Die Erfolgsquote einer tetravalenten Grippe-Impfung gegen Influenza in der deutschen Bevölkerung wurde durch die Verwendung des Individuen-basierten, dynamischen Transmissionsmodell 4Flu* deutlich (Eichner et al. 2014). Durch die Kopplung des Simulationsmodells mit ökonomischen Parametern ließ sich nun auch der Nutzen dieser Impfstrategie ermitteln, wie aktuell in der Fachzeitschrift PharmacoEconomics von der Arbeitsgruppe um Prof. Maarten Postma, Universität Groningen, Niederlande, dargestellt wird (Dolk et al. 2016). Die Berechnungen von e4FLU („e“ steht für „economic“) sprechen für tetravalente Impfstoffe. Diese decken außer den zwei Influenza-A-Stämmen H1N1 und H3N2 und einer Influenza-B-Linie auch die zweite B-Linie ab. Diese Erweiterung der Influenza-Impfstoffe ist nötig, weil die in der Vergangenheit in den trivalenten Impfstoffen enthaltene B-Linie oft nicht mit den zirkulierenden B-Viren übereinstimmte. Auch die Grippe-Saison 2015/2016 zeichnete sich durch einen ausgeprägten B-Linien-Mismatch** aus.
Das dynamische Simulationsmodell berechnet die komplexe epidemiologische Immunitätsdynamik der Influenza über einen Zeitraum von 40 Jahren (1993–2033). Darauf aufbauend errechneten Christiaan Dolk und seine Kollegen in ihrem ökonomischen Modell e4FLU, wie viele Krankheits- und Todesfälle verhindert und welche Kosten vermieden werden können, wenn man die herkömmlichen trivalenten Impfstoffe durch tetravalente ersetzt. Diese Vorhersagen sind für Ärzteschaft, Kostenträger und politische Entscheidungsträger von großer Bedeutung.
Das Ergebnis: Durch die Verwendung von tetravalenten Grippe-Impfstoffen könnten jährlich 262 Todesfälle, knapp 5700 Hospitalisierungen und mehr als 270 000 Influenzafälle vermieden werden. Dadurch könnten etwa 145 Millionen Euro Produktionsausfallkosten und rund 22 Millionen Euro Krankenkassenleistungen eingespart werden. Im Gesamtbild ergeben sich nach Abzug der zusätzlichen Kosten für die tetravalente Impfung von ca. 98 Millionen Euro eine Nettoersparnis für die Gesellschaft von mehr als 70 Millionen Euro.
Fazit: Aus medizinischer und aus ökonomischer Sicht erscheint der Wechsel von trivalenten auf tetravalente Grippeimpfstoffe notwendig. Experten fordern bereits seit längerem, dass in Zukunft bevorzugt tetravalente Impfstoffe gegen Influenza zum Einsatz kommen (Postma 2015; Wutzler et al. 2015).
Quellen
Eichner M, Schwehm M, Hain J, Uphoff H, Salzberger B, Knuf M, Schmidt-Ott R: 4Flu – an individual based simulation tool to study the effects of quadrivalent vaccination on seasonal influenza in Germany. BMC Infectious Diseases 2014; 14: 365 (www.biomedcentral.com/1471-2334/14/365).
Dolk C, Eichner M, Welte R, Anastassopoulou A, Van Bellinghen L-A, Poulsen Nautrup B, Van Vlaenderen I, Schmidt-Ott R, Schwehm M, Postma M: Cost-utility of quadrivalent versus trivalent influenza vaccine in Germany, using an individual-based dynamic transmission model. PharmacoEconomics PECA-D-16-00168.
Postma M: Ist tetravalente Influenza-Schutzimpfung wirtschaftlich sinnvoll? (Interview). Arzt & Wirtschaft 2015; 12: 64.
Wutzler P, Dietz B, Hardt R, Hoins L, Knuf M, Wahle K: Tetravalente Grippe-Impfung bald Standard? MMW-Fortschr Med 2015; 157(15).
Fußnoten
* Das Simulationsmodell wurde von Prof. Dr. Martin Eichner (Universität Tübingen und Firma Epimos GmbH) in Kooperation mit ärztlichen Experten und mit der Softwarefirma ExploSYS GmbH entwickelt und finanziell von GSK unterstützt. Die Plattform zum Herunterladen des Simulationswerkzeugs 4Flu steht der Öffentlichkeit unter https://www.4flu.net zur Verfügung.
** Definition „Mismatch“: mindestens 50% der Grippe-Fälle wurden durch Grippeviren ausgelöst, die nicht im Impfstoff enthalten waren.