nur bei Infektion oder Kolonisation

    c) Acinetobacter spp. bei Nachweis einer Carbapenemase-Determinante oder mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Carbapenemen außer bei natürlicher Resistenz; Meldepflicht nur bei Infektion oder Kolonisation.

    (2) Namentlich sind in Bezug auf Infektionen und Kolonisationen Nachweise von in dieser Vorschrift nicht genannten Krankheitserregern zu melden, wenn unter Berücksichtigung der Art der Krankheitserreger und der Häufigkeit ihres Nachweises Hinweise auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit bestehen.

    (3) Nichtnamentlich ist bei folgenden Krankheitserregern der direkte oder indirekte Nachweis zu melden:

    1. Treponema pallidum

    2. HIV

    3. Echinococcus sp.

    4. Toxoplasma gondii; Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen

    5. Neisseria gonorrhoeae,

    6. Chlamydia trachomatis, sofern es sich um einen der Serotypen L1 bis L3 handelt.

    (4) Bei Untersuchungen zum direkten Nachweis des Severe-Acute-
    Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) mittels Nukleinsäureamplifikationstechnik ist das Untersuchungsergebnis nichtnamentlich zu melden.

    Koautorinnen

    Kontakt

    Prof. Dr. med. Ursel Heudorf
    Justus Liebig Universität Gießen; Institut für Hygiene und Umweltmedizin; Friedrichstraße 16; 35392 Gießen

    Foto: Salome Roessler