Wie oft sind ambulant Pflegende verbaler und physischer Gewalt oder sexueller Belästigung ausgesetzt? In einer bundesweiten Online-Befragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) im Jahr 2022 wurden die Aussagen ambulant Pflegender zu ihrer Belastungs- und Beanspruchungssituation ermittelt. Dabei wurden auch Arbeits- und Organisationsmerkmale, die Häufigkeit unterschiedlicher Gewaltereignisse sowie Gesundheitsindikatoren in den verschiedenen Settings ambulanter Pflege (z.B. häusliche Alten- und Krankenpflege, häusliche Intensivpflege, häusliche Palliativpflege, häusliche psychiatrische Pflege) erfragt. Die Ergebnisse hat die BAuA in einem Poster und einem Fachartikel zusammengefasst.
Ambulant Pflegende arbeiten unter besonderen Arbeitsbedingungen. So führen sie ihre Dienste in der Regel alleine und im privaten Umfeld der zu Pflegenden aus, wobei häufig enger (Körper-)Kontakt besteht. Diese Bedingungen bergen ein erhöhtes Risiko für gewalttätige Übergriffe, ausgehend von zu Pflegenden oder Angehörigen. Die Häufigkeit der Gewaltereignisse unterscheidet sich dabei nach Gewaltform.
Verbale Gewalt wird unter den Befragungsteilnehmenden am häufigsten erlebt, gefolgt von sexueller Belästigung und körperlicher Gewalt. So gaben 80 Prozent der Befragten an, einige Male im Jahr oder öfter verbaler Gewalt (80 Prozent) ausgesetzt zu sein. Dagegen erfahren 52 Prozent der Befragten einige Male im Jahr oder öfter sexuelle Belästigung, 39 Prozent körperliche Gewalt. Beschäftigte in der häuslichen psychiatrischen Pflege erlebten häufiger und Befragte der ambulanten Intensivpflege seltener verbale Gewalt als Pflegende aus den anderen ambulanten Settings. Pflegende der Intensivpflege erleben deutlich seltener sexuelle Belästigung als Befragte der anderen Settings.
Die Auswertung zeigt, dass eine hohe emotionale Belastung der Pflegenden, häufige Konflikte zwischen Privat- und Berufsleben, eine ungünstige Arbeitsumgebung (Lärm, grelles Licht, Rauch, Chemikalien, schweres Heben und Tragen) prädiktiv für Gewalterfahrungen in der ambulanten Pflege wirken. Weitere Faktoren sind häufige Störungen oder Unterbrechungen (z. B. Telefonanrufe), Unklarheit über die bevorstehende Tour bei Schichtbeginn und die fehlende Möglichkeit zur Weiterentwicklung im Pflegedienst.
Die Folgen von Gewalterfahrungen: Knapp die Hälfte der ambulant Pflegenden gibt an, oft oder immer körperlich (43 Prozent) oder emotional (45 Prozent) erschöpft zu sein. 44 Prozent fühlen sich ausgelaugt. Je häufiger Gewaltereignisse erlebt werden, desto schlechter schätzen ambulant Pflegende ihre Gesundheit ein und desto eher geben sie Burnout-Symptome an.
Das Poster "Gewalt in der ambulanten Pflege – Prävalenz, Antezedenzien und Auswirkungen, Ergebnisse eines Online-Survey" mit den zentralen Ergebnissen kann auf der Internetseite der BAuA heruntergeladen werden unter www.baua.de/DE/Aufgaben/Forschung/Forschungsprojekte/f2521.html
Die ausführlichen Ergebnisse finden Sie in der Ausgabe 02/2023 der Zeitschrift Pflege und Gesellschaft (kostenpflichtig).