Generelles zum Arbeitsort: Gestalten oder Wählen?
Räumliche Mobilität im Arbeitskontext kann viele Gestaltungsformen annehmen. In der berufsbedingten Mobilität ist sie zum Beispiel beim Zugpersonal oder Personal der Transportbranche fester Bestandteil der Arbeitsaufgabe. In der mobilen digitalen (Wissens)Arbeit, die hier Fokus steht, sind Aufgabe und Mobilität dagegen nicht immer direkt miteinander verknüpft. Dank mobiler digitaler Arbeitsmittel kann, eine ausreichende Netzabdeckung vorausgesetzt, tatsächlich von einer Vielzahl von Orten gearbeitet werden (➥ Abb. 1). Diese Arbeiten außerhalb der Arbeitsstätte fallen nicht unter die Arbeitsstättenverordnung und deren Regelungen zur Verwendung von Bildschirmgeräten. Jedoch gelten die Vorschriften des Arbeitsschutz- und des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der sicheren und gesunden Gestaltung der Arbeit und die sich daraus ergebende Fürsorgepflicht des Betriebs gegenüber seinen Beschäftigten.
Der Digitalisierungsschub durch die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass vieles virtuell möglich ist und aus Unternehmenssicht gut funktioniert. Nicht alle Arbeiten sind jedoch virtuell durchführbar. Bei Arbeiten, die eine Präsenz in einem Fremdunternehmen über einen längeren Zeitraum erfordern (z. B. bei Instandhaltungsarbeiten), kann über eine gemeinsame Gefährdungsbeurteilung zwischen Fremd- und Auftragsunternehmen Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsplatzes genommen werden. Werden dagegen typische Büroarbeiten unter der Verwendung von tragbaren Bildschirmgeräten durchgeführt, ist der Ort der Tätigkeit theoretisch frei wählbar. Einer der aktuell vieldiskutierten Orte mobilen Arbeitens ist das Homeoffice, dessen Gestaltung mit Unterstützung des Unternehmens optimiert werden kann. Lassen sich die Umgebungsbedingungen weder durch Auswahl noch durch Absprachen optimieren, so sollten die Arbeiten an diesen Orten (wie Café, Zug) zeitlich begrenzt erfolgen.
Passt der Arbeitsort zur Arbeitsaufgabe und zum Arbeitsmittel?
Arbeiten mit längeren Texteingaben sollten an Geräten mit Tastatur ausgeführt werden. Steht am Arbeitsort genügend Platz zur Verfügung, kann ein Notebook zum Beispiel zusätzlich mit einer externen Tastatur und Maus gegebenenfalls auch mit einem zusätzlichen größeren Monitor verbunden werden. Der Bildschirm kann so getrennt von der Tastatur in einem optimalen Sehabstand aufgestellt und die Eingabegeräte können ergonomisch günstig arrangiert werden. Dies ist beispielsweise im Homeoffice, aber auch in Coworking-Spaces möglich.
Je weniger Platz die mobile Arbeitsumgebung bietet, desto eher wird nur mit dem Kerngerät (z. B. Notebook ohne externe Tastatur und Maus) gearbeitet. Da Bildschirm und Tastatur hierbei fest miteinander verbunden sind, kann weder eine ergonomisch günstige Haltung noch ein optimaler Sehabstand eingenommen werden. Bei Arbeiten im Zug sollten deshalb Sitzplätze an Tischen, die wenigstens noch Ablageflächen nicht nur für Notebooks, sondern auch für Handauflage bieten, bevorzugt gewählt werden (s. Beispiel: Ingo im Zug – Ruheabteil und Sitzplatz mit Tisch).
An flüchtigen Orten, die keine Ablageflächen bieten, sollten handgehaltene Geräte wie Tablets und Smartphones zum Einsatz kommen. Wegen der erschwerten Eingabe über Touchscreens sollten nur wenige textlastige Arbeiten ausgeführt werden (s. Beispiel: Ingo beim Telefonieren im Zug).
Generell sollte das Arbeiten unter ergonomisch ungünstigen Bedingungen (z. B. Lärm, schlechte Beleuchtungsbedingungen, schlechte Netzabdeckung) zeitlich auf das Notwendigste begrenzt erfolgen, um die Aufgaben später in optimaler Arbeitsumgebung (Büro) fortzuführen (s. Beispiel: Ingo beim E-Mail-Checken am Café-Stand und später für Nacharbeiten im Homeoffice).
Qualität und Quantität der realisierbaren Arbeitsergebnisse hängen stark von der Kombination aus Ort und mobilen Arbeitsmitteln ab. Ein größerer Bildschirm bietet mehr Übersicht für grafische Darstellungen und umfangreichere Tabellen, macht das tragbare Bildschirmgerät jedoch schwerer. Öffentliche Arbeitsorte erfordern gegebenenfalls neue Maßnahmen zur Datensicherheit.
Wie kann mobile Arbeit gut gestaltet werden?
Um den geeigneten Ort für die Arbeiten unterwegs mit den passenden Arbeitsmitteln auszuwählen oder durch Absprachen zu gestalten, bedarf es einer umsichtigen Planung anhand einer Gefährdungsbeurteilung. Diese sollte auch mögliche Störungen wie Terminverschiebungen und Zugverspätungen berücksichtigen. Hilfreich ist hierbei, die Tätigkeitsabläufe zeitlich zu strukturieren:
Tipps und Hinweise hierzu finden sich in der Studie „Mobile Arbeit gesund gestalten – ein Praxishandbuch“ (Breisig u. Vogl o.J., s. „Weitere Infos“). Weitere Hinweise zur richtigen Auswahl von Hotels, Coworking-Spaces und Homeoffice gibt auch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV).
Resümee
Eine erfolgreiche Gestaltung von mobiler Arbeit ist, wie auch die ortsveränderliche Verwendung von Bildschirmgeräten in der Arbeitsstätte, mehr als eine Ansammlung guter (technischer) Zutaten: Es ist das passgenaue Zusammenspiel aus Aufgabe, Technologie und (Arbeits-)Umgebung.
Da mobile Arbeit meist nicht in einer Einrichtung mit festen Arbeitsplätzen stattfindet und die Flexibilisierung der Arbeitsumstände das vorrangig angestrebte Ziel ist, müssen Unternehmen ihren Schutzpflichten durch entsprechende organisatorische Maßnahmen und klare Anweisungen gerecht werden, indem sie
Mobile Arbeit bedeutet Flexibilität hinsichtlich Zeit und Ort zur Durchführung der Arbeiten außerhalb des Betriebs sowohl für Arbeitgeber als auch für Beschäftigte. Werden jedoch die mobilen Arbeiten nicht nur sporadisch ausgeführt und umfassen regelmäßig einen ganzen Arbeitstag am Rechner oder einem tragbaren Bildschirmgerät (z. B. Laptop, Tablet) im Wohnbereich der Beschäftigten (Homeoffice), dann sollte mit Blick auf einen optimalen Arbeitsschutz mit der Betriebsleitung und der Personalvertretung über die Einrichtung von Telearbeitsplätzen diskutiert werden.
Interessenkonflikt: Beide Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Literatur
DGUV Fachbereich AKTUELL: Arbeiten im Homeoffice – nicht nur in der Zeit der SARS-CoV-2-Epidemie. Inhalt FBVW-402. Sachgebiet Büro 2020.
DGUV Fachbereich AKTUELL: Mobiles Arbeiten in Hotels. Ergonomisches Arbeiten auch im Hotel. Inhalt FBVW-401. Sachgebiet Büro 2020.
Kraus S, Grzech-Sukalo H, Rieder K: Mobile
Arbeit – Home-Office, Dienstreisen, Außendienst – was ist wirklich belastend? Z Arbeitswiss 2020; 74: 167–177.
Tegtmeier P: Nutzung von Smart Mobile Devices
und physische Beanspruchung. BAuA-Bericht kompakt. BAuA: Dortmund, 2017.
Tegtmeier P, Wischniewski S: Tablets and Smart Glasses in Modern Production Environments – A Lab Study on Distracted Walking. In: Karwowski W, Ahram T (Hrsg.): International Conference on Intelligent Human Systems Integration, vol 722. Springer: Cham, 2018, S. 614–619.
doi:10.17147/asu-1-161086
Weitere Infos
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Arbeitsplatz und Arbeitszeit
https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Coronavirus/…
Breisig T, Vogl G (Hrsg.): Mobile Arbeit gesund gestalten – ein Praxishandbuch
http://www.prentimo.de/assets/Uploads/prentimo-Broschuere-Screen.pdf
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV): FBVW-401 „Mobiles Arbeiten in Hotels“. 2001
https://publikationen.dguv.de/regelwerk/publikationen-nach-fachbereich/…
Kernaussagen
Beispiel
Ingos mobile Arbeitsorte
Ingo ist gerade auf dem Weg zu einem Projekttreffen in Ulm. Die Zugfahrt nutzt er für die Überarbeitung einer Präsentation auf seinem Notebook (Ruheabteil, Sitzplatz am Tisch).
Zwischendurch verlässt er für einen kurzen Anruf aus dem Büro den Wagon (Arbeit am flüchtigen Ort).
Beim Projekttreffen angekommen, baut er sein Notebook auf dem Konferenztisch auf (sporadischer Minimalarbeitsplatz, Präsenz erforderlich, Gestaltung über Absprachen).
Vor der Rückfahrt sucht er einen Café-Stand mit freiem WLAN-Angebot auf, checkt seine E-Mails und Termine auf dem Smartphone und trinkt einen Kaffee (temporärer Platz, Auswahl über Stehtisch (Licht, Tisch etc.)).
Mit dem nächsten Zug fährt er nach Hause. Die verbleibende Zeit bis zum Ende seiner täglichen Arbeitszeit nutzt Ingo dort noch
für Nacharbeiten (selbstgewählte Arbeit im Homeoffice, Gestaltung mit Unterstützung des Betriebs) und startet dann ohne weitere Pendelzeit pünktlich in den Feierabend.
Am nächsten Tag sucht er seinen festen Büroarbeitsplatz im Unternehmen auf und spricht mit seinen Kolleginnen und Kollegen weitere Projektarbeiten ab (Präsenz erforderlich, Arbeitsumgebung optimal gestaltet, Autonomie begrenzt).
Checkliste
Tipps zur Wahl oder Gestaltung von Arbeitsorten
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