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Prävention

Berücksichtigung von Altersaspekten in der betrieblichen Prävention

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Considering Age Aspects in Occupational Health and Safety

Einleitung

Die demografische Entwicklung hat die Alterspyramide mittlerweile in einen Alterspilz deformiert, der einen überproportionalen Anteil älterer Menschen an der Gesamtpopulation widerspiegelt. Die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich auf 78,3 Jahre bei den Männern und 83,2 Jahre bei den Frauen erhöht [1]. Während gleichzeitig das reguläre Renteneintrittsalter auf 67 Jahre steigt, wird fast jede vierte Altersrente vorgezogen und abschlagfrei bewilligt [3]. Das tatsächliche Renteneintrittsalter liegt im Durchschnitt bei 64 Jahren [2] (➥ Abb. 1).

Der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung (➥ Abb. 2) nimmt bereits in der Gruppe der 50- bis 54-Jährigen leicht auf 86,7% ab und liegt bei den 60- bis 64-Jährigen nur noch bei 63,3% [4].

Die Unternehmen laufen durch diese Entwicklung Gefahr, in personelle Engpässe mit einer Überlastung verbliebener Beschäftigter zu geraten. Betriebliche Kontinuitätsabbrüche durch Wissens- und Erfahrungsverluste verursachen letztlich Produktionsengpässe und Wettbewerbsnachteile. Neben der Herausforderung, auf einem ausgedünnten Arbeitsmarkt qualifizierte Nachwuchskräfte zu rekrutieren, sind die Unternehmen daher mit der Aufgabe konfrontiert, ältere Beschäftigte stabil im Arbeitsverhältnis zu halten.

Dies muss auch im Interesse der Beschäftigten selbst liegen, denn ungeachtet des verbreiteten Wunsches, frühzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, ist Arbeitstätigkeit ein wesentlicher Aspekt von Teilhabe und bietet den Beschäftigten soziale Kontakte, Beteiligung, Abwechslung, Tagesstruktur, Wissensanwendung, Herausforderungen, Bestätigung und Vieles mehr. Eine gesundheitsgerechte Beschäftigung bis zur Erreichung des regulären Renteneintrittsalters oder in Absprache sogar darüber hinaus ist insofern für viele Beschäftigte durchaus erstrebenswert und mit persönlichem Zugewinn verbunden.

Eine vorzeitige Trennung von Beschäftigten widerspräche zudem der Intention des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), „Benachteiligungen aus Gründen […] des Alters […] zu verhindern oder zu beseitigen“ [5]. Auch nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) [6] haben Arbeitgeber und Betriebsrat zu überwachen, dass „jede Benachteiligung von Personen aus Gründen […] ihres Alters […] unterbleibt“ (§ 75 (1)). Betriebsräten schreibt das Gesetz sogar explizit die allgemeine Aufgabe zu, die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer im Betrieb zu fördern (§ 80 (1) [6]).

Alter ist Definitionssache

Die Berücksichtigung von Altersfaktoren im Arbeits- und Gesundheitsschutz erfordert zunächst die grundsätzliche Überlegung, wann Beschäftigte mit dem Attribut „alt“ zu versehen sind und welche Konsequenzen daraus abzuleiten sind. Ein Blick in verschiedene Branchen zeigt (➥ Abb. 3), dass dort große Unterschiede beim Durchschnittsalter der Beschäftigten bestehen [7].

Daraus lässt sich ableiten, dass Beschäftigte in manchem Unternehmen möglicherweise bereits als alt gelten, während sie in einem anderen Arbeitsumfeld noch zu den jüngeren Beschäftigten zu rechnen wären. Auch aus der medizinischen Perspektive kennen wir auf der Seite der Beschäftigten die alten Gesunden ebenso wie die jungen Kranken. Die Festlegung von Altsein auf ein kalendarisches Lebensalter würde daher weder der betrieblichen Realität noch dem individuellen Gesundheitszustand und Leistungsvermögen von Beschäftigten gerecht.

Abb. 2:  Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung (in %). Eigene Darstellung nach Daten von [4]

Abb. 2: Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung (in %). Eigene Darstellung nach Daten von [4]
Abb. 3:  Durchschnitts­alter von Erwerbstätigen in ausgewählten Berufsgruppen. Eigene Darstel­lung nach Daten von [7]

Abb. 3: Durchschnitts­alter von Erwerbstätigen in ausgewählten Berufsgruppen. Eigene Darstel­lung nach Daten von [7]

Entwicklung von Gesundheit und Leistungsprofil

Wenngleich also ein ausgeprägt variabler Übergang von jungen Lebensjahren zum Alter besteht, kann die grundsätzliche, statistische Alterskorrelation von Erkrankungen im Kontext von Arbeitstätigkeit nicht ignoriert werden. Tatsächlich sind es die von längerer Arbeitsunfähigkeit begleiteten, also schwerwiegenderen Erkrankungen, die bereits im Kollektiv der 35- bis 39-Jährigen an Bedeutung gewinnen und bei den über 60-jährigen Beschäftigten mehr als die Hälfte der Krankheitsfälle ausmachen [8] (➥ Abb. 4).

Erkrankungen, die insbesondere im fortgeschrittenen Erwerbsalter häufig auftreten, sind zum Beispiel

  • Muskel- und Skeletterkrankungen,
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie arterieller Hypertonus oder Myokardinfarkt,
  • Apoplex,
  • Diabetes mellitus,
  • COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung),
  • Augenerkrankungen, zum Beispiel Visusminderung und Katarakt,
  • Hörminderung oder
  • maligne Tumore.
  • Die Erkrankungen sind vielfach mit einer Multimorbidität verknüpft und gehen mit gesundheitlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz einher, auf die der Arbeits- und Gesundheitsschutz adäquate Antworten finden muss. Dabei sind Automatismen („Wer an Diabetes mellitus leidet, darf keine Fahrtätigkeit ausüben“) durch eine spezifische Beurteilung der individuellen Fälle zu ersetzen.

    Statt den Fokus allein auf Diagnosen, quasi den Namen von Erkrankungen, zu legen, muss die funktionale Gesundheit der Beschäftigten maßgeblich für den präventiven Arbeitsschutz sein. Als funktional gesund können Beschäftigte im Sinne der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) [9] betrachtet werden, wenn vor ihrem gesamten Lebenshintergrund

  • ihre Körperstrukturen und -funktionen (psychomentale eingeschlossen) allgemein anerkannten (statistischen) Normen entsprechen,
  • sie alles tun (oder tun können), was von einem Menschen ohne Gesundheitsproblem/Behinderung erwartet werden kann,
  • sie ihr Dasein in ihren/ihnen wichtigen Lebensbereichen so entfalten können, wie es von Menschen ohne Beeinträchti­gung ihrer Körperfunktionen und -strukturen oder Aktivitäten erwartet werden kann.
  • Neben der Beachtung medizinischer Konditionen hat die präventive Gestaltung der Arbeitsbedingungen der Tatsache Rechnung zu tragen, dass allgemeines Leistungsprofil und Verhaltensmuster von Beschäftigten einem physiologischen Wandel unterworfen sein können, der eine interindividuell sehr unterschiedliche Altersabhängigkeit zeigt. Denkbare Einschränkungen wie

  • abnehmende Herz-Kreislauf- und Lungenkapazität,
  • Einschränkungen des Seh- und Hörvermögens,
  • verminderte Mobilität (Kraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit),
  • nachlassendes Reaktionsvermögen,
  • beeinträchtigtes Kurzzeitgedächtnis und
  • abnehmende geistige Flexibilität sowie Lernbereitschaft
  • können bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch kompensatorische Potenziale aufgewogen werden, die sie für bestimmte Tätigkeiten vielleicht sogar prädestinieren:

  • Lebenserfahrung, Expertise im Beruf,
  • Erfassung komplexer Aufgaben,
  • Abnahme von Risikobereitschaft,
  • Wegfall von Karriereorientierung,
  • Qualitätsbewusstsein und Zuverlässigkeit,
  • Sozialkompetenz,
  • Verantwortungsbewusstsein oder
  • Problemlösungskompetenz und Urteils­fähigkeit.
  • Abb. 4:  Altersgruppenkorrelierte AU-Tage pro 100 Versichertenjahre (Quelle: DAK-Gesundheitsreport 2024 [8], AU-Daten DAK-versicherter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer)

    Abb. 4: Altersgruppenkorrelierte AU-Tage pro 100 Versichertenjahre (Quelle: DAK-Gesundheitsreport 2024 [8],
    AU-Daten DAK-versicherter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer)

    Primärprävention

    Durch die systematische und strukturierte Einbeziehung von Altersaspekten in den präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutz leistet dieser einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. § 4 Nummer 6 des Arbeitsschutzgesetzes
    (ArbSchG) [10] verlangt vom Arbeitgeber bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen zu berücksichtigen. Neben Jugendlichen, schwangeren oder stillenden Frauen und Menschen mit Behinderung können auch ältere Beschäftigte diesem Personenkreis zugeordnet werden [11].

    Aus diesem Auftrag entstehen kollektive, primärpräventive Strategien, die letztlich der gesamten Belegschaft auch unabhängig vom Alter zugutekommen. Diese umfassen zunächst grundsätzliche, allgemeine Maßnahmen des Gesundheitsschutzes, die sich an der Rangfolge der Schutzmaßnahmen gemäß § 4 des Arbeitsschutzgesetzes [10] orientieren. Bei konsequenter Anwendung lassen sich damit beispielsweise lärmbedingte Hörminderungen, Rückenerkrankungen durch Lastenhandhabung oder Krebserkrankungen durch Gefahrstoffexposition verhindern, die anderenfalls vorzugsweise in späteren Lebensjahren symptomatisch werden.

    Der Schaffung altersgerechter Arbeitsbedingungen nützen daneben viele spezifische Instrumente und Strategien wie

  • Bildung altersgemischter Arbeitsteams und Generationensolidarität bei der Aufgabenzuweisung,
  • Angebot von Belastungs- und Aufgabenwechsel, Vermeidung von Monotonie, Balance zwischen körperlichen und geistigen Arbeitsanforderungen,
  • ergonomische Festlegung von Arbeitsgeschwindigkeit, Taktgebung und Deadlines, Reduzierung von Multitasking,
  • Ausschöpfung von Erfahrungswissen, Vernetzung im Betrieb und Sozialkompetenz,
  • Flexibilisierung und Vielfalt von Arbeitszeitmodellen und Pausenregelungen,
  • Ermöglichung von mobilem Arbeiten und Telearbeit,
  • kontinuierliche Qualifizierungsmaßnahmen,
  • Förderung von Beteiligung/Mitsprache, Handlungsspielraum, Verantwortung und Entscheidungskompetenz,
  • Entwicklungs-, Veränderungs- und Aufstiegschancen,
  • Berücksichtigung alterstypischer Risikofaktoren in der betrieblichen Gesundheitsförderung oder
  • Awareness für das Thema „Alter und Arbeit“ bei Vorgesetzten, Personalabteilungen, Betriebsräten und Beschäftigten.
  • Gefährdungsbeurteilung

    Neben den prinzipiellen Präventionskonzepten gilt es grundsätzlich, sämtliche Arbeitsplätze und Tätigkeiten hinsichtlich möglicher altersassoziierter Gefährdungen zu überprüfen. Das zentrale Instrument für ein systematisches Vorgehen ist die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes [10] (➥ Abb. 5). Sofern hier keine altersassoziierten Gefährdungen festgestellt werden, ist nicht mit entsprechenden Risiken für ältere Beschäftigte zu rechnen.

    Zeigen sich Hinweise auf mögliche oder sogar absehbare arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren für ältere Beschäftigte, greift der Auftrag des § 5 ArbSchG [10], „zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind“. Dabei ist die Ermittlung altersassoziierter Gefährdungen auch dann relevant, wenn daraus zum Zeitpunkt der Gefährdungsbeurteilung noch kein konkreter Handlungsbedarf für individuelle Beschäftigte erwächst.

    Wesentlich ist, dass aus identifizierten altersassoziierten Gefährdungen trotzdem ein qualifizierter Maßnahmenkatalog abgeleitet wird. Dazu bedarf es nicht nur bei den Arbeits- und Gesundheitsschutzexpertinnen und -experten, sondern auch bei allen anderen betrieblichen Akteuren, wie Leitungsfunktionen, Personalverantwortlichen und Betriebsräten, eines gemeinsamen, prinzipiellen Bewusstseins für die Thematik.

    Es muss in die Erkenntnis münden, dass die gebotenen Arbeitsschutzmaßnahmen nur gemeinsam und unter Berücksichtigung betrieblicher Belange zu erarbeiten sind. Die Qualität eines altersspezifischen Maßnahmenpools wird bestimmt durch Kreativität, Unvoreingenommenheit und das gemeinsame Ziel, älteren Beschäftigten eine unbeeinträchtigte Fortführung ihrer bisherigen Tätigkeit zu ermöglichen. Die Maßnahmen werden vielfach über reine Routine wie die Einhaltung von Regelwerken und anerkannten Standards hinausgehen
    müssen.

    Am Beispiel der vollkontinuierlichen Wechselschicht lässt sich diese Herausforderung aufzeigen: Zunächst ist hier kritisch zu hinterfragen, ob Schichtarbeit im jeweiligen Arbeitsprozess tatsächlich erforderlich ist. Sodann muss als Standardmaßnahme des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eine Schichtplangestaltung nach dem aktuellen Stand des Wissens gefordert werden. Untersuchungen nach dem Arbeitszeitgesetz, Unterweisungen, Ernährungsberatungen und betriebliche Gesundheitsförderung ergänzen die Maßnahmen. Mit deren Umsetzung lassen sich gesundheitliche Gefährdungen durch Wechselschichttätigkeit zumindest reduzieren.

    Jedoch werden der unphysiologische Schichtrhythmus und insbesondere die Nachtarbeit mit zunehmendem Lebensalter weniger toleriert; daher sollte ein detaillierter Maßnahmenpool auch weitergehende, mitunter unkonventionelle Überlegungen enthalten, die möglicherweise erst in einer späteren, individuellen Gefährdungsbeurteilung konkret aufgegriffen werden.
    Zu derartigen Strategien können im Einzelfall

  • die individuelle Reduzierung von Nachtschichten,
  • eine Beschränkung auf Früh- und Spätschicht,
  • die Anpassung der Arbeitstätigkeiten während der Nachtarbeit,
  • eine Anpassung der individuellen Schichtzeiten oder
  • die Veränderung der individuellen Schichtzyklen
  • gehören. Diese bereits erarbeiteten Maßnahmenoptionen werden dann individuell in Erwägung gezogen, bevor einem Beschäftigten, dessen gesundheitliche Schichttoleranz altersbedingt eigeschränkt ist, als scheinbar einfache Maßnahme die Herausnahme aus der Wechselschicht nahegelegt wird. Zudem kann ein breit angelegter Maßnahmenkatalog langfristig den betrieblich Verantwortlichen Unterstützung bei der Entwicklung nachhaltiger Personaleinsatzstrategien bieten.

    Individuelles Fallmanagement

    Die individuelle Gefährdungsbeurteilung ergibt sich aus der Einzelfallbetrachtung, die meist auf Initiative von Beschäftigten zustande kommt, wenn sich konkrete alterskorrelierte Gesundheitsfragen ergeben. Dem Arbeits- und Gesundheitsschutz steht dafür eine Toolbox wesentlicher Instrumente zur Verfügung:

  • Sprechstunden, Beratungen und Mitarbeitergespräche ermöglichen die pro­aktive oder reaktive Thematisierung genereller und tätigkeitskorrelierter Altersaspekte im Austausch mit betrieblichen Akteuren wie Betriebsrat, Betriebsmedizin, Personalabteilung, Vorgesetzten.
  • Die Wunschvorsorge nach § 11 ArbSchG
    und § 5a ArbMedVV kann anlässlich individueller altersassoziierter Gefährdungen der Arbeitstätigkeit auf Wunsch der Beschäftigten in geeignete Maßnahmen der Prävention münden. Die Ausführungen der AMR 3.3 „Ganzheitliche arbeitsmedizinische Vorsorge unter Berücksichtigung aller Arbeitsbedingungen und arbeitsbedingten Gefährdungen“ [12] sind in vollem Umfang zu berücksichtigen.
  • Das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 SGB IX soll klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden, erneute Arbeitsunfähigkeit vermieden und vor allem wie der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Es kommt insbesondere bei älteren Beschäftigten zum Tragen, weil in dieser Gruppe Arbeitsunfähigkeiten ab sechs Wochen Dauer überrepräsentiert sind.
  • Die stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess nach § 74 SGB V soll arbeitsunfähig Erkrankte in einem abgestimmten Prozess an ihre bisherige Tätigkeit heranführen und ihnen damit die Chance eröffnen, nach Ende der Arbeitsunfähigkeit den Anforderungen des Arbeitsplatzes wieder gerecht zu werden, ohne gesundheitlich beeinträchtigt zu werden.
  • Die individuelle Gefährdungsbeurteilung erfordert neben der Analyse der Arbeitsbedingungen und der Ermittlung altersgerechter Anpassungen eine ganzheitliche Sicht auf betroffene Beschäftigte. Dabei sind nicht nur die körperlich-gesundheitlichen Aspekte und altersbedingten Besonderheiten, sondern auch ihr psychischer Zustand und ihr soziales Umfeld zu berücksichtigen. Exemplarisch ist zu denken an

  • persönliche Einstellung zum Alter und altersbedingten Einschränkungen,
  • eigene Orientierung, berufliche Wünsche und Zukunftspläne, Befürchtungen/Ängste,
  • psychische/emotionale Lage hinsichtlich der weiteren Tätigkeit: stabil/labil, zufrieden/beeinträchtigt, skeptisch, optimistisch/pessimistisch, interessiert,
    kooperativ, realistisch?
  • Flexibilität, Grundhaltung und Erwartungen der Beschäftigten an ein betriebliches Entgegenkommen,
  • Aspekte von Berufserfahrung und Vielseitigkeit, Performance, Engagement, Arbeitszufriedenheit und Teamfähigkeit,
  • Qualifizierungsbedarf fachlich, organisatorisch, administrativ, IT,
  • Länge und Dauer des Arbeitswegs, Nutzung von PKW oder öffentlichem Personennahverkehr und
  • Wunsch nach Berentung oder Vorruhestand.
  • Es gilt, Altersstereotype zu vermeiden und trotz altersbedingter Einschränkungen ein Defizitmodell durch eine Kompetenzperspektive zu ersetzen. Mitunter werden im individuellen Fallmanagement damit Qualifikationen und Kompetenzen von Beschäftigten sichtbar, die zuvor in der Tätigkeit nicht abgefordert worden sind.

    Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    Quellen und weitere Infos

    [1] Statistisches Bundesamt: Bevölkerung – Sterbefälle und Lebenserwartung. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Ster… (abgerufen am 02.04.2024).

    [2] Bund – Länder Demografie Portal: Renteneintritt­alter. https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/renteneintrittsalter.html (abgerufen am 02.04.2024).

    [3] Deutsche Rentenversicherung: Fast jede vierte Altersrente ist vorgezogen und abschlagsfrei.
    https://www.deutsche-rentenversicherung.de/Rheinland/DE/Presse/Pressemi… (abgerufen am 02.04.2024).

    [4] Statistisches Bundesamt: Ergebnis des Mikrozensus 2022. https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit… (abgerufen am 25.03.2024).

    [5] Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG):
    https://www.gesetze-im-internet.de/agg/ (abgerufen am 04.03.2024).

    [6] Betriebsverfassungsgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/ (abgerufen am 02.04.2024).

    [7] Destatis: Pressemitteilung Nr. 448 vom 19. No­vember 2018: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2018/11/PD18_448_1… (abgerufen am 15.03.2024).

    [8] DAK-Gesundheitsreport 2024: https://caas.content.dak.de/caas/v1/media/66764/data/b86b891f2075a89b71… (abgerufen am 26.04.2024).

    [9] Deutsches Institut für Medizinische Dokumenta­tion und Information (Hrsg.): Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). Neu-Isenburg, MMI Medizinische Medien Informations GmbH, 2005.

    [10] Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG): https://www.gesetze-im-internet.de/arbschg/ (abgerufen am 10.02.2024).

    [11] Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeits­gestaltung Nordrhein-Westfalen (LIA): www.komnet.nrw.de/_sitetools/dialog/43868 (abgerufen am 25.03.24).

    [12] Arbeitsmedizinische Regel (AMR) Nr. 3.3:
    „Ganzheitliche arbeitsmedizinische Vorsorge unter Berücksichtigung aller Arbeitsbedingungen und arbeitsbedingten Gefährdungen“. https://www.baua.de/DE/Angebote/Regelwerk/AMR/AMR-3-3.html (abgerufen am 20.02.2024).

    doi:10.17147/asu-1-371799

    Abb. 5:  Ermittlung altersassoziierter Gefährdungen und Erstellung eines Maßnahmenpools in der Gefährdungsbeurteilung. Eigene Darstellung

    Abb. 5: Ermittlung altersassoziierter Gefährdungen und Erstellung eines Maßnahmenpools in der Gefährdungsbeurteilung. Eigene Darstellung

    Kernaussagen

  • Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung muss es ein betriebliches Ziel sein, Mitarbeitende langfristig im Beschäftigungsverhältnis zu halten.
  • Arbeits- und Gesundheitsschutz leisten dazu einen Beitrag, indem sie alterskorrelierte Gefährdungen im Betrieb erfassen und die Arbeitsbedingungen präventiv so zu gestalten helfen, dass Beschäftigte in jeder Altersgruppe gesundheitsgerecht eingesetzt werden können. Hier greifen generelle Konzepte altersgerechter Arbeit und das Management individueller Fälle.
  • Ein besonderer, primärpräventiver Fokus ist auf eine Gefährdungsbeurteilung zu legen, die sich altersassoziierter Gefährdungen explizit annimmt.
  • Mit der Ableitung eines detaillierten Maßnahmenkatalogs lassen sich Konflikte zwischen Arbeitsanforderungen und altersbedingten Leistungseinschränkungen frühzeitig antizipieren, auch wenn zum Zeitpunkt der Gefährdungsbeurteilung noch kein aktueller Handlungsbedarf besteht.
  • Kontakt

    Dr. med. Manfred Albrod

    Foto: privat

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