Falling? Stumbling? – You don’t have to!
Einleitung
Gehen und Laufen geschieht während des Arbeitens nahezu unbewusst. Die Gedanken eilen währenddessen oft schon voraus zur nächsten Tätigkeit. Dabei wäre es wichtig, bewusster zu gehen oder zu laufen. Das zeigt die Unfallstatistik der SVLFG. Fast 30 % aller meldepflichtigen Arbeits- und Wegeunfälle in der Grünen Branche, das sind jährlich im Durchschnitt rund 18.000, gehen darauf zurück, dass Menschen stolpern, umknicken, aus- und abrutschen oder hinfallen. Im Durchschnitt enden pro Jahr vier bis fünf dieser Unfälle tödlich (➥ Tabelle 1). Mit einem Anteil von nahezu 75 % sind Männer an diesem Unfallgeschehen besonders häufig vertreten. Einige Menschen erholen sich nach solchen Unfallereignissen nicht mehr vollständig und leiden für den Rest ihres Lebens an den Folgen – bis hin zur Pflegebedürftigkeit. Die meisten dieser Unfälle sind verhaltensbedingt. Einfache Präventionsregeln werden in der Eile des beruflichen Alltags vergessen. Zum Glück enden die meisten dieser Unfälle weniger tragisch. Trotzdem ziehen sie Folgen nach sich: Schmerzen und Sorgen belasten die Betroffenen, den Arbeitsausfall müssen Kolleginnen und Kollegen auffangen, die Unternehmen und letztlich auch die Versichertengemeinschaft der SVLFG werden mit Kosten konfrontiert. Im Durchschnitt wendet die SVLFG jährlich ca. 85 Millionen Euro dafür auf. Es gibt also gute Gründe, Unfallursachen aufzuspüren und Wege aufzuzeigen, die solche Unfälle abmildern oder verhindern. Die Statistik der SVLFG zeigt, wo und bei welchen Tätigkeiten sich die Unfälle ereignen.
Vorsicht beim Gehen auf natürlichem Boden
Der überwiegende Anteil ereignet sich beim Gehen und Laufen auf den Hofflächen der Unternehmen, auf Ackerflächen, auf Wiesen und im Wald sowie auf Baustellen im Garten- und Landschaftsbau. Unachtsamkeiten werden besonders gefährlich bei Unebenheiten oder wenn sich Gegenstände, zum Beispiel Wurzeln, versteckte Steine oder hervorstehende Äste, auf dem Weg befinden. Häufig ereignen sich auch Unfälle, weil die Böden matschig, vereist oder rutschig sind. Im Stall ereignen sich pro Jahr im Durchschnitt knapp 1500 Unfälle, weil Personen stolpern oder ausrutschen. Bedingt durch die Arbeitsaufteilung in den meisten Tierhaltungsbetrieben sind im Stall vorwiegend Frauen betroffen.
Unfallschwerpunkt Schlepperaufstieg
Die meisten Menschen stürzen oder stolpern beim Gehen oder Laufen. Bemerkenswert häufig verletzen sich Personen aber auch, wenn sie von Fahrzeugen, selbstfahrenden Maschinen oder Anhängern absteigen und dabei zum Beispiel umknicken oder stürzen. Von diesen insgesamt rund 2500 Unfällen pro Jahr entfallen 1366 allein auf den Schlepperaufstieg. Besonders beim Verlassen des Schleppers ziehen sich die Betroffenen regelmäßig heftige Knochenbrüche, Zerrungen, Prellungen, Bänderrisse und -dehnungen oder Verstauchungen zu (➥ Abb. 1).
Achtung Schnee, Reif und Glatteis
Die Statistik macht auch auf jahreszeitliche Schwankungen aufmerksam. So sind die Monate Januar und Februar Spitzenreiter in Sachen ausrutschen und hinfallen. Erklärbar ist dies durch die nasskalte Witterung. Rund 1000 Unfälle pro Jahr lassen sich auf Schnee, Reif und Eisglätte zurückführen. Dazu kommt, dass im Januar traditionell viel im bäuerlichen Privatwald gearbeitet wird. Während der arbeitsintensiven, zum Teil stressigen Erntemonate Juni, Juli sowie im Spätherbst ereignen sich ebenfalls auffallend viele Unfälle durch Stürzen, Stolpern und Ausrutschen. Ein Grund dafür könnte die sehr hohe Arbeitsbelastung sein. Die Arbeitstage während der Ernte sind lang und ziehen sich häufig bis in die Dunkelheit. Ein weiterer Grund ist sicher die Notwendigkeit, besonders häufig vom Schlepper absteigen zu müssen.
Die SVLFG berät vor Ort
Die Präventionsfachleute der SVLFG sehen es zum einen als ihre Aufgabe an, den Versicherten Informationen an die Hand zu geben, die helfen, derlei Unfällen vorzubeugen. Grundlage für die Empfehlungen sind Erfahrungswerte aus dem Unfallgeschehen. Zum anderen gibt es Vorgaben, die von den Unternehmen im betrieblichen Alltag zwingend umgesetzt werden müssen. Im Rahmen von Betriebsbesichtigungen prüft die SVLFG als zuständige Berufsgenossenschaft die Arbeitssicherheit in den Unternehmen. Bereits kleine Veränderungen, wie zum Beispiel Bewegungsmelder für Licht, neue Sicherheitsschuhe, befestigte Wege oder neue Aufstiege bei Fahrzeugen sorgen für deutlich mehr Arbeitssicherheit. Bei Fällarbeiten im Wald ist es wichtig, saubere Rückweichen zu schaffen und vor Arbeitsbeginn gut begehbare Wege durch das Dickicht zu schneiden (➥ Abb. 2). Sicherheitsschuhe und -stiefel müssen über griffige Sohlen mit einem guten Profil verfügen, damit sie vor Ausrutschen schützen können. Krallen in den Sohlen von Forststiefeln verstärken die Schutzwirkung (➥ Abb. 3). Ein knöchelhoher Schaft kann zudem das Gelenk vor Verletzungen bewahren.
Sondersituation: Ältere Menschen im Arbeitsleben
Im Durchschnitt verletzen sich pro Jahr 3455 SVLFG-Versicherte im Alter von 60 Jahren und mehr, weil sie bei der Arbeit stürzen, stolpern, aus- oder abrutschen. Das heißt, der Anteil der Personen über 60 Jahren am Unfallgeschehen in Bezug auf Stolpern, Stürzen, Aus- und Abrutschen liegt bei 20 % und damit auf einem hohen Niveau. Auch dieser Personenkreis ist durch die Berufsgenossenschaft bei einem Arbeits- oder Wegeunfall abgesichert. Die Kosten für diese Unfälle sind überdurchschnittlich hoch. Sie liegen bei 30 % der gesamten Aufwendungen in diesem Bereich. Verengt man den Personenkreis auf Menschen ab 66 Jahren, so sind immer noch 1800 Personen betroffen. Gerade in familiengeführten landwirtschaftlichen Betrieben sind ältere Menschen nicht aus dem Arbeitsalltag wegzudenken. Sei es durch die fehlende Betriebsnachfolge oder weil das Unternehmen die erforderlichen Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt nicht findet, arbeiten viele Seniorinnen und Senioren bis ins hohe Alter mit.
Umfragen der SVLFG zeigen aber auch, dass die Mitarbeit im Familienbetrieb für die alten Menschen sinnstiftend und erfüllend ist. Sie schätzen es, sich als vollwertiges Teammitglied einbringen und eine wertvolle Aufgabe ausführen zu können. Natürlich sind diese Personen auch im hohen Alter während der Arbeit über die SVLFG berufsgenossenschaftlich unfallversichert. Die Kehrseite der Medaille: Ältere Menschen haben ein höheres Unfallrisiko. Im Laufe des Lebens verändert sich die Wahrnehmung. Seh- und Hörvermögen nehmen ab, die Reaktionsfähigkeit lässt nach, die Knochendichte geht zurück und die Muskulatur baut sich ab, wenn nicht gezielt entgegengewirkt wird. Sturzunfälle haben im Alter häufiger Knochenbrüche zur Folge, die nur schlecht oder im schlimmsten Fall gar nicht mehr ausheilen. Zum Vergleich: Nahezu jede zweite betroffene Person über 65 Jahren bricht sich bei einem Sturz Knochen oder Gelenke, während sich Personen im Alter bis 50 Jahren in nur etwa 14 % einen Bruch zuziehen. Dazu kommt im Alter ein allgemein erhöhtes Risiko chronisch zu erkranken. In der Folge steigt die Medikamenteneinnahme. Einige dieser Medikamente beeinträchtigen die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit.
Angepasste Arbeitsplätze
Ältere Menschen sind mit ihrer Erfahrung und ihrer Arbeitskraft oft besonders wertvolle Führungskräfte und Teammitglieder. Betriebe, die ältere Beschäftigte im Unternehmen halten möchten, müssen die besondere Unfallgefährdung dieser Gruppe im Auge behalten und die Gefährdungsbeurteilung auf die Bedürfnisse dieser Personen hin anpassen. Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter müssen sich die Frage stellen, welche Aufgaben den Fähigkeiten von älteren Beschäftigten am besten entsprechen. Mit Blick auf Sturz- und Stolperunfälle sollte noch stärker darauf geachtet werden, dass alle Betriebswege jederzeit – also auch in der Dämmerung oder Dunkelheit – hell ausgeleuchtet, ohne Stolperstellen, sauber und aufgeräumt sind. Unternehmen, die Kosten für Gesundheitskurse übernehmen und innerbetriebliche Fitnessangebote oder Gesundheitstage mit Schwerpunkt „Stürzen, Stolpern, Fallen“ anbieten, fördern die Gesundheit gerade auch der älteren Beschäftigten und erhöhen die Mitarbeitermotivation.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
doi:10.17147/asu-1-295582
Weitere Infos
Fußeder M: Gut zu Fuß bei der Arbeit. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2023; 58: 376–380
https://www.asu-arbeitsmedizin.com/praxis/praevention-der-praxis-gut-zu…
SVLFG: Erklär-Videos und weitere Informationen zum Slackline
https://www.svlfg.de/slackline-training
Kernaussagen
Info
Sicherheitsschuhe helfen, Unfälle zu verhindern
Sicherheitsschuhe sind die täglichen Begleiter im Arbeitsalltag der Grünen Branche. Die Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz (VSG) der SVLFG schreiben für viele Tätigkeiten in der Grünen Branche Sicherheitsschuhe der Klasse S3 vor. Einzelne Tätigkeiten erfordern Stiefel mit höherem Schaft. Die Präventionsfachleute raten zu leichtem, hochwertigem Schuhwerk, das gut passt. Bequeme Schuhe werden gerne getragen. Nur intakte Schuhe können wirklich schützen. Ob Menschen ausrutschen, entscheidet sich oft am Profil der Schuhsohle. Sobald die Sohle auch nur teilweise abgelaufen ist, müssen Sicherheitsschuhe ersetzt oder neu besohlt werden. Ob der Knöchel bricht oder nur verstaucht, kann auch von der Höhe des Schaftes und von der Schnürung abhängen.
Info
Im Gleichgewicht dank Slackline-Training
Slackline-Training, also das Balancieren auf einem gespannten Band, ist ein Ganzkörpertraining für jeden, der aktiv im Berufsleben steht. Es trainiert Fitness, Beweglichkeit und Reaktionsgeschwindigkeit (➥ Abb. 4). Dabei kommt es nicht darauf an, das Band möglichst hoch anzubringen. Eine Studie, die in Projekt-Forstämtern des Landesbetriebes Hessenforst durchgeführt wurde, zeigt, dass regelmäßiges Slackline-Training Körperspannung und Gleichgewichtssinn wesentlich verbessert. 95 Beschäftigte im Alter zwischen 18 und 63 Jahren trainierten dafür jeweils zweimal wöchentlich eine halbe Stunde. Die SVLFG stellte bei Vorher-Nachher-Messungen fest, dass sich die Körperkernstabilität der Teilnehmenden in allen Altersgruppen deutlich verbessert hat. Die Körperkernstabilität bezeichnet die Fähigkeit, sich durch die innere Muskulatur aufzurichten. Personen im Alter bis 50 Jahren stellten im Rahmen der Studie zudem eine deutliche Steigerung ihrer Sensomotorik fest. Das heißt, sie konnten dank Slackline-Training Sinneseindrücke schneller verarbeiten. Wer seine Sensomotorik trainiert, kann bei einem drohenden Sturz Ausgleichsbewegungen besser steuern und kontrollieren. In der Altersgruppe der 30- bis 50-Jährigen zeigte sich eine klare Verbesserung der Körpersymmetrie im Sinn einer Seitengleichheit. Das gemeinsame Training brachte zudem einen besseren Teamzusammenhalt und einer Verbesserung der hierarchieübergreifenden Kommunikation.
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