Ätiologie, Pathogenese und Begutachtung der anlagebedingten Wirbelsäulenveränderungen im Rahmen von BK 2108/2110
Am Beispiel praktisch identischer Veränderungen der Wirbelsäule bei eineiigen Zwillingen mit Morbus Scheuermann werden Pathogenese und Formenvielfalt dieser Erkrankung aufgezeigt. Dabei wird die Frage genetischer und biomechanischer Einflüsse diskutiert. Dies geschieht vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse zur Knochendurchblutung und systematischen Entwicklung der ossären Kapillararchitektur vom Embryo bis zum Erwachsenen. Insgesamt gibt es derzeit keine belastbaren Anhaltspunkte für die genetische Ätiologie des M. Scheuermann, wodurch das angiologische Paradigma gestützt wird. Die Fragen der Verschlimmerung des Anlageschadens M. Scheuermann durch Faktoren des Lebensstils und durch arbeitstypische Belastungen werden im Kontext gutachterlicher Fragestellungen behandelt. Besonders eingegangen wird auf die Bedeutung der sog. Konsenskriterien im Rahmen der bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS als Berufskrankheit gemäß BK 2108/2110.
Schlüsselwörter: M. Scheuermann – BK 2108 – Gefäßentwicklung – Genetik – Biomechanik – Berufskrankheit
Etiology, pathogenesis, and assessment of influencing changes of predisposed spinal column changes in accordance with occupational disease (BK) 2108/2110
The pathogenesis and different manifestations of this disease are described by the example of practically identical changes of the spinal column in monozygotic twins with M. Scheuermann. The question of genetic and biomechanical influences is discussed. This takes place against the background of new findings on blood supply to the bones and systematic development of the osseus capillary architecture from the embryo to the adult. At the moment there are no reliable data on the genetic etiology of M. Scheuermann, which supports the angiological paradigm. The questions of deterioration of the system damage occasioned by M. Scheuermann by lifestyle factors and typical work stresses are considered in the context of expert questions and opinions. Special attention is devoted to the importance of the so-called consensus criteria with regard to vertebral disc related diseases of the lumbar spinal column as an occupational disease within the meaning of BK 2108-2110.
Keywords: Morbus Scheuermann – BK 2108 – vascular development – genetics – biomechanics – occupational disease
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2014; 49: 198–206
Einleitung
Veränderungen der Wirbelkörper und Schäden der Bandscheiben bei Morbus Scheuermann sind weit verbreitet. Sie betreffen nach Meinung erfahrener Gutachter etwa die Hälfte des Patientengutes hinsichtlich bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit (BK 2108/2110). Dabei wird die Häufigkeit der Schäden an den Grund- und Endplatten der Wirbelkörper systematisch unterschätzt, da es keine einheitliche Definition für den M. Scheuermann in der Literatur gibt (Resnick 2002; Heisel 2003) und die Veränderungen an der Hals- und der Lendenwirbelsäule vielfach nicht als scheuermannspezifisch eingeordnet werden. Deswegen erscheint es zielführend, den Kern der pathophysiologischen Veränderungen bei M. Scheuermann zu rekapitulieren.
Die hier vorgestellte Fallkombination mit praktisch identischen Wirbelsäulenveränderungen bei eineiigen Zwillingen ist geeignet, um die Frage nach den genetischen Ursachen der Erkrankung beispielhaft zu diskutieren.
Morbus Scheuermann – was ist das?
Die Erstbeschreibung geht auf den dänischen Radiologen H.W. Scheuermann (1921) zurück. Er fand charakteristische Veränderungen an Wirbelsäulen bei Kindern, die vielfach auch mit „Haltungsschäden“ einher gingen. Da sich die Veränderungen an zuvor nach radiologischen und klinischen Kriterien normalen Wirbelsäulen in der Pubertät einstellten, entstand rasch der Verdacht auf erworbene Schäden an den Endplatten der Wirbelkörper. Sie wurden als Überlastungsschaden gedeutet. So entstanden Eponyme wie „Lehrlingsrücken“ oder „Belastungskyphose“. Die nicht seltene zusätzliche Skoliose der Brustwirbelsäule schien der Interpretation als Überlastungsschaden Recht zu geben (Junghanns 1968).
Charakteristisch beim M. Scheuermann sind die nach dem Dresdner Pathologen Schmorl benannten Impressionsfrakturen der Wirbelkörperendplatten (Schmorl'sche Knötchen), die sich in Schnittfilmen rundlich oder polyzyklisch darstellen. Diese können einzeln oder in beliebiger Verteilung multisegmental und an allen Wirbelsäulenabschnitten erscheinen. Typisch sind auch sog. Langwirbel in Höhe des BWS-Kyphosebogens, die gelegentlich als Makrospondylie gedeutet werden. Es handelt sich um die Höhenminderung der Wirbelkörper in Verbindung mit einer vergrößerten Längsachse (Heisel 2003; Frank 2005). Entgegen früheren Vermutungen ließen sich keine Veränderungen der Subchondralzone mit Osteoporose nachweisen, ferner finden sich Schmorl'sche Knötchen nicht vor dem 10. Lebensjahr (Hart et al. 2010).
Kennzeichnend für die Klinik des M. Scheuermann ist der fixierte, d. h. nicht mehr aufrichtbare Rundrücken, dessen Entwicklung aber mit Ende der Pubertät, also mit Abschluss des Längenwachstums der Wirbelsäule, zum Stillstand kommt. Fälle mit auffallendem Flachrücken im thorakolumbalen Übergang sind allerdings auch nicht selten und gehören bei eindeutigen radiologischen Veränderungen an den Wirbelkörpern ebenso zum Erscheinungsbild des M. Scheuer-mann. Auch die im unteren Abschnitt der Lendenwirbelsäule vorkommenden Dimensionsunterschiede der Wirbelkörperlängsachsen, die als Minusvarianten anzusprechen sind, können als Spiel-variante des M. Scheuermann angesehen werden (Frank 2005). Diese disponieren zu Bandscheibenschäden, da die knöcherne Auf-lagefläche an der Endplatte im dorsalen Abschnitt reduziert ist.
Die Mehrzahl der Personen mit M. Scheuermann klagt im Zeitverlauf immer wieder über Beschwerden an der Wirbelsäule. Es finden sich gehäuft in etwa der Hälfte von Begutachtungsfällen Bandscheibenschäden bei eindeutigem Segmentbefall, in einem Drittel finden sich Assoziationen mit einer thorakalen oder thorakolumbalen Skoliose bereits in jungen Jahren (Lowe 1990; Rajasekaran et al. 2004). Nicht selten leiden solche Personen auch an Hüftschäden, bei denen Hüftkopf und Hüftpfanne nicht kongruent sind und zu vorzeitigem arthrotischen Verschleiß neigen. In diesen Fällen wird von einer Scheuermann'schen Hüfte gesprochen (Dihlmann 2002). Aller-dings findet sich in der Literatur keine charakteristische Häufung weiterer orthopädischer oder internmedizinischer Leiden, weshalb ein Scheuermann-Syndrom bisher nicht beschrieben wurde.
Eine allseits akzeptierte einheitliche Definition des M. Scheuermann mit verbindlichen Kriterien gibt es in der Literatur bislang also nicht. Zumeist wird der Definition von Sörensen gefolgt, der mit Blick auf die BWS-Kyphose drei aufeinander folgende Wirbel-säulensegmente mit keilförmiger Neigung nach ventral von mindestens 10 Grad fordert (Sörensen 1964). Daneben gelten Schmorl'sche Knötchen als charakteristisch, wobei auch hier in der Regel der mehrsegmentale Befall gefordert wird. Als eher uncharakteristisch wird der isolierte Befall der HWS oder der LWS angesehen, ebenso vor der Pubertät eintretende Veränderungen der Endplatten der Wirbelkörper oder auch die Steilstellung der BWS, die wie der Rundrücken fixiert auftreten kann (Resnick 2002). Mit Blick auf die uneinheitliche Definition des Krankheitsbildes nimmt es nicht wunder, daß die Prävalenzangaben in der Literatur zwischen 0,4 und 82 % schwanken (Junghanns 1979).
In Katamnesen großer Kollektive wird vielfach eine Progression der Wirbelsäulenbeschwerden im Zeitverlauf auch nach der Adoleszenz beschrieben mit einer deutlich gehäufter Erzeugung von Bandscheibenschäden und vermehrten operativen Interventionen (Waddell 2004).
Vorstellungen zur Ätiologie des Morbus Scheuermann
Eine Scheuermann-Erkrankung beginnt mit der Frühpubertät und kommt mit deren Ende, d. h. mit Schließung der Ringapophysen der Wirbelkörper formal zum Abschluss. Damit steht die Erkrankung bezüglich des Manifestationsalters in auffälliger Nähe zur adoleszenten idiopathischen Skoliose (AIS). Mischbilder beider Wirbelsäulenerkrankungen sind überraschend häufig, die mit einer charakteristischen Hypokyphose oder sogar Lordose der BWS einhergehen.
Aktuell wird besonders die genetische Ursache dieser in der Adoleszenz hervortretenden Wirbelsäulenveränderungen diskutiert, da familiäre Häufungen beschrieben worden sind. Allerdings konnte bis heute kein verantwortlicher Genlokus oder Erbgang gefunden werden. Ferner bietet die Genetik kein Erklärungsmodell zu der eigentümlichen Entwicklungsdynamik, die sich ohne Prodromi in der Kindheit auf das Ende des Knochenwachstums beschränkt und danach formal zum Stillstand kommt. Es fehlen zudem bei genetischen Erkrankungen häufige zu beobachtende „Begleitsymptome“.
Zu den biomechanischen Erklärungsmodellen sei einerseits stellvertretend für andere Junghanns (1968) angeführt, der auf die „alltäglichen Arbeitstraumen des Lehrlings in der Pubertät“ oder auf Mikrotraumen beim Sport verwies. Andererseits ist bekannt, dass sportliche Hochbelastungen keinen wesentlichen Einfluss auf die Häufigkeit und den Verlauf der Wirbelsäulenveränderungen bei M. Scheuermann haben, wofür die hier zu besprechende Kasuistik ein gutes Beispiel gibt.
Fallpräsentation: Eineiige Zwillinge mit Morbus Scheuermann, Interpretation des radiologischen Befundes
H.R.: Langjährige Wirbelsäulenbeschwerden, Diskektomie 2005 im Segment L4/5, dabei bestand anfangs der Verdacht auf einen Knochentumor infolge des ausgeprägten Defekts der Wirbelkörper-vorderkante im Segment LWK 4. Operation der rechten Schulter und Clavicula nach Sporttrauma (Surfen). Nichtraucher.
Beruf: Chemielaborant. Keine weiteren wesentlichen Vorerkrankungen, keine regelmäßige Medikamenteneinnahme, keine Stoffwechselerkrankungen. Idealgewicht.
W.R.: Langjährige Wirbelsäulenbeschwerden, keine Bandscheibenoperation, keine weiteren orthopädischen Vorerkrankungen. Zeitweise intensiv Radsport, keine wesentlichen Unfälle. Anfänglich Verdacht auf Tumor im Wirbelsäulensegment LWK 4. Nichtraucher.
Beruf: Chemielaborant. Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme, keine Stoffwechselerkrankungen. Idealgewicht.
Beide Männer sind verheiratet und haben erwachsene Kinder ohne bisher bekannt gewordene Wirbelsäulenerkrankungen. Auch bei den beiden Geschwistern und den Eltern sind Erkrankungen der Wirbelsäule bisher nicht aufgetreten. Die Mutter ist Nieraucherin. Die Wirbelsäulenveränderungen wurden erst nach der Pubertät entdeckt. Keine bekannten Wirbelsäulentraumen. Weitere orthopädische Beschwerden fehlen.
Die nativen Aufnahmen und die Schnittfilme der Lendenwirbelsäule der Zwillinge (s. Abb. 1–7) lassen praktisch identische Veränderungen auch hinsichtlich der Verteilung der Schmorl'schen Knötchen und der Degenerativmuster erkennen. In beiden Fällen wurden die hochgradigen Endplattenveränderungen im Segment LWK 4 differenzialdiagnostisch als Tumorverdacht behandelt; eine Bandscheibenoperation erfolgte im Segment L4/5 nur bei H.R. im Jahre 2005.
Diskussion
Der Beitrag der Genetik
Im Falle der eineiigen Zwillinge mit praktisch identischen Veränderungen an der LWS ist es zunächst naheliegend, von einer genetischen Ursache der Schadensanlage auszugehen. Als weitere Belege für eine genetisch bedingte Ätiologie werden hohe statistische Konkordanzraten der Wirbelsäulenveränderungen bei Zwillingen und allgemeine familiäre Häufungen aufgeführt. Hierbei könnten aber auch gleichartige externe Faktoren in Frage kommen.
Allerdings haben die bislang vorliegenden genetischen Untersuchungen keinen reproduzierbaren Genlokus identifizieren können und auch keinen Mendelschen Erbgang (Williams et al. 2007; Battie et al. 2004; Hurxthal 1966), so dass von einer multifaktoriellen Ursache ausgegangen wird. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass sich mit heute bekannten genetischen oder epigenetischen Erklärungsmodellen die spezifische Entwicklungsdynamik der Wirbelsäulenveränderungen ausschließlich in der Pubertät nicht erschließen lässt. Überdies fehlt auch bei M. Scheuermann der für genetische Erkrankungen typische polysymptomatische oder syndromhafte Verlauf. Diese Argumente können unverändert auch für die idiopathische Skoliose angewendet werden, so dass trotz erheblicher Anstrengungen für beide Erkrankungen bisher überzeugende Belege einer genetischen Ursache nicht nachgewiesen werden konnten.
Mit Blick auf hohe Konkordanzraten von Erkrankungen in Zwillingsstudien muss neben einem genetischen Erklärungsmodell auch an die bei Zwillingen fast regelhaft gemeinsame Umwelt gedacht werden.Die Beobachtung, dass eine Reihe von Erkrankungen im Erwachsenenalter Assoziationen zum intrauterinen Wachstum und zur Entwicklung zeigen, hat diesen Einwänden zusätzlich Gewicht verliehen (McGregor u. Spector 1999). Hierauf wird weiter unten eingegangen.
Der Beitrag der Biomechanik
Die Eigenart der Wirbelkörperveränderungen bei M. Scheuermann veranlasste bereits den Erstbeschreiber, von einer biomechanischen Ursache auszugehen. Klare Hinweise auf reproduzierbare mechanische Überlastungen fehlten jedoch. Unabhängig von äußeren Einwirkungen oder der Berufswahl wiesen ca. 50 % der jugendlichen Wirbelsäulen typische mehr oder minder ausgeprägte Formveränderungen auf (Junghanns 1979). Ferner konnte in Schwerarbeiterberufen keine Progression der charakteristischen Wirbelkörperveränderungen über das Ende des Längenwachstums der Wirbelsäule hinaus beobachtet werden. Daher ließen sich Präventionsempfehlungen zur Belastungsvermeidung in Beruf oder Sport nie ausreichend begründen. Zweifellos neigen aber Personen mit Scheuermann'schen Veränderungen der Wirbelkörper und mit Wirbelsäulendegeneration gehäuft zur Entwicklung von Wirbelsäulenbeschwerden.
Der Beitrag der Angiologie
Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen ist die charakteristische Entwicklungsdynamik des M. Scheuermann in der Pubertät, ohne erkennbare Prodromi in der Kindheit und ohne Progression nach Ende des Längenwachstums der Wirbelsäule. Keine der vorgenannten gängigen Anschauungen bietet hierfür eine Erklärung.
Untersuchungen der Knochengefäße vom Embryo bis zur endgültigen Gefäßreifung in der Pubertät wurden bislang in der Orthopädie und der Angiologie nicht systematisch vorgenommen. Das embryonale Gefäßsystem beginnt spontan in der zweiten und dritten Gestationswoche mit Einschnürungen im Zwischengewebe, die zu netzartigen Primärkapillaren verschmelzen (Vaso-genese). Der embryonalen Vasogenese am ehesten vergleichbar ist das spontan im Zwischengewebe entstehende primitive Lymphgefäßnetz beim Erwachsenen (Drews 1993); es muss aber ausdrücklich betont werden, dass sich ein Lymphkapillarnetz im Knochen gerade nicht findet (Földi 2002). Die organspezifische Kapillardifferenzierung erfolgt danach stetig und entspricht den Aufgabenstellungen und Funktionen des jeweiligen Organs (Angiogenese).
Im kindlichen Röhrenknochen lassen sich drei Kapillarterritorien unterscheiden: Die sinusoidalen Kapillaren in der Markzone, die Kapillaren der Epiphyse und die Kapillaren der Subchondralregion. Die Marksinusoide verbleiben lebenslang, die epiphysären Kapillaren verschwinden jedoch nach Wachstumsende. Die subchondralen Kapillaren werden zu gefensterten Kapillarschlingen, die einen hohen Diffusionsdruck erzeugen. Die Diffusionsstrecke der subchondralen Kapillaren zu den Knorpelzellen der Bandscheiben ist ca. 50-mal länger als die zu den übrigen Zellen im Körper.
Im Röhrenknochen besteht ein Neben-einander des netzartigen embryonalen und des reifen Endkapillarsystems bis zur frühen Pubertät. Dann erfolgt im Knochen, wie auch in anderen Organen, der physiologische Rückbau der embryonalen Kapillarnetze (Radtke et al. 2012). Es verbleibt eine hierarchische Kapillararchitektur mit klar getrennten Versorgungsgebieten, die nach Verlust der embryonalen Kapillaren nicht mehr untereinander durch Anastomosen verbunden sind (Makanya et al. 2009; Spiegelaere et al. 2012). Die ausgereiften Organkapillaren werden dadurch „diskret“. Die Endkapillaren werden zur „letzten Wiese“ mit anatomisch klar getrennten Territorien, deren Versorgung nur noch durch eine einzige Kapillarschlinge erfolgt (Skawina et al. 1994).
In der fötalen und frühkindlichen Periode wachsen die Gefäße (der Wirbelkörper) zentripetal von der Peripherie und zentrifugal vom Ossifikationszentrum bis diese zusammentreffen und ein integriertes, extensiv anastomosierendes System bilden. Danach in der späten Kindheit und der Adoleszenz werden die radialen Gefäße kontinuierlich zurückgebildet und die Anastomosen verschwinden. Sie teilen damit den Wirbelkörper in separate Kompartimente, die durch individuelle arteriovenöse Schlingen ver- und entsorgt werden (Skawina et al. 1997; Seite 267).
Umfangreiche histologische Untersuchungen zu altersbedingten Veränderungen der Bewegungssegmenten der Wirbelsäule belegen, dass gerade in der stärksten Wachstumsphase der Wirbelsäule ein erheblicher Verlust an subchondralen Kapillaren stattfindet; dieser Prozess lässt sich bereits vor dem 10. Lebensjahr beobachten und führt zu einer verminderten diskalen Zelldichte und ersten degenerativen Segmentveränderungen praktisch bereits beim Jugendlichen (Boos et al. 2002; Haefeli et al. 2006). Der Kapillarverlust initiiert nach Ansicht der Autoren den degenerativen Aufbrauch der Bewegungssegmente, und das bereits in der Periode des größten Längenwachstums, dann bereits wird die Bandscheibenernährung kritisch.
Auch in der Radiologie finden sich dazu eindeutige Aussagen. Bis zum 4. Lebensjahr ist der Discus intervertebralis vaskularisiert und besitzt Endarterien, die Wirbel dagegen nicht. Ab dem 4. Lebensjahr bilden sich die diskalen Gefäße zurück. Ebenso gehen die anastomosierenden Verbindungen zwischen den metaphysären und äquatorialen Arterien in den Wirbelkörpern verloren. Dadurch entstehen im Wirbelkörper Endarterien, zentral sowie am Rande (Vahlensieck u. Reiser 2006). Mithin entwickelt sich das Gefäßbett im Röhrenknochen von einem Kapillarnetz mit stochastischem Blutfluss zu einer streng hierarchisch geordneten Kapillararchitektur mit klarer topographischer Zuordnung der Gefäßterritorien durch Endarterien. Dieser Prozess kommt erst zum Ende der Pubertät zum Abschluss.
Angiographische Darstellungen der Röhrenknochenkapillaren beim Embryo und bei Kleinkindern lassen spezifische Defekte erkennen, die die Endplatten versorgenden Kapillaren aus dem arteriellen Gefäßring im Wirbelkörper betreffen. Eine besondere Schwachstelle bildet dabei die Chorda dorsalis. Hiervon stammen die embryonalen Knorpelzellen, die sich im Nucleus pulposus der Bandscheiben konzentrieren. Das nachfolgende Wachstum der Wirbelkörperkapillaren aus dem äquatorialen Arterienring ist häufig defizitär. Daraus resultieren Schwachstellen der Wirbelkörperdurchblutung (Crock u. Yoshizawa 1977). Eine Restperfusion gewährleistet das embryonale Gefäßnetz bis zu dessen physiologischer Rückbildung in der Pubertät.
Schmorl'sche Knorpelknötchen ( Abb. 2, 3, 4, 5 und 7) können an den Wirbelkörperendplatten an allen Stellen auftreten. Gehäuft werden sie in der Zone der ehemaligen Chorda dorsalis gefunden, d. h. im hinteren Drittel der Wirbelkörper, dort finden sich vielfach auch wellige Verwerfungen, die als Chordarückbildungsstörungen aufgefasst werden.
Ihre Entstehung ist somit der Effekt aus konstitutioneller Schwäche im Trabekelwerk des Röhrenknochens bei lokaler Mangeldurchblutung und dem gerade in der Pubertät steigenden Quelldruck des Bandscheibengewebes. Die Knorpelknötchen sind daher ischä-mische Impressionsfrakturen (Peng et al. 2003). Ischämische Knochenfrakturen finden sich in der Pubertät auch an weiteren Gelenken. Dabei kann ein avitales Knochen-Knorpel-Fragment vorliegen, das im Sinne der Osteochondrosis dissecans in das Gelenk abgestoßen wird. Eine umfassende Darstellung der Pathogenese und der Formenvielfalt des M. Scheuermann findet sich bei Frank (2005).
Damit kann die Frage nach der Latenz der Veränderungen beantwortet werden. Auf dem Boden ischämischer Hemmung der Kapillarsprossung bereits in utero lassen sich Defekte der Gefäßentwicklung bis in die Pubertät verfolgen. Klinisch auffällig werden diese Defekte allerdings erst in der Zeit der Rückbildung des alternativen embryonalen Gefäßnetzes, dann entstehen ischämische Infarkte in den nicht mit Kapillarsprossen versorgten Regionen (Schmorl'sche Knötchen). Die Formvariante schnitzförmig abscherender Wachstumsfugen der Wirbelkörper entspricht fehlender Anastomosenbildung des zirkulären und des zentralen Gefäßsystems ( Abb. 4 und 6). Auch hier wird die Form- und Wachstumsintegrität der Wirbelkörper in der Kindheit alleine über das embryonale Kapillarnetz gewährleistet.
Unter Kenntnis dieser für das Skelett wesentlichen Entwicklungsschritte, namentlich unter Würdigung der Choreographie der Gefäßentwicklung im Röhrenknochen, kann ein wesentlicher genetische Anteil an der Pathogenese des M. Scheuermann praktisch ausgeschlossen werden. Die Kenntnis der Entwicklung des Gefäßsystems ist überdies auch der Schlüssel für ein biologisch begründetes Verständnis der idiopathischen Skoliose, die dieselbe zeitliche Entwicklungstendenz zeigt. Auch für deren Entstehung lassen sich bislang keine genetischen Ursachen identifizieren. Die Hinweise auf eine familiäre Häufung dieser Krankheitsbilder als Argument für eine genetische Ursache entsprechen somit einem klassischen ökologischen Trugschluss in der Epidemiologie, der familiäre und örtliche Assoziationen mit einer wissenschaftlich belegbaren Kausalität verwechselt.
Ein iatrogenes Modell M. Scheuermann-artiger Wirbelkörperveränderungen findet sich bei der Thalidomid-Embryopathie, bei der neben den bekannten Dysmelien auch schwergradige Wirbelsäulenveränderungen in bis zu zwei Drittel der Fälle gefunden werden (Dihlmann 2002). Der lokale Ischämiefaktor ist die ausgeprägte antiangiogenetische Wirkung des Thalidomid, wobei die kritische Phase der Organogenese die 3.–5. Embryonalwoche ist. Die spätere Einnahme des Medikaments erwies sich hinsichtlich von Organschäden als wesentlich unkritischer.
Schwerste Defekte der Endplatten, teils mit flächenhaften Einbrüchen, finden sich beispielsweise bei der Sichelzellenanämie mit embolischen Knocheninfarkten und Infraktionen. Das gemeinsame umformende Prinzip der Krankheitsbilder ist daher die Ischämie im Trabekelwerk des Knochens mit charakteristischen Mikrofrakturen und Unterbrechung der Gelenkskontour, die zur Arthrose führt.
Als besonders kritisch erweist sich dabei die frühe Organogenese, deren vulnerable Phase die Gefäßsprossung ist, die den bekannten Organanlagen, z. B. der Knorpelanlage des Knochens, in allen Fällen vorangeht. Hypoxische Schäden der Plazenta sind in der Pathologie gut dokumentiert und die Mehrzahl der Plazenten weisen zum Zeitpunkt der Geburt arteriosklerotische Schäden auf, ohne offensichtliche Organschäden der Kinder (Böcker et al. 1997; Baschat 2004).
Knochenmarksödeme (KMÖ) finden sich in degenerativ veränderten Segmenten häufig ( Abb. 3, 4 und 7). Sie signalisieren den Zusammenbruch der Diffusion zu den Knorpelendplatten der Wirbelkörper und gehen der Bandscheibendegeneration regelmäßig voraus. In den vorliegenden Fällen sind die KMÖ atraumatisch entstanden. Der Knochen ist für chronische Ödeme besonders disponiert, da lymphatische Kapillaren für die Drainage der Ödeme im Knochen gänzlich fehlen. Daraus resultiert eine erhöhte Anfälligkeit für hypertensive Kapillarschäden.
Die Verfettung der Rückenmuskulatur in Höhe der degenerativ veränderten Bewegungssegmente ( Abb. 3, 4, 5 und 6) wird beim M. Scheuermann selten vermisst, aber auch trotz eindeutiger Veränderungen nur selten beschrieben. Ursache ist die Drainage des mit angiogenetischen Faktoren angereicherten Venenblutes in die Muskulatur nach dem Prinzip der Muskelpumpe. Der permanente angiogenetische Reiz führt schließlich zu einer schwergradigen Zerstörung des Kapillarbettes auch in der Muskulatur. Ersatz liefert das Vakatfett, das hinsichtlich der Kapillarversorgung wesentlich weniger anspruchsvoll ist.
Kritik der biomechanischen Theorie
Die Annahme einer biomechanischen Ursache des M. Scheuermann muss unter Berücksichtigung der angiologischen Erkenntnisse infrage gestellt werden. Auch lässt sich die frühere Beobachtung einer mit dem Alter zunehmenden Zahl von Schmorl'schen Endplatteneinbrüchen nicht bestätigen. Schnittfilme der Wirbelsäule lassen bereits in jungen Jahren Veränderungen in hoher Zahl an den Endplatten der Wirbelkörper erkennen. In derartig vorgeschädigten Segmenten finden sich auch bevorzugt Bandscheibenschäden. Auch die charakteristische Rundrückenbildung ist nicht Ausdruck einer biomechanischen Überforderung der BWS, sondern Folge des asynchronen Wachstums der spondylären und der arcuären Wachstumsfugen, die unterschiedlichem Knochengewebe entsprechen. Feinbau und Funktion der Wachstumsfugen im Röhrenknochen und im Flachknochen sind so verschieden wie auch deren Kapillararchitektur.
Bei den Zwillingen wurde unabhängig voneinander im Bereich der abgescherten Wachstumsfuge differenzialdiagnostisch auch ein Tumor erwogen. In beiden Fällen wurde die Diagnose eines M. Scheuermann nicht primär gestellt. Von orthopädischer Seite wurde ihnen empfohlen, sportliche Aktivitäten mit „Überlastung“ der Wirbelsäule zu meiden. Beide bestätigten allerdings, dass es ihnen bei sportlichen Aktivitäten im Ausdauerbereich am besten gehen würde. Die Beschwerden würden akzentuiert in Ruhe und in den frühen Morgenstunden auftreten. Mit Blick auf die relative Minderdurchblutung der Wirbelkörper sind solche Angaben verständlich, und es gibt aus arbeitsmedizinscher Sicht keinen Grund sportliche Aktivitäten zu meiden, soweit diese von den Betroffenen als hilfreich empfunden werden.
Auch mit Blick auf die Berufswahl lässt sich keine biomechanische Restriktion begründen. In allen Fällen aber muss die natürliche Progression der zur Bandscheibendegeneration disponierenden Anlage bedacht werden. Analog zu degenerativen Gefäßerkrankungen an anderen Organen ist auch eine Kontrolle der Risikofaktoren zu empfehlen und insbesondere auf den Rauchverzicht abzu-stellen.
Allgemein wird dem Konzept der Arteriosklerose als Grund-lage der Arthrose heute mehr Bedeutung beigemessen. Studien zur Arteriosklerose der Lumbalarterien und zur Perfusion der Wirbel-körper lassen klare Assoziationen hinsichtlich Bandscheibendegeneration und Rückenschmerzen erkennen (Kauppila 1997, 2009). Insofern muss das ätiologische Konzept der chronischen Bandscheibendegeneration um die angiologische Pathogenese erweitert werden.
Neuere Erkenntnisse der Epidemiologie (Zhuo et al. 2012) haben dazu geführt, das Konzept des Metabolischen Syndroms zu erweitern und die (Poly)Arthrose in die definitorischen Kriterien zu implementieren. Die degenerative (Poly)Arthrose wird immer deutlicher als chronisch-entzündlicher Prozess begriffen, der systemische Wirkungen entfaltet und dabei das Skelett nicht ausspart. Die bekannten Faktoren der Gefäßdegeneration und die damit verbundenen Veränderungen im Zwischengewebe bieten dafür die gemeinsame biologische Grundlage, so dass die Massenerscheinung der Arthrosen in immer früheren Lebensjahren durch die sich in immer jüngeren Bevölkerungsschichten systemisch ausbreitende Gefäßdegeneration eine rationale Erklärung findet.
Begutachtung von BK 2108/2110
Der Beschreibung und Bewertung des M. Scheuermann in den Konsenskriterien (Bolm-Audorff et al. 2005) zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS (BK 2108 und 2110) kann nicht vollinhaltlich gefolgt werden. Die Anlageschäden der Lendenwirbelsäule werden nur am Rande erwähnt. Ihnen kommt jedoch ein wesentlich höherer Stellenwert bei den Bandscheibendegenerationen zu. Die Konsenskriterien stehen also quasi auf dem Kopf. Anstatt Scheuermann-Äquivalente als Ausschlusskriterium bezüglich BK 2108/2110 zu diskutieren, wird der beruflichen biomechanischen Belastung eine herausragende Bedeutung beigemessen. Nach bisheriger Erfahrung gibt es keine Korrelation zwischen Bandscheibenschäden und der kumulativen Druckkraft (Meganewton-Stunden). Gerade die mit erheblichem Aufwand realisierte Deutsche Wirbelsäulenstudie (DWS) liefert dafür ein gutes Beispiel. Bei eingehender Beschäftigung mit der Methodik dieser Untersuchung stellt man fest, dass die Ableitung von Richtwerten auf der Basis der Studienresultate nicht gelingen kann. Denn die Belastungsdosis wurde mit einem Erhebungsinstrument gemessen, dessen unbedingt erforderliche Reliabilität einfach nicht vorhanden ist. Daraus resultieren auch die Probleme bei der weiteren Auswertung der Studienergebnisse mit der Kreierung ungewöhnlicher Parameter für statistische Signifikanz (s. hierzu DGUV 2012). Hinsichtlich weiterer Einzelheiten sei auf Kentner (2010) sowie Kentner und Frank (2010) verwiesen. Darüber hinaus erscheint es bei einem so weit verbreiteten und starken ätiologischen Faktor wie dem M. Scheuermann nicht möglich zu sein, bei bandscheibenbedingten LWS-Schäden den beruflichen Anteil durch biomechanische und radiomorphologische Algorithmen abzugrenzen. Bevor der sozialtechnokratische Ansatz der DWS weiter verfolgt wird, sollte geprüft werden (falls überhaupt möglich), wie hoch die Inzidenz von Scheuermannäqivalenten bei den 915 Fällen der DWS ist.
Nun gehen einige Gutachter von einer Interaktion anlagebedingter und erworbener Risikofaktoren aus und postulieren eine richtunggebende Verschlimmerung einer anlagebedingten Bandscheibendegeneration durch berufliche Belastungen. In Anbetracht der Schwere der radiomorphologischen Veränderungen bei den beiden Scheuermann-Zwillingen trotz Fehlens einer außergewöhnlichen beruflichen oder privaten Belastung der LWS muss aber die wesentliche Mitverursachung der Bandscheibendegeneration bei M. Scheuermann durch berufliche Einwirkungen generell in Frage gestellt werden. So gibt es auch keine epidemiologische Evidenz dahingehend, dass berufliche Belastungen Bandscheiben in Wirbelsäulen mit Scheuermann-Äquivalenten entscheidend zusätzlich schädigen.
Das angreifbare biomechanische Paradigma führt in den Kon-senskriterien zu weiteren Ungereimtheiten. So wird davon ausgegangen, dass ein Kausalzusammenhang zwischen einem Bandscheibenschaden der LWS und ausreichenden beruflichen Belastungen auch dann besteht, wenn degenerative Veränderungen an den Bandscheiben der HWS existieren, die allerdings geringer als an der LWS ausgeprägt sein sollten. Einigkeit dürfte dahingehend bestehen, dass Bandscheibendegenerationen im Bereich der HWS nicht durch schweres Heben und Tragen allgemein oder durch Rumpfvorwärtsbeuge wesentlich verursacht werden können; dafür fehlt jede epidemiologische Evidenz. Dann aber muss man die häufige Konkordanz von degenerativen Bandscheibenschäden in LWS und HWS als systemisch und nicht als berufsbedingt interpretieren. Aus der topographischen Differenz der Schwere der degenerativen Veränderungen in unterschiedlichen Wirbelsäulenabschnitten Rückschlüsse auf berufliche Kausalität zu ziehen, ist pseudologisch, entstanden aus dem Druck konsensfähige „Kausalitätskriterien“ zu formulieren. Wissenschaftliche Belege dazu fehlen aber bis heute. Konsens dient der juristischen Bearbeitbarkeit der Berufskrankheiten und folgt logischen Überlegungen, die sich aber „biologisch“ bislang nicht hinreichend begründen ließen.
Die Schwierigkeiten der arbeitstechnischen Ermittlungen im Hinblick auf frühere Einwirkungen im Beruf und die statistisch unzureichenden Assoziationen mit späteren Bandscheibenschäden geben somit Veranlassung, das epidemiologisch begründete Paradigma der biomechanischen Verursachung der bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der LWS neu zu überdenken.
Zusammenfassung
- 1. Es gibt keine Anhaltspunkte für eine erbliche Ursache des M. Scheuermann, für die besondere Entwicklungsdynamik in der Pubertät existiert kein Erklärungsmodell in der Genetik.
- 2. Biomechanische Ursachen für Scheuermann-Äquivalente scheiden ebenfalls aus. Es existieren keine belastbaren Hinweise dafür, dass Belastungen der Wirbelsäule in der Adoleszenz degenerative LWS-Schäden wesentlich mit verursachen.
- 3. Alleine die Kenntnis der Gefäßentwicklung im Knochen erklärt die auf die Pubertät konzentrierte Dynamik des M. Scheuermann. Betroffene Segmente sind für degenerative Schäden im Erwachsenenalter prädisponiert, da diese ebenso über – er-worbene – Gefäßdegeneration im Knochen entstehen.
- 4. Angaben in der wissenschaftlichen Literatur zur Interaktion der Schadensanlage der Wirbelsäule bei M. Scheuermann und beruflichen Belastungen fehlen, die Degeneration der Be-wegungssegmente muss daher als Funktion der allgemeinen Gefäßdegeneration aufgefasst werden.
- 5. Im Rahmen der Deutschen Wirbelsäulenstudie (DWS) wurde die Schadensanlage des M. Scheuermann nicht hinreichend gewürdigt. Dies widerspricht der gutachterlichen Erfahrung und dem klinischen Verlauf. Andererseits haben sich konsistente und valide Dosis-Wirkungs-Relationen von Degeneration und biomechanischen Belastungen gerade bei der DWS nicht aufzeigen lassen.
- 6. So ist zu erwarten, dass im gutachtlichen Kontext auch weiterhin große Unsicherheiten in der Differenzierung zwischen anlagebedingten, privaten und beruflichen Ursachen bei der Kausalitätsbeurteilung hinsichtlich BK 2108/2110 bestehen bleiben. Das gutachtliche Urteil wird ganz entscheidend davon abhängen, ob der Gutachter einen M. Scheuermann diagnostiziert und welches Gewicht er diesem Anlageschaden neben vielfältigen anderen konkurrierenden Ursachenfaktoren beimisst.
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Für die Verfasser:
Dr. med. Karlheinz Frank
BG BAU – Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft
Steinhäuserstraße 10 – 76135 Karlsruhe
Fußnoten
1 Institut für Medizinische Begutachtung und Prävention, Karlsruhe