Die Basi im Dialog mit Experten der DGUV und der EU-OSHA
Forward-Looking Occupational Safety – Resilient Companies: Basi in Dialogue with Experts of the DGUV and the EU-OSHA
Dialog der Expertinnen und Experten
Was bringt die Zukunft für den Arbeitsschutz? Ob sich dies verlässlich voraussagen lässt, daran äußerte ein Großteil der 490 Teilnehmenden (75%) bei der hybriden Veranstaltung „Die Basi im Dialog mit der DGUV und der EU-OSHA“ bei einer spontanen Umfrage Zweifel (➥ Abb. 1). Im Dialog der Experten, den Dr. Christian Felten, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (Basi), leitete, erfuhren die Zuhörenden mehr dazu – und beteiligten sich lebhaft an weiteren Umfragen, stellten interessierte Fachfragen. Gesprächspartner waren Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Professor Dr. Dietmar Reinert, Leiter des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA), und Dr. Dietmar Elsler, Projektmanager bei der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA).
Das System der Risikoermittlung
Professor Dietmar Reinert ist verantwortlich für das Risiko-Observatorium der DGUV. Er erläuterte dessen System, in dem mithilfe von regelmäßigen Umfragen, in die auch Zukunftsexperten einbezogen werden, Schwerpunkte im Hinblick auf die Zukunft des Arbeitsschutzes gebildet werden. Die Forschungsergebnisse des Risiko-Observatoriums werden ergänzt durch die Resultate einer Trendsuche nach dem Vorbild der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) und den Themenmonitor, der aktuelle Fragestellungen in Betrieben ermittelt. „Daraus ergibt sich das Präventionsradar für die nähere, mittlere und fernere Zukunft“, erklärte Reinert.
Mit Szenarien Schlüsselfaktoren feststellen
Antizipation und Bewältigung des Wandels stellte Projektmanager Dr. Dietmar Elsler als zentrale Aufgaben der EU-OSHA vor. „Der Wandel ist vor allem grün, digital und demografisch – das sind die drei Megatrends, bei denen wir schauen müssen, welche Auswirkungen sie auf den Arbeitsschutz haben“, erläuterte Elsler. Dafür entwerfe man langfristige Szenarien und arbeite mit Prognosezyklen, etwa zur Kreislaufwirtschaft innerhalb der EU, zu den sogenannten „Green Jobs“ (Arbeiten im Umweltbereich) oder zum großen Thema Digitalisierung, das ab Herbst 2023 auch die nächste Kampagne der EU-OSHA bestimmen wird. Anhand von Szenarien werden die Schlüsselfaktoren der verschiedenen Bereiche festgestellt – daraufhin nimmt die EU-OSHA mit ihren Partnern die Personengruppen und Branchen in den Blick, die besonders betroffen sind.
Branchen im Wandel
Relevante Zukunftstrends sind regelmäßig Themen von Strategiegesprächen sowie von Überlegungen der Geschäftsführenden und des Vorstands der Unfallversicherungsträger – das erklärte Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der DGUV. Er hob unter anderem die Bedeutung von inspirierenden Gesprächen bei nationalen ebenso wie internationalen Veranstaltungen hervor und nannte einen Wandel bestimmter, vor allem energieintensiver Branchen, wie etwa der Stahlindustrie, als zukunftsweisendes Beispiel: „Die Stahlproduktion wird künftig wasserstoffbasiert ablaufen. Auf die damit verbundene Umstellung von Prozessen müssen wir uns einstellen und Antworten auf Fragen haben, die in diesem Zusammenhang gestellt werden. Denn auch die Arbeitsbedingungen werden sich dadurch ändern,“ so Hussy.
Künstliche Intelligenz richtig nutzen
Auf welche Weise künstliche Intelligenz (KI) bereits jetzt zum besseren Umgang mit Risiken im Arbeitsschutz eingesetzt wird, stellte Professor Dietmar Reinert am Beispiel eines Herstellers von Kreissägen dar. Dessen Produkte können anhand eines Kamerasystems Hände von Holz unterscheiden, um Verletzungen zu vermeiden. „Die KI kann allerdings immer nur einzelne Aufgaben erledigen und nicht vielfältig eingesetzt werden wie wir Menschen“, betonte Reinert. Dass die Digitalisierung nicht nur Probleme schaffen, sondern auch lösen könne, erläuterte er anhand von Exoskeletten: Diese böten enorme Chancen, schwere Lasten leichter zu heben und zu transportieren – vorausgesetzt, man habe in den Betrieben die Risiken im Blick: So dürfe durch ein Exoskelett etwa die Bewegungsfähigkeit nicht eingeschränkt werden, damit keine Fehlhaltungen entstehen.
Wichtige Themen für künftige Präventionsarbeit
Psychische Belastungen, Digitalisierung/Künstliche Intelligenz sowie die Folgen des Klimawandels/der „Green Deal“ der EU wurden von den Teilnehmenden der Veranstaltung als die drei wichtigsten Themen für die Ausrichtung der künftigen Präventionsarbeit ausgewählt. Auch der Fachkräftemangel lag bei der Abstimmung weit vorne. Die Erfahrung zeige, dass die Arbeitsverdichtung ebenso wie der Fachkräftemangel und die Digitalisierung auch bei den Befragungen des Risiko-Observatoriums eine große Rolle spiele, erklärte Professor Dietmar Reinert. Gebe es zu wenige Menschen, die die anstehende Arbeit erledigen sollen, führe dies zu psychischen Belastungen. Reinert verwies auf online verfügbare Tools, die dabei helfen können, mögliche Quellen von Arbeitsverdichtung herauszufinden und Gegenmaßnahmen zu
ergreifen.
Dr. Dietmar Elsler erläuterte die Hintergründe des Green Deal – dem Ziel der EU, bis zum Jahr 2050 mithilfe von Maßnahmen in verschiedenen Bereichen wie dem Handel von Treibhausgasen klimaneutral zu werden. Der Arbeitsschutz müsse sich in diesem Zusammenhang – nach Worten von Elsler – mit ganz neuen Risiken beschäftigen, die zum Beispiel bei der Montage von Turbinen in Offshore-Windenergieparks oder beim Rückbau von alten Kraftwerken entstehen
können.
Dr. Stefan Hussy betonte, die Unfallversicherung und der Arbeitsschutz seien es nicht, die den Klimawandel verhindern könnten – man müsse lernen, mit den Folgen am Arbeitsplatz umzugehen. Hierzu könne es notwendig werden, in Länder zu schauen, die Erfahrungen mit speziellen Anforderungen an Gebäude (etwa Industriehallen in warmen Klimazonen) haben. Untersuchungen des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) zeigen nach Aussagen von Hussy, dass durch den Klimawandel auch psychische Belastungen entstehen können. „Wir können Firmen dabei unterstützen, ihren Mitarbeitenden mehr Sicherheit zu vermitteln“, mit diesen Worten eröffnete der DGUV-Hauptgeschäftsführer eine mögliche Perspektive. Er hob hervor, wie wichtig es sei, dass die Unternehmen ebenso wie die Gesellschaft resilient werden, um mit Belastungen besser umgehen zu können: „Ein erfolgreiches Unternehmen hat Veränderung und Resilienz im Kern.“ Resilienz bedeute auch, Veränderungen anzunehmen und als Chance zu begreifen, so Hussy.
Schon jetzt Strategien in die Wege leiten
Eine breite Mehrheit der Teilnehmenden sprach sich in einer abschließenden Umfrage bei der Veranstaltung dafür aus, bereits heute vorhandene Erkenntnisse von Trendermittlungen und Risikoforschung zu nutzen, um Präventionsstrategien einzuleiten. „Dahinter steht eine Erwartungshaltung“, stellte DGUV-Hauptgeschäftsführer Dr. Hussy fest und erklärte, dieser wolle man Rechnung tragen, indem die Unfallversicherungsträger sich zukunftsfähig aufstellten: Sie müssten in der Lage sein, sich auf schnelle Veränderungen einzustellen, um auch auf überraschende Fragen (etwa im Zusammenhang mit Pandemien wie COVID-19) Antworten geben zu können – in Abstimmung mit anderen Partnern und mithilfe ständiger Weiterentwicklung.
Interessenskonflikt: Die Autorin arbeitet für den Veranstalter „Die Basi im Dialog“. Weitere Interessenkonflikte liegen nicht vor.
doi:10.17147/asu-1-280227
Weitere Infos
Trendsuche zu Risiken am Arbeitsplatz
www.dguv.de/ifa/fachinfos/arbeiten-4.0/trendsuche/index.jsp
Green Deal der Europäischen Union
www.consilium.europa.eu/de/policies/green-deal/
Online-Tools zur Ermittlung möglicher Quellen von Arbeitsverdichtung in Unternehmen
www.Arbeitsverdichtung.de
Untersuchungen des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) zu psychischen Belastungen als Folge des Klimawandels
https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/4674
Weitere Informationen und Antworten auf Fragen, die während der hybriden Veranstaltung „Die Basi im Dialog mit der DGUV und der EU-OSHA“ gestellt wurden
https://www.basi.de/basi-im-dialog/
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