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Öffentlicher Gesundheitsdienst

Wissenstransferprozesse auf ­kommunaler Ebene koordinieren

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Aufbau und Pilotierung eines praxisorientierten Trainingsprogramms für den Öffentlichen Gesundheitsdienst

Coordinating Knowledge Transfer Processes at Municipal Level – Development and Piloting of a Practice-Oriented Training Program for the Public Health Service

Hintergrund

Eine institutionelle Verankerung vorausgesetzt, ist der ÖGD (s. Infobox 1) dafür prädestiniert, neben umfassenden hoheitlichen Schutzaufgaben auch steuernde und koordinative Aufgaben im Rahmen kommunaler Gestaltungsmöglichkeiten wahrzunehmen, beispielsweise indem er kontinuierlich verlässliche und gut aufbereitete Datengrund­lagen zur Gesundheit der Bevölkerung erstellt (z. B. im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung) und für politische Entscheidungsprozesse aufbereitet (z. B. im Rahmen der Gesundheitsplanung). Die Verankerung in der Kommunalverwaltung bietet die relevanten regulativen wie administrativen Schnittstellen in andere politische Ressorts und Gremien sowie einen nahezu direkten Zugang zu verschiedensten Lebenswelten. Beides ist für die Entwicklung und Implementierung evidenzbasierter Maßnahmen zur Bewerkstelligung aktueller Probleme und Herausforderungen im Bereich der Öffentlichen Gesundheit essenziell (Arnold u. Starke 2021).

Die Wahrnehmung solcher Koordinations­aufgaben durch den ÖGD ist neben der anhaltenden Debatte um einem Mangel an qualifiziertem Personal Gegenstand fort­dauernder Reformdebatten (Kuhn u. Wildner 2020). Wie viele zentrale Verwaltungsstrukturen war der ÖGD lange Leidtragender restriktiver finanzpolitischer Sparmaßnahmen sowie eines eklatant ausgeprägten Personalmangels. Bis heute stellt eine Tätigkeit im ÖGD auf kommunaler Ebene für viele Nachwuchskräfte keinen attraktiven Berufsweg dar (Arnold et al. 2023b; Philipsborn et al. 2018; KBV 2015).

Reformschritte im Zuge der ­COVID-19-Pandemie

Die manifestierten Probleme wurden durch die COVID-19-Pandemie weiter verstärkt und im Zuge dessen auch erstmals öffentlichkeitswirksam debattiert (Gruhl 2020; Kuhn, Wildner 2020; Arnold u. Teichert 2021). Bund und Länder reagierten mit einem vier Milliarden Euro schweren Reformpaket zur Unterstützung des Personalaufbaus, der Steigerung der Attraktivität sowie dem Ausbau der Digitalisierung und zukunftsfähigen Strukturen innerhalb des ÖGD (BMG 2020a). In dem sogenannten Pakt für den ÖGD wurde explizit festgehalten, dass die Verbindung zwischen Praxis und Wissenschaft im ÖGD sowohl in der Aus-, Fort- und Weiterbildung als auch in der Forschung vertieft werden soll (BMG 2020a).

Damit wurden im Pakt für den ÖGD lange bestehende Forderungen zur Stärkung der wissenschaftlichen Grundlage des ÖGD aufgriffen. So definierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits im Jahr 2012 in ihrem Europäischen Aktionsplan zum Ausbau der Kapazitäten und Angebote im Bereich der öffentlichen Gesundheit zehn Aufgabenbereiche zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit (auch bekannt als Essential Public Health Operations – EPHOs). Neben der Gewährleistung einer ausreichenden Zahl kompetenter Fachkräfte im Bereich der Öffentlichen Gesundheit (EPHO 7) findet sich hier auch die Förderung anwendungsbezogener Forschung (EPHO 10) (WHO Europe 2020). Weitere wichtige Meilensteine waren die Stellungnahme der Leopoldina zu Public Health in Deutschland, in der die historisch gewachsene Parallelstruktur zwischen dem akademischen Zweig von Public Health und der Public Health-Praxis in Deutschland kritisiert wurde (Leopoldina 2015, s. „Weitere Infos“), der Beschluss der 89. Gesundheitsministerkonferenz im Jahr 2016 zum Verhältnis von ÖGD und Wissenschaft (GMK 2016) sowie das 2018 verabschiedete Leitbild für einen modernen ÖGD, das eine multiprofessionelle, interdisziplinäre und wissenschaftsbasierte Arbeitsweise als unverzichtbare Grundlage des ÖGD definierte (Länderoffene Projektgruppe „Leitbild ÖGD“ 2018).

Kooperationen zwischen Wissenschaft und Praxis auf kommunaler Ebene

Etablierte Kooperationsstrukturen zwischen der akademischen Public-Health-Landschaft und der ÖGD-Praxis auf kommunaler Ebene sind für die Sicherstellung wissenschaftsbasierter Ansätze ebenso essenziell wie für eine evidenzinformierte Politikberatung und -gestaltung vor Ort. Eine stärkere Verknüpfung von ÖGD und Wissenschaft ist hierbei Voraussetzung dafür, dass Forschungsergebnisse entstehen, die für politische Entscheidungsträgerinnen und-träger sowie Praktikerinnen und Praktiker nutzbar gemacht werden.

Die Notwendigkeit qualitativ hochwertiger Kooperationsmodelle zur Verbesserung des Theorie-Praxis-Transfers hat sich nicht zuletzt während der Covid-19-Pandemie gezeigt: Gerade in der Frühphase mussten Entscheidungen (z. B. für oder wider der Einführung von Schutzmaßnahmen) unter großem Zeitdruck und angesichts erheblicher Unsicherheit getroffen werden (Stratil et al. 2020). Die Evaluation und Bewertung bevölkerungsbasierter, komplexer Interventionen stellen dabei nicht nur im Kontext von Gesundheitskrisen große Herausforderungen dar. Auch für die Bewertung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention, bedarf es einer umfassenden Methodenkompetenz (RKI u. LGL 2012) und eines steten Evidenztransfers zwischen der (internationalen) Forschungslandschaft und der ÖGD-Praxis.

Insbesondere auf kommunaler Ebene fehlt es jedoch vielfach an den hierfür erforderlichen Kooperationsstrukturen. Hinzu kommen weitere Barrieren, wie beispielsweise fehlende Zugänge zu wissenschaftlicher Fachliteratur und Softwareprogrammen zur Datenauswertung oder Literaturverwaltung. Um Kooperationsstrukturen im ÖGD nachhaltig zu etablieren, muss dieser über entsprechende zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen für die Umsetzung sowie über die entsprechenden Wissenstransfer-Kompetenzen verfügen.

Postgraduale Qualifikationsmodelle zur Sicherstellung des Wissenschafts-Praxis-Transfers

Kompetenzbildung zur Umsetzung eines nachhaltigen Wissenstransfers erfordert ein Qualifikationskonzept, das sowohl Fähigkeiten in evidenzbasierter Politikberatung und -gestaltung, Koordinations- und Managementfähigkeiten als auch ein ausgeprägtes Verständnis für organisationsbezogene Führungs- und Entscheidungsstrukturen umfasst (Bornbaum et al. 2015). Die Entwicklung dieser Kompetenzen macht eine engmaschige Verknüpfung von Theorie und Praxis, wie sie am ehesten in postgradualen Qualifikationsansätzen erreicht werden kann, notwendig. Um auf kommunaler Ebene Kooperationsstrukturen langfristig zu stärken und gesundheitsrelevante Steuerungsprozesse wissens- und evidenzinformiert planen zu können, bedarf es der Entwicklung von Qualifikationskonzepten, die vor allem für die interdisziplinäre Arbeit an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis im ÖGD qualifizieren und sich gleichzeitig auf die komplexen regionalen Merkmale des ÖGD auf kommunaler Ebene anpassen lassen.

Das EvidenzÖGD-Projekt

Der 2020 gegründete regionale Forschungsverbund Öffentliche Gesundheit verfolgt mit dem Projekt EvidenzÖGD (s. Infobox 2) das Ziel, die Zusammenarbeit von ÖGD-Praxis, -Lehre und -Wissenschaft auf kommunaler Ebene zu stärken, innovative Ansätze des Wissenstransfers zu erarbeiten und diese durch die Integration in bestehende Aus-, Fort- und Weiterbildungsstrukturen nachhaltig zu etablieren.

Fragestellung/Zielstellung

Die Fragestellung, die dem Projekt zugrunde liegt, lautet: Wie können Personen im Öffentlichen Gesundheitsdienst bestmöglich dafür qualifiziert werden, eine koordinierende Funktion zur Umsetzung von Wissenstransferprozessen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis im kommunalen ÖGD einzunehmen?

Pilotierung des Trainee-Rotations­modells im EvidenzÖGD-Projekt

Von April bis Oktober 2023 erfolgte die Pilotierung des Trainee-Konzepts mit institutionsübergreifender Stellenrotation. Dabei rotierten drei Trainees aus dem Forschungsverbund jeweils mit einem halben Stellenanteil durch die drei am Forschungsverbund „Öffentliche Gesundheit“ beteiligten Institutionen, um das benötigte Praxis- und Methodenwissen zur Sicherstellung zukünftiger Wissenstransferprozesse auf kommunaler Ebene zu erwerben.

Die Trainees wurden innerhalb der drei Institutionen rekrutiert und brachten so umfassende Kenntnisse über die institutionellen Strukturen mit. Um keine Personaldefizite zu verzeichnen, erfolgte der Rotationsprozess gleichzeitig. Die Rotationsphasen wurden institutionenbezogen von drei Mentorinnen und Mentoren begleitet, deren Aufgabenspektrum die Koordination der Umsetzung der Lernziele in ihren jeweiligen Institutionen sowie die Begleitung der Trainees umfasste. Der Rotationsphase lag ein von allen Kooperationspartnerinnen und -partnern in einem iterativen Prozess entwickelter Lernzielkatalog zugrunde, der rund 90 zusammenhängende Lernziele aus den folgenden sechs Tätigkeitsbereichen umfasst:

  • Netzwerk- und Gremienarbeit (Aufbau, Pflege und Förderung von Netzwerken),
  • Wissensmanagement (Identifizierung und Beschaffung relevanter Informa­tionen),
  • Wissenskommunikation (Erarbeitung und Dissemination passgenauer Informationsmaterialien),
  • Projektmanagement (Koordination und Verwaltung von Projektvorhaben),
  • Capacity Building & Change Management (Identifizierung und Förderung struktureller Rahmenbedingungen),
  • Verstetigung von Wissenstransferprozessen (Förderung der Nachhaltigkeit).
  • Die zur Erreichung der Lernziele erforderlichen Schritte wurden aufbauend auf dem Lernzielkatalog in drei institutionsspezifischen Logbüchern festgehalten. Während der Rotation dienten diese Logbücher einerseits zur inhaltlichen Orientierung und andererseits als gemeinsame Dokumentationsgrundlage für Trainees und Mentorinnen/Mentoren.

    Das notwendige methodische wie fachliche Wissen erwarben die Trainees im Rahmen einer begleitenden Fortbildungsreihe, die im Rahmen des Projekts eigens hierfür konzipiert wurde. In drei Blöcke unterteilt, deckte die Fortbildungsreihe relevante Themenbereiche des Wissenstransfers im ÖGD ab.

    Praktische Erfahrungen in der Generierung und Nutzung wissenschaftlicher Evidenz und eine Vertiefung des erworbenen Methoden- und Fachwissens erlangten die drei Trainees im Rahmen eines begleitenden Forschungsprojekts. Wissenschaftlich begleitet durch die drei Mentorinnen und Mentoren setzten sie sich mit der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung bei wohnungslosen Menschen in der Stadt Düsseldorf auseinander. Die Problemstellung wurde auf Initiative des GA Düsseldorf vorgeschlagen. Die methodische Herangehensweise wurde nach initialer Einarbeitung in den Themenbereich von den Trainees unter Anleitung der Mentorinnen und Mentoren erarbeitet. Zur Sicherstellung der wissenschaftlichen Qualität sowie der kontinuierlichen Überprüfung der anvisierten Lernziele war das Fortschreiten des Forschungsprojektes Gegenstand eigens hierfür eingerichteter Forschungskolloquien, die die Trainees abwechselnd organisierten, moderierten und dokumentierten.

    Die Infoboxen 4 und 5 enthalten zwei Erfahrungsberichte aus der Pilotphase aus Sicht eines Trainees sowie aus Sicht einer Mentorin.

    Nachhaltigkeit des Qualifikationskonzepts

    Zur Sicherstellung der Zielerreichung sowie der perspektivischen Weiterentwicklung des Qualifikationsmodells wird die Pilotphase wissenschaftlich evaluiert. Im Rahmen dessen sind alle Trainees sowie Mentorinnen und Mentoren angehalten, den Verlauf der Rotationsphase, die Erreichung der Lernziele mitsamt Bewertung der vordefinierten Lernzieltiefe sowie etwaige mögliche Anpassungen im institutionsspezifischen Logbuch zu dokumentieren. Die kommentierten Logbücher dienen als Ausgangs­basis für die Evaluation der Rotationsphase, die die Analyse des Kompetenzerwerbs im Rahmen der Praxisphase, der Fortbildungsreihe sowie des Forschungsprojekts enthält. Evaluationsgegenstand sind entsprechend das Trainee-Rotationskonzept selbst, der Lernzielkatalog sowie die institutionsspezifischen Logbücher. Aufbauend auf den Evaluationsergebnissen werden im Frühjahr 2024 der Lernzielkatalog adaptiert und die drei institutionsspezifischen Logbücher synthetisiert. Die konsentierten Ergebnisse stehen der ÖGD-Praxis und -Wissenschaft anschließend zur freien Verfügung.

    Schlussfolgerungen

    Damit Entscheidungen unter Berücksichtigung der jeweils bestverfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse getroffen werden können, müssen ÖGD-relevante Fragen und Themen systematisch Eingang in die Wissenschaft finden. Ausreichend Stammpersonal vorausgesetzt, erfordert dies sowohl den Erwerb und Ausbau umfassender fachlicher wie wissenschaftlicher Kompetenzen im ÖGD als auch die Stärkung explizierter Forschungszweige zur Förderung und Weiterentwicklung angewandter ÖGD-Forschung (SVR 2023). Entsprechend bedarf es neben umfangreichen Methoden-, Koordinations- und Managementfähigkeiten auch einem umfassenden Verständnis über kommunale Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen (Arnold, Starke 2021).

    Ebendiese Kompetenzen sollen die Trainees im Rahmen des Trainee-Rotationsmodells des EvidenzÖGD-Projekts erwerben. Ziel ist es, Personen für die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis im ÖGD auf kommunaler Ebene zu qualifizieren und sie zur Implementierung von nachhaltigen Wissenstransferprozessen zu befähigen. Erste Erfahrungen aus der Umsetzung der sechsmonatigen Pilotphase verdeutlichen, dass durch die Förderung des multidisziplinären und institutionenübergreifenden Austausches wertvolle Erfahrungen und Kompetenzen vermittelt werden können.

    Die Erkenntnisse aus der Evaluation des Trainee-Rotationsmodells sollen dazu beitragen, dass das Programm in Zukunft auch in anderen kommunalen Kontexten zur Förderung der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis im ÖGD genutzt werden kann. Hierfür bedarf es einer systematischen Generalisierung des Konzepts sowie einer größer skalierten Durchführung der Rotation in verschiedenen Kommunen. Die regelmäßige Umsetzung der lokalen Rotation im Forschungsverbund in Düsseldorf wird hierzu ebenso angestrebt wie die Verstetigung der begleitenden Fortbildungsreihe „Wissenstransfer im ÖGD“ durch die Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf.

    Interessenskonflikt: Es bestehen keine Interessenskonflikte. Aus Transparenzgründen möchten wir darauf hinweisen, dass alle Autorinnen und Autoren Mitlieder des Projektkonsortiums EvidenzÖGD sind und als solche in die Konzeptionierung des Trainee-Rotationsmodells involviert sind. Laura Arnold ist zudem als Mentorin, Simon Bimczok als Trainee in die Pilotphase eingebunden.

    Ethikvotum: Die Studie wurde in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki durchgeführt und die Datenerhebung wurde von der Institutionellen Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf genehmigt, ID 2021-1646 (2021-10-28) und ID 2021-1646_1 (2021-12-16).

    Danksagung: Das Autorenteam bedanken sich ausdrücklich bei dem gesamten Projektkonsortium des EvidenzÖGD-Projekts, namentlich: Ravina Ambalavanar, Delbar Dilmaghani, Nico Dragano, Simon Götz, Annika Höhmann, Anke Kietzmann, Lena Raith, Michael Schäfer, Guido Schenuit, Trudpert Schoner, Hannah Schütt, Franziska Vosseberg und Simone Weyers.▪

    Literatur

    Arnold L, Bimczok S, Clemens T, Brand H, Starke D (2023a): Implementing evidence ecosystems in the public health service: Development of a seven-step framework for designing tailored training programs. DOI: 10.1101/2023.10.02.23295684.

    Arnold L, Kellermann L, Hommes F, Jung L, Gepp S, Fischer F, Szagun B, Starke D, Stratil J M (2023b): “Having impact, making a difference” – Ansätze zur Steigerung der Attraktivität des ÖGD als zukünftiger Arbeitgeber. Ergebnisse und Empfehlungen aus zwei bundesweiten Onlinebefragungen. In: Gesundheitswesen 85 (10), S. 945–954. DOI: 10.1055/a-2125-5322.

    Arnold L, Starke D (2021): Evidenzinformiertes Planen für Gesundheit - Koordination und Steuerung. In: Klapper B und Cichon I (Hrsg.): Neustart! Für die Zukunft unseres Gesundheitswesens. Berlin: MWV, S. 581–588.

    Arnold L, Teichert U (2021): Politischer Reformprozess im Zuge der COVID-19-Pandemie: Der Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. In: Public Health Forum 29 (1), S. 47–50. DOI: 10.1515/pubhef-2020-0130.

    BMG (2020a): Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Berlin, 2020. Online verfügbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/o/…, zuletzt geprüft am 28.07.2023.

    BMG (2020b): Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Öffentlichem Gesundheitsdienst und Public-Health-Forschung, 2020 (veröffentlicht am 27.02.2020). Online verfügbar unter https://projekttraeger.dlr.de/de/foerderung/foerderangebote-und-program…, zuletzt geprüft am 28.07.2023.

    Bornbaum C C, Kornas K, Peirson L, Rosella L C (2015): Exploring the function and effectiveness of knowledge brokers as facilitators of knowledge translation in health-related settings: a systematic review and thematic analysis. In: Implementation science : IS 10, S. 162. DOI: 10.1186/s13012-015-0351-9.

    GMK (2016): 89. Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Gesundheit der Länder am 29. und 30. Juni 2016 in Rostock-Warnemünde. TOP 4.1 Perspektiven zur Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, 2016.

    Gruhl M (2020): Quo vadis, ÖGD? In: Observer Gesundheit. Online verfügbar unter https://observer-gesundheit.de/quo-vadis-oegd/, zuletzt geprüft am 29.11.2020.

    KBV (2015): Berufsmonitoring Medizinstudenten 2014. Ergebnisse einer bundesweiten Befragung, 2015. Online verfügbar unter https://www.kbv.de/html/berufsmonitoring-medizinstudierende.php, zuletzt geprüft am 16.03.2023.

    Kuhn J, Wildner M (2020): Corona-Krise und öffentlicher Gesundheitsdienst. In: GGW 20 (4).

    Länderoffene Projektgruppe „Leitbild ÖGD“ (2018): Konsens der länderoffenen Arbeitsgruppe zu einem Leitbild für einen modernen Öffentlichen Gesundheitsdienst. In: Gesundheitswesen 80, S. 679–681. DOI: 10.1055/a-0664-9349.

    Leopoldina (2015): Public Health in Deutschland. Strukturen, Entwicklungen und globale Herausforderungen. Stellungnahme. Halle (Saale), 2015. Online verfügbar unter https://www.acatech.de/publikation/public-health-in-deutschland-struktu…, zuletzt geprüft am 16.09.2022.

    Müller W (2010): Entwicklungslinien öffentlicher Gesundheit in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland. In: Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V. (BVÖGD) (Hrsg.): 1950 - 2010. 60 Jahre BVÖGD. Engagement für die Gesundheit der Bevölkerung, 48-65.

    Philipsborn P von, Geffert K, Hommes F, Drees S, Springer J, Stratil J (2018): Weg von verstaubten Klischees. In: Deutsches Ärzteblatt 115 (8), S. 328–330.

    RKI und LGL (2012): Evaluation komplexer Interventionsprogramme in der Prävention: Lernende Systeme, lehrreiche Systeme? Berlin (Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes - RKI), 2012.

    Stratil J M, Voss M, Arnold L (2020): WICID framework version 1.0: criteria and considerations to guide evidence-informed decision-making on non-pharmacological interventions targeting COVID-19. In: BMJ global health 5 (11). DOI: 10.1136/bmjgh-2020-003699.

    SVR (2023): Resilienz im Gesundheitswesen. Wege zur Bewältigung künftiger Krisen Gutachten 2023. 1. Auflage. Berlin, 2023.

    Teichert U (2015): Der öffentliche Gesundheitsdienst. In: Thielscher C (Hrsg.): Medizinökonomie 1. Das system der medizinischen versorgung. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden [Germany]: Springer Gabler (FOM-Edition), S. 351–372.

    WHO Europe (2020): The 10 Essential Public Health Operations. World Health Organization. Online verfügbar unter http://www.euro.who.int/en/health-topics/Health-systems/public-health-s…, zuletzt geprüft am 21.01.2020

    doi:10.17147/asu-1-324148

    Weitere Infos

    BMG – Bundesministerium für Gesundheit: Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst. Berlin, 2020a
    https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/o/…

    Leopoldina: Public Health in Deutschland. Strukturen, Entwicklungen und globale Herausforderungen. Stellungnahme. Halle (Saale), 2015
    https://www.acatech.de/publikation/public-health-in-deutschland-struktu…

    Kernaussagen

  • Die Ziele des EvidenzÖGD-Projekts sind die Förderung strukturierter Wissenstransferprozesse sowie die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen ÖGD-Praxis, -Lehre und -Wissenschaft mittels der Etablierung nachhaltiger Kooperations- und Qualifikationsstrukturen.
  • In einer sechsmonatigen Pilotphase wurde im Forschungsverbund ein Trainee-Rotationsmodell umgesetzt, das die Teilnehmenden für eine koordinierende Tätigkeit an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis im kommunalen ÖGD qualifiziert.
  • Mittels der Evaluation der Pilotphase soll das multidisziplinäre und institutionenübergreifende Konzept generalisiert und die Adaption der Inhalte in anderen kommunalen Kontexten
    ermöglicht werden.
  • Info 1

    Aufgabenspektrum des ÖGD

    Im föderal strukturierten Deutschland stellt der Öffentliche Gesundheitsdient (ÖGD) auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene die Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung sicher. Seine umfangreichen Aktivitäten und Maßnahmen haben vorrangig zum Ziel, Bedingungen zu schaffen, in denen möglichst alle Menschen gesund leben können (Müller 2010). Im Unterschied zum ambulanten und stationären Bereich des Öffentlichen Gesundheitswesens, ist der ÖGD dabei weniger auf Individual- sondern vor allem auf Populationsebene tätig. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt vor allem auf Förderung und Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und weniger auf der gesundheitlichen Versorgung Einzelner (Teichert 2015).

    Sein breites Spektrum an Themen und Aufgaben wird von einer Vielzahl an Akteurinnen und Akteuren umgesetzt. Organisatorisch ist der ÖGD dabei sowohl Bestandteil des Öffentlichen Gesundheitswesens als auch der öffentlichen Verwaltung (Müller 2010). Eingebettet in die Kommunalverwaltung kommt den unteren Gesundheitsbehörden – meist organisiert in Form von kommunalen und staatlichen Gesundheitsämtern* – eine zentrale Rolle bei der Sicherstellung der operativen Aufgabenwahrnehmung zu.

    *Manchmal auch als „Fachdienst Gesundheit“ oder „Abteilung bzw. Sachgebiet Gesundheitswesen“ bezeichnet.

    Info 2

    Das EvidenzÖGD-Projekt

    Seit Mai 2021 läuft die zunächst auf drei Jahre angelegte Kooperation (2021–2024) zwischen der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf (AÖGW), dem Institut für Medizinische Soziologie des Universitätsklinikums der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und dem Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Düsseldorf (GA Düsseldorf). Der Forschungsverbund wird finanziell gefördert durch das Bundesministerium für Gesundheit und ist Teil des Förderschwerpunkts Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Öffentlichem Gesundheitsdienst und Public Health Forschung (BMG 2020b).

    In der ersten Phase des Projekts wurden zunächst bestehende Kooperationsformen zwischen Praxis und Wissenschaft im ÖGD sowie bereits existierende Qualifikationsmodelle, die für eine Schnittstellentätigkeit im ÖGD qualifizieren systematisch erfasst und aufbereitet (Bestandsaufnahme – Phase 1). Darauf aufbauend wurde in enger Zusammenarbeit mit Stakeholdern aus Praxis, Wissenschaft und Institutionen der Aus-, Fort- und Weiterbildung im ÖGD ein neues Qualifika­tionskonzept entwickelt (Konzeptionsphase – Phase 2). Dieses Konzept wurde 2023 in der Praxis erprobt (Pilotphase – Phase 3) und parallel wissenschaftlich begleitet. Diese Evaluation stellt die Grundlage dar, um das Qualifikationskonzept in Zukunft auch für die Anwendung in anderen Kontexten mit Bezug zum kommunalen ÖGD zu adaptieren (Disseminationsphase – Phase 4).

    Info 3

    Entwicklung des Trainee-Rotationsprogramms im EvidenzÖGD-Projekt

    Zur Konzeption des Trainee-Programms erfolgte initial die systematische Analyse bestehender Qualifikationsprogramme. Aufbauend auf den Ergebnissen wurde eine qualitative Interviewstudie durchgeführt, im Rahmen derer
    23 Expertinnen und Experten unterschiedlicher Disziplinen, diverser Funktionsrollen sowie verschiedener Erfahrungslevels aus ÖGD-Praxis, -Wissenschaft und -Lehre interviewt wurden. Im Rahmen eines multiprofessionell besetzten und interdisziplinär ausgerichteten Stakeholder-Workshops wurden gemeinsam mit 44 Teilnehmenden die Aufgaben und Tätigkeiten zur Sicherstellung von Wissenstransferprozessen auf kommunaler Ebene erörtert und darauf aufbauend die hierfür benötigten Fähigkeiten und Kompetenzen priorisiert.

    Die Zusammenführung der verschiedenen methodischen Schritte resultierte in einer Toolbox zur Konzeption von Qualifikationsmodellen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis im ÖGD. Der zugrundeliegende Prozess zur Konzeption der Toolbox, ist an anderer Stelle ausführlich beschrieben (Arnold et al. 2023a). Die Toolbox kam im Rahmen mehrerer Workshops des Projektkonsortiums zur Anwendung und resultierte in einem auf den lokalen Kontext Düsseldorf zugeschnittenen Trainee-Rotationsprogramm, das im Rahmen des Forschungsverbundes EvidenzÖGD pilotiert wurde.

    Info 4

    Erfahrungen aus Sicht eines Trainees

    „Aus meiner Sicht bietet das Trainingsprogramm im Rahmen der sechsmonatigen Pilotphase im Forschungsverbund Öffentliche Gesundheit eine herausragende Möglichkeit zur individuellen Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen im Hinblick auf Strukturen, Prozesse und Zusammenhänge im ÖGD. Die Tatsache, dass die Stellenrotation parallel zueinander stattfand, ermöglichte es mir, zeitgleich zu meiner bestehenden Tätigkeit an der Rotation teilzunehmen. Zugegebenermaßen ein Spagat – aber die Tatsache, dass das Programm ohne nennenswerte Verluste von personellen Ressourcen aufgebaut war, trug dazu bei, dass ich die Rotation in vollen Zügen nutzen konnte, da keine Aufgaben pausiert werden mussten.

    Sehr gut fand ich, dass ich auf Basis meines individuellen beruflichen Hintergrunds meine eigene Perspektive einbringen konnte und gleichzeitig um wertvolle neue Erfahrungen erweitern konnte. Ein fächerübergreifender Austausch kommt im Arbeitsalltag oft zu kurz, durch die Rotation lernte ich neue (wissenschaftliche) Methoden kennen, die ich in der Zukunft in meinem eigenen Arbeitsfeld anwenden kann.

    Durch die umfassende Kompetenzvermittlung in sechs verschiedenen Tätigkeitsbereichen habe ich den Eindruck, dass mich die Rotation gut auf die Umsetzung einer Tätigkeit an der Schnitt­stelle zwischen Wissenschaft und Praxis im kommunalen ÖGD vorbereitet hat. Die Kombination von praktischem und theoretischem Erfahrungs- und Wissensaustausch sowie die aktive Forschungs­beteiligung im Rahmen eines Forschungsprojekts, das wir Trainees aktiv mitgestalten konnten, war für mich eine wertvolle Erfahrung. Ein vergleichbares Konzept gibt es im ÖGD bisher nicht.“

    Info 5

    Erfahrungen aus Sicht einer Mentorin

    „Das Trainee-Rotationsprogramm stellt eine bemerkenswerte Initiative zur Förderung des Wissenschafts-Praxis-Transfers auf kommunaler Ebene dar. Ausgestattet mit einem vollgepackten Lernzielkatalog ist es den Trainees in der sechsmonatigen Pilotphase gelungen, umfangreiche Fach- und Methodenkompetenzen zu erwerben. Eine große Unterstützung war hierbei das institutionsspezifische Logbuch, in dem die Schritte zur Erreichung der verschiedenen Lernziele vorab festgehalten wurden. Dank dieser ‚Spickzettel‘ war die Koordination der Lernzielerreichung auch für mich als Mentorin gut zu organisieren.

    Die Tatsache, dass das Stellenrotationsprogramm parallel zu bestehenden Arbeitsverhältnissen stattfand, ermöglichte eine Integration in den Arbeitsalltag ohne nennenswerte personelle Einbußen. Ein aus meiner Sicht wesentlicher Gelingensfaktor hierbei war das klare Commitment meiner Arbeitgeberin. Die Teilnahme an dem Trainee-Rotationsmodell erforderte nicht unerhebliche zeitliche Kapazitäten sowie einige finanzielle Ressourcen – wenn auch Letzteres in deutlich geringer ausgeprägter Form. Wichtig war in diesem Kontext auch der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur, allen voran ein Zugang zur hausinternen Kommunikation. Die sorgfältige Vorbereitung der Rotationsphase bei uns im Haus erforderte eigene Zeit und sehr viel Engagement. Das Programm ist ja keineswegs als herkömmliches Praktikum konzipiert.

    Die Kombination aus praxisorientiertem Wissensaustausch, theoretischer Weiterbildung und aktiver Ausgestaltung eines Forschungsprojekts hat aus meiner Sicht zu einem fachübergreifenden Austausch beigetragen, der im beruflichen Alltag oft zu kurz kommt. Für mich ist die Tatsache, dass bei der Qualifikation nicht nur der Kompetenzerwerb der Trainees, sondern eben auch institutionelles Lernen und die Bearbeitung neuer Forschungsmethoden im Mittelpunkt stehen, zentral.

    In der innovativen Herangehensweise des Programms sehe ich einen vielversprechenden Ansatz, junge Talente für eine Schnittstellentätigkeit im ÖGD auf kommunaler Ebene zu qualifizieren und zu begeistern.“

    Koautor und Koautorin

    Simon Bimczok (MSc, MA)*
    Prof’in Dr. Dagmar Starke
    Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf
    *Laura Arnold und Simon Bimczok haben gleichberechtigt an der Entstehung des Manuskripts mitgewirkt.

    Kontakt

    Laura Arnold
    Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf; Kanzlerstraße 4; 40472 Düsseldorf

    Foto: AÖGW

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