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Straßenverkehrsrecht

Neuregelung: Gesetzlicher THC-Grenzwert im öffentlichen Straßenverkehr

New Regulation: Legal THC Limit Value in Public Road Traffic

Verfassungsrechtliche Problematik einer 0,0 ng/ml-Grenze

Aus straßenverkehrsrechtlicher Perspektive wäre es im Sinne der Verkehrssicherheit und Rechtsklarheit wünschenswert, wenn der Gesetzgeber sowohl für Alkohol als auch für Cannabis im Blutserum einen Grenzwert von 0,0 Promille bzw. 0,0 ng THC/ml festsetzen würde.

Vor der Grenzwerteinführung handelte gemäß § 24a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) die Person in Bezug auf Cannabis ordnungswidrig, die „unter der Wirkung“ von Cannabis ein Kraftfahrzeug führte (Cannabis war bis zu diesem Zeitpunkt in der Anlage des StVG aufgeführt). Eine solche „Wirkung“ wurde ursprünglich dann als gegeben gesehen, wenn Cannabis im Blut nachgewiesen wurde (vgl. § 24a Abs. 2 S. 2 StVG). Nach ursprünglicher Auffassung stand dem somit nicht entgegen, wenn bei den betroffenen Kraftfahrzeugführenden Tetrahydrocannabinol (THC) nur im „Spurenbereich“ nachgewiesen werden konnte. Nach dieser Auffassung erforderte § 24a Abs. 2 StVG nicht den Nachweis einer bestimmten Menge oder eine Einbuße der Leistungsfähigkeit der Fahrerin oder des Fahrers, sondern enthalte eine „echte Nullwertgrenze“. Man sah § 24a StVG ursprünglich wegen der generell-abstrakten Gefährlichkeit des Genusses von Drogen (die in der Anlage benannt sind/waren) als einen abstrakten Gefährdungstatbestand.

Die ursprünglich vorgesehene „Nullwertgrenze“ hatte der Gesetzgeber anfänglich nach umfangreichen Sachverständigenanhörungen und den gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet, nämlich dass Grenzwerte für die Annahme einer Fahrtüchtigkeit unter den Einfluss von Drogen nicht festgestellt werden konnten. Der Gesetzgeber sah sich schlicht und ergreifend nicht in der Lage, exakte Drogengrenzwerte festzulegen.

In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist diese (durchaus verständliche) Sichtweise allerdings bedenklich. Die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) schützt in gewissen Rahmen auch den Konsum von Rauschmitteln (hierzu ausführlich: Aligbe 2024, S. 312). Es ist mit Art. 2 Abs. 1 GG nicht vereinbar, den bloßen Konsum (ohne die hinreichende Möglichkeit entsprechender Beeinträchtigungen) beim Führen von Kraftfahrzeugen tatbestandlich als Ordnungswidrigkeit zu sanktionieren. Der Nachweis von THC im Körper ist (anders als bei Alkohol) zu trennen von der Frage, ob das THC auch eine Wirkung im Körper entfaltet.

Die verfassungsrechtlichen Vorgaben bedingen, dass § 24a StVG in Bezug auf Cannabis so auszulegen ist, dass eine Wirkung nur vorliegt, wenn eine THC-Konzentration im Blut festgestellt wird, die es als möglich erscheinen lässt, dass die untersuchte fahrzeugführende Person am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl ihre Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG gilt nicht schrankenlos. Soweit die Rechte anderer verletzt werden oder ein Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung vorliegt, so kann diese Handlungsfreiheit auch entsprechend eingeschränkt werden (vgl. Art. 2 Abs. 1 GG). Zum Schutz kollidierender Rechtsgüter dürfen daher unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Beschränkungen der Handlungsfreiheit vorgenommen werden. Sie sind verfassungsmäßig, wenn sie zur Zielerreichung nicht nur geeignet und erforderlich sind, sondern auch zur Art und Intensität der Rechtsgutgefährdung in einem angemessenen Verhältnis stehen1.

Eine „Nullwertgrenze“ in Bezug auf Cannabis wird allerdings diesen Vorgaben nicht gerecht. Eine solche Nullwertgrenze beruht auf der Annahme, dass die Wirkungs- und Nachweisdauer bei Cannabis übereinstimmen. Solange folglich im Blut Substanzen von THC nachweisbar wären, sollte also nach dieser Vorstellung angenommen werden, dass dieses Rauschmittel auf die fahrzeugführende Person so einwirkt, dass die der Odnungswidrigkeitenvorschrift des § 24a StVG zugrunde liegende Annahme einer abstrakten Verkehrsgefährdung vorliegt.

Dies ist allerdings nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht sachgerecht. Spuren von Substanzen können über mehrere Tage (manchmal sogar Wochen) nachweisbar sein. Folglich kann auch dann ein positiver Drogenbefund bei einer Blutuntersuchung festgestellt werden, wenn der Konsum des Rauschmittels schon längere Zeit vor der Fahrt erfolgte und von der Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit deshalb nicht mehr ausgegangen werden kann.

Vor dem Hintergrund dieser Aspekte betonte auch das Bundesverfassungsgericht bereits 2004, dass vielmehr eine Konzentra­tion festgestellt werden muss, die es entsprechend dem Charakter des § 24a StVG als abstraktem Gefährdungsdelikt als möglich erscheinen lässt, dass die untersuchte fahrzeugführende Person am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl ihre Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war2. Regelhaft muss hierfür eine Konzentration von 1 ng/ml THC im Blutserum vorliegen.

Diesen Anforderungen wird auch der neu ausformulierte § 24c StVG dann gerecht, wenn er verfassungskonform ausgelegt wird. Auch hier ist tatbestandlich ausformuliert, dass der Tatbestand dann als erfüllt gilt, wenn die fahrzeugführende Person „unter der Wirkung“ von THC steht (§ 24c Abs. 1 Nr. 2 StVG). Eine solche Regelung greift zwar weiterhin in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG ein. Dieser Eingriff ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da er der Erreichung eines legitimen Gemeinwohlziels dient.

Gesetzgebungsvorgang

Mit dem „Sechsten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften“3 erfolgte erstmalig eine Normierung eines gesetzlichen THC-Grenzwerts für den Straßenverkehr und eines Alkoholverbots für Cannabiskonsumenten sowie einer besonderen Regelung betreffend Cannabis im Straßenverkehr für Fahranfänger.

Hintergrund dieser Anpassung ist eine im Rahmen des sogenannten „Cannabisgesetzes“4 erfolgte Regelung in § 44 Konsumcannabisgesetz (KCanG), mit der eine vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) eingesetzte Arbeitsgruppe einen Wert einer Konzentration von THC im Blut vorschlagen sollte, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist. Vollends ist allerdings dieser Auftrag nicht gelungen (hierzu siehe unten).

Vor dem Inkrafttreten der erfolgten Novellierungen im StVG gab es keinen gesetzlichen THC-Grenzwert im StVG. Es gab lediglich einen von der Rechtsprechung zugrunde gelegten analytischen Nachweisgrenzwert von 1 ng/ml THC im Blutserum. Die vom BMDV eingesetzte unabhängige Expertenarbeitsgruppe hat einen gesetzlichen Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum vorgeschlagen. Dieser wurde nun seitens des Gesetzgebers in § 24a StVG übernommen. In der Vergangenheit hatte der Gesetzgeber bewusst auf exakt benannte Drogengrenzwerte verzichtet, weil bei den einzelnen Drogen im Vergleich zum Alkohol noch nicht die Möglichkeit einer Quantifizierung der Dosiswirkungsbeziehung bestand.

Für Fahranfänger beziehungsweise junge Fahrerinnen und Fahrer vor Vollendung des 21. Lebensjahres wurde das bereits bestehende Alkoholverbot in § 24c StVG um das Verbot von Cannabiskonsum ergänzt. Hier wird dann weiterhin der von der Rechtsprechung festgelegte analytische Nachweisgrenzwert von 1 ng/ml THC im Blutserum von Relevanz sein.

Kraftfahrzeug und öffentlicher Straßenverkehr

Trotz des verständlichen Bedürfnisses, allgemein auf Grenzwerte in Bezug auf einen erfolgten Cannabiskonsum zurückgreifen zu können, darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich bei der Grenzwertnormierung in § 24a StVG um einen Ordnungswidrigkeitentatbestand handelt, der keine generelle Aussage enthält, wie zum Beispiel auch dem Arbeitsschutz wirksam nachgegangen werden kann. Es bleibt dem Gebiet der Arbeitsmedizin unbenommen, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen für den Arbeitsschutz in Zukunft gegebenenfalls auch hiervon abweichende Werte festzulegen.

Die Einbettung des Wirkungsgrenzwertes von 3,5 ng/ml Blutserum in § 24a StVG bedingt allerdings auch, dass der Ordnungswidrigkeitentatbestand (nebst der Möglichkeit, hier auch eine ärztliche Blutentnahme seitens der Verfolgungsbehörden anordnen zu können) nur dann erfüllt werden kann, wenn es sich um eine Teilnahme am „öffentlichen Straßenverkehr“ handelt. Mit „öffentlichen Straßen“ i. S. v. § 24a StVG ist der öffentliche Verkehrsraum gemeint. Dies umfasst allerdings nicht nur Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind. Vielmehr ist ein Verkehrsraum auch dann öffentlich, wenn er ohne Rücksicht auf eine Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch tatsächlich so genutzt wird. Der Raum muss folglich faktisch der Allgemeinheit tatsächlich zur Verfügung stehen. Verkehrsräume auf Firmengeländen sind nur dann „öffentlich“ i. S. v. §2 4a StVG, soweit sie in tatsächlicher Hinsicht jedermann offenstehen (z. B., weil eine Einfriedung fehlt und der Firmeneigentümer dies duldet).

Abgeschlossene Firmenareale mit beschränktem Zugang (z. B. nur Firmenangehörige) unterfallen dagegen nicht § 24a StVG mit der Folge, dass ein dortiges Führen von Kraftfahrzeugen unter dem Einfluss entsprechender Rauschmittel den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 24a StVG nicht erfüllen kann.

Weiterhin kann der Tatbestand auch nur erfüllt werden, wenn die betroffene Person ein „Kraftfahrzeug“ führt. Bei einem Kraftfahrzeug im Sinne von § 24a StVG handelt es sich um ein Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird, ohne an Bahngleise gebunden zu sein (§ 1 Abs. 2 StVG). Die gängigen „Elektrofahrräder“ stellen kein Kraftfahrzeug im Sinne von § 24a StVG dar (vgl. § 1 Abs. 3 StVG), so dass bei Fahrradfahrinnen und -fahrern (auch wenn es sich um ein Elektrorad handelt) dieser Tatbestand nicht zur Anwendung kommen kann. Entsprechend der Legaldefinition des Kraftfahrzeugs in § 1 Abs. 2 StVG gilt dies auch für Zugführende und Luftfahrzeugführende. Hier ist dann gegebenenfalls auf andere Tatbestände zurückzugreifen. So erfüllt das Führen eines Luftfahrzeuges entgegen § 4a Abs. 1 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) unter dem Einfluss von psychoaktiven Substanzen, die die Dienstfähigkeit beeinträchtigen oder ausschließen, den Ordnungswidrigkeitentatbestand nach § 58 Abs. 1 Nr. 1a LuftVG.

Unerheblich ist (sofern es sich um ein maschinenkraftbetriebenes Landfahrzeug ohne Gleisführung handelt) allerdings, für welche Zwecke das Fahrzeug eingesetzt wird. So sind beispielsweise Gabelstapler, Go-Karts, Motorschlitten, Bagger, Straßenwalzen oder auch Elektrokleinstfahrzeuge auch Kraftfahrzeuge i. S. v. § 24a StVG. Auch ist unerheblich, ob diese Fahrzeuge unter die Versicherungspflicht nach dem Pflichtversicherungsgesetz fallen.

Ein Fahrzeug wird dann „durch Maschinenkraft“ bewegt, wenn seine Bewegung durch eine Maschine und nicht durch Menschen-, Tier- oder Naturkraft (z. B. Wind, eigenes Gewicht, Wasser) bewirkt wird.

Tatbestand Grenzwerterreichung bzw. -überschreitung

Seit der Gesetzesanpassung handelt ordnungswidrig, wer entweder vorsätzlich oder fahrlässig im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl 3,5 ng/ml oder mehr THC im Blutserum nachweisbar sind (§ 24a Abs. 1a StVG). Der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit liegt allerdings dann nicht vor, wenn die Substanz THC aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt (§ 24a Abs. 4 StVG).

Tatbestand Mischkonsum von Cannabis und Alkohol

Eine besondere Gefährdung wird im Mischkonsum von Cannabis und Alkohol gesehen. Vor dem Hintergrund dieses Umstands hatte die Expertenarbeitsgruppe weiterhin empfohlen, für Cannabiskonsumenten ein absolutes Alkoholverbot am Steuer vorzusehen. Im Rahmen der Grenzwertanpassung in § 24a StVG wurde ebenfalls ein Tatbestand normiert, der diesen Umstand berücksichtigt.

Wer im Straßenverkehr vorsätzlich oder fahrlässig ein Kraftfahrzeug führt, obwohl im Blutserum 3,5 ng/ml oder mehr THC nachweisbar sind und ein alkoholisches Getränk zu sich nimmt oder die Fahrt antritt, obwohl die Person unter der Wirkung eines alkoholischen Getränks steht, handelt ebenfalls ordnungswidrig gemäß § 24a Abs. 2a StVG. Hier könnte in der Tat der Nutzen eines solchen Tatbestandes angezweifelt werden, zumal ja das Führen von Kraftfahrzeugen bei Erreichung beziehungsweise Überschreitung des normierten Grenzwerts bereits vollumfänglich einen Ordnungswidrigkeitentat­bestand (§ 24a Abs. 1a StVG) erfüllt und das „Zusichnehmen“ oder die Fahrt unter „Wirkung“ von Alkohol seitens der Verfolgungsbehörden zusätzlich auch bewiesen werden müssen.

Der Gesetzgeber wollte allerdings im Zusammenhang mit Cannabiskonsum ein absolutes Alkoholverbot (folglich 0,0 Promille Alkohol im Blut) normieren. Dieser Tatbestand ist gegenüber § 24a Abs. 1a StVG (bloße Grenzwertüberschreitung) als „lex specialis“ zu sehen und mit einem höheren Bußgeldrahmen versehen. Als „lex specialis“ bezeichnet man in der Rechtswissenschaft eine Kollisionsregel. Das spezielle Gesetz (lex specialis) hat gegenüber dem allgemeinen Regeln (lex generalis; hier: § 24a Abs. 1a StVG) den Anwendungsvorrang.

Der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit liegt allerdings nicht vor, wenn die Substanz THC aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt
(§ 24a Abs. 4 StVG).

Tatbestand Fahranfängereigenschaft

Auch in Bezug auf Fahranfängerinnen und -anfänger sah der Gesetzgeber die Erforderlichkeit, den Aspekt des Cannabiskonsums gesondert zu normieren. Ebenfalls wurde für diese Personengruppe und junge Fahrende das bereits bestehende Alkoholverbot um das Verbot von Cannabiskonsum ergänzt5. Bei diesen Personen wird ein erhöhtes Gefährdungspotenzial gesehen, das sich aus dem Zusammentreffen von Unerfahrenheit und Enthemmung durch die Rauschmittel ergibt.

Ordnungswidrig handelt seitdem, wer vorsätzlich oder fahrlässig in der Probezeit nach § 2a StVG oder vor Vollendung des 21. Lebensjahres als Führerin oder Führer eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr entweder ein alkoholisches Getränk oder die Substanz THC zu sich nimmt oder die Fahrt antritt, obwohl sie oder er unter Wirkung eines alkoholischen Getränks oder der Substanz THC steht (vgl. § 24c Abs. 1 StVG). Das Abstellen auf die Probezeit als eine der Tatbestandsalternativen erscheint insofern sachgerecht, da nach Ablauf der Probezeit die Wahrnehmungsstrategien und Automa­tismen der Fahrzeugbeherrschung besser eingeübt sind und Anfängerrisiko und rauschmittelbedingtes Unfallrisiko regelhaft nicht mehr aufeinandertreffen.

Durch diese Gesetzesanpassung wird folglich bei Fahranfängerinnen und -anfängern sowie jungen Fahrende (wie schon in der Vergangenheit bei Alkohol) auch bei Cannabis bei dem bußgeldbewehrten Verbot nicht auf einen im Gesetz ausdrücklich genannten Grenzwert abgestellt (wie den 3,5 ng/ml bei § 24a StVG).

Dies sah der Gesetzgeber als erforderlich an. Die Normierung eines (wie auch immer) bestimmten ausdrücklichen THC-Grenzwerts im Gesetz ist mit der Gefahr verbunden, die Normadressaten (Fahranfängerinnen und -anfänger sowie junge Fahrende) könnten diese THC-Grenze fälschlicherweise so verstehen, dass sie sich an einen solchen THC-Wert „herantasten“ können6. Ein diesbezügliches „Herantasten“ ist bei THC aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsweise im Körper im Vergleich zu Alkohol nicht möglich.

Während bei Alkohol im Rahmen von § 24c StVG auf einen Promillewert von 0,0 abgestellt werden kann, ist dies allerdings in Bezug auf Cannabis differenzierter zu betrachten. Auch hier gilt, dass die Einführung einer absoluten Null-Nanogramm-THC-Grenze vor allem aus messtechnischen Gründen problematisch ist. Auf der anderen Seite steht eine Person nicht erst dann „unter der Wirkung“ von THC i. S. v. § 24c StVG, wenn eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung nicht fernliegend ist, sondern schon dann, wenn eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung nicht vollkommen ausgeschlossen ist.

Im Ergebnis werden die Verfolgungsbehörden (z. B. die Polizei) auch bei Ermittlungen in Bezug auf Verstöße gegen § 24c Abs. 1 StVG nicht auf einen Wert von 0,0 ng THC/ml Blutserum abstellen können. Hier würde die bereits geschilderte verfassungsrechtliche Problematik wieder aufleben. In der Praxis wird dann weiterhin (den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen folgend) der analytische Grenzwert von 1 ng/ml THC im Blutserum zugrunde gelegt werden müssen. Unter der „Wirkung“ von Rauschmitteln steht eine Person generell dann, wenn die aufgenommene Substanz zu einer Veränderung physischer oder psychischer Funk­tionen führen kann und in einer nicht nur völlig unerheblichen Konzentration (im Spurenbereich) im Körper vorhanden ist.

Ordnungswidrig handelt aber auch schon die Person, die die Substanz THC beim Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr „zu sich nimmt“ (§ 24c Abs. 1 Nr. 1 StVG). Unter „zu sich nehmen“ ist jeder Konsum von THC-haltigen Cannabisprodukten zu verstehen. Darunter fallen somit neben dem Inhalieren von Marihuana oder Haschisch in Reinform oder das Vermischen mit Tabak auch die Einnahme von THC-haltigen Esswaren („Haschkekse“) oder Getränken sowie das Inhalieren von THC-haltigen Ölen und Extrakten durch Verdampfer („Vaping“).

Der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit liegt allerdings nicht vor, wenn die Substanz THC aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt (§ 24c Abs. 3 StVG).

Grenzwert

Wie bereits erwähnt, wurde ein Wirkungsgrenzwert von 3,5 ng/ml Blutserum in § 24a StVG normiert. Bei Erreichen dieses THC-Grenzwerts ist nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines Kraftfahrzeugs nicht fernliegend, aber deutlich unterhalb der Schwelle, ab der ein allgemeines Unfallrisiko beginnt7. Der Begriff „nicht fernliegend“ soll einen Wahrscheinlichkeitsgrad für die Verwirklichung des Straßenverkehrssicherheitsrisikos definieren und ist so zu verstehen, dass der Risikoeintritt „möglich“ ist, jedoch nicht wahrscheinlich, aber auch nicht „ganz unwahrscheinlich“8.

Vollends erreicht wurde mit dieser Festlegung der gewünschte Grenzwert i. S. v. § 44 KCanG allerdings nicht. Die Expertenarbeitsgruppe hätte eigentlich einen Konzentrationswert für THC empfehlen sollen, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs regelmäßig nicht mehr gewährleistet ist (die Empfehlung der Expertenarbeitsgruppe ist auf der Internetpräsenz des BMDV frei zugänglich, s. „Weitere Infos“).

Dies ist allerdings bedingt durch die Erkenntnisse der benannten Expertenarbeits­gruppe, wonach es nach derzeitigem Kenntnisstand der Wissenschaft nicht möglich ist, einen THC-Grenzwert festzulegen, bei dessen Erreichen nach dem Stand der Wissenschaft das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr nicht mehr gewährleistet ist9.

Blutentnahmen

Die Feststellung eines entsprechenden Wirkungsgrenzwerts bedingt regelhaft eine Blutentnahme. Hier ist für das Bußgeldverfahren maßgeblich, dass sinngemäß die Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) Anwendung finden (vgl. § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz – OWiG). So kann im Bußgeldverfahren auch § 81a StPO zur Anwendung kommen. Hiernach können körperliche Untersuchungen der betroffenen Person zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind (§ 81a Abs. 1 S. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG). Zu diesem Zweck ist auch die Entnahme einer Blutprobe durch
eine Ärztin oder einen Arzt zulässig, wenn keine Nachteile für die Gesundheit der betroffenen Person zu befürchten sind (vgl. § 81a Abs. 1 S. 2 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG).

Aus Verhältnismäßigkeitsgründen kann in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren der eigentlich für Strafverfahren vorgesehene § 81a StPO grundsätzlich nur mit Einschränkungen zur Anwendung kommen (vgl. § 46 Abs. 4 S. 1 OWiG). Die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe sind allerdings zulässig.

Vom Grundsatz her bedarf es zur Anordnung von Blutentnahmen (außer bei Gefahr im Verzug) der richterlichen Anordnung (vgl. § 81a Abs. 2 S. 1 StPO). Der richterliche Vorbehalt ist allerdings bei bestimmten explizit benannten Verkehrsdelikten aufgehoben. Dies gilt zum Beispiel für eine Straftat nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a Strafgesetzbuch (StGB: vgl. § 81a Abs. 2 S. 2 StPO) aber auch für Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24a, 24c StVG (§ 46 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 OWiG).

Sofern folglich bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass ein Kraftfahrzeug geführt wird, obwohl die (mutmaßliche) betroffene Person 3,5 ng/ml THC im Blutserum hat, so bedarf die Entnahme einer Blutprobe keiner richterlichen Anordnung. Die Polizei (bzw. die nach Landesrecht zuständige Verfolgungsbehörde) ist hier folglich allein befugt, die ärztliche Entnahme einer Blutprobe anzuordnen.

Die seitens der Polizei oftmals benutzen Drogenvortestgeräte (regelhaft Speichel- und Urintests) dienen lediglich der Verdachtsgewinnung beziehungsweise -erhärtung, stellen allerdings keine beweissichere Feststellung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG dar. Zu diesen Testungen können allerdings die Betroffenen regelmäßig nicht gezwungen werden. Verweigert eine betroffene Person die Durchführung der entsprechenden Drogenvortestungen, so bedarf es seitens der Polizei (bzw. Verfolgungsbehörden) entsprechender Tatsachen, die den Verdacht auf eine Fahrt unter dem entsprechenden Einfluss von Cannabis begründen. Dieser Verdacht wiederum eröffnet die Möglichkeit nach § 46 Abs. 1, Abs. 4 OWiG, im Sinne von § 81a StPO eine ärztliche Blutentnahme anzuordnen.

Sofern anlässlich von Ermittlungen bestimmter Straftaten (z. B. Trunkenheit im Ver­kehr gemäß § 316 StGB) bereits eine Blutentnahme angeordnet wurde, so können die Erkenntnisse der Blutentnahme auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren nach § 24a StVG verwertet werden (vgl. § 46 Abs. 4 S. 3 OWiG).

Anwendbarkeit von § 24a StVG im Arbeitsschutz

Im Ergebnis kann somit § 24a StVG auch nicht „analog“ zum Beispiel auf das Führen eines Gabelstaplers angewandt werden, sofern der Gabelstapler lediglich in abgegrenzten Firmenarealen fährt, die nicht dem öffentlichen Straßenverkehr zuzuordnen sind. Aus verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus besteht (anders als z. B. im Zivilrecht) im Rahmen des Straf- und Ordungswidrigkeitenrechts ein Analogieverbot („Nulla poena sine lege“; vgl. § 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB, § 3 OWiG). Sofern hier folglich nach Auffälligkeiten beziehungsweise Vorfällen zur Beweissicherung auch Blutentnahmen i. S. v. § 81a StPO durchgeführt werden sollen, so muss auf Grundlagen außerhalb von § 24a StVG zurückgegriffen werden. Dies könnten beispielsweise Ermittlungen in Bezug auf fahrlässige Körperverletzungen (vgl. § 229 StGB) sein. Weiterhin ist zu prüfen, ob sich (z. B. fallbezogen auf das Führen von Gabelstaplern auf abgeschlossenen Firmenarealen) nicht auch aus dem autonomen Satzungsrecht der Unfallversicherungsträger i. S. v. § 15 SGB VII Ordnungswidrigkeiten
ergeben können. So dürfen sich zum Beispiel Versicherte durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können (§ 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1). Ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 erfüllt den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 32 DGUV Vorschrift 1 i. V. m. § 209 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.

Hier wäre dann gegebenenfalls zu prüfen, ob in Anwendung von § 46 Abs. 1, Abs. 4 OWiG i.V.m. § 81a StPO seitens der Verfolgungsbehörde eine Blutentnahme zu Beweiszwecken angeordnet werden kann.

Anders als bei einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG ist allerdings anzumerken, dass der richterliche Vorbehalt hier wieder auflebt. Dies bedeutet, dass es vom Grundsatz her hier in Bezug auf die Blutentnahme einer richterlichen Anordnung bedarf (vgl. § 46 OWiG i. V. m. § 81a Abs.2 S. 1 StPO). Lediglich bei „Gefahr im Verzug“ (Gefährdung des Untersuchungserfolges) dürfte hier ohne richterliche Anordnung eine Blutentnahme angeordnet werden.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

Aligbe P: Arbeitsschutz und das Cannabisgesetz. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2024; 59: 312.

Hentschel P, König P, Dauer P: Straßenverkehrsrecht. München: Beck, 2023, StVG § 1 Rn. 30.

doi:10.17147/asu-1-371811

Weitere Infos

Bundesministerium für Digitales und Verkehr: Unabhängige Expertengruppe legt Ergebnis zu THC-Grenzwert im Straßenverkehr vor
https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2024/018-experten…

Kernaussagen

  • Nach langjährigem Ringen um einen geeigneten Grenzwert in Bezug auf THC-Werte im Blut wurde nun auf Grundlage einer Expertenempfehlung ein expliziter Grenzwert normiert.
  • Die Heraufsetzung des durch die Rechtsprechung gelebten analytischen Nachweisgrenzwerts von 1 ng/ml THC im Blutserum dürfte gegebenenfalls zu weniger Sanktionierungen führen.
  • In der Gesamtbetrachtung darf allerdings nicht für weitere Bewertungen unbeachtet bleiben, dass es sich bei den §§ 24a, 24c StVG jeweils um Ordnungswidrigkeitentatbestände handelt und Bewertungen hinsichtlich des Arbeitsschutzes daher durchaus differenzierter ausfallen können. Dies festzustellen, bleibt weiterhin eine spannende Fragestellung in der Arbeitsmedizin.
  • Abkürzungen

    Abs. Absatz

    Art. Artikel

    BGBl Bundesgesetzblatt

    BMDV Bundesministerium für Digitales und Verkehr

    Bt-Drs. Bundestagsdrucksache

    BVerfG Bundesverfassungsgericht

    DGUV Deutsche Gesetzliche Unfall­versicherung

    GG Grundgesetz

    i.S.v. im Sinne von

    i.V.m. in Verbindung mit

    KCanG Konsumcannabisgesetz

    lit. Littera (Buchstabe)

    LuftVG Luftverkehrsgesetz

    OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz

    S. Seite; Satz

    StGB Strafgesetzbuch

    StPO Strafprozessordnung

    StVG Straßenverkehrsordnung

    THC Tetrahydrocannabinol

    Kontakt

    Patrick Aligbe, LL. M. (Medizinrecht)
    Stiftsbogen 102; 81375 München 

    Foto: privat

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