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Berufsdermatologie

Begutachtung von dermatologischen Erkrankungen in der ­Berufsdermatologie

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Assessment of Dermatological Diseases in Occupational Dermatology

Einführung

Die Begutachtung von Hauterkrankungen ist ein Teil der dermatologischen Tätigkeit. Ärztinnen und Ärzte sind in diesem Fall die medizinisch fachkundigen Sachverständigen, die dem Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaft, Unfallkasse) Grundlagen für die Entscheidung liefert, ob eine Berufskrankheit (BK) vorliegt. Analog zu den Begutachtungsprinzipien im Ärztlichen Dienst (ÄD) der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist darauf zu achten, dass die Gutachterin/der Gutachter nicht den Eindruck vermittelt, sie/er werde über den Sachverhalt entscheiden und gegebenenfalls eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festsetzen.

Grundvoraussetzung für eine BK ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Hauterkrankung. Die Erkrankung muss im Vollbeweis gesichert sein. Dabei muss es sich bei den Hauterkrankungen nicht zwangsläufig um ein Ekzem handeln; hierzu können auch Dermatitis, papulosquamöse Hautkrankheiten wie die Psoriasis, Urtikaria oder Krankheiten der Hautanhangsgebilde zählen. Im Sinne des Ekzems ist nicht nur das chronische Ekzem und/oder allergische Kontaktekzem einzustufen, sondern auch die toxische Kontaktdermatitis (s. auch unter www.dguv.de).

Als weitere wichtige Kriterien bei der Abklärung einer BK sind die Schwere und die wiederholte Rückfälligkeit zu nennen. Mit Wirkung vom 01.01.2021 haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen zur BK 5101 tiefgreifend geändert, der Unterlassungszwang ist entfallen. Während in der Vergangenheit daran die „Schwere“ der Hautkrankheit orientiert war, musste dies neu definiert werden. In der Regel wird die Hauterkrankung nun als schwer betrachtet, wenn sie über einen Zeitraum von mehr als sechs Monate bestand und eine angemessene, das bedeutet leitliniengerechte Behandlung sowie flankierende individualpräventive Maßnahmen über den zuständigen Unfallversicherungsträger erfolgten (Skudlik et al. 2021). Die wiederholte Rückfälligkeit bedeutet, dass die Haut­erkrankung innerhalb von zum Beispiel vier Wochen abheilt, eine vollständige Abheilung durch die Dermatologin oder den Dermatologen oder andere fachkundige Ärztinnen und Ärzte dokumentiert ist und mindestens drei Krankheitsschübe vorliegen; also eine Ersterkrankung und zwei Rückfälle (DGUV: Bamberger Empfehlung 2017; Skudlik et al. 2021).

Bei BK 5102 handelt es sich um Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe; mögliche Manifestationsformen sind aktinische Keratosen, Plattenepithelkarzinome und Basalzellkarzinome. Dabei muss nachgewiesen sein, dass die Person tatsächlich mit diesen Stoffen gearbeitet hat beziehungsweise Kontakt hatte. Dies kann zum Beispiel in der Industrie für Zündhölzer, Papier und Sprengstoff der Fall sein (Rohparaffin); im Straßenbau, in Kokereien, Glasfabriken, Steinkohle-Brikett-Fabriken, beim Holzimprägnieren (Teer), in der Farbenherstellung, beim Holzimprägnieren, bei Herstellung von Lacken etc. (Anthrazen) sowie in der Steinkohlenfabrikation, für Kabelisolierungen, Dachpappen etc. (Pech). Die Haut kann dabei durch direkte Einwirkung, Staub und Dämpfe den genannten Stoffen ausgesetzt sein; zudem können diese Stoffe in der Arbeitskleidung haften bleiben und Schädigungen hervorrufen. Sonnenbestrahlung kann dies begünstigen. Bei einem sogenannten Akutkontakt können anfänglich Hautreizungen mit Rötungen bis zu Ekzemen eintreten, ferner Hautbilder wie Follikulitis und Akne.

Arbeitsbedingte Hautkrebserkrankungen können auch im Zusammenhang mit einer UV-Lichtexposition am Arbeitsplatz erworben worden sein. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Begriff „Hautkrebs“ unspezifisch ist und im Rahmen der BK 5103 nur die epidermalen Hauttumore umfasst. Dazu gehören Plattenepithelkarzinome, Bowen-Karzinome und deren Vorstufen (Carcinoma in situ; vom AK-Typ und/oder Bowen-Typ). Basalzellkarzinome sind aktuell nicht Bestandteil der BK 5103. Die sogenannten aktinischen Keratosen, ein häufiger Befund in der täglichen Praxis, sind als Carcinoma in situ anzusehen. Der Morbus Bowen ist biologisch und versicherungsrechtlich einer aktinischen Keratose gleichzusetzen (DGUV: Bamberger Empfehlung 2017). Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Hauttumore erfordern, dass durch den entsprechenden Versicherungsträger die UV-Lichtexposition am Arbeitsplatz nachgewiesen wurde. Es konnte gezeigt werden, dass bei 40 % zusätzlicher UV-Strahlung eine Risikoverdopplung für die Entstehung von beruflich bedingten Hautschäden wie dem Plattenepithelkarzinom oder den aktinischen Keratosen besteht.

Die BK 5103 gibt es seit dem 01.01.2015: „Plattenepithelkarzinom oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“ (Krohn et al. 2021). Mit „multiple“ sind über fünf aktinische Keratosen pro Jahr oder mit einer Feldkanzerisierung von über 4 cm2 gemeint. Wichtig ist die histologische Sicherung; auch für aktinische Keratosen sollte dies im Falle eines Gutachtens mindestens einmal erfolgt sein (DGUV: Bamberger Empfehlung 2017, Krohn et al. 2021). Es ist davon auszugehen, dass ca. drei Millionen Menschen in der Bundesrepublik am Arbeitsplatz UV-Licht-exponiert sind. Generell ist jedoch zu berücksichtigen, dass UV-Lichtexposition im Privat- und im Berufsleben erfolgen kann. Zu den besonders UV-Licht-exponierten Berufen zählen alle Berufe im Außenbereich; hier vor allem in der Land-, Forst-, Bauwirtschaft, und im Kanalbau-, Dach- , Straßen- -und Fassadenbau, sämtliche Montageberufe auf Baustellen und Baggerführung. Wichtig ist eine gründliche Inspektion der Körperhaut. Diese ermöglicht, eine gewisse Abgrenzung zu UV-Lichtexposition im Privatbereich zu schaffen. Ist eine UV-Lichtexposition überwiegend beruflich verursacht, zeigen sich die UV-Licht-bedingten Hautschäden vor allem im Gesicht, am Hals, am Nacken, am Dekolleté und im Bereich der Hände und Arme, die nicht durch Arbeitskleidung abgedeckt sind. Auch sind in solchen Fällen die Beine unauffällig und nicht von UV-Licht geschädigt. Zeigen sich jedoch UV-Licht bedingte Hautveränderungen auch im Bereich des Rückens und der unteren Extremitäten – also an den Körperarealen, die vor allem bei privaten Tätigkeiten der Sonne exponiert sind – kann von einer „gemischten“ beziehungsweise von einer eher intermittierenden UV-Lichtbelastung ausgegangen werden.

Was bei der Erstellung eines ­Gutachtens wichtig ist

Ein Gutachten beginnt mit dem sorgfältigen Studium der Versichertenakte. Dabei sollten alle zu berücksichtigenden Sachverhalte, die dermatologischen Erkrankungen/Diagnosen, Hautbefunde, sämtliche Allergiediagnostik, sorgfältig studiert und gegebenenfalls bereits dokumentiert werden.

Die Anamnese ist erforderlich, um den Sachverhalt einordnen zu können, den Ursachenzusammenhang zwischen gefährdenden Einwirkungen (im Rahmen der beruflichen Tätigkeit) und eingetretener Hauterkrankung zu überprüfen und um die Voraussetzungen für Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) abzuklären. Dabei kann es hilfreich sein, einen Erhebungsbogen zu verwenden, der auch relevante Scores wie beispielsweise den Erlanger Atopiescore oder die Dokumentation der Juckreizstärke NRS (Numeric Rating Scale, 0–10, 0 = kein Jucken, 10 = maximal vorstellbares Jucken) beinhaltet. Die Anamnese sollte die Familienanamnese, insbesondere hinsichtlich atopischer und dermatologischer Erkrankungen erfassen, die Sozial- und Freizeitanamnese mit Bezug auf besondere Expositionen (z. B. UV-Licht), die Eigenanamnese bezüglich Vorerkrankungen und die Medikamentenanamnese. Dabei kann es sehr hilfreich sein, neben den aktuell eingenommenen Medikamenten nach Bedarfsmedikamenten wie zum Beispiel Schmerzmitteln, Abführmitteln, Schlafmitteln etc. zu fragen. Es sollte auch die Einnahmedauer erfragt beziehungsweise abgeklärt werden, wie die Medikamenteneinnahme im vorausgegangenen Jahr stattgefunden hat.

Ein Gutachten umfasst die Arbeitsanamnese, die sich auf die tatsächlich ausgeübte berufliche Tätigkeit bezieht, insgesamt aber alle beruflichen Tätigkeiten seit Schulabschluss umfasst. Dabei ist für alle Berufskrankheiten auch die Frage nach Nebentätigkeiten relevant, da diese ebenfalls zum Beispiel mit dem Umgang mit hautreizenden Stoffen und/oder UV-Licht gekoppelt sein können. Zur Arbeitsanamnese gehört auch die Erfassung bisher umgesetzter Arbeits- und Hautschutzmaßnahmen, was im Falle der BK 5101 die Benutzung von Hautschutz- und Hautpflegecremes umfasst, im Falle der BK 5103 das Tragen entsprechender UV-Licht-schützender Kleidung und Verwendung von UV-Lichtcremes.

Die dermatologische Anamnese erfasst das Fragen nach Hauterkrankungen generell, insbesondere dem atopischen Ekzem und der Psoriasis. Des Weiteren muss eine detaillierte Erfassung des Verlaufs der Haut­erkrankung erfolgen. Um einer falschen Interpretation von Abheilung vorzubeugen, sollten auch die durchgeführten Therapien beachtet werden. Wichtig ist ebenfalls zu erfragen, wo die Hauterscheinungen (ggf. am gesamten Körper) lokalisiert waren und wie sich diese im Verlauf, gegebenenfalls auch nach einer innerbetrieblichen Umsetzung oder nach Tätigkeitsaufgabe entwickelt haben. Bezüglich der BK 5103 sind weiterhin UV-Lichtempfindlichkeit, bisherige Aufenthalte im Freien und Hobbies im Freien (wie Gartenarbeit) zu evaluieren.

Zur Befundbeurteilung gehört eine sorgfältige Erhebung und Dokumentation des Allgemeinzustands und des allgemeinen dermatologischen Status einschließlich Hautbräunungstyp und Dermografismus. Dabei ist die gesamte Körperhaut zu untersuchen. Auffällige Hautveränderungen sind exakt zu beschreiben; hier bietet sich die Verwendung eines Körpersymbols an, ferner sollte eine Fotodokumentation erfolgen. Was die Hautschädigung durch UV-Licht betrifft, muss eine genaue Befundbeschreibung und Zuordnung erfolgen, beispielsweise, ob die UV-Licht-exponierten Hautareale auch betroffen sind, ob es sich um eine Feldkanzerisierung etc. handelt.

Bei der Diagnostik gehört im Falle der BK 5101 in der Regel eine Allergiediagnostik dazu, die Pricktestungen und Epikutantestungen umfasst. In Abhängigkeit von Verdachtsdiagnose und erhobenen Befunden kann eine weitere Testung, beispielsweise eine Prick-zu-Prick-Testung mit Nahrungsmitteln erfolgen. Bei der BK 5103 sollten alle dermatohistologischen Untersuchungsbefunde aus der Akte sorgfältig dokumentiert werden. Die Sicherung multipler aktinischer Keratosen ist nicht erforderlich, es sollte jedoch mindestens einmal eine aktinische Keratose gesichert sein, ferner
sollte eine entsprechende klinische und fotografische Dokumentation erfolgen. Im Rahmen einer Begutachtung sind Hautfunktionstestungen nicht erforderlich. Bei der BK 5103 kann eine dermatohistologische Untersuchung erforderlich sein, insbesondere, wenn es um neuaufgetretene Hauterscheinungen geht und bislang keine diesbezügliche Sicherung erfolgte (DGUV: Bamberger Empfehlung 2017; Krohn et al. 2021; Gina et al. 2022).

Fallbeispiele zu BK 5101

Fall 1: Der 56-jährige Betroffene arbeitete bei einer Zeitarbeitsfirma und war in der Bearbeitung von Kartonagen eingesetzt, im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses allerdings auch immer wieder als Ma­schinenführer/-arbeiter. Hier arbeitete er im Wesentlichen als Fräser.

Der Versicherte litt seit drei Jahren an einer Hauterkrankung, die sich an den Händen und auch an der Körperhaut manifestierte. Da es unter der ambulanten dermatologischen Therapie nicht zu einer deutlichen Besserung kam und auch die Läsionen an der Körperhaut persistierten, absolvierte er ein vierwöchiges medizinisch-berufliches Rehabilitationsverfahren Haut (tertiäre Individualprävention – TIP-Maßnahme; Skudlik u. Weisshaar 2015). Zu diesem Zeitpunkt hatte er neben einem Hand- und Unterarm­ekzem auch ein leichtes Gesichtsekzem. Am Körper und an der unteren Extremität bestanden mehrere nummuläre Ekzemherde; eine arbeitsbedingte Verursachung oder Verschlechterung konnte hier nicht nachvollzogen werden, auch nicht im weiteren klinischen Verlauf.

Im Rahmen der durchgeführten Allergiediagnostik wurden aber berufsrelevante Typ-IV-Sensibilisierungen auf 1,2-Benzisothiazolinon, Monoethanolamin sowie 1,3,5-tris (2-hydroxyethyl)-Hexahydrotriazin festgestellt. Im nachfolgenden Verlauf konnte gezeigt werden, dass die oben genannten Hauterscheinungen an Hand, Unterarm und Gesicht erneut im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auftraten. Der Patient wechselte dann allerdings die berufliche Tätigkeit, in der er als Galvaniker, einem ebenfalls hautbelastenden Beruf, tätig war. Diese berufliche Tätigkeit konnte er ohne Effloreszenzen an Händen, Armen und Gesicht ausüben. Bei sämtlichen Vorstellungen zeigte sich aber weiterhin ein nummuläres Ekzem der Körperhaut, insbesondere am Stamm und an der unteren Extremität, das nicht arbeitsbedingt ist (➥ Abb. 1).

Das Ausmaß der Hauterscheinungen wurde bei der Begutachtung mit „keine“ eingestuft, da diese nach dem Wechsel der beruflichen Tätigkeit nicht mehr vorhanden waren. Die Auswirkung einer Allergie wurde aber als „schwerwiegend“ eingestuft (DGUV: Bamberger Empfehlung 2017), da mehrere, berufsrelevante Typ-IV-Sensibilisierungen festgestellt werden konnten und diese die Hauterkrankung an den Händen, an den Armen und auch im Gesicht erklärten.

Dieser Fall demonstriert eindrücklich, dass bei einer zu begutachtenden Person mehrere Hauterkrankungen gleichzeitig vorliegen können. Dabei muss die Dermatologin oder der Dermatologe sorgfältig prüfen, welche Hauterkrankung durch die berufliche Tätigkeit verursacht ist und welche nicht.

Fall 2: Ein 27-jähriger Metallfacharbeiter absolvierte eine TIP-Maßnahme (Skudlik u. Weisshaar 2015), bei der kein Handekzem bestand, aber eine ausgeprägte Akrozyanose und palmoplantare Hyperhidrose. In früheren beruflichen Tätigkeiten, zum Beispiel in der Ausbildung zum Werkzeugmechaniker, hatte der Versicherte keinerlei Hautprobleme gehabt. Als er eine neue berufliche Tätigkeit (über eine Zeitarbeitsfirma) antrat, wurden die dort vorhandenen Reinigungsmittel wie Handwaschpaste verwendet. Eine Hautschutz- und eine Hautpflegecreme wurden nicht benutzt, lagen wohl auch zeitweise nicht vor. Es wurde mit verschiedenen Metallteilen, mit Druckluft, mit Bohrwasser und mit Kühlschmierstoffen gearbeitet.

Bei dem Versicherten konnte dann in der ausführlichen Allergiediagnostik eine positive Testreaktion auf ein mitgebrachtes Kühlschmiermittel nachgewiesen werden. Entsprechende Allergene, wie diese in den Testblöcken der Deutschen Kontaktallergiegruppe (DKG) „Konservierungsstoffe, industrielle Biozide“ oder „Kühlschmierstoffe“ enthalten sind, wurden unauffällig getestet und konnten auch nicht als Bestandteil des mitgebrachten Kühlschmierstoffs identifiziert werden. Problematisch war in diesem Fall, dass fachärztlich niemals ein Handekzem diagnostiziert worden war. Über einen fast sechswöchigen Zeitraum, in dem der Patient angab, Effloreszenzen an den Handrücken und an den Fingerstreckseiten gehabt zu haben (Fotomaterial wurde von ihm selbst mitgebracht), fand keine ärztliche Konsultation statt.

Erst mit Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit stellte sich der Patient am örtlichen Krankenhaus (der Grundversorgung) vor. Hier wurde ein Durchgangsarztbericht erstellt mit dem Vermerk, dass die Person kleine rote Punkte an den Händen habe. Erst zwei Wochen später stellte sich der Patient beim Hautarzt vor, nachdem ihn der D-Arzt darauf verwiesen hatte. An diesem Tag bestanden dann keine Effloreszenzen mehr im Sinne eines typischen Handekzems, wenig Schuppung und die verbliebenen Rötungen vor allem hinsichtlich der bekannten Akrozyanose. Es war also davon auszugehen, dass bei dem Versicherten, auf dem Boden der atopischen Konstitution und der Hyperhidrose, ein allergisches Kontaktekzem an den Händen aufgetreten war. Der Patient hatte keine Schutzhandschuhe getragen und dadurch direkten Handkontakt zu den Berufsstoffen gehabt. Tätigkeitsbezogene Arbeits- und Hautschutzmaßnahmen waren nicht umgesetzt worden.

Es ist davon auszugehen, dass der Erwerb dieser Typ-IV-Sensibilisierungen zwar durch die berufliche Tätigkeit kam und eine berufliche Kausalität wahrscheinlich ist. Bei Umsetzung von Schutzmaßnahmen und Meidung des positiv getesteten Berufsstoffs (➥ Abb. 2), wäre allerdings kein allergisches Kontaktekzem und keine BK 5101 entstanden. Somit bleibt, über den Präventionsdienst der zuständigen Berufsgenossenschaft zu prüfen, ob der direkte Hautkontakt zu dem positiv getesteten Berufsstoff hätte gemieden werden können. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Möglichkeit und damit die Vermeidung der Entstehung einer BK 5101 besteht.

Abb. 2:  Positive Testreaktionen auf das mitgebrachte Kühlschmiermittel bei einem 20-jährigen Metallfacharbeiter (Foto: Prof. E. Weisshaar, Sektion Berufsdermatologie, Universitätsklinikum Heidelberg)

Abb. 2: Positive Testreaktionen auf das mitgebrachte Kühlschmiermittel bei einem 20-jährigen Metallfacharbeiter (Foto: Prof. E. Weisshaar, Sektion Berufsdermatologie, Universitätsklinikum Heidelberg)

Fall 3: Ein 58-jähriger Versicherter war überwiegend als Hausmeister tätig. Er litt an Effloreszenzen der Hände, die initial als möglicherweise beruflich verursacht gemeldet worden waren. Weiteren Effloreszenzen an der Kopfhaut, an den Ellenbogen und an den Knien war wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. In einer Universitätshautklinik wurde der Patient mit topischen Kortikosteroiden behandelt. Es zeigten sich klinische Hinweise auf ein Ekzem, obwohl auch klare klinische Hinweise auf eine Psoriasis bestanden, zum Beispiel an Kopfhaut und Ellenbogen. Da die Effloreszenzen an den Händen für eine Psoriasis eher untypisch waren, wurde diese Diag­nose wiederholt in Frage gestellt. Der Patient absolvierte dann ein medizinisch-berufliches Rehabilitationsverfahren Haut (Skudlik u. Weisshaar 2015). Anhand einer neuen molekularen Methode konnte die Diagnose Psoria­sis nun gesichert werden (Bentz et al. 2023). Somit wurden die Diagnosen Psoriasis palmaris (➥ Abb. 3), Psoriasis plantaris und Psoria­sis vulgaris (Kopf, Ellenbogen, Knie) gestellt. Davon unabhängig hatte der Versicherte auch mehrere Typ-I-Sensibilisierungen mit Manifestation als Rhinitis allergica intermittens (Frühjahr/Frühsommer) und eine Intertrigo.

Prinzipiell kann eine Psoriasis beruflich verursacht oder beruflich verschlimmert sein. Es wurde hier versucht, die Psoriasis, insbesondere an den Händen, zur vollständigen Abheilung zu bringen; dabei wurde im Verlauf auch eine Systemtherapie eingesetzt. Unter mehrmonatiger Arbeitskarenz trat jedoch keine vollständige Abheilung ein; in der Zeit der Arbeitskarenz kam es sogar kurzfristig zu einer Verschlechterung des Hautbefundes, insbesondere an den Händen. Der Patient nahm dann die berufliche Tätigkeit unter Umsetzung erlernter Arbeits- und Hautschutzmaßnahmen wieder auf. Eine Verschlechterung der Hauterkrankung trat nicht mehr auf.

Mit diesem Fall soll demonstriert werden, dass zum einen ein medizinisch-berufliches Rehabilitationsverfahren (Skudlik u. Weiss­haar 2015) optimierte, nicht regelhaft vorhandene diagnostische Möglichkeiten bietet (Bentz et al. 2023), insbesondere die Allergiediagnostik. Weiterhin besteht die Möglichkeit, den Verlauf der Hauterkrankung über drei Wochen zu beobachten. Dies kann, vor allem im Hinblick auf einen eigendynamischen Verlauf der Hauterkrankung, wichtige Erkenntnisse bringen. So auch in diesem Fall, in dem keine beruflich verursachte oder verschlimmerte Hauterkrankung festzustellen war.

Abb. 3:  Psoriasis palmaris bei einem 58-jährigen Hausmeister. Es bestanden auch psoriatische Effloreszenzen an der Körperhaut, z. B. Ellenbogen, Knie, Capillitium (Foto: Prof. E. Weisshaar, Sektion Berufsdermatologie, Universitätsklinikum Heidelberg)

Abb. 3: Psoriasis palmaris bei einem 58-jährigen Hausmeister. Es bestanden auch psoriatische Effloreszenzen an der Körperhaut, z. B. Ellenbogen, Knie, Capillitium (Foto: Prof. E. Weisshaar, Sektion Berufsdermatologie, Universitätsklinikum Heidelberg)

Fallbeispiel zu BK 5103

Ein zum Zeitpunkt der letztmaligen Begutachtung 70-jähriger Betroffener war bereits seit seinem 14. Lebensjahr als Gärtner tätig. Auch vorher, in der Kindheit, hatte er im elterlichen Gartenbetrieb mitgearbeitet. Er entwickelte dann, etwa im Alter ab 60 Jahren, multiple aktinische Keratosen, insbesondere frontal rechts, am Ellenbogen und am Handrücken. Wenige Jahre zuvor war ein Plattenepithelkarzinom (Apex nasi) diagnostiziert worden und es erfolgte eine operative Therapie mit einem Melolabiallappen. Durch postoperative Wundheilungsstörungen kam es zu einem kosmetisch-entstellenden und funktionell beeinträchtigenden Defekt (➥ Abb. 4), der auch die Oberlippenmuskulatur und Oberlippensensibilität miteinschloss. Im Laufe der Jahre stellten sich zudem Funktionsstörungen beim Essen und Trinken ein. Im Rahmen von zusätzlichen HNO-ärztlichen und neurologischen Gutachten wurden partielle, elektrophysiologisch objektivierbare, motorische und sensorische Ausfälle festgestellt. Es traten immer wieder multiple aktinische Keratosen im Gesicht und an den Handrücken auf, auch im Sinne einer Feldkanzerisierung. Insgesamt dreimal hatte der Patient an Augenwinkel und Stamm einen Morbus Bowen entwickelt. In der Haut des Gesichts bestand ein ausgeprägter aktinischer Lichtschaden. Des Weiteren hatte er im Verlauf der Jahre am rechten und am linken Oberarm jeweils ein Basalzellkarzinom entwickelt.

In diesem Fall war ein aufwändiges Studium der umfassenden Patientenakte erforderlich, da schon über viele Jahre Hautschädigungen aufgetreten waren. Diese waren immer wieder durch Ärztinnen und Ärzte der Dermatologie und HNO dem Unfallversicherungsträger gemeldet worden. Die erste Begutachtung wurde nach mehreren operativen Therapien im Bereich des Apex nasi veranlasst. Infolge der Funktionsstörungen, der Narben sowie durch die Feldkanzerisierung bei immer wieder auftretenden aktinischen Keratosen mit mittelgradiger Krankheitsaktivität und bei exzidiertem Plattenepithelkarzinom des Apex nasi wurde eine MdE von 30 v. H. vorgeschlagen. Die zuständige Berufsgenossenschaft folgte diesem Vorschlag. Der Patient wurde dann zwei Jahre später erneut begutachtet; es ging vor allem um die Frage der Gesamt-MdE. Mittlerweile hatte der Patient eine Veränderung an der Oberlippe im Sinne mangelhafter Motorik bemerkt, er verspürte ein Herauslaufen der Speisen aus dem linken Mundwinkel und es hatte sich auch im oralen Bereich ein Narbenstrang entwickelt. Aufgrund der gutachterlich objektivierbaren motorischen und sensorischen Ausfälle wurde schließlich eine Gesamt-MdE von 40 v. H. vorgeschlagen.

Mit der Präsentation dieses Falls soll darauf verwiesen werden, dass in Folge von Hauttumoren nicht nur Probleme durch Tumorprogress auftreten können, sondern auch Beeinträchtigungen durch therapeutische Maßnahmen. Je nach klinischer Situation und funktionellen Beeinträchtigungen sollte dann eine Einschätzung in Analogie zu den Begutachtungen andere beruflicher Krebserkrankungen (z. B. aus dem HNO-Bereich) erfolgen (Gina et al. 2022; Schönberger et al. 2017).

Zusammenfassung

Die aktuell in Überarbeitung befindliche Bamberger Empfehlung stellt eine wichtige Richtlinie zur Begutachtung von arbeitsbedingten Hauterkrankungen und Hautkrebserkrankungen dar. In diesem Zusammenhang sollte die Bedeutung der Prävention, insbesondere der Sekundär- und Tertiärprävention, nicht unterschätzt werden. Häufig kann ein rechtzeitiges Eingreifen, die Einleitung des Hautarztverfahrens (durch Dermatologinnen/Dermatologen und/oder Arbeits-/Betriebsmedizinerinnen und -mediziner), der Entstehung einer berufsbedingten Hautkrankheit entgegentreten. Daher sollte durch eine frühzeitige hautärztliche Interpretation, eine fachgerechte dermatologische Therapie, gegebenenfalls die Teilnahme an einem Hautschutzseminar bis hin zur Maßnahme der tertiären Individualprävention mit allen geeigneten Mittel versucht werden, die Hauterkrankung zur Abheilung zu bringen. Gelingt dies nicht, geht es darum, nach den Kriterien der BK-Reform 2021 zu überprüfen, inwieweit die berufliche Tätigkeit weiter ausgeübt werden kann. Weiterhin gilt es in der Begutachtung zu überprüfen, ob gegebenenfalls die Krankheitsschübe gemindert werden können, damit die Versicherten arbeiten können. Auch mit dem Wegfall des Zwangs zur Tätigkeitsaufgabe ist es erforderlich, die Tätigkeitsaufgabe bei jedem dermatologischen Gutachten zu überprüfen.

Die Arbeitsgemeinschaft Berufs- und Umweltdermatologie (ABD) bietet regelmäßige Seminare an, die in verschiedene Kategorien eingeteilt sind. Alle fünf Jahre muss der Kurs wiederholt werden, wenn die Zertifizierung Berufsdermatologie (ABD) behalten werden möchte. Mit dieser Zertifizierung können Gutachterinnen und Gutachter auf der entsprechenden Webseite geführt werden. Darüber hinaus ermöglichen die alle zwei Jahre stattfindenden Tagungen der ABD einen Austausch bezüglich des aktuellen Standes der Berufsdermatologie und der Begutachtung.

Interessenkonflikte: Die Autorin erstellt regelmäßig dermatologische Gutachten für Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Es werden regelmäßig Behandlungen im Rahmen der tertiären Individualprävention (medizinisch-berufliche Rehabilitationsmaßnahmen) durchgeführt. Weitere Interessenkonflikte liegen nicht vor.

Danksagung: Die Autorin bedankt sich bei Frau Heike Grönebaum für die Unterstützung bei der Erstellung des Manuskripts.

Literatur

Bentz P, Eyerich K, Skudlik C et al.: Handekzem oder Psoriasis: Aktuelles aus der berufsdermatologischen Kohorte der FB323-Studie. Dermatologie 2023; 74, 402–409.

Krohn S, Skudlik C, Bauer A et al.: Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei arbeitsbedingtem Hautkrebs. MdE-Tabellen zu den BK-Nummern 5102 und 5103. Derm Beruf Umwelt 2021; 69: 108–113.

Gina M, Brüning T, Fartasch M: Schätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei Schwerstverläufen der BK 5103-Fallbeispiele. Derm Beruf Umwelt 2022; 1: 18–24.

Schönberger A, Mehrtens G, Valentin H: Berufsbedingte Hauterkrankungen. In: Schönberger A, Mertens G, Valentin H (Hrsg.): Arbeitsunfall und Berufskrankheit. Rechtliche und medizinische Grundlagen für Gutachter, Sozialverwaltung, Berater und Gerichte. 9. Aufl. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2017.

Skudlik C, Krohn S, Bauer A et al.: Berufskrankheit Nr. 5101-Rechtsbegriff der schweren oder wiederholt rückfälligen Hautkrankheit. Derm Beruf Umwelt 2021; 69: 6–10.

Skudlik C, Weisshaar E: Individuell ambulante und statio­näre Prävention bei Berufsdermatosen. Hautarzt 2015; 66: 160–166.

doi:10.17147/asu-1-377929

Online-Quelle

DGUV – Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung: Bamberger Empfehlung. Empfehlung zur Begutachtung von arbeitsbedingten Hauterkrankungen und Hautkrebserkrankungen. Juni 2017
https://publikationen.dguv.de/versicherungleistungen/berufskrankheiten/…

Abb. 4:  Beruflich bedingter Hautkrebs mit Plattenepithelkarzinom (Apex nasi). Zustand nach operativer Therapie mit Melolabiallappen und kosmetisch entstellendem und funktionell beeinträchtigendem Defektsyndrom der Oberlippenmuskulatur und -sensibilität links, konsekutiv objektivierbaren motorischen und sensorischen Ausfällen sowie resultierenden Funktionsstörungen (Essen, Trinken) (Foto: Prof. E. Weisshaar, Sektion Berufsdermatologie, Universitätsklinikum Heidelberg)

Abb. 4: Beruflich bedingter Hautkrebs mit Plattenepithelkarzinom (Apex nasi). Zustand nach operativer Therapie mit Melolabiallappen und kosmetisch entstellendem und funktionell beeinträchtigendem Defektsyndrom der Oberlippenmuskulatur und -sensibilität links, konsekutiv objektivierbaren motorischen und sensorischen Ausfällen sowie resultierenden Funktionsstörungen (Essen, Trinken) (Foto: Prof. E. Weisshaar, Sektion Berufsdermatologie, Universitätsklinikum Heidelberg)

Kernaussagen

  • Die Begutachtung dermatologischer Erkrankungen ist eine wichtige Aufgabe, die eine ­berufsdermatologische Expertise erfordert.
  • Seit 2015 gibt es die BK 5103 (berufsbedingter Hautkrebs durch UV-Strahlung), die ­ebenfalls zu den häufigen gutachterlichen Tätigkeiten in der Dermatologie gehört.
  • Rechtzeitiges dermatologisches Handeln (Einleitung eines Hautarztverfahrens, fachgerechte Behandlung, konsequente Hautschutz- und Präventionsmaßnahmen) kann in vielen Fällen die Notwendigkeit eines Tätigkeitswechsels abwenden.
  • Durch Wegfall des Unterlassungszwangs kann die berufliche Tätigkeit gegebenenfalls ­fortgesetzt werden.
  • Kontakt

    Prof. Dr. med. Elke Weisshaar
    Sektion Berufsdermatologie, Zentrum Hautklinik; Voßstraße 2; 69115 Heidelberg
    elke.weisshaar@­med.uni-heidelberg.de