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Mobile Arbeit

Wie lässt sich mobile Arbeit gesund gestalten?

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

Schlüsselfaktoren zur Förderung von Gesundheit im mobilen und hybriden Arbeitskontext

How to Create a Healthy Mobile Work Environment – Key Factors for Promoting Health in the Mobile and Hybrid Work Context

Das hybride Arbeiten als neuer ­Normalzustand

Die Covid-19-Pandemie hat die digitale Transformation in vielen Unternehmen beschleunigt und mobiles Arbeiten vielerorts auch nach der Pandemie zum festen Bestandteil der Arbeitskultur gemacht. Viele Beschäftigte arbeiten nicht mehr ausschließlich vor Ort im Büro, sondern können ihren Arbeitsort frei wählen. Der Trend geht dabei in Richtung hybrides Arbeiten, einer Mischung aus Arbeit im Büro und mobil. Im Durchschnitt werden zwei bis drei Tage in der Woche mobil gearbeitet, der Rest in Präsenz am Arbeitsplatz (Böhm u. Schepp 2023). Die zunehmende Flexibilität in Bezug auf die Anwesenheit im Büro vor Ort geht allerdings auch mit Herausforderungen und einer Unsicherheit einher, was mobiles und hybrides Arbeiten für Individuen, Teams und Organisationen bedeutet.

Empirische Studien zu den ­Aus­wirkungen von mobiler Arbeit auf die Gesundheit

Auch wenn viele Beschäftigte die neue Flexibilität schätzen, ist unklar, wie sich die mobile und hybride (Zusammen-)Arbeit auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirkt und wie die Gesundheit am Arbeitsplatz aktiv geschützt und gefördert werden kann. Wie können Chancen des mobilen Arbeitens bestmöglich genutzt werden, ohne dabei die Gesundheit der Beschäftigten zu gefährden? Zwei Langzeitstudien, durchgeführt vom Center for Disability and Integration der Universität St. Gallen, geben neue Antworten auf diese Frage. Das Team führte hierzu zum einen eine bevölkerungsrepräsentative Langzeitstudie gemeinsam mit der BARMER Krankenkasse durch, bei der seit 2020 halbjährlich mehr als 8000 Erwerbstätige aus verschiedensten Branchen in Deutschland befragt werden. Des Weiteren führte das Forschungsteam eine randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie mit der AUDI AG durch, die sich vor allem auf die Teamebene fokussierte und den Effekt von teamspezifischen Regeln für die hybride Zusammenarbeit untersuchte. Mit etwa der Hälfte der insgesamt 109 Teams wurde ein Teamworkshop zur Vereinbarung von teamspezifischen Regeln für die Zusammenarbeit (Interventionsgruppe) durchgeführt. Die restlichen Teams fungierten als Kontrollgruppe. Der Workshop umfasste zwei Phasen (für eine detaillierte Beschreibung s. Hartner-Tiefenthaler et al. 2023):

  • das Offenlegen individueller Bedürfnisse bezüglich Arbeitszeit und Arbeitsort
  • das gemeinsame Vereinbaren von Teamregeln für hybride Arbeit
  • Mittels eines Fragebogens vor und drei Fragebögen nach der Workshopintervention (jeweils drei Monate Abstand zwischen den Messzeitpunkten) wurde die Wirkung der Teamworkshops auf die Teams und ihre Beschäftigten untersucht.

    Die Ergebnisse aus beiden Studien beleuchten wichtige Schlüsselfaktoren für das gesunde Arbeiten im mobilen und hybriden Arbeitskontext auf drei Ebenen:

  • Individuum
  • Team
  • Organisation
  • Was können Beschäftigte selbst tun? Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben aktiv managen

    Auf individueller Ebene spielt vor allem das eigene Grenzmanagement zwischen Arbeits- und Privatleben eine wichtige Rolle für die Gesundheit der Beschäftigten. In den Ergebnissen beider Studien hat sich gezeigt, dass mobile Arbeit ein Risiko für die emotionale Erschöpfung der Beschäftigten darstellt. Mittels eines sogenannten Random Intercept Cross Lagged Panel Modells (RI-CLPM; Hamaker et al. 2015) wurde dieser Zusammenhang nicht nur korrelativ, sondern mittels längsschnittlicher Verfahren analysiert, bei denen für zeitstabile Unterschiede zwischen den Personen kontrolliert werden kann. Falls diese unberücksichtigt blieben, könnten sie zu Scheinkorrelationen führen und die tatsächlichen Wirkzusammenhänge überlagern. Beispielsweise haben Beschäftigte unterschiedlich gute Beziehungen zur Führungskraft. Es ist daher vorstellbar, dass Personen mit einer guten Beziehung zu ihrer Führungskraft eher die Freiheit haben, mobil zu arbeiten und ihnen gleichzeitig viel Unterstützung zur Verfügung steht, so dass sie weniger emotional erschöpft sind. Die unterschiedliche Beziehung zur Führungskraft könnte so die Ergebnisse verzerren. Bei RI-CLPM werden diese zeitlich stabilen Unterschiede zwischen Personen statistisch berücksichtigt, so dass Aussagen über Veränderungen innerhalb von Personen über die Zeit getroffen werden können. Die Ergebnisse zeigen, dass wenn eine Person zunehmend mobil arbeitet, sich in der Folge ihre emotionale Erschöpfung erhöht. Dies erklärt sich unter anderem durch eine Zunahme von Grenzüberschreitungen zwischen Arbeits- und Privatleben, die durch mobile Arbeit begünstigt werden und zu einem erhöhten Druck führen, ständig erreichbar zu sein (Carls u. Böhm 2023). Für den Schutz der Gesundheit der Beschäftigten bedeutet dies, dass die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben aktiv gemanagt werden sollten. Aktives Grenzmanagement, das die Arbeit zeitlich und/oder räumlich (z. B. ein dezidierter Arbeitsbereich in der eigenen Wohnung) vom Privatleben trennt und so das Abschalten von der Arbeit erleichtert, kann den Stress senken und die Arbeitsfähigkeit erhöhen. Auch eine aktive Freizeitgestaltung sowie der Einklang von mobiler Arbeit mit den eigenen Bedürfnissen haben einen positiven Einfluss auf das Stressempfinden beziehungsweise die psychische Gesundheit der Beschäftigten (Böhm u. Schepp
    2023).

    Was können Teams tun? Gemein­same Vereinbarungen für die hybride Zusammenarbeit treffen

    Auf Teamebene birgt das mobile Arbeiten das Risiko eines geringeren Zugehörigkeitsgefühls zum Team. Gleichzeitig führt ein Rückgang des Zugehörigkeitsgefühls dazu, dass mehr mobil gearbeitet wird, was einen Teufelskreis entstehen lässt (Schertler et al. 2023). Weniger Zugehörigkeit hat in der Folge auch negative gesundheitliche Implikationen. Um diesen Wirkmechanismus zu durchbrechen und die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen, müssen Teams die Zusammenarbeit proaktiv managen. Die Ergebnisse der Studie mit der AUDI AG zeigen diesbezüglich, dass teamspezifische Vereinbarungen zur hybriden Zusammenarbeit helfen können. So konnten bei Teams, die am Workshop teilnahmen und gemeinsame Regeln für die mobile Zusammenarbeit festlegten, positive Effekte auf die Leistung im Team, die Arbeitszufriedenheit, das Engagement und die Kündigungsabsicht nachgewiesen werden. Auch die mentale Gesundheit wurde durch die teamspezifischen Regeln verbessert: Über die Dauer der Studie nahm der Anteil der emotional stark erschöpften Personen in der Interventionsgruppe von 9 % um über die Hälfte auf 4 % ab. Es konnte nachgewiesen werden, dass die teamspezifischen Regeln eine treibende Kraft hinter der Reduktion emotionaler Erschöpfung sind (Hartner-Tiefenthaler et al. 2023). Auch die Studie mit der BARMER kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. In der Studie wurde nachgewiesen, dass vereinbarte Regeln zur mobilen Zusammenarbeit positiv mit der Abgrenzung von Arbeit und Privatem zusammenhängen, was wiederum der Gesundheit der Beschäftigten zugutekommt (Böhm u. Schepp 2023). Für die Gesundheit der Beschäftigten ist es daher essenziell, dass im Team gemeinsame Vereinbarungen zu Verfügbarkeit, Verantwortlichkeiten, Präsenz und genutzten Kommunikationsmitteln getroffen werden. Sie sind ein Schlüsselfaktor dafür, das gemeinsame Arbeiten zu erleichtern, individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen und die Kommunikation zu verbessern. Besonders wichtig ist hierbei, dass die Regeln aus dem Team kommen, sich an den Bedürfnissen der Teammitglieder orientieren und in gemeinsamer Zusammenarbeit mit der Führungskraft entwickelt werden. Auch eine regelmäßige Überprüfung und Nachjustierung durch das Team ist sinnvoll. Bei der AUDI AG legen daher seit März 2023 alle Teams mithilfe des validierten Workshop-Konzepts ihre Team­regeln zur hybriden Zusammenarbeit selbst fest (Hartner-Tiefenthaler et al. 2023).

    Was kann die Organisation als ­Ganzes tun? Digitale Transformation vorantreiben und die Beschäftigten zielgerichtet unterstützen

    Auf Organisationsebene spielt der digitale Reifegrad der Organisation eine wichtige Rolle für die Gesundheit der Beschäftigten. Er bemisst sich in fünf Phasen, die von der Widerstandsphase (virtuelle Arbeit ist weder möglich noch erwünscht) über die Vorbereitungsphase, Umsetzungsphase und Virtualisierungsphase bis hin zur vollen Virtualität (jeder Arbeitsschritt kann virtuell ausgeführt werden) reichen. Wie die Ergebnisse der Studie mit der BARMER zeigen, befinden sich die meisten Organisationen im Jahr 2023 in der Virtualisierungsphase. Das bedeutet, dass ein großer Teil der Arbeit virtuell durchgeführt werden kann. Der Wandel der Organisation hat auch Auswirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten. Eine Erhöhung des digitalen Reifegrads einer Organisation beeinflusst das Stressempfinden und verbessert die Arbeitsfähigkeit ihrer Angestellten. Während Mitarbeitende schon früh von einer verbesserten Arbeitsfähigkeit profitieren, steigt mit dem digitalen Reifegrad zunächst das Stressempfinden, ehe sich eine Stressreduktion einstellt. Es empfiehlt sich daher, die Beschäftigten bestmöglich beim Wandel zu unterstützen und beispielsweise in breite und kontinuierliche Information, Schulungen und den Aufbau einer Vertrauenskultur zu investieren (Schepp u. Böhm 2023). Insbesondere der Aufbau virtueller Führungsfähigkeiten ist in diesem Zusammenhang wichtig. Denn wenn Führungskräfte in der Lage sind, Technologien effektiv für die virtuelle Kommunikation mit den Mitarbeitenden zu nutzen und auch im virtuellen Kontext Führungsverantwortung zu zeigen, fühlen sich Beschäftigte auch in der virtuellen Zusammenarbeit sehr gut wahrgenommen und mit ihren Bedürfnissen gesehen (Böhm u. Schepp 2023). Es ist somit essenziell, dass Organisationen ihre Führungskräfte stärken, damit sie ihre Rolle optimal ausführen und eine wichtige Ressource für ihre Mitarbeitenden sein können.

    Es kommt auf die Ausgestaltung ­mobiler Arbeit an

    Das mobile Arbeiten ist in vielen Unternehmen nicht mehr wegzudenken und mittlerweile fester Bestandteil der Arbeitskultur. Es sollte daher weniger darum gehen, ob mobil gearbeitet werden darf, sondern vielmehr darum, wie mobile und hybride Arbeit optimal ausgestaltet werden kann. Damit dies gelingt, muss mobile Arbeit auf allen Ebenen aktiv gemanagt werden (➥ Abb. 1).

    Anzumerken ist, dass neben den untersuchten sozialen Aspekten weitere Faktoren eine Rolle spielen können. So stellt sich beispielsweise die Frage, wie Unternehmen auch die erforderliche Ergonomie beim
    mobilen Arbeiten sicherstellen können, um hier langfristige Gesundheitsschäden zu vermeiden. Ferner werden speziell für Mitarbeitende, die nicht mobil arbeiten können (z. B. in der Pflege, Produktion etc.), kreative Lösungen notwendig werden, um auch ihnen mehr Flexibilität und Autonomie zu erlauben und damit eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu vermeiden.

    Interessenkonflikt: Das Autorenteam erklärt, dass es im Rahmen der oben aufgeführten Studien innerhalb der vergangenen drei Jahre Forschungsunterstützung sowie Vortragshonorare von der BARMER Krankenkasse und der AUDI AG erhalten hat.

    Literatur

    Böhm SA, Schepp S: Social Health @ work – Studienergebnisse zu Welle 5. https://www.barmer.de/firmenkunden/gesund-arbeiten/social-health-at-wor… (zuletzt abgerufen am 26.09.2023).

    Carls TB, Böhm SA: A blessing or a curse? The effect of remote work on emotional exhaustion. Acad of Manag Proc 2023; 2023: 19486.

    Hamaker EL, Kuiper RM, Grasman RP: A critique of the cross-lagged panel model. Psychol Methods 2015; 20: 102–116.

    Hartner-Tiefenthaler M et al.: Hybride Teams – Freiheit braucht Regeln. WINGbusiness 2023; 56: 20–24.

    Schepp S, Böhm SA: Arbeit 4.0 – Wie kann digitale und hybride Arbeit gesund gestaltet werden? Save – das Magazin für Sicherheit 2023 (im Druck).

    Schertler M, Glumann NV, Boehm SA: How two megatrends affect each other: Studying the interplay of remote work and workplace inclusion with a random intercept cross-lagged panel model. Acad Manag Discov 2023 (im Druck).

    doi:10.17147/asu-1-328894

    Weitere Infos

    Mehr über das Projekt Social health@work mit der BARMER
    https://www.barmer.de/firmenkunden/gesund-arbeiten/social-health-at-wor…

    Mehr über die Studie mit der AUDI AG
    https://issuu.com/beablond/docs/heft_03_2023_end?fr=xKAE9_zU1NQ

    Mehr über das Center for Dis­ability and Integration der Universität St. Gallen
    https://cdi.unisg.ch/de/

    Kernaussagen

  • Für die Gesundheit der Beschäftigten kommt es auf die Ausgestaltung des mobilen und ­hybriden Arbeitens an.
  • Beschäftigte können durch aktives zeitliches und örtliches Grenzmanagement sowie eine aktive Freizeitgestaltung ihre eigene Gesundheit im mobilen und hybriden Arbeitskontext schützen.
  • Auf Teamebene stellen gemeinsame Vereinbarungen und Absprachen zur hybriden Zusammenarbeit einen Schlüsselfaktor für die Steigerung der Performanz und zur Vermeidung ­emotionaler Erschöpfung dar.
  • Unternehmen müssen ihre Beschäftigten beim digitalen Wandel unterstützen, um Stress und Überforderung zu vermeiden. Insbesondere virtuelle Führungsfähigkeiten sollten gestärkt werden.
  • Koautorinnen und Koautor

    Dr. Louisa A. Blödorn

    MSc. Sophie T. Schepp
    MSc. Tarek B. Carls
    Alle Center for Disability and Integration, Universität St. Gallen

    Kontakt

    Prof. Dr. Stephan A. Böhm
    Universität St. GallenCenter for Disability and Integration; Rosenbergstr. 51; 9000 St. Gallen, Schweiz

    Foto: Tom Zünd Photography