Akustische Situation in Schulen – Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Institut für Lehrergesundheit
Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte sind im Rahmen ihrer Tätigkeit verschiedenen Belastungsfaktoren ausgesetzt. Schulartübergreifend empfindet über die Hälfte der bisher vom Institut für Lehrergesundheit befragten Bediensteten die vorhandene Geräuschkulisse an ihrer Schule als unangemessen bzw. störend. Damit nimmt Lärm die Spitzenposition unter den abgefragten klassischen Belastungsfaktoren ein. Für die Geräuschentwicklung im Unterricht spielen Schalldruckpegel interner und externer (Lärm-) Ereignisse sowie die raumakustischen Bedingungen in den Schulräumen eine wichtige Rolle. Im Verlauf allgemeinbildender Unterrichtsstunden wurden in Abhängigkeit der Unterrichtsform äquivalente Dauerschallpegel im Bereich von 52 dB(A) bis 79 dB(A) gemessen. Am lautesten wurde es im Sportunterricht mit über 92 dB(A). Die Bandbreite erhobener Nachhallzeiten in gewöhnlichen Unterrichtsräumen reichte von 0,38 bis 1,68 Sekunden. Zur wirksamen Reduzierung der Lärmbelastung von Bediensteten müssen angemessene verhältnis- als auch verhaltenspräventive Maßnahmen an den Schulen umgesetzt werden. Wichtig dabei ist die Berücksichtigung der Aufgaben der Schulen (z. B. Ganztagsschule, Inklusion, moderne Unterrichtsformen) und der individuellen Voraussetzungen von Schülern und Lehrkräften (z. B. Hörbeeinträchtigungen). Erforderlich ist weiterhin eine regelmäßige Überprüfung der Wirksamkeit umgesetzter Maßnahmen.
Schlüsselwörter: Schulraumakustik – Lärm – Nachhall
Acoustic situation in schools – experience and findings of the Institute for Teacher Health
Teachers and educational staff are exposed to various stress factors at their workplace. Across all types of school more than half of the teachers surveyed by the Institute for Teacher Health describe existing levels of background noise at their schools as inappropriate or disruptive. This means that noise is ranked number one among all the classic stress factors mentioned in the survey. Noise in schools can have several different external and internal causes, including unfavourable acoustic conditions in classrooms. Equivalent sound pressure levels of between 52 dB(A) and 79 dB(A) were measured in various lessons, depending on the style of learning. The highest was in physical education, at over 92 dB(A). The measured reverberation times in ordinary classrooms ranged from 0.38 to 1.68 seconds. Adequate situation- and behaviour-based strategies must be implemented in schools in order to effectively reduce the exposure of employees to noise. It is important to consider the nature of the schools at the same time (e. g. all-day school, inclusion, modern styles of learning) and the individual needs of pupils and teachers (e.g. hearing impairment). It is also essential to monitor the efficacy of implemented measures on a regular basis.
Keywords: acoustic conditions in classrooms – noise – reverberation
Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2016; 51: 724–729
Einleitung
Schule ist nicht mehr nur ein reiner Lernort, sondern eine Lebenswelt, in der Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und individuellen Voraussetzungen einen Großteil ihres Tages verbringen, miteinander kommunizieren und interagieren. Dabei entstehen unvermeidlich Geräusche, die je nach Intensität und Expositionsdauer von den betroffenen Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern als störend oder als Belastung wahrgenommen werden können. Hinweise hierauf liefern u. a. die Ergebnisse einer Studie des Instituts für Interdisziplinäre Schulforschung der Universität Bremen (ISF) aus dem Jahr 1999 (Schönwälder et al. 2003). Von über 1200 befragten Lehrkräften fühlten sich mehr als 80 % durch Lärm an ihrer Schule belastet. Anschließend durchgeführte Schalldruckpegelmessungen an mehreren Bremer Regelschulen zeigten, dass im Verlauf gewöhnlicher, allgemeinbildender Unterrichtsstunden, wie z. B. Deutsch, Mathematik oder Kunstunterricht, äquivalente Schalldruckpegel zwischen 60 und 85 dB(A) erreicht werden (Schönwälder et al. 2004; Tiesler u. Oberdörster 2005, 2006]. Einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung der Geräuschkulisse sowie auf die Sprachverständlichkeit im Unterricht hat die Nachhallzeit (u. a. beschrieben in der DIN 18041:2016). Gerade in älteren Schulgebäuden entspricht dieser raumakustische Parameter nicht immer den geltenden normativen Vorgaben. Nach Einschätzungen von Fachexperten sind mehr als die Hälfte der Unterrichtsräume an deutschen Schule wegen schlechter Akustik zu laut (Focus 2015; Pressemitteilung zum Tag gegen Lärm 2015 – eine Aktion der Deutschen Gesellschaft für Akustik). In diesem Beitrag werden Erfahrungen und Erkenntnisse des Instituts für Lehrergesundheit (IfL) zur akustischen Situation (aus der nunmehr über fünfjährigen arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung von Bediensteten) an staatlichen Schulen in Rheinland-Pfalz vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen die Ergebnisse durchgeführter Gefährdungs-/Risikobeurteilungen zur tätigkeitsbedingten Geräusch- und Lärmbelastung von Lehrkräften und Pädagogischen Fachkräften sowie erste Ergebnisse einer Untersuchung zur (Aus-)Wirkung raumakustischer Bedingungen auf die Entwicklung von Geräuschkulissen in Unterrichtsräumen. Vorab erfolgt ein kurzer Überblick zu bekannten (Lärm-)Entstehungszusammenhängen, möglichen physiologischen und psychologischen Wirkungen sowie zu gesetzlichen Vorgaben und normativen Empfehlungen für den Arbeitsplatz Schule.
Was ist Lärm?
„Lärm ist hörbarer Schall (z. B. Ton, Knall, störender Sprachschall, Maschinengeräusche), der die Gesundheit schädigen sowie das körperliche und/oder seelische Wohlbefinden des Menschen beeinträchtigen kann“ (BAuA 2016). Ob vorhandene Geräusche als Lärm empfunden werden oder nicht, ist u. a. abhängig von der subjektiven Wahrnehmung und der persönlichen Einstellung des Einzelnen gegengenüber der Geräuschquelle. „Was für die eine oder den einen Musik ist, kann für andere unerträglich wirken“ (BMUB 2015) oder frei nach Kurt Tucholsky: „Der eigene Hund macht keinen Lärm – er bellt nur.“
An Schulen existiert eine Vielzahl verschiedener Geräusch- bzw. Schallquellen. In die Betrachtung müssen sowohl verhaltensbezogene Aspekte, z. B. Verhalten von Schülern im Unterricht (Stühle rücken, Tuscheln mit dem Banknachbarn), als auch die Verhältnisse an der Schule, z. B. ungünstige raumakustische Bedingungen und/oder störende Hintergrundgeräusche wie Schallübertragungen aus benachbarten Unterrichtsräumen, einbezogen werden (Tiesler u. Oberdörster 2006, 2010). Wichtig ist weiterhin die Unterscheidung zwischen singulären Ereignissen (z. B. Schulklingel, Handyklingeln) und einer permanent vorhandenen Geräuschkulisse (z. B. Straßenverkehr).
Was gehört zu den Auswirkungen von Lärm?
Als die auffälligste Lärmwirkung gilt die Lärmschwerhörigkeit [VDI 2058 Blatt 2]. Mit 6216 Fällen war die Lärmschwerhörigkeit im Jahr 2015 die am häufigsten anerkannte Berufskrankheit (DGUV 2016). Dauerhaft hohe Schalldruckpegel in der Größenordnung > 85 dB(A) werden an Schulen für gewöhnlich nicht erreicht. Gleichwohl kann ein Auftreten dieser Werte nicht ausgeschlossen werden (Klatte et al. 2002; Schönwälder et al. 2004; Tiesler et al. 2005, 2006; Schöne et al. 2016). Neben der gehörschädigenden Wirkung von Lärm können auch Geräuschpegel mittlerer Intensität (
Gesetzliche und normative Vorgaben zur Prävention
Um tätigkeitsbedingte Gefährdungen und Belastungen durch Lärm möglichst vorausschauend zu minimieren, fordert der Gesetzgeber im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG § 5) und in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV § 3) die Beurteilung von physikalischen Einwirkungen am Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber. Eine wichtige Beurteilungsgrundlage stellt die Verordnung über Arbeitsstätten (ArbStättV 3.7) dar1. Demnach ist der Schalldruckpegel am Arbeitsplatz „… so niedrig zu halten, wie es nach der Art des Betriebes möglich ist“ und „… in Abhängigkeit von der Nutzung und den zu verrichtenden Tätigkeiten so weit zu reduzieren, dass keine Beeinträchtigungen der Gesundheit der Beschäftigten entstehen.“
Empfehlungen zu raumakustischen Bedingungen von Unterrichtsräumen sind der DIN 18041:2016 zu entnehmen. Hierin enthaltene Vorgaben orientieren sich u. a. am Raumvolumen und der Nutzungsart z. B. „Unterricht/Kommunikation“ und „Unterricht/Kommunikation inklusiv“. In Unterrichtsräumen mit einem Volumen von 200 m³ sollte die Nachhallzeit je nach Nutzungsart zwischen 0,45 und 0,55 Sekunden liegen (DIN 18041:2016, Abb. 1: Sollwert für unterschiedliche Nutzungsarten).
Kollektiv und Methode
Seit 2011 erfolgt die arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Betreuung von über 42 000 Lehrkräften und Pädagogischen Fachkräften an ca. 1600 staatlichen Schulen2 in Rheinland-Pfalz (RLP) durch das Institut für Lehrergesundheit (IfL). Die Ausgangsbasis für die Betreuung der Bediensteten stellt die Gefährdungsbeurteilung des Dienstherrn dar. Hierfür wurde vom IfL ein mehrstufiges Vorgehen entwickelt und mit dem Dienstherrn und den zuständigen Hauptpersonalräten der Bediensteten abgestimmt (Dudenhöffer et al. 2012). Speziell zur Ermittlung und Bewertung der Lärmbelastung von Bediensteten kamen Mitarbeiterbefragungen und darauf aufbauend messtechnische Verfahren zum Einsatz.
Die Befragungen erfolgten mit einem standardisierten Online-Fragebogen (IfL-Selbstcheck Teil 1 und Teil 3). Abgefragt wurden u. a. die subjektiv empfundene Lärmbelastung (während der Tätigkeit im Unterricht und während den Pausen) sowie die raumakustischen Bedingungen am Arbeitsplatz. Zudem wurden im Rahmen anschließender Schulbegehungen Mitarbeiterinterviews durchgeführt.
Zur Objektivierung der Befragungsergebnisse diente die Durchführung von orientierenden Schalldruckpegel- und Nachhallmessungen an den Schulen. Die Ermittlung tätigkeitsbezogener Schalldruckpegel erfolgte nach den Vorgaben der DIN EN ISO 9612:2009 „Bestimmung der Lärmexposition am Arbeitsplatz“ und der Technische Regel zur Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (TRLV) Lärm: Teil 2 „Messung von Lärm“ mit einem Schallpegelmessgerät der Genauigkeitsklasse 1 und/oder einem Personendosimeter der Genauigkeitsklasse 2. Die Bestimmung der Nachhallzeit erfolgte gemäß ISO 3382-2:2008 Teil 2 „Nachhallzeit in gewöhnlichen Räumen“ (Standardverfahren mit abgeschaltetem Rauschen). Zur Beurteilung und Interpretation der Messwerte wurde die DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen” herangezogen3.
Ergebnisse
An der Online-Mitarbeiterbefragung zur Arbeitssituation und zum individuellen Gesundheitsempfinden (IfL-Selbstcheck Teil 1) beteiligten sich bisher 5434 Bedienstete aller Schularten4. Auf das Abfragekriterium: „Ich empfinde den Lärmpegel an meiner Schule als angemessen und nicht störend“ antworteten 13,2 % mit ja und 28,9 % mit eher ja. Mehr als die Hälfte der Befragten empfanden den arbeitstäglich vorhandenen Geräuschpegel an ihrer Schule als eher störend (30,6 %) bzw. störend (24,4 %), 2,9 % machten hierzu keine Angaben ( Abb. 1).
Über ein Drittel der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer (n = 1939) bearbeiteten zusätzlich einen zweiten Fragebogen (IfL-Selbstcheck Teil 3) und machten u. a. Angaben zu empfundenen tätigkeitsbezogenen Belastungen an ihrem Arbeitsplatz ( Abb. 2). Dabei gaben 30,0 % der Bediensteten an, dass sie sich arbeitstäglich im Unterricht durch den vorhandenen Lärmpegel belastet fühlten. Bei 20,8 % war dies einmal pro Woche der Fall und bei weiteren 9,3 % mindestens einmal pro Monat. Zudem fühlten sich 40,5 % aller Befragten täglich in ihren Pausen durch zu hohe Lärmpegel belastet und 20,8 % einmal pro Woche. Die Nachhallzeit in ihrem Unterrichtsraum empfanden 20,4 % der Bediensteten täglich und 5,3 % einmal pro Woche als Belastung.
Zur Objektivierung der empfundenen Lärmbelastung erfolgten seit dem Schuljahr 2012/2013 81 Schalldruckpegelmessungen an 53 Schulen verschiedener Schularten. Im Verlauf allgemeinbildender Unterrichtsstunden (45 Minuten) wurden äquivalente Dauerschallpegel (LAeq) zwischen 52 dB(A) und 79 dB(A) gemessen. Die Intensität ermittelter Schalldruckpegel war u. a. abhängig von der Unterrichtsform und der Klassenstufe. In einzelnen Messperioden traten kurzfristig auch Maximalwerte über 90 dB(A) auf (z. B. Schreie oder Zuschlagen einer Tür). Dass in Unterrichtsstunden an Regelschulen durchaus auch höhere äquivalente Dauerschallpegel größer 85 dB(A) erreicht werden können, zeigen die Ergebnisse durchgeführter Messungen im Sportunterricht in Turnhallen sowie im Musikunterricht in Orchester-/Bläserklassen. Zur Einordung der Messergebnisse (Häufigkeit und Dauer der Exposition) und Berechnung der Tages-Lärmexposition wurden die Wochenstundenpläne von Lehrkräften herangezogen. Ausgewählte Beispiele ermittelter äquivalenter Dauerschallpegel sowie daraus errechneter Tages-Lärmexpositionspegel (Basis: personenbezogener äquivalenter Dauerschallpegel) sind der Tabelle 1 zu entnehmen5.
Neben der Lärmbelastung spielt der raumakustische Parameter Nachhallzeit in Unterrichtsräumen eine wichtige Rolle. Vom IfL wurden 103 Nachhallmessungen (69 Unterrichtsräume, 34 sonstige Räume z. B. Turnhallen, Betreuungsräume, Mensen, Flure) durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass in 41 Unterrichtsräumen (59,4 %) die empfohlenen Grenzwerte der DIN 18041 für die Nutzungsart „Unterricht/Kommunikation“ überschritten wurden. In 23 Räumen lagen die Nachhallzeiten über einer Sekunde ( Abb. 3). Die grauen Säulen stellen die Nachhallzeit [T Ist] für einen Unterrichtsraum dar (MW nach ISO 3382: 400 Hz bis 1250 Hz). Die rot gestrichelte Linie zeigt die vom Raumvolumen abhängige Soll-Nachhallzeit [T Soll] für den jeweils bemessenen Raum an.
Der Einfluss raumakustischer Bedingungen auf die Geräuschentwicklung im Unterricht, wurde im Rahmen einer Pilotstudie an 5 Grundschulen untersucht6. Einbezogen wurden 12 Lehrkräfte, die an zwei Messtagen abwechselnd in einem Raum mit günstiger Nachhallzeit (T 0,6 Sek.) unterrichteten. Parallel dazu erfolgten Schalldruckpegelmessungen. Die Ergebnisse durchgeführter arbeitsplatzbezogener Messungen ( Abb. 4) verdeutlichen den engen Zusammenhang zwischen den Parametern Nachhallzeit und äquivalenter Dauerschallpegel (LAeq; r = 0,59; p Aeq von 58,7 dB(A) und in Räumen mit ungünstiger Nachhallzeit ein LAeq von 63,8 dB(A) ermittelt (Range: 2,3 – 9,6 dB(A)).
Diskussion
In den zurückliegenden vier Schuljahren nahmen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung über 5400 Bedienstete aller Schularten an Befragungen des IfL zur Arbeitssituation und zum individuellen Gesundheitsempfinden teil. Angaben zu tätigkeitsbezogenen Gefährdungs-/Belastungsfaktoren an ihrem Arbeitsplatz machten 1939 Lehrkräfte und Pädagogische Fachkräfte. Zur Überprüfung und Objektivierung der beschriebenen Arbeitssituation erfolgten 81 personen- und arbeitsplatzbezogene Schalldruckpegelmessungen an unterschiedlichen Lehrerarbeitsplätzen und 103 Nachhallmessungen (davon 69 in Unterrichtsräumen).
Die Ergebnisse durchgeführter Mitarbeiterbefragungen zeigen, dass schulartübergreifend mehr als die Hälfte der befragten Lehrkräfte und Pädagogischen Fachkräfte den vorhandenen Geräuschpegel an ihrer Schule als nicht angemessen bzw. als eher störend empfanden. Damit nimmt Faktor Lärm die Spitzenposition unter den abgefragten klassischen Gefährdungs-/Belastungsfaktoren ein. Als Ursachen wurde von den Bediensteten ungünstige raumakustische Bedingungen (hohe Nachhallzeiten), Schallübertragung von angrenzenden Fluren oder Unterrichtsräumen sowie lokale Besonderheiten wie z. B. Straßenverkehrslärm berichtet. Ähnliche Ursachen und (Lärm-)Entstehungszusammenhänge beschreiben u. a. die Veröffentlichung von Tiesler und Oberdörster (2006, 2010). Häufig war aber das Vorhandensein von Lärm mittlerer Intensität nicht allein verantwortlich für das Belastungsempfinden von Bediensteten. Daher müssen bei der Bewertung der Belastungssituation immer auch mögliche Wechselwirkungen bzw. das Zusammenwirken mit anderen (Belastungs-)Faktoren, z. B. Klima, Raumluftqualität, die eigene Tagesform und die individuelle Lärmempfindlichkeit in die Betrachtung einbezogen werden (Schönwälder et al. 2004).
Zur Objektivierung der empfundenen Lärmbelastung erfolgten arbeitsplatz- und personenbezogene Schalldruckpegelmessungen in unterschiedlichen Unterrichtssituationen. Dabei wurden im Verlauf allgemeinbildender Unterrichtsstunden – in Abhängigkeit von der Unterrichtsform und der Klassenstufe – äquivalente Dauerschallpegel zwischen 52 dB(A) und 79 dB(A) ermittelt. Damit überschreiten die gemessenen Schalldruckpegel die von Normen bzw. Experten empfohlenen Werte für überwiegend geistige Tätigkeit (AEq = 92,5 dB(A)) und Bläser-/Orchesterklassen (LAEq = 89,7 dB(A)) identifiziert.
Bezüglich der raumakustischen Bedingungen in Unterrichtsräumen zeigte sich ein geteiltes Bild. Knapp ein Drittel der bemessen Unterrichtsräume entsprach den Vorgaben der DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen“. Mehr als jeder zweite Raum, der vom IfL bemessen wurde, wies zu hohe Nachhallzeiten auf. Ursachen hierfür waren meist nicht ausreichend dimensionierte oder nicht mehr funktionstüchtige Absorptionsflächen (z. B. überstrichene Akustikdecken). Da es sich hierbei vorrangig um von Schulen beauftragte Messungen handelte, ist diese Tatsache als Selektionseffekt bei der Ergebnisinterpretation zu berücksichtigen. Hinweise zu Auswirkungen von raumakustischen Bedingungen auf den Lernprozess von Schülerinnen und Schülern liefern verschiedene nationale und internationale Studien (z. B. Mutscher et al. 1976; MacKenzie et al. 1999; Klatte et al. 2002). So kann eine schlechte Raumakustik u. a. die Aufnahme und das Abspeichern von Informationen erheblich beeinträchtigen.
Um den Einfluss der Nachhallzeit u. a. auf die Geräuschentwicklung im Unterricht zu untersuchen, wurde vom IfL eine Pilotstudie an 5 Grundschulen durchgeführt. Die vorliegenden Ergebnisse weisen darauf hin, dass in Unterrichtsräumen mit ungünstiger Nachhallzeit eine deutlich höhere Geräuschkulisse vorherrscht als in Räumen mit günstiger Nachhallzeit. Im Durchschnitt war der Unterricht in den Räumen mit Nachhallzeiten von mehr als 0,6 Sekunden um 5,1 dB(A) „lauter“ (maximale Differenz: 9,7 dB(A)). Zu beachten ist, dass eine Verringerung des Schalldruckpegels um 10 dB(A) in etwa einer Halbierung der subjektiv empfundenen Lautstärke entspricht.
Schlussfolgerung und Ausblick
Die Lebenswelt Schule unterliegt einem kontinuierlichem Wandel. Beispiele hierfür sind u. a. die Entwicklung hin zur Ganztagsschule, die Aufgabe zur Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen an Regelschulen und der zunehmende Einsatz neuer Unterrichtsmethoden. Diese Entwicklungen gehen unabwendbar mit einer Veränderung der Anforderungen – speziell auch – an die raumakustischen Gegebenheiten an den Schulen einher. So können beispielsweise durch moderne Unterrichtsmethoden und Konzepte zum selbstbestimmten Lernen (Gruppen- oder Projektarbeit) in Unterrichtsräumen Geräuschkulissen entstehen (u. a. Klatte et al. 2002), für die diese Räume ursprünglich gar nicht ausgelegt waren. Insbesondere an Grundschulen scheint der herkömmliche Frontalunterricht immer mehr in den Hintergrund zu rücken. Dass es dennoch möglich ist, Unterricht in Räumen mit optimaler Nachhallzeit unterhalb der von der VDI-Richtlinie 2058 Blatt 3 geforderten 55 dB(A) zu gestalten, zeigen die Ergebnisse der durchgeführten Pilotstudie zum Thema Lärm und Nachhall an Grundschulen.
Um den Folgen ansteigender Geräuschkulissen entgegenzuwirken, ist es notwendig, die Verhältnisse an den Schulen zu überprüfen und, wenn erforderlich, dem sich verändernden Nutzungsverhalten und den Bedürfnissen der am Unterricht beteiligten Personen anzupassen. Eine Forderung zur konsequenten Umsetzung der Vorgaben aus der DIN 18041:2016 an Schulen wird in diesem Zusammenhang dabei als zweckmäßig angesehen. Aktuell wird durch das IfL und einen Hersteller von Absorbern, Möglichkeiten zur Optimierung der Schulraumakustik an 10 Projektschulen untersucht. Hierbei geht es darum, die Raumakustik von Schulräumen mit einer Nachhallzeit im Bereich 0,6 – 0,9 Sekunden mit kreativen Mitteln und vergleichsweise geringem Aufwand zu verbessern.
Neben den technisch/baulichen Maßnahmen können und sollten auch organisatorische und pädagogische Maßnahmen einen Beitrag zur Geräuschpegelreduktion im Unterricht und zur Erholung des Gehörs in Pausen leisten. Auf der pädagogischen Seite beschreiben Schönwälder et al. (2004) Maßnahmen wie z. B. den Einsatz von Symbolen/Zeichen („Finger vor den Mund, akustische oder visuelle Signale“) oder Rituale und Regelungen zwischen Lehrkraft und Klassenverbund, die sich im Rahmen durchgeführter Untersuchungen als praktikabel und wirksam erwiesen. Zu den organisatorischen Maßnahmen gehören u. a. die Schaffung und Nutzung von Ruhebereichen.
Während die Auswirkungen von störenden Geräuschkulissen auf den Lernprozess von Schülerinnen und Schülern bereits in verschieden Studien untersucht wurde, sind die Auswirkungen von ungünstigen raumakustischen Bedingungen auf physio-/psychologische Belastung und Beanspruchung von Lehrkräften nur wenig untersucht. Daher wurden in der Pilotstudie zum Thema Lärm und Nachhall parallel zu Schallpegelmessungen auch hierzu entsprechende Parameter/Daten erhoben. Die Ergebnisse werden aktuell im Rahmen einer Dissertation am IfL ausgewertet.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse durchgeführter Gefährdungsbeurteilungen, dass die vorhandene Geräuschkulisse an Schulen für Bedienstete einen wesentlichen Belastungsfaktor darstellt. Die in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung definierten Auslösewerte ( 80 dB(A) bzw. 85 dB(A)) werden in der Regel im Unterricht nicht erreicht. Gleichwohl zeigen die Ergebnisse durchgeführter Untersuchungen in Schulsporthallen und Bläser-/Orchesterklassen verschiedener Schulen, dass eine Überschreitung der unteren Auslöseschwelle ( 80 dB(A)) durchaus möglich ist. Um tätigkeitsbedingte Gefährdungen und Belastungen durch Lärm möglichst vorausschauend zu minimieren, müssen angemessene verhältnis- als auch verhaltenspräventive Maßnahmen an den Schulen umgesetzt werden. Werden während der dienstlichen Tätigkeit gesetzlich definierte Lärm-Grenzwerte (Auslösewerte) dauerhaft überschritten, muss der Dienstherr zudem für die betroffenen Bediensteten eine entsprechende arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten oder eine Pflichtvorsorge veranlassen (Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge § 3).
Literatur
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Dudenhöffer S, Claus M, Schöne K, Adams J, Beutel T, Rose D-M, Letzel S: Gesundheitsbericht über die staatlichen Bediensteten im Schuldienst in Rheinland-Pfalz IfL. Schuljahr 2012/2013.
Dudenhöffer S, Claus M, Schöne K, Vives Pieper P, Spahn D, Rose D-M, Letzel S: Gesundheitsbericht über die staatlichen Bediensteten im Schuldienst in Rheinland-Pfalz IfL. Schuljahr 2011/2012.
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Schönwälder H-G, Berndt J, Ströver F, Tiesler G: Belastung und Beanspruchung von Lehrerinnen und Lehrern. Schriftenreihe der BAuA Fb 989, Dortmund, 2003.
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Gesetze und Normen
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2013): Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV).
DIN 18041:2016 Hörsamkeit in Räumen – Anforderungen, Empfehlungen und Hinweise für die Planung. Beuth Verlag.
VDI-Richtlinie 2058 Blatt 2 Beurteilung von Lärm hinsichtlich Gehörgefährdung, Hrsg. Verein Deutscher Ingenieure.
VDI 2058 Blatt 3 Beurteilung von Lärm am Arbeitsplatz unter Berücksichtigung unterschiedlicher Tätigkeiten, Hrsg. Verein Deutscher Ingenieure.
Links
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015): Lärm und Lärmschutz. www.umwelt-im-unterricht.de/hintergrund/laerm-und-laermschutz/ [zuletzt geprüft am 27.07.2016].
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung – DGUV (2016): Anerkannte Berufskrankheiten. UV der gewerblichen Wirtschaft und der öffentlichen Hand sowie Schüler-UV: www.dguv.de/de/zahlen-fakten/bk-geschehen/anerkannte-bken/index.jsp [zuletzt geprüft am 09.08.2016]
Focus (2015): Pressemitteilung zum Tag gegen Lärm 2015, eine Aktion der Deutschen Gesellschaft für Akustik. www.focus.de/regional/berlin/gesundheit-tag-gegen-laerm_id_4644052.html [zuletzt geprüft am 27.07.2016].
Schönwälder H-G, Berndt J, Ströver F, Tiesler G: Lärm in Bildungsstätten: www.isf-bremen.de/publikationen/publikationen-i/l%C3%A4rm-zus/ [zuletzt geprüft am 27.07.2016].
Für die Verfasser
Klaus Schöne
Institut für Lehrergesundheit am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Kupferbergterrasse 17–19
55116 Mainz.
Fußnoten
Institut für Lehrergesundheit am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (Direktor: Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel), Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
1 Nach der Schulbaurichtlinie des Landes Rheinland-Pfalz sind bauaufsichtliche Vorschriften, Unfallverhütungsvorschriften sowie die anerkannten Regeln der Technik und die einschlägigen DIN-Normen zu beachten insbesondere auch die Vorgaben der ArbStättV und der DIN 18041.
2 Die Anzahl der Bediensteten und Schulen variierten in den einzelnen Schuljahren.
3 Vor März 2016 DIN 18041:2004, seit März 2016 DIN 18041:2016
4 Übersicht Schularten in RLP: http://bildung-rp.de/schularten.html
5 Anmerkung zur Differenz der arbeitsplatz- und personenbezogenen Schalldruckpegel: Lehrkräfte haben in der Regel keinen fixen Arbeitsplatz, sondern wechseln im Unterricht häufig die Raumposition. Weiterhin stellt auch das Sprechen der Lehrkraft eine Schallquelle dar, die direkt vom Lärmdosimeter aufgezeichnet wird (und ggf. eine Fehlerkorrektur erfordert). Die erhobenen arbeitsplatzbezogenen Werte stellen eher die vorhandene (Grund-)Geräuschkulisse im Unterrichtsraum dar.
6 Die Untersuchung enthält Daten aus der Dissertation von Frau Karoline Sommer-Schickert