Einleitung
Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, Beschäftigten an Bildschirmgeräten arbeitsmedizinische Untersuchungen anzubieten und ggf. die Kosten für eine spezielle Bildschirmarbeitsplatzbrille zu übernehmen. Nach § 6 der Bildschirmarbeitsverordnung ist eine spezielle Bildschirmbrille vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen, wenn die Untersuchung der Augen ergibt, dass spezielle Sehhilfen notwendig sind und normale Sehhilfen nicht geeignet sind. In der Arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung Teil 4 (2) Angebotsvorsorge bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten heißt es: „Die Angebotsvorsorge enthält das Angebot auf eine angemessene Untersuchung der Augen und des Sehvermögens. Erweist sich auf Grund der Angebotsvorsorge eine augenärztliche Untersuchung als erforderlich, ist diese zu ermöglichen. Den Beschäftigten sind im erforderlichen Umfang spezielle Sehhilfen für ihre Arbeit am Bildschirm zur Verfügung zu stellen, wenn das Ergebnis der Angebotsvorsorge ist, dass spezielle Sehhilfen notwendig und normale Sehhilfen nicht geeignet sind“.
Um die Indikation zur Verordnung einer speziellen Bildschirmbrille, augenärztliche Atteste, Brillenpässe und Brillenrezepte korrekt beurteilen zu können, benötigt der Betriebsarzt optische und ophthalmologische Kenntnisse.
Brillengläser
Brillengläser aus mineralischem Glas sind schwerer als Kunststoffgläser und leicht zerbrechlich. Sie sind pflegeleicht und kratzfest bei hoher Oberflächenhärte. Mineralische Gläser gibt es in einem Brechkraftbereich von 1,5–1,9 (höhere Brechungsstärke als bei Kunststoffgläsern).
Organische Brillengläser (Kunststoffgläser) sind leichter als mineralische Gläser und sehr bruchfest. Sie sind beständig gegen Funkenflug, haben aber eine geringe Oberflächenhärte trotz spezieller Beschichtungen und verkratzen leichter als mineralische Gläser. Der Brechzahlbereich von organischen Gläsern umfasst Brechzahlen von 1,5–1,74. Neben den sphärischen (kugelförmigen) Gläsern stehen teure asphärische Gläser für Spezialanwendungen zur Verfügung. Die asphärischen Gläser sind leichter und dünner. Sie nehmen zum Rand hin in der Krümmung zu mit einer besseren peripheren Abbildung. Sie kommen zum Einsatz z. B. im mittleren und hohen Plusbereich über 3–4 dpt.
Die Brechkraft (Stärke) eines Glases wird in Dioptrien (dpt) gemessen. Dabei gilt: Eine Dioptrie entspricht dem Kehrwert der in Metern angegebenen Brennweite(1 Dioptrie = 1 : f).
Man unterscheidet Einstärken- und Mehrstärkengläser mit zwei oder drei Brechwertzonen für die Ferne, Nähe und ggf. Zwischenentfernung. Bifokalgläser (Zweistärkengläser) und Trifokalgläser (Dreistärkengläser) werden heute wegen der sichtbaren Trennkante und dem unvermeidlichen Bildsprung nur noch selten gekauft. Durchgesetzt haben sich Gleitsichtgläser (Progressivgläser) mit kontinuierlichem stufenlosen Übergang vom Fern- zum Nahteil ohne sichtbare Trennlinien. Gleitsichtgläser haben aber den Nachteil, dass in Nähe nur in einem schmalen zentralen Bereich scharf gesehen wird, während die Umgebung unscharf ist (peripherer Astigmatismus). Anfangs muss man sich an die Gläser gewöhnen, weil z. B. beim Treppensteigen durch die Verzerrungen die Außenwelt zu schaukeln scheint. Manche Personen (bis ca. 1–2 %) kommen mit Gleitsichtbrillen auch nach einem längeren Trageversuch nicht zurecht, vor allem, wenn diese erst in einem Alter von über 55 Jahren erstmals verordnet werden. Gleitsichtbrillen (Mehrstärkengläser) sind erst ab einem Alter von 40–45 Jahren nötig, wenn aufgrund des Elastizitätsverlusts der Linse das Akkommodationsvermögen abnimmt und zum Nahsehen ein zusätzliches Brillenglas für die Lese- und ggf. für die Bildschirmentfernung nötig ist (Fern- und Nahteil ggf. mit zusätzlichem Zwischenteil mit unterschiedlichen Brechwerten/Dioptrien-Werten).
Fehlsichtigkeiten
Bei einem normalsichtigen Auge beträgt die Baulänge des Auges ca. 24 mm. Bei korrekter Gesamtbrechkraft des Auges von ca. + 60 Dioptrien konvergieren die Lichtstrahlen auf der Netzhaut, so dass ein scharfes Bild entsteht. Die Hornhaut hat eine Brechkraft von + 43 dpt, die Augenlinse von + 16 dpt.
Myopie
Die Ursache der Kurzsichtigkeit (Myopie) ist meist ein zu langes Auge (Achsenmyopie), seltener eine zu starke Brechkraft bei normal langem Auge (Brechungsmyopie). Als Faustregel gilt: 1 mm Augapfellängenunterschied zum Normalauge entspricht einem Brechkraftunterschied von ca. 3 Dioptrien.
Bei der Myopie werden parallel verlaufende Lichtstrahlen (Blick in die Ferne) so gebrochen, dass sie vor der Netzhaut konvergieren und somit ein unscharfes Bild entsteht. Für die Korrektion benutzt man Zerstreuungslinsen (Minus-Gläser, Konkavlinsen). So erfolgt z. B. der Ausgleich eines um 3 mm zu langen Auges durch Gläser mit minus 9 Dioptrien. Konkavbrillengläser (Minusgläser) haben eine Bildverkleinerung zur Folge, die Augen erscheinen dem Betrachter kleiner. In Deutschland sind 35 % der Bevölkerung zwischen 35 und 74 Jahren von einer Myopie mit einer Fehlsichtigkeit von mehr als minus 0,5 Dioptrien betroffen (Schiefer et al. 2016).
Hyperopie
Die Ursache der Weitsichtigkeit (Hyperopie) ist meist ein zu kurz gebautes Auge (Achsenhyperopie), seltener eine zu schwache Brechkraft bei normal langem Auge (Brechungshyperopien). Bei der Hyperopie werden parallel verlaufende Lichtstrahlen so gebrochen, dass sie hinter der Netzhaut konvergieren und ein unscharfes Bild entsteht. Für die Korrektion benutzt man Sammellinsen (Plus-Gläser, Konvexlinsen). Konvexbrillengläser (Plusgläser) vergrößern das Bild. Die Augen erscheinen dem Betrachter größer. In Deutschland sind 31,8 % der Bevölkerung zwischen 35 und 74 Jahren von einer Hyperopie von mehr als plus 0,5 betroffen (Schiefer et al. 2016).
Astigmatismus
Die Ursache der Stabsichtigkeit (Astigmatismus – zylindrische Ametropie) ist eine Hornhautverkrümmung bzw. Hornhautverformung. Dabei ist die Hornhaut in einer Hauptachse nicht kugelförmig (sphärisch) geformt. Dies ist vergleichbar mit einem zunächst kugelförmigen Ball, der zwischen den Handflächen gedrückt und abgeflacht wird zu einem „Football“ oder Ei (Hornhautverformung). In der Hauptschnittebene (in zum Football zusammengeschobenen Meridianen) ist der Krümmungsradius durch die Hornhautverformung kleiner und die lichtbrechende Wirkung (Brechwert) nimmt zu. In der dazu senkrechten Hauptschnittebene (Meridian) ist der Krümmungsradius größer und die lichtbrechende Wirkung (Brechwert) geringer. Lichtstrahlen konvergieren durch die ungleiche Brechkraft in den Hauptschnittebenen (Meridianen) nicht zu einem (Brenn-)Punkt, sondern zu einer (Brenn-)Linie stabförmig auf der Netzhaut, so dass ein verzerrtes unscharfes Bild entsteht ( Abb. 1). Meist liegt ein regulärer Astigmatismus vor, bei der die Hauptschnittebenen (Meridiane) senkrecht aufeinander stehen. Die Korrektion (Ausgleich) erfolgt mit Zylindergläsern (torische Gläser), die nur in einer Achse brechen. Ein Astigmatismus tritt häufig gleichzeitig mit einer Myopie oder Hyperopie auf. Sphärische und zylindrische Gläser können miteinander kombiniert werden, so dass dann eine adäquate Korrektur erreicht wird. In Deutschland sind 32,3 % der Bevölkerung zwischen 35 und 74 Jahren von einem relevanten Astigmatismus über 0,5 Dioptrien betroffen (Schiefer et al. 2016).
Presbyopie
Die Ursachen der Presbyopie (Alterssichtigkeit) sind der fortschreitende Elastizitätsverlust der Augenlinse und Strukturveränderungen der Zonulafasern sowie des Ziliarmuskels. Die Akkommodationsfähigkeit – mit Brechtwerterhöhung der Linse beim Betrachten von nahen Objekten – lässt kontinuierlich mit zunehmendem Alter nach und der Nahpunkt rückt immer weiter weg. Die Presbyopie wird meist etwa ab dem 40. bis 45. Lebensjahr bemerkt, wenn der Nahpunkt etwa bei 45–50 cm liegt und „die Arme zum Lesen zu kurz werden“. Im normalen Leseabstand von 40 cm können dann Lesetexte nicht mehr scharf gesehen werden. Die Korrektion erfolgt mit einer Lesebrille (+Gläser), bei schon vorbestehender Fehlsichtigkeit (wie z. B. Myopie oder Hyperopie) mit Mehrstärkengläser, meist Gleitsichtgläsern oder neuerdings auch mit Mehrstärkenkontaktlinsen mit verschiedenen Brechwertzonen.
Folgende grobe Richtwerte gelten für die altersabhängige Nahkorrektion mit Lesebrille oder für die Addition zur Fernbrille ( Abb. 2): Alter 40 ca. + 1,0 dpt; Alter 50 ca. +2,0 dpt; Alter über 60 ca. 2,5–3,0 dpt.
Sehhilfen/Brillen
Man unterscheidet sphärische (kugelförmige) Gläser, die in allen Achsen gleich brechen und zylindrische (torische) Gläser, die nur in einer Achse brechen. Sphärische und zylindrische Gläser können bei Myopie bzw. Hyperopie und Astigmatismus (in einem Glas) kombiniert werden.
Bei der Brillenverordnung auf einem Brillenrezept erfolgt die Angabe der Brechwerte der Gläser nach dem TABO-Schema (Technischer Ausschuss für Brillenoptik):
- sph = sphärisches Glas
- cyl = zylindrisches Glas
- Add = Addition eines Nahglases bei Presbyopie (Alterssichtigkeit)
- = Minusglas; + = Plusglas; A = Achse in Grad
Augenärzte geben bei der Brillenverordnung astigmatische Werte meist in Minus-Zylinder-Schreibweise an, die optische Industrie und die Optiker im Brillenpass in Plus-Zylinder-Schreibweise (Umrechnungsregel, s. Infokasten).
Beispiele: (Minus-Zylinder-Schreibweise)
- Ferne rechts sph – 3,75 cyl – 2,5, A 90º (Kurzsichtigkeit und Astigmatismus)
- Ferne links sph – 3,25 (Kurzsichtigkeit), Nähe Add rechts und links +2,0
- Ferne rechts sph + 3,0 (Weitsichtigkeit)
- Ferne links sph + 2,75 cyl – 2,0 A 5º (Weitsichtigkeit und Astigmatismus im Minus-Bereich; Schiefer et al. 2016; Lachenmayr et al. 2016; Methling 2013)
Bildschirmbrillenversorgung
Der Betriebsarzt ist in den Betrieben in der Regel der Ansprechpartner für die Prüfung der Notwendigkeit der Verordnung einer speziellen Bildschirmbrille. Bei der Untersuchung nach dem DGUV Grundsatz G 37 und bei Visusprüfungen mit dem Sehtestgerät kann die Indikation zur Beschaffung einer Bildschirmbrille festgestellt werden.
Etwa ab dem 45. Lebensjahr benötigt auch der Normalsichtige eine Brille für die Nähe. Diese Lesebrille ist keine Bildschirmbrille, sondern wird nur für den Leseabstand (40 cm) benötigt. Etwa ab dem 50. Lebensjahr (bei Hyperopen auch früher) kann es mit der vorhandenen Brille bei längerer Bildschirmarbeit – insbesondere, wenn damit eine ungünstige Kopfhaltung verbunden ist – zu unscharfem Sehen, Nackenschmerzen und Kopfschmerzen kommen. Nicht selten wird die Lesebrille am Bildschirm benutzt. Um scharf sehen zu können, beugen sich die betreffenden Personen in einer Zwangshaltung mit HWS-Hyperlordosierung nach vorne und tauchen fast in den Bildschirm ein. Die Folgen dieser unphysiologischen Haltung sind häufig Rücken- und Kopfschmerzen ( Abb. 3a). Nicht selten beobachtet man, dass Personen mit etwa 55 Jahren und älter mit ihrer Universalgleitsichtbrille durch den Nahteil (Leseteil) auf den Bildschirm blicken in einer Zwangshaltung mit HWS-Hyperlordosierung, da sie durch den schmalen Mittelteil den etwas 70 cm entfernten Bildschirm nicht mehr scharf sehen können ( Abb. 3b). In den genannten Fällen ist die Verordnung einer speziellen Bildschirmarbeitsplatzgleitsichtbrille (Nahkomfortbrille/Raumgleitsichtbrille) nötig, mit einem großen Nahteil und einem breiten komfortablem Sehkorridor für die Nähe und den Bildschirmabstand. Mit einer solchen Brille können auch über 50-jährige Personen ergonomisch ohne Zwangshaltungen am Bildschirm arbeiten ( Abb. 3c).
Indikation für Bildschirm-Raumgleitsichtbrillen
Universalgleitsichtbrillen haben mit zunehmendem Alter (> 50 bis 55 Jahren) den Nachteil, dass die Gleitsichtübergangszone für den Bildschirmabstand in etwa 60–80 cm Entfernung immer schmaler ausfällt und ein ergonomisches Sehen ohne Zwangshaltungen nicht mehr möglich ist. Nicht selten wird dann über den breiten Leseteil in einer Zwangshaltung auf den Bildschirm gesehen. Die in diesem Alter nicht selten auftretenden Wirbelsäulenbeschwerden werden durch die Zwangshaltungen verschlimmert bzw. ausgelöst. Hier ist die Verordnung einer speziellen Bildschirmarbeitsbrille, auch im Interesse des Arbeitgebers, notwendig, um Fehler bei der Arbeit und krankheitsbedingte Ausfallzeiten zu vermeiden.
In einer sehr informativen Publikation über „Rechtliches im Zusammenhang mit der Bildschirmbrille“ hat Aligbe (2016) über die Erfordernis einer Bildschirmbrille ausgeführt, dass eine solche Brille nur dann notwendig sei, wenn sie tatsächlich erforderlich und nicht lediglich nützlich ist. Wörtlich heißt es: „So ist oft eine Gleitsichtbrille nicht erforderlich. Eine Gleitsichtbrille kaschiert im Wesentlichen die Übergänge zwischen den verschiedenen Brennweiten in der Brille. Dies wird aber für die Arbeit am Bildschirm nicht als erforderlich erachtet (wenngleich es ohne Zweifel nützlich ist)“. Der Autor bezieht sich dabei auf ein Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 12.06.2001 (5 Ca 316/00). Die Aussagen aus dem Jahre 2001 sind so nicht zutreffend und veraltet. Damals wurden überwiegend Universalgleitsichtbrillen verordnet. Seitdem hat die Industrie wesentlich bessere speziell auf den Bildschirm abgestimmte Raumgleitsichtbrillen entwickelt mit einem breiten angenehmen Mittel- und Nahteil. Durch eine Raumkorrektur des Fernteils um + 0,5 und mehr (Vernebelung) kann man je nach Arbeitsplatzbedingungen bis 1–3 m in die Ferne scharf sehen mit dem Vorteil eines angenehmen breiten Glasmittelteils mit Blick auf den Bildschirm. Diese Brillen sind spezielle Arbeitsplatzbildschirmbrillen, mit denen man nicht Autofahren darf. Die Verordnung spezieller Bildschirm-Raumgleitsichtbrillen ist für den o. g. Personenkreis notwendig, da normale Sehhilfen wie Universalgleitsichtbrillen – in einem Alter von über 50 bis 55 Jahren – häufig nicht mehr geeignet sind. Bis zum 50. Lebensjahr kommen die meisten Personen noch mit einer Universalgleitsichtbrille zurecht, wenn durch den Fern- bzw. Mittelteil noch ohne Zwangshaltung scharf gesehen werden kann.
Kooperation zwischen Betriebsarzt, Augenarzt und Optiker
Bei der Verordnung einer speziellen Bildschirmbrille ist eine Kooperation zwischen Betriebsarzt, Augenarzt und Optiker notwendig. Der Betriebsarzt kennt die speziellen Arbeitsplatzbedingungen, die Sehentfernungen zu Beleg, Monitor und ggf. zu sonstigen Sehfeldern. Der Augenarzt führt eine spezielle Augenuntersuchung durch, schließt krankhafte Befunde aus und bestätigt die Notwendigkeit einer speziellen Bildschirmbrille. Der Optiker fertigt und passt die Brille an. Die Gläser sollten zur Reflexminderung zumindest einfach entspiegelt , aber nicht getönt sein (außer aus medizinischer Indikation). Eine Tönung verringert den Kontrast und scharfes Sehen. Bei der Brillenanpassung ist die Kenntnis des individuellen Bildschirmabstands notwendig. Bei größeren Bildschirmen wird in einem größeren Abstand komfortabler gesehen als bei kleineren Bildschirmen (optimaler Abstand bei 17 Zoll ca. 65–70 cm, 15 Zoll ca. 70 cm, 21 Zoll ca. 70–75 cm, 24 Zoll ca. 80 cm).
Wichtig ist die optimale Brillenanpassung durch den Optiker unter Kenntnis der Arbeitsplatzbedingungen (Bildschirmgröße/Bildschirmabstand). Die Brille muss exakt zentriert werden. Dabei muss der natürliche Blick geradeaus berücksichtigt werden und auch die natürliche ungezwungene Körper- und Kopfhaltung fließt in die Brillenzentrierung ein. Wichtige Parameter sind die Vorneigung der Brillenfassung, die Pupillendistanz und der Hornhaut-Scheitel-Abstand HSA (mind. 11–14 mm, bei 7 mm Wimpern).
Wie schon oben dargelegt, sind moderne Raumgleitsichtbrillen etwa ab dem 50. bis 55. Lebensjahr als spezielle Bildschirmbrillen der Goldstandard (bei Hyperopie auch früher).
Vergleich Bildschirmbrille, Universalgleitsichtbrille, Bi-, Tri- und Monofokalbrille
Der Vorteil einer speziellen Bildschirmarbeitsbrille (Nahkomfort-Raumgleitsichtbrille) gegenüber einer Universal-Gleitsichtbrille ist eine Raumkorrektur von 0,5 Dioptrien oder mehr im Fernbereich (Vernebelung); dadurch ist die Progressionszone verlängert und die Randzonen sind angenehm verträglich.
Monofokalbrillen (Einstärkenbrillen) sind ab dem 50. bis 55. Lebensjahr nur bei ausschließlicher Bildschirmarbeit ohne Lese- und Nahtätigkeit ausreichend. In der Regel sind aber bei den meisten Bildschirmarbeitsplätzen auch Lesetätigkeiten notwendig.
Bifokal- oder Trifokalbrillen sind nur für besondere Arbeitsplätze zu empfehlen (z. B. bei Handwerkern mit Überkopfarbeit). Bei diesen Brillen wirken sich die Trennkante und der Bildsprung mit einem „toten Bereich“ in der benötigten Zwischenentfernung nachteilig aus.
Teurere asphärische Gläser sind in der Regel unnötig bei der Bildschirmarbeit. Sie kommen nach augenärztlicher Indikationsstellung in Ausnahmefällen in Frage, wie z. B. bei der Korrektion durch hohe Plusgläser.
Wegen dem höheren Blaulichtanteil moderner LED-Büroleuchten und LED-Displays werden neuerdings Bildschirmbrillen mit Blaulichtfilter von den Herstellern empfohlen. Solche Brillen mit UV-Filter sind nach Ansicht von Prof. Salchow, Uni-Augenklinik Charité Berlin, nicht notwendig. Fakt ist: Die UV-Belastung in einem modernen Büro ist bei einstündiger Arbeit 30-mal geringer als im Freien an einem bewölkten Tag (Salchow 2013; Wolfram et al. 2014).
Der Arbeitgeber und der Dienstherr müssen die Kosten für notwendige spezielle Bildschirmbrillen, die nur am Arbeitsplatz getragen werden, komplett im nötigen Umfang übernehmen. Anhaltspunkte sind die gewährte Kostenerstattung bei Korrektions-Arbeitsplatzschutzbrillen.
Kostenrahmen
Folgender Kostenrahmen sollte in der Regel eingehalten werden:
- Kostengünstige einfache, medizinisch notwendige Ausstattung (keine besseren oder Luxusvarianten)
- Fassung/Gestell 11–20 €
- Spezielle Sehhilfen bei sonst normalen oder einfachen Sehfehlern 100–150 € mit Einfachentspiegelung, keine Tönung (außer medizinisch induziert)
- Übernahme höherer Kosten bei hoher Hyperopie oder Myopie (mehr als 6–8 dpt) oder speziellen Augenerkrankungen, z. B. bei notwendigen Prismengläsern bei speziellen Schielfehlern.
Als Höchstbetrag für Brillengläser gilt der im Durchschnitt niedrigste Marktpreis. Voraussetzung ist, dass die vorherige Untersuchung und Bescheinigung des Betriebsarztes/der Betriebsärztin ergeben hat, dass die spezielle Sehhilfe für die Arbeit am Bildschirm nötig ist, weil allgemeine Sehhilfen für die Bildschirmarbeit nicht geeignet oder aus besonderen Gründen des Arbeitsschutzes eine spezielle Sehhilfe erforderlich ist. Kunststoff- bzw. Leichtgläser können (falls teurer als mineralische Gläser) nur in begründeten Ausnahmefällen berücksichtigt werden (z. B. ab +/– 6 dpt). Getönte bzw. phototrope Gläser sowie spezielle Entspiegelungen sind nicht erstattungsfähig.
Günstige Einkaufsbedingungen sind für kleinere Betriebe möglich durch gemeinsame Einkaufsgemeinschaften bzw. für größere Firmen nach Verhandlungen mit Optikketten, wie z. B. Fielmann oder Apollo für Bildschirmbrillen
Rechtssprechung/Urteile
Die Rechtsprechung hat auf Grundlage der Bildschirmarbeitsverordnung anerkannt, dass der Arbeitgeber die Kosten für notwendige Bildschirmarbeitsbrillen, die nur am Arbeitsplatz getragen werden, im nötigen Umfang ohne Zuzahlung übernimmt, unter Berücksichtigung der Grundsätze der Sparsamkeit (Wirtschaftlichkeit). Hierzu einige Urteile und Verwaltungsrichtlinien:
- Arbeitsgericht Neumünster: Januar 2000 Az. 4 Ca 1034 b/99 „Angemessene Kostenerstattung für eine bildschirmgerechte Sehhilfe“
- Bundesverwaltungsgericht: Urteil vom 27.02.2003 – 2 C 2.02 „Spezielle Bildschirm-Sehhilfen sind in vollem Umfang vom Dienstherrn zu bezahlen“
- Verwaltungsgericht Düsseldorf: Urteil vom 13.08.2015 – 13 K 8738/14
- Rundscheiben des Bundesinnenministeriums vom 30.09.2003 – D II 4 – 211470-1/201
- Verwaltungsgericht Frankfurt am Main: Urteil vom 09.03.2009 – Az. 9 K 96/09.F. Der Kostenerstattungsanspruch für eine Bildschirmbrille darf nicht durch Verwaltungsvorschriften auf Festbeträge oder den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung bei Gewährung einer Sachleistung beschränkt werden.
Literatur
Aligbe P: Rechtliches in Zusammenhang mit der „Bildschirmbrille“. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2016; 51: 861–864.
Dietze H (Hrsg.): Die optometrische Untersuchung. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme, 2015.
Schiefer U, Kraus C, Baumbach P, Ungewiß J, Michels R: Refraktionsfehler – Epidemiologie, Auswirkungen und Behandlungsmöglichkeiten. Dtsch Ärztebl Int 2016; 113: 693–702.
Lachenmayr B, Friedburg D, Buser A: Auge – Brille – Refraktion. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme, 2016.
Methling D: Bestimmung von Sehhilfen. 3. Aufl. Stuttgart, Thieme, 2013.
Wolfram C, Höhn R, Kottler U et al: Prevalence of refractive errors in the European adult population: The Gutenberg Healthy Study (GHS). Br J Ophtalmol 2014; 98: 857–861.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Info
Umrechnungsregel – Minus-zylinder-schreibweise in Plus-zylinder-scheibweise
Umrechnungsregel
- Die Achse ändert sich um 90 Grad
- Der Zylinder bleibt gleich, wird aber in Plus-Schreibweise dargestellt
- Beim sphärischen Wert wird ein Plus-Zylinder addiert, ein Minus-Zylinder subtrahiert
Minus-Zylinder-Schreibweise
- Glas mit sph +3,0 cyl –2,0 A 10°
- Umrechnung: A 10° +90° = 100° – Zylinder ändert sich von Minus nach Plus: +3,0 –2,0 (cyl) = + 1,0
- Ergebnis Plus-Zylinder-Schreibweise
- Glas mit sph +1,0 cyl +2,0 A 100°
Weitere Infos
Zeiss-Augenoptik: Die zwei Seiten des blauen Lichts
www.zeiss.de/vision/care/de_better-vision/Sehen.Verstehen/Auge
Salchow D: Mythen um das Auge des Betrachters. ARD-Sendung 14.04.2013 17.00 Uhr (Video verfügbar bis 13.04.2018)
www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/sendung/auge-110.html
Autor
Dr. med. Rolf Kittel
Facharzt für Arbeitsmedizin
Sozialmedizin – Umweltmedizin
Mannsperger Weg 6
71263 Weil der Stadt