Untersuchungen zur Tragezeitbegrenzung bei Chemikalienschutzanzügen
Einleitung und Ziel: Das Tragen von Chemikalienschutzanzügen (CSA) zum Schutz vor flüssigen Chemikalien ist in der chemischen Industrie häufig notwendig. Das Tragen von CSA ist durch das starke Schwitzen und das Wärmegefühl subjektiv belastend. Sofern CSA ohne gleichzeitigen Atemschutz verwendet werden, bestehen derzeit noch keine klaren Regelungen zur maximalen Tragedauer. Ziel dieser Studie ist es, die subjektive Belastung beim Tragen der CSA zu objektivieren und damit Anhaltspunkte für eine sinnvolle zeitliche Begrenzung der Tragezeit zu finden.
Methode und Konzept: Die Untersuchung gliederte sich in zwei Teile. Im ersten Teil wurde bei 11 gesunden männlichen Probanden im mittleren Alter eine Ergometrie mit und ohne CSA unter Registrierung von Blutdruck, Puls, Körpertemperatur und EKG über 30 Minuten durchgeführt. Im zweiten Teil führten 10 Probanden leichte bis mittelschwere handwerkliche Tätigkeiten in einem Feldversuch unter Registrierung von Blutdruck, Puls und Körpertemperatur im CSA über 2 Stunden durch.
Ergebnisse: Alle Probanden konnten beide Untersuchungen vollständig absolvieren, ohne dass Herz-Kreislauf-Probleme auftraten. In der Ergometrie mit und ohne CSA zeigten sich im Vergleich bei der Herzfrequenz und der Körpertemperatur signifikante Unterschiede erst am Ende der Belastung und in der Ruhephase. Im Feldversuch fanden sich bis zu einer Unter-suchungsdauer von 110 Minuten ein kontinuierlicher Anstieg der Körper-temperatur und der Pulsfrequenz trotz gleich bleibender körperlicher Belastung. Der systolische und diastolische Blutdruck fielen im Laufe des Feldversuchs kontinuierlich ab, was als ein Zeichen der Dehydratation gewertet wird.
Schlussfolgerung: Das längere Tragen von CSA stellt eine Belastung des Organismus dar. Aufgrund der Untersuchungen ist es sinnvoll, die maximale Tragezeit von CSA zu begrenzen. Bei leichten bis mittelschweren Tätigkeiten unter günstigen klimatischen Bedingungen ist eine Tragezeit von 90 Minuten für gesunde Mitarbeiter im mittleren Lebensalter vertretbar. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr vor und nach der Tätigkeit im CSA sollte geachtet werden.
Schlüsselwörter: Chemikalienschutzanzüge – Hitzearbeit – Tragezeit – Herz-Kreislauf-Belastung
Investigations regarding the maximum wearing time of chemical protective clothing
Introduction and goals: In the chemical industry, wearing chemical protective clothing (CPC) is often necessary as protection against hazardous chemical fluids. However, wearing CPC can be a strain due to sweating and a sensation of heat because the clothing is impermeable to sweat. As long as CPC is worn without a breathing mask there is no official regulation limiting the maximal wearing time. The goal of this study is to evaluate the subjective stress of wearing CPC using objective parameters to obtain guidelines for a reasonable limitation of the wearing time of CPC.
Methods and concept: The investigation consisted of two parts. During the first part, 11 middle-aged healthy male volunteers performed a bicycle ergometer stress test over 30 minutes with and without CPC. Blood pressure, heart rate, tympanic temperature and a 12-channel ECG were recorded. In the second part, the field trial, 10 volunteers performed light to moderate manual activities for 120 minutes with CPC. Blood pressure, heart rate and tympanic temperature were monitored every 10 minutes.
Results: All volunteers were able to complete both challenges without experiencing any cardiovascular problems. Significant differences in heart rate and body temperature could only be found at the end of the physical exertion and during the recovery period of the ergometer exercise. In the field trial, a progressive increase of body temperature and heart rate could be observed over the whole 110-minute period of investigation. Systolic and diastolic blood pressure decreased progressively during the field trial, which was interpreted as a sign of dehydration.
Conclusion: Wearing CPC over long periods can be a burden in physical terms. According to our investigation it is reasonable to limit the wearing time of CPC to 90 minutes for healthy middle-aged workers performing light to moderate work under moderate climatic conditions. It is important to stress the necessity of adequate fluid intake before and after performing tasks in CPC.
Keywords: chemical protective clothing – heat work – wearing time – cardio-vascular stress
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2014; 49: 446–451
Einleitung und Ziel
Das Tragen von Chemikalienschutzanzügen (CSA) zum Schutz vor flüssigen Chemikalien ist in der chemischen Industrie bei entsprechenden Gefährdungen erforderlich. Eine Klassifizierung der Chemikalienschutzkleidung findet sich in Tabelle 1. Im Routinebetrieb müssen diese Anzüge meist nur über einen kurzen Zeitraum (< 20 min) getragen werden. Im Rahmen von Wartungs- und Reparaturarbeiten sind aber oft längere Tragezeiten erforderlich. Das Tragen dieser Anzüge ist in Abhängigkeit von der Tragezeit mit einem Feuchtigkeits- und Wärmestau verbunden, da diese Anzüge wasserdampfundurchlässig sind. Ziel dieser Untersuchung ist es zu klären, wie lange die Anzüge getragen werden können, ohne dass eine gesundheitliche Gefährdung der Schutzanzugträger besteht. Eine klare Richtlinie zur Begrenzung der Tragezeit seitens der Berufsgenossenschaften besteht nur beim Tragen von Chemikalienschutzanzügen mit gleichzeitigem Atemschutz. Für Anzüge mit Atemschutz gibt es in den BGR 189 und 190 konkrete Regelungen für die maximal zulässige Tragezeit (z. B. 30 Minuten beim Tragen von CSA Typ 1, bei den übrigen CSA 0,8 × der Tragezeit des Atemschutzes ohne CSA, Details im Anhang 2 der BGR 190). Bei der Verwendung von Schlauchgeräten mit Frischluftzufuhr sind teilweise sehr lange Tragezeiten möglich, z. B. bei einem Gerät mit Maske und Frischluftzufuhr ergibt sich eine maximale Tragezeit von 0,8 × 150 min, also 120 min. Sofern die Anzüge aber nur mit einem Helm mit Visier getragen werden, greifen diese Regelungen nicht. Dies ist z. B. beim Austausch von Rohrleitungen der Fall, in denen trotz vorhergehender Spülung Reste von Säuren oder Laugen vorhanden sein können. Bei der Demontage von Rohrleitungen mit größerem Durchmesser sind hier Tragezeiten von über einer Stunde erforderlich.
Aus publizierten Untersuchungen geht hervor, dass das Tragen von luft- und wasserdampfdichten Anzügen bei körperlicher Be-lastung zu verschiedenen Effekten auf den Organismus führt. Die Untersuchungen unterscheiden sich allerdings in wesentlichen Para-metern ganz erheblich, so dass eine Vergleichbarkeit nicht ohne weiteres gegeben ist.
1998 untersuchte Wegner Arbeiter beim Tragen von propylen-beschichteten Einwegchemikalienschutzanzügen (Wegner et al. 1998). Im Laborversuch ergab sich eine signifikant höhere Beanspruchung im Anzug, die an einer erhöhten Herzfrequenz, einem erhöhten Arbeitspuls und einer erhöhten Hauttemperatur gemessen wurde. Stein konnte jedoch bei einer Untersuchung von 19 durch-trainierten Probanden keinen wesentlichen Effekt auf physiologische Funktionen sowie die Reaktionszeit beim kurzzeitigen Tragen eines Chemikalienschutzanzugs über 20 min unter Belastung auf einem Laufband feststellen (Stein et al. 2010). Ein ähnliches Ergebnis fanden Northington et al. (2007) bei einer Ausbelastung auf dem Laufband über 10 min bei Rettungspersonal. Dorman und Havenith (2009) fanden einen teilweise signifikant erhöhten Energieumsatz beim Tragen von Schutzanzügen, der nur zu weniger als der Hälfte durch das Gewicht der Anzüge erklärt werden konnte.
Bei den vorliegenden Untersuchungen zu diesem Thema wurden vorwiegend gut trainierte, jüngere (< 30 Jahre) Probanden unter-sucht. Durch den demografischen Wandel arbeiten in der BASF jedoch zunehmend auch ältere Mitarbeiter. Das mittlere Alter der Beschäftigten liegt derzeit bei 47 Jahren und wird in den nächsten Jahrzehnten noch weiter ansteigen. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich an. Diese Tatsachen führen dazu, dass die Ergebnisse der älteren Studien nicht ohne weiteres auf die heutigen (Arbeits-)Verhältnisse übertragbar sind.
Ziel dieser Untersuchung war es, die möglichen Auswirkungen eines Chemikalienschutzanzuges (Microchem 4000 der Fa. Microgard) auf die körperliche Belastbarkeit von älteren Arbeitnehmern zu untersuchen und Anhaltspunkte für eine sinnvolle Begrenzung der Tragezeit dieser Anzüge zu bekommen. Außerdem wird auf die Frage eingegangen, ob arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen vor Aufnahme von Tätigkeiten, die mit dem Tragen von Chemikalienschutzanzügen einhergehen, angezeigt sind.
Methoden und Konzept
Ergometrie
Es wurden 11 gesunde männliche Probanden im Alter von 37 bis 62 Jahren (Mittel 48 Jahre) untersucht (5 Mitarbeiter aus Produktionsbetrieben, 6 Mitarbeiter aus der Abteilung Arbeitsmedizin und Gesundheitsschutz; 9 Nichtraucher, 2 Raucher; 3 Probanden betrieben regelmäßig Freizeitsport, die übrigen nur gelegentlich). Der BMI variierte von 21,4 bis 33,4 kg/m² (Mittel: 25,2 kg/m²).
Bei den Probanden bestanden keine relevanten kardiopulmonalen Vorerkrankungen und es wurden keine kreislaufwirksamen Medikamente eingenommen. Es bestanden keine akuten Erkrankungen.
Es erfolgte eine ansteigende submaximale Belastung auf dem Ergometer (Ergoline GE medical) im Sitzen über 20 min, anschließend erfolgte eine Erholungspause von 10 min Dauer.
Die Steigerung der Belastung erfolgte in 5-Minuten-Intervallen (50, 75, 100 und 125 W).
Dabei wurden folgende Messwerte erhoben:
- 12-Kanal-EKG (GE medical Ergosoft).
- Blutdruck (automatische Messung 30 s vor Ende der Belastungsstufe).
- Tympanische Messung (ThermoScan Fa. Braun, Typ 6021) der Körpertemperatur alle 5 min am Ende der Belastungsstufe und in der Erholungsphase. (Die tympanische Temperaturmessung ist gegenüber einer rektalen Messung deutlich leichter durchzuführen und für den Probanden weniger beeinträchtigend. In einer Publikation (Lee et al. 2011) konnte die Validität dieser Messmethode insbesondere beim Tragen von Schutzanzügen gezeigt werden.)
- Die Raumtemperatur und die relative Luftfeuchte wurden am Anfang des Versuchs gemessen.
Die Probanden beurteilten bei Beginn und nach 20 min mittels Visueller Analog Skala (VAS) die folgenden Punkte:
- Wärmeempfinden (0 angenehm, 10 sehr heiß),
- Schwitzempfinden (0 kein Schwitzen, 10 extrem starkes Schwitzen),
- Anstrengungsempfinden (Borg-Skala).
Die Ergometrie wurde bei allen Probanden in normaler Arbeitskleidung zunächst ohne Schutzanzug durchgeführt. Im Abstand von mehreren Tagen erfolgte jeweils eine weitere Ergometrie mit dem Schutzanzug Microchem 4000 der Fa. Microgard (CSA Typ 4), der über der Arbeitshose und einem langärmligen Arbeitshemd ge-tragen wurde.
Feldversuch mit Microgard-Anzügen
Es wurden 10 gesunde Probanden im Alter von 40 bis 60 Jahren unter standardisierten Bedingungen bei Arbeiten an Übungsmo-dellen im Chemikalienschutzanzug über 120 min untersucht. Nach dem Anziehen des Schutzanzugs gingen die Probanden in den zweiten Stock des Gebäudes mit den Übungsmodellen. Dabei mussten ab Minute 10 des Versuchs bis zu Minute 110 leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen und Gehen verrichtet werden (z. B. Lösen von Schrauben mit einem 19er und 24er Schraubenschlüssel, Austausch von Dichtungen), danach erfolgte der Rückweg zur Umkleide.
Dabei wurden folgende Messwerte erhoben (während der Mess-phase mussten die Arbeiten kurzzeitig pausiert werden, da der Arm für die Blutdruckmessung ruhig gehalten werden musste):
- Blutdruck und Herzfrequenz (automatische Messung alle 10 min mit einem Langzeitblutdruckmessgerät, Fa. PAR Medizintechnik, Tonoport V),
- tympanische Messung der Körpertemperatur alle 10 min mit einem Ohrthermometer (ThermoScan Fa. Braun, Typ 6021),
- die Raumtemperatur und die relative Luftfeuchte wurden am Anfang des Versuchs gemessen.
Die Probanden beurteilten bei Beginn und alle 20 min mittels visuel-ler Analog Skala (VAS) die folgenden drei Empfindungen:
- Wärmeempfinden (0 angenehm, 10 sehr heiß),
- Schwitzempfinden (0 kein Schwitzen, 10 extrem starkes Schwitzen),
- Anstrengungsempfinden (Borg-Skala: 0 keine Anstrengung, 10 extreme Anstrengung).
Ergebnisse
Ergometrie
Alle Probanden konnten die Versuche beenden, ohne dass es zu Herz-Kreislauf-Problemen kam. Bei sämtlichen Ergometrien fanden sich keine pathologischen Veränderungen des Stromkurvenverlaufs und keine relevanten Herzrhythmusstörungen.
Die Raumtemperatur betrug bei der Ergometrie 22–25 °C, die relative Luftfeuchte variierte zwischen 45 und 60 %.
- Die Ergebnisse der Messungen der Pulsfrequenz, der Körpertemperatur und des Blutdrucks sind in den Abb. 1 bis 3 grafisch dargestellt.
- Ohne CSA stieg der durchschnittliche Puls von anfänglich 84 s/min (63–122 s/min, SD: 17 s/min) auf maximal 126 (88–161 s/min, SD: 25 s/min) nach 20 min an. Mit CSA stieg der durchschnittliche Puls von anfänglich 90 s/min (62–126 s/min, SD: 18 s/min) auf maximal 138 (91–171 s/min, SD: 20 s/min) nach 20 min an.
- Ohne CSA stieg die durchschnittliche typmpanische Temperatur von anfänglich 36,6 °C (36,1–37,0 °C, SD: 0,33 °C) auf maximal 37 °C (36,9–37,2 °C, SD: 0,15 °C) nach 25 min an.
- Mit CSA stieg die durchschnittliche typmpanische Temperatur von anfänglich 36,8 °C (36,2–37,5 °C, SD: 0,39 °C) auf maximal 37,5 °C (36,9–37,8 °C, SD: 0,15 °C) nach 25 min an.
- Ohne CSA stieg der durchschnittliche systolische/diastolische Blutdruck von anfänglich 117/79 mmHg (99–143/64–100 mmHg, SD: 11/9 mmHg) auf maximal 152/74 mmHg (125–193/61–96 mmHg, SD: 21/10 mmHg) nach 20 min bei einer Belastung von 125 Watt an.
- Mit CSA stieg der durchschnittliche systolische/diastolische Blut-druck von anfänglich 121/86 mmHg (105–134/70–92 mmHg, SD: 12/6,9 mmHg) auf maximal 164/77 mmHg (133–191/64–89 mmHg, SD: 15/10 mmHg) nach 20 min an.
Feldversuch
Alle 10 Probanden konnten den Feldversuch vollständig absolvie-ren. Kardiovaskuläre Probleme traten hierbei nicht auf. Subjektiv kam es aber zu erheblichem Schwitzen und Wärmegefühl und die an sich leichten bis mittelschweren Tätigkeiten wurden als anstrengend empfunden.
Die Raumtemperatur betrug beim Feldversuch 26–30 °C, die relative Luftfeuchte variierte zwischen 45 und 60 %.
- Der durchschnittliche Puls stieg von anfänglich 98 s/min (71–114 s/min, SD: 14 s/min) auf maximal 123 (87–160 s/min, SD: 25 s/min) nach 110 min an ( Abb. 4).
- Im Feldversuch mit CSA stieg die durchschnittliche typmpanische Temperatur von anfänglich 36,8 °C (36,2–37,5 °C, SD: 0,34 °C) auf maximal 37,7 °C (37,1–38,8 °C, SD: 0,55 °C) nach 110 min an ( Abb. 5).
- Im Feldversuch mit CSA stieg der durchschnittliche systolische/diastolische Blutdruck von anfänglich 143/98 mmHg (134–157/87–107 mmHg, SD: 5/5 mmHg) auf maximal 147/98 mmHg (118–180/83–107 mmHg, SD: 20/8 mmHg) nach 20 min an, danach folgte ein Abfall auf minimal 124/89 mmHg (108–140/71–116 mmHg, SD: 12/13 mmHg) nach 100 min ( Abb. 6).
Diskussion
In der von uns durchgeführten Ergometrie mit und ohne Chemika-lienschutzanzug zeigten sich im Vergleich bei der Herzfrequenz und der Körpertemperatur signifikante Unterschiede erst am Ende der Belastung und in der Ruhephase. In den ersten 20 min der Belastung fanden sich nur geringe Unterschiede, was sich mit anderen Untersuchungen deckt, die bei kurzen Tragezeiten von Schutz-anzügen keine wesentlichen Effekte zeigen konnten (Stein et al. 2010; Northington et al. 2007). Die Körpertemperatur und die Pulsfrequenz waren am Ende des Versuchs signifikant höher beim Tragen des Schutzanzugs im Vergleich zur Ergometrie ohne Schutzanzug. Bei den Blutdruckmessungen fanden sich bis auf die erste Messung keine signifikanten Unterschiede.
Im Feldversuch fand sich bis zu einer Untersuchungsdauer von 110 min ein kontinuierlicher Anstieg der Körpertemperatur und der Pulsfrequenz trotz gleich bleibender körperlicher Belastung. Der gemessene Anstieg der Körpertemperatur belegt die fehlende Möglichkeit einer Wärmeabgabe durch Schwitzen während der Belastung. Dies geht mit einer zunehmenden Herz-Kreislauf-Belastung einher. Der systolische und diastolische Blutdruck fiel im Laufe des Feldversuchs kontinuierlich ab. Dies ist durch eine maximale Weitstellung der Hautgefäße und einen zunehmenden Flüssigkeitsverlust während des Versuchs zu erklären. Beim Schwitzen können etwa 600–1000 ml Wasser pro Stunde verloren gehen. Die Probanden durften während des Versuchs keine Flüssigkeit zu sich nehmen, da in Gefahrstoffbereichen aus arbeitshygienischen Gründen ebenfalls nicht getrunken werden darf. Bei mental belastenden Tätigkeiten mit gleichzeitiger Hitzeexposition steigt die Gefahr einer Kollapsneigung (Klein et al. 2010). Die Kombination von Hitze und Dehydratation wirkt sich ungünstig auf die mentale Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter aus (Maughan 2007), so dass vermehrt Fehler durch Unaufmerksamkeit bei der Tätigkeit mit Gefahr-stoffen auftreten können.
Die nach der BGR 190 mögliche lange Tragezeit von 120 min bei der Verwendung einer schlauchgebundenen Frischluftatemmaske in Kombination mit einem Chemikalienschutzanzug Typ IV erscheint uns angesichts der Untersuchungsergebnisse als zu lang, so dass wir BASF-intern die maximale Tragezeit auf 90 min für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten begrenzt haben.
Für Mitarbeiter mit bedeutsamen Nierenerkrankungen (z. B. Nieren-insuffizienz ab dem Stadium der kompensierten Retention) sind längere Tätigkeiten (> 20 min) im CSA nicht empfehlenswert, da durch die Dehydratation eine Verschlechterung der Nierenfunktion zu erwarten ist. Bei einer koronaren Herzerkrankung oder einer relevanten Herzinsuffizienz führt die Steigerung der Herzfrequenz zu einer Verschlechterung, weswegen bei diesen Mitarbeitern gesundheitliche Bedenken bestehen. Bei einer medikamentös eingestellten Hypertonie sind dagegen keine Probleme zu erwarten, da eher eine Senkung des Blutdrucks bei Tragezeiten über 30 min beobachtet wurden. Eine ausgeprägte Adipositas (ab einem BMI >30 kg/m2) kann ebenfalls zu gesundheitlichen Bedenken führen, da hier die Körperkerntemperatur stärker ansteigen kann als bei normalgewichtigen Mitarbeitern.
Schlussfolgerung
Wir konnten durch unsere Untersuchungen bestätigen, dass das Tra-gen von wasserdampfundurchlässigen Chemikalienschutzanzügen in Abhängigkeit von der Tragezeit zu einem progredienten Anstieg der Körpertemperatur führt. In unseren Untersuchungen konnte auch gezeigt werden, dass die gemessene Körpertemperatur mit der Herzfrequenz und dem Schwitzen korreliert.
Die gefundenen Ergebnisse lassen auf eine vermehrte Herz-Kreislauf-Belastung durch das längere Tragen von Chemikalienschutzanzügen schließen. Dies war Anlass für uns, innerhalb der BASF die maximale Tragezeit von Chemikalienschutzanzügen des Typ 4 auf 90 min zu begrenzen, um eine gesundheitliche Gefährdung der Mitarbeiter auszuschließen. Nach dem Tragen ist die Kleidung komplett zu wechseln und es sind für mindestens 60 min nur Tätigkeiten ohne CSA erlaubt. Auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr vor und nach der Tätigkeit im CSA sollte geachtet werden, um den Wasserverlust durch das Schwitzen im CSA auszugleichen. Bei Umgebungstemperaturen größer als 30 °C und/oder körperlichen schweren Tätigkeiten müssen diese Zeiten gemäß den Ergebnissen einer Gefährdungsbeurteilung reduziert werden.
Weiterhin wurde BASF-intern beschlossen, dass Mitarbeiter, die regelmäßig mehr als eine Stunde täglich in dem Schutzanzug arbeiten müssen, vor Aufnahme der Tätigkeit eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung analog dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 30 (Hitzearbeiten) erhalten. Diese Vorsorgeuntersuchung beinhaltet unter anderem auch eine Ergometrie.
Durch diese Maßnahmen können aus unserer Sicht gesundheitliche Probleme beim Tragen von Chemikalienschutzanzügen vom Typ 4 vermieden werden.
Literatur
BGR/GUV-R-190: Regel Benutzung von Atemschutzgeräten, Anhang 2, DGUV 2011 ( http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/r-190.pdf ).
Dorman LE, Havenith G: The effects of protective clothing on energy consumption during different activities. Eur J Appl Physiol 2009; 105: 463–470.
Klein JC, Crandall CG, Brothers RM, Carter J: Combined heat and mental stress alters neurovascular control in humans. J Appl Physiol 2010; 109: 1880–1886.
Lee J-Y, Nakao K, Takahashi N, Son S-Y, Bakri I, Tochihara Y: Validity of infrared tympanic temperature for the evaluation of heat strain while wearing impermeable protective clothing in hot environments. Industrial Health 2011; 49: 714–725.
Maughan RJ, Shirreffs SM, Watson P: Exercise, heat, hydration and the brain. J Am Coll Nutr. 2007; 26 (5 Suppl): 604S–612S.
Northington WE, Suyama J, GossFL, Randall C, Gallagher M, Hostler D: Physiological response during graded treadmill exercise in chemical-resistant personal protective equipment. Prehosp Emerg Care 2007; 11: 394–398.
Stein C, Makkink A, Vincent-Lambert C: The effect of physical exertion in chemical and biological personal protective equipment on physiological function and reaction time. Prehosp Emerg Care 2010; 14: 36–44.
Wegner R, Zschacke F, Poschadel B: Ergebnisse von Beanspruchungsuntersuchungen beim Tragen von Polyethylen-beschichteten Einwegchemikalienschutzanzügen mit und ohne Belüftung unter experimentellen Bedingungen und im Feldversuch. Arbeitsmed Sozialmed Umeltmed 1998; 33: 280–287.
Für die Verfasser
Dr. med. Axel Schlieter
Abteilung „Occupational Medicine and Health Protection“
BASF SE – GUA H308 – 67056 Ludwigshafen am Rhein
Fußnoten
Abteilung „Occupational Medicine and Health Protection“ (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. Stefan Lang), BASF SE, Ludwigshafen