Hybrid Working and Resilience
Hybrides Arbeiten
In den letzten Jahren hat die Informations- und Kommunikationstechnologie unsere Art der Kommunikation und Zusammenarbeit tiefgreifend verändert. Die Vielfalt der Kommunikationsmittel und Arbeitsorte hat durch kollaborative Plattformen und Videokonferenzen weiter zugenommen. Durch die Corona-Krise wurden diese Entwicklungen beschleunigt und das Arbeiten im Homeoffice ist für viele Beschäftigte zur Regel geworden (Dettmers u. Plückhahn 2022). Diese Entwicklungen werden oft unter dem Begriff „Arbeit 4.0“ zusammengefasst und als neue Formen der Arbeit bezeichnet (Poethke et al. 2019). Die neuen Formen der Arbeit werden von Demerouti et al. (2014) als eine Art der Arbeitsgestaltung beschrieben, bei der die Mitarbeitenden die Zeit und den Ort ihrer Arbeit selbst bestimmen können und dabei durch elektronische Kommunikation unterstützt werden. Ist die Zusammenarbeit nicht mehr an einen Ort gebunden und arbeiten die Beschäftigten von verschiedenen Arbeitsorten aus, wie etwa dem Büro oder dem Home-
office, spricht man von „hybrider Arbeit“.
Hybrides Arbeiten ermöglicht den Beschäftigten mehr Flexibilität und Autonomie bei der Planung und Gestaltung ihrer Arbeit, während sie gleichzeitig in der Lage sind, von den Ressourcen und der Zusammenarbeit im Büro zu profitieren. Diese Flexibilität hinsichtlich der Arbeitsorte und Arbeitszeiten geht allerdings auch mit neuen Anforderungen und Belastungen einher, wie etwa dem Gefühl der Vereinzelung, mangelnder informeller Kommunikation und einem erhöhten Abstimmungsbedarf. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie hybrides Arbeiten gestaltet werden kann, um die Gesundheit der Beschäftigten nicht zu gefährden, und welche Rolle die Resilienz dabei spielt.
Im Folgenden werden Kernaspekte der Flexibilisierung der Arbeit beschrieben, die dem hybriden Arbeiten zugrunde liegt. Anschließend wird dargelegt, wie die ungeeignete Gestaltung der Flexibilisierung zu einer hohen Arbeitsdichte führen und dadurch die Gesundheit der Beschäftigten gefährden kann. Schließlich werden mit der organisationalen und individuellen Resilienz zwei Ansatzpunkte zur Sicherstellung der Gesundheit von Beschäftigten vorgestellt.
Flexibilisierung der Arbeit
Arbeit 4.0 dient als Oberbegriff für aktuelle
Entwicklungen in der Arbeitswelt. Laut Poethke et al. (2019) sind zentrale Aspekte von Arbeit 4.0 die Digitalisierung von Arbeitsprozessen, Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten und Arbeitsorte sowie das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Weitere Aspekte sind die Möglichkeit zur Mitbestimmung bei der Arbeit und deren subjektive Relevanz (Poethke et al. 2019). Die ersten drei Dimensionen beschreiben Entwicklungen im Hinblick auf formale und strukturelle Arbeitsbedingungen, während die letzten beiden Dimensionen Einstellungen zur Arbeit betreffen.
Die Flexibilität von Arbeitsbedingungen umfasst die Flexibilität des Arbeitsortes und der Arbeitszeit. Der Arbeitsort bezieht sich auf den Ort, an dem reguläre Arbeitsaufgaben ausgeführt werden (z. B. Homeoffice, mobiles Arbeiten) und flexible Arbeitszeiten bedeuten in erster Linie, dass es keine festen Anwesenheitszeiten gibt. Die Beschäftigten sind somit nicht an einen festen Arbeitsplatz gebunden und können frei bestimmen, wann sie arbeiten. Einige Studien berichten positive Zusammenhänge zwischen Flexibilität und antizipierter organisationaler Unterstützung (Thompson et al. 2015) sowie Work-Life-Balance (Allen et al. 2013). Allerdings wurden flexible Arbeitszeiten und insbesondere erzwungene Änderungen der Arbeitszeiten mit einer hohen Arbeitsintensität assoziiert (Piasna 2017); dies gilt insbesondere, wenn bei der Gestaltung der hybriden Zusammenarbeit einige Aspekte nicht beachtet und geregelt werden, wie später noch dargestellt wird. Ebenso berichten Kelliher und Anderson (2010) von einer höheren Arbeitsintensität bei flexiblen Arbeitsbedingungen.
Arbeitsdichte
Arbeitsintensität beziehungsweise Arbeitsdichte wird oft mit „working hard“ umschrieben, was eine erhöhte Anstrengung über einen längeren Zeitraum umfasst (Burke et al. 2010). Allerdings haben die neuen Formen der Arbeit nicht nur die Menge und das Tempo der Arbeit erhöht, sondern führten zu qualitativen Unterschieden der Arbeitssituation, die zusätzlich zu einer hohen Arbeitsdichte beitragen können. Beispielsweise erfordert die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und -orten zusätzliche Planung und Abstimmung zwischen den Beschäftigten, was zu einer Erhöhung der Arbeitsdichte beiträgt (Korunka u. Kubicek 2017). Dies kann beispielsweise infolge einer erhöhten Anzahl von (virtuellen) Meetings eintreten. Das Arbeiten im Homeoffice stellt zudem die Abgrenzung zwischen Arbeitsleben und Privatleben in Frage und führt dadurch zu höheren Anforderungen an die Selbstregulierung der Beschäftigten.
Soucek und Voss (2020) verfolgten einen umfassenden Ansatz zur Arbeitsdichte und identifizierten insgesamt sieben Facetten der Arbeitsdichte, die quantitative wie auch qualitative Aspekte beinhalten. Quantitative Aspekte umfassen beispielsweise eine große Anzahl an Aufgaben, die in einem bestimmten Zeitraum erledigt werden müssen, Zeitdruck oder Aufgaben, die parallel ausgeführt werden. Qualitative Aspekte bestehen etwa in einem hohen Grad an Abstimmung und Koordination zwischen den Mitarbeitenden, Unterbrechungen von Tätigkeiten oder Unklarheit hinsichtlich der Aufgabenerfüllung oder der eigenen Rolle im Unternehmen beziehungsweise im Team. Eine weitere Facette betrifft die fehlende Abgrenzung von Arbeit und Privatleben, was beispielsweise zu einer erweiterten Verfügbarkeit für berufliche Belange außerhalb der regulären Arbeitszeit führen kann (Soucek u. Voss 2020; Dettmers et al. 2016).
Resilienz im Prozessmodell der Arbeitsdichte
Die Begriffe der Arbeitsintensität beziehungsweise Arbeitsdichte werden oft mit neuen Arbeitsformen in Verbindung gebracht. Einige Studien sehen die Arbeitsdichte als Konsequenz neuer Arbeitsformen (z. B. Green 2004) und andere Studien betrachten die Arbeitsdichte als Ursache für eine eingeschränkte Gesundheit der Beschäftigten (z. B. Eurofound 2019). Dementsprechend gingen Soucek und Voss (2020) davon aus, dass Arbeitsdichte ein Bindeglied zwischen neuen Arbeitsformen und Gesundheit sowie Leistung ist. Resilienz kann an dieser Stelle an unterschiedlichen Stellen ansetzen, wie in ➥ Abb. 1 dargestellt.
Organisationale Resilienz
Nach Soucek et al. (2016) umfasst die organisationale Resilienz all jene Faktoren, die zur Bewältigung der Anforderungen beitragen, die an Beschäftigte und Teams gestellt werden. Insbesondere handelt es sich dabei um verschiedene betriebliche Ressourcen der Verhältnisprävention, die verhindern sollen, dass diese Anforderungen überhaupt in einer hohen Arbeitsdichte resultieren (Soucek u. Voss 2020). Dabei kommt es vor allem auf die Passung zwischen den Anforderungen an die Beschäftigten und betrieblichen Ressourcen an.
In ➥ Tabelle 1 ist eine Auswahl der Ergebnisse einer Interviewstudie zusammengefasst, die zum Ziel hatte, relevante Anforderungen der hybriden Arbeit zu identifizieren und entsprechende organisationale und teambezogene Ressourcen abzuleiten. Insgesamt wurden rund 60 Interviews mit hybrid arbeitenden Beschäftigten sowie Führungskräften durchgeführt und mittels einer strukturierten Inhaltsanalyse ausgewertet. Die Datenerhebung fand an der Medical School Hamburg (MSH) statt. Die Studie wurde durch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) unterstützt. Als zentrales Fazit der Studie können die folgenden Punkte festgehalten werden (Deci et al. 2022):
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass hybride Zusammenarbeit kein Selbstläufer ist, sondern aktiv gestaltet werden muss. Dabei sollten zu den speziellen Anforderungen hybriden Arbeitens auch passende Ressourcen identifiziert werden, die im Sinne der organisationalen Resilienz im besten Fall eine hohe Arbeitsdichte verhindern (s. Tabelle 1). Die organisationale Resilienz ist damit deutlich von der individuellen Resilienz abzugrenzen, da sie mit den betrieblichen Ressourcen auf die Ausgestaltung von Arbeitsbedingungen abzielt, die sicherstellen sollen, dass keine hohe Arbeitsdichte auftritt. Insofern ist im Sinne einer verhältnisorientierten Prävention eine hohe organisationale Resilienz von besonderer Bedeutung.
Individuelle Resilienz
Sind die Beschäftigten mit einer hohen Arbeitsdichte konfrontiert, so kommt nichtsdestotrotz auch die individuelle Resilienz zum Tragen, die eine erfolgreiche Bewältigung der hohen Arbeitsdichte umfasst und dadurch die psychische Gesundheit schützt. Weitergehende Ergebnisse der Studie von Deci et al. (2022) verdeutlichen, dass eine hohe Arbeitsdichte im hybriden Kontext mit einer höheren emotionalen Erschöpfung einhergeht, die eine Facette von Burnout darstellt. Dieser Zusammenhang zwischen Arbeitsintensität und emotionaler Erschöpfung wird durch ein hohes Maß an resilientem Verhalten abgeschwächt. Diese Ergebnisse bestätigen die Ergebnisse einer Untersuchung des Projekts AVENUE in einem öffentlichen Unternehmen, das sich am Prozessmodell zur Arbeitsdichte orientierte und zwischen betrieblichen und individuellen Strategien differenzierte (Soucek u. Voss 2021). Resilientes Verhalten vermindert dabei den Einfluss einer hohen Arbeitsdichte auf psychosomatische Beschwerden und verhindert somit, dass sich eine hohe Arbeitsdichte negativ auf die Gesundheit auswirkt.
Zimber (2023) untersuchte den Einfluss von Resilienz als persönliche Ressource auf den Zusammenhang des Arbeit-Familie-Konflikts im Homeoffice und der Irritation. Irritation beschreibt dabei, inwieweit man sich über Probleme bei der Arbeit ärgert und Schwierigkeiten hat nach der Arbeit abzuschalten. Die Ergebnisse bestätigten, dass eine stark ausgeprägte Resilienz den Einfluss des Arbeit-Familie-Konflikts auf die Irritation abmildern und dadurch die psychische Gesundheit schützen kann.
Zusammenfassend wirkt die individuelle Resilienz als ein Puffer, der die negative Auswirkung einer hohen Arbeitsdichte auf die Gesundheit abmildern oder gar unterbinden kann.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Literatur
Allen TD, Johnson RC, Kiburz KM, Shockley KM: Work-family conflict and flexible work arrangements. Deconstructing flexibility. Person Psychol 2013; 66: 345–376.
Burke RJ, Singh P, Fiksenbaum L: Work intensity: Potential antecedents and consequences. Person Rev 2010; 39: 347–360.
Deci N, Soucek R, Keller M: Hybrides Arbeiten – Virtuelle Meetings ohne Grenzen, Grenzen ohne soziale Meetings. Poster auf dem 52. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Universität Hildesheim. Hildesheim, 2022.
Demerouti E, Derks D, ten Brummelhuis LL, Bakker AB: New ways of working: Impact on working conditions, work-family balance, and well-being. In: Korunka C, Hoonakker P (Hrsg.): The impact of ICT on quality of working life. Berlin: Springer, 2014, S. 123–141.
Dettmers J, Bamberg E, Seffzek K: Characteristics of extended availability for work: The role of demands and resources. Int J Stress Manage 2016; 23: 276–297.
Dettmers J, Plückhahn W: Suddenly working from home! Effects of the Corona crisis on psychological job demands and resources and the role of telecommuting. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 2022; 66: 113–128.
Eurofound: Working conditions and workers’ health. Publications Office of the European Union. 2019. https://www.eurofound.europa.eu/publications/report/2019/working-condit… (abgerufen am 07.07.2023).
Green F: Why has work effort become more intense? Conjectures and evidence about effort-biased technical change and other stories. Industr Rel 2004; 43: 709–774.
Kelliher C, Anderson D: Doing more with less? Flexible working practices and the intensification of work. Human Rel 2010; 63: 83–106.
Korunka C, Kubicek B: Job demands in a changing world of work. Berlin: Springer, 2017.
Piasna A: Scheduled to work hard: The relationship between non-standard working hours and work intensity among European workers (2005-2015). Human Res Manage J 2017; 28: 167–181.
Poethke U, Klasmeier KN, Diebig M, Hartmann N, Rowold J: Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung zentraler Merkmale der Arbeit 4.0. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 2019; 63: 129–151.
Soucek R, Voss AS: Arbeit 4.0 und psychische Gesundheit: Arbeitsdichte als vermittelnder Faktor und Ansatzpunkt betrieblicher Prävention. Vortrag auf der 12. Tagung der Fachgruppe Arbeits-, Organisations-, und Wirtschaftspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, Technische Universität Chemnitz. Chemnitz, 2021.
Soucek R, Voss AS: Arbeitsverdichtung: Ursachen, Formen und Folgen. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2020; 55: 543–546.
Soucek R, Ziegler M, Schlett C, Pauls N: Resilienz im Arbeitsleben – Eine inhaltliche Differenzierung von Resilienz auf den Ebenen von Individuen, Teams und Organisationen. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift Für Angewandte Organisationspsychologie (GIO) 2016; 47: 131–137.
Thompson RJ, Payne SC, Taylor AB: Applicant attraction to flexible work arrangements. Separating the influence of flextime and flexplace. J Occup Organ Psychol 2015; 88: 726–749.
Zimber A: Arbeit-Familie-Konflikt und psychische Beanspruchung im Homeoffice während der COVID-19-Pandemie: Die moderierende Rolle der Resilienz. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie 2023. https://doi.org/10.1026/0932-4089/a000409 (Open Access, abgerufen am 07.07.2023).
doi:10.17147/asu-1-288486
Weitere Infos
Mitdenken 4.0 – eine Initiative zum Wandel der Arbeit
https://www.certo-portal.de/mitdenken4null
Homepage des Projekts Resilire
https://www.resilire.de
Kernaussagen
Info
Plattform zur Arbeitsverdichtung
Im Rahmen des Forschungsprojekts ArbeitsVerdichtung Erlangen-NUErnberg (AVENUE) ist eine webbasierte Plattform entstanden, die betriebliche Akteure des Arbeits- und Gesundheitsschutzes (z. B. BGM, Fachkräfte für Arbeitssicherheit,
Betriebsärztinnen und -ärzte, Personalverantwortliche) beim Umgang mit Arbeitsverdichtung unterstützt. Auf der Plattform finden Sie allgemeine Informationen und ein konzeptionelles Modell, das zwischen Ursachen, Formen und Folgen der Arbeitsverdichtung differenziert. Des Weiteren finden Sie in einer Verfahrensbox eine Zusammenstellung zu bisherigen Verfahren der Diagnose und Intervention zum Thema Arbeitsverdichtung.
Sie finden die Plattform unter
www.arbeitsverdichtung.de/avenue/#/
Koautorin
Dr. Nicole Deci
Department Psychologie, MSH Medical School Hamburg
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