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Auswirkungen eines geteilten visuellen Kontextes auf die Leistung

Head-Mounted Displays und örtlich getrennte Teamaufgaben

B.M. Kirchhoff

(eingegangen am 07.04.20, angenommen am 04.05.20)

Head-mounted displays and physically separated team tasks – effects of a shared visual context on performance

Introduction: Teams are required to be physically separated to work in certain circumstances. Tasks like troubleshooting in industrial maintenance include the manipulation of objects and the interpretation of information from the work environment. It is harder for physically separated team members to do these jobs if they communicate exclusively via an audio connection. Technologies such as head-mounted displays can provide a shared visual context by enabling a look over the shoulder of a team member working in another location.

Aim: The present study examined the impact of a shared visual context on performance in physically separated troubleshooting.

Methods: An experimental study provided for 36 teams (72 subjects), each consisting of two test subjects who were in different rooms, to work on a synthetic fault diagnosis task that had been prepared beforehand.

Results: Teams with a shared visual context resolved significantly more faults than teams without a shared visual context.

Conclusion: In practice, the use of head-mounted displays must be given careful consideration since they are worn on the user’s body and may be perceived as restrictive or uncomfortable in certain circumstances.

Keywords: teams – physically separated team tasks – head-mounted displays – shared visual context

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 55: 382–387

Head-Mounted Displays und örtlich getrennte Teamaufgaben – Auswirkungen eines geteilten visuellen Kontextes auf die Leistung

Einleitung: Bestimmte Umstände erfordern, dass Teams örtlich getrennt arbeiten. Aufgaben wie die Störungsbehebung in der industriellen Instandhaltung umfassen die Manipulation von Objekten und die Interpretation von Hinweisen aus der Arbeitsumgebung. Eine örtliche Trennung von Teammitgliedern erschwert dies, wenn die Kommunikation ausschließlich über eine Audioverbindung erfolgt. Technologien wie Head-Mounted Displays ermöglichen den Aufbau eines geteilten visuellen Kontextes im Sinne eines Blicks über die Schulter eines Teammitglieds, das an einem anderen Ort arbeitet.

Ziel: Die vorliegende Studie untersuchte die Auswirkungen eines geteilten visuellen Kontextes auf die Leistung bei der örtlich getrennten Störungsbehebung.

Methode: Im Rahmen der experimentellen Studie bearbeiteten 36 Teams bestehend aus je zwei Versuchspersonen (Vpn), die sich in verschiedenen Räumen aufhielten, eine zuvor entwickelte synthetische Störungsdiagnoseaufgabe.

Ergebnis: Teams mit geteiltem visuellem Kontext behoben signifikant mehr Fehler als Teams ohne geteilten visuellen Kontext.

Schlussfolgerungen: In der Praxis ist der Einsatz von Head-Mounted Displays sorgfältig abzuwägen, da diese am Körper der Nutzerinnen und Nutzer getragen werden und unter Umständen als einschränkend oder unangenehm empfunden werden können.

Schlüsselwörter: Teams – örtlich getrennte Teamaufgaben – Head-Mounted Displays – geteilter visueller Kontext

Einleitung

Im Frühjahr 2020 arbeiten Teams auf der ganzen Welt nicht wie üblich in Büros von Angesicht zu Angesicht miteinander, sondern örtlich voneinander getrennt im Homeoffice. Diese Reduzierung persönlicher Kontakte ist eine Maßnahme zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie. Apps wie Zoom oder Skype werden genutzt, um miteinander auch visuell in Kontakt zu treten. Denn wenn Menschen über einen längeren Zeitraum nicht an einem Ort arbeiten, möchten sie ihre Kolleginnen und Kollegen sehen, statt mit ihnen nur über das Telefon zu kommunizieren. Der Sichtkontakt ist unter anderem für den Aufbau gegenseitigen Vertrauens sowie den Zusammenhalt im Team hilfreich.

Digitale Technologien unterstützen in diesem Fall bei der Überwindung örtlicher Distanzen. Gleichzeitig verändern technologische Innovationen, die mit Konzepten wie „Digitalisierung“, „Industrie 4.0“ oder „künstlicher Intelligenz“ einhergehen, die Arbeitswelt seit einigen Jahren weitreichend (Botthoff u. Hartmann 2015). Die COVID-19-Pandemie ist ein Beispiel dafür, dass soziotechnische Systeme sowohl internen Faktoren wie technischen Störungen als auch externen Faktoren wie wirtschaftlichen Schwankungen ausgesetzt sind, die menschliche Anpassungs- und Problemlösefähigkeiten erfordern. Probleme sind zunehmend nicht vorhersagbar und Beschäftigte müssen flexibel reagieren.

Eine örtliche Trennung von Teammitgliedern erschwert problemlösende Aufgaben. In der Ausnahmesituation im Jahr 2020, die durch die Verbreitung des neuartigen Coronavirus ausgelöst wurde, geht diese örtliche Trennung auf externe Faktoren zurück. In vielen Fällen resultiert sie jedoch aus der Arbeitsaufgabe. Bei der Störungsbehebung in der industriellen Instandhaltung wird sie häufig durch die örtliche Verteilung von Anlagenkomponenten bedingt. Im Gegensatz zu vielen Bürotätigkeiten erfordert die Störungsbehebung die Sichtbarkeit des Arbeitsbereichs und wird somit erschwert, wenn Teammitglieder nicht über einen geteilten visuellen Kontext verfügen. Technologien wie Head-Mounted Displays, die einen „Blick über die Schulter“ ermöglichen, können hier unterstützend eingesetzt werden.

Zielstellung

Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die Auswirkungen der Verwendung von Head-Mounted Displays zum Aufbau eines geteilten visuellen Kontextes zu untersuchen.

Head-Mounted Displays ermöglichen den Einsatz von Software für vielfältige Aufgaben. Da sie am Körper befestigt werden, eignen sie sich insbesondere für die Unterstützung mobiler Aufgaben, bei denen mit den Händen gearbeitet wird. Die Technologien bestehen meistens aus einem Display, einer Kamera sowie weiteren Bestandteilen, die in ein Brillengestell oder einen Kopfträger integriert werden. Auf dem Markt sind eine Vielzahl verschiedener Head-Mounted Displays verfügbar, die für unterschiedliche Trägerinnen und Träger sowie Einsatzbereiche geeignet sind. Im Gegensatz zu stationären Displays sind bei Head-Mounted Displays Aspekte wie die Befestigungsart am Körper sowie die Wechselwirkungen zwischen der Verwendung der Technologie und der Durchführung einer Aufgabe von Bedeutung. Verschiedene Head-Mounted Displays schränken beispielsweise unterschiedlich stark den Sichtbereich ein. Neben Datenbrillen sind Tablet-PCs bekannte und verbreitete mobile Alternativen zu stationären Displays. Sie werden durch die Nutzerinnen und Nutzer getragen und sind in der Regel nicht am Körper befestigt.

Als Beispielaufgabe der vorliegenden Studie wurde die Störungsbehebung in der industriellen Instandhaltung ausgewählt, da diese sowohl kognitive Fähigkeiten (z.B. für die Fehlerdiagnose) als auch physische Aktionen (z.B. Austausch defekter Teile) erfordert. Bei der Störungsbehebung interagieren Teams kontinuierlich mit ihrer Arbeitsumgebung. In Teams, die sich an einem Ort aufhalten, nehmen die Teammitglieder wahr, welche Auswirkungen Handlungen auf die Arbeitsumgebung beziehungsweise den Systemstatus haben. Dies erleichtert den Aufbau eines geteilten Situationsbewusstseins und ermöglicht es, kontextspezifisches Feedback zu geben (Rasker et al. 2000). Teammitglieder sehen unmittelbar, in welchem Status sich eine Aufgabe (z.B. falsches Ersatzteil wurde aus dem Regal genommen) befindet und wie ausgelastet die anderen Teammitglieder sind (Kraut et al. 2002). Anleitungen und Erklärungen können leicht gegeben werden. Fällt der geteilte visuelle Kontext bei der Störungsbehebung weg, müssen Teammitglieder auf diese Vorteile verzichten. In einer Beobachtungsstudie (Kirchhoff 2018) zeigte sich, dass Teams in der Instandhaltung nicht ständig, sondern phasenweise örtlich getrennt voneinander arbeiteten, wenn die Aufgabe dies erforderte. Ein Teammitglied hielt sich etwa direkt an einer Anlage auf, ein weiteres Teammitglied in einem Schaltraum. Die Teams kommunizierten über eine Audioverbindung und waren daher rein auf verbale Beschreibungen angewiesen. In einer explorativen Studie (Kirchhoff 2018) zeigte sich, dass ein Head-Mounted Display geeignet war, um in Kombination mit einem Konferenzsystem ein geteiltes Sehen des Arbeitsbereichs zu ermöglichen. Teams, die an der Studie teilnahmen, beurteilten dies generell als positiv. Technische Limitationen wie eine Verzögerung der Bildübertragung wirkten sich jedoch negativ aus. Der vorliegende Artikel beschreibt eine laborexperimentelle Studie, zur Untersuchung der Auswirkungen eines geteilten visuellen Kontextes im Vergleich zur Kommunikation ausschließlich über eine Audioverbindung auf die Leistung bei der Störungsbehebung. Die Studie war Teil eines Dissertationsprojekts (Kirchhoff 2018). Nachfolgend werden Auszüge daraus berichtet.

Methoden

Stichprobe und Design

Für die Teilnahme an der Studie wurde kein spezielles Vorwissen vorausgesetzt. Die Beherrschung der deutschen Sprache wurde vorausgesetzt. Die Akquise der Versuchsteilnehmerinnen und -teilnehmer erfolgte über Aushänge und online. Die Zuordnung zu den Versuchsbedingungen sowie zu der Rolle im Team erfolgte randomisiert. An der Studie nahmen 78 Versuchspersonen im Alter von 18 bis 53 Jahren teil (M = 26,13, SD = 6,61), aufgeteilt auf 39 Teams aus je zwei Personen. 77 Prozent der Versuchspersonen waren Studierende. Die weiteren Versuchspersonen gingen unterschiedlichen Berufen nach. Die Daten von sechs Versuchspersonen (drei Teams) wurden von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Ein Team sprach kein Deutsch auf Muttersprachniveau und verstand Begriffe aus dem Handbuch nicht, bei zwei Teams traten während der Versuchsdurchführung technische Probleme auf, so dass die Aufgabe nicht vollständig bearbeitet werden konnte. Die Daten dieser drei Teams sind nicht in die weiteren Berechnungen eingeflossen.

Material

Für die Auswahl einer passenden Technologie wurde zunächst eine Übersicht verfügbarer Head-Mounted Displays erstellt und anhand ergonomischer Kriterien das Modell Vuzix M100 (s. schematische Darstellung in ➥ Abb. 1) ausgewählt.

Dieses Modell besteht aus einem Display mit integrierter Kamera und Prozessoreinheit, das mit Hilfe einer Aufhängung an einer Schutzbrille befestigt werden kann. Ein zusätzlicher Akku wird mit der Brille über ein USB-Kabel verbunden und in der Hosentasche getragen. Trotz der sorgfältigen Auswahl sind aus ergonomischer Sicht beispielsweise die unausgeglichene Gewichtsverteilung oder die Wärmeentwicklung nach einer längeren Tragezeit zu bemängeln. Das kopfgetragene Display wird zum Aufbau eines geteilten visuellen Kontextes über eine Konferenzsoftware mit einem Windows Tablet-PC verbunden. Die Konferenzsoftware wurde für diesen Zweck programmiert. Im linken Bereich des Displays wird der geteilte visuelle Kontext angezeigt, im rechten Bereich des Displays die Informationen, die an das Head-Mounted Display gesendet werden.

Für die Versuchsdurchführung wurde eine synthetische Teamaufgabe zur Behebung von Fehlern verwendet (für eine detaillierte Beschreibung s. Kirchhoff 2018). Im Rahmen der Aufgabe beheben Teams auf je zwei Versuchen an einem Fehlersimulator mit Hilfe eines Handbuchs sowie weiterer Hinweise simulierte Störungen, während sie sich in getrennten Räumen aufhalten.

Weiterhin wurden im Rahmen der Studie zwei digitale Videokameras zur Aufzeichnung der gesprochenen Kommunikation zwischen den Versuchspersonen sowie der durchgeführten Handlungen verwendet.

Operationalisierung der unabhängigen Variable „visueller Kontext“

Der Einfluss der unabhängigen Variablen „visueller Kontext“ wurde in den Abstufungen „nicht geteilt“ und „geteilt“ untersucht. Daraus ergaben sich die Versuchsbedingungen „nicht geteilter visueller Kontext“ und „geteilter visueller Kontext“. In beiden Bedingungen kommunizierten eine Versuchsperson in der Zentrale und eine Versuchsperson an der Maschine über eine Audioverbindung. Die Versuchsperson in der Zentrale verwendete einen Tablet-PC mit einer Konferenzsoftware. Die Versuchsperson an der Maschine trug das Head-Mounted Display, das mit einer Kamera ausgestattet war. In der Bedingung „nicht geteilter Kontext“ wurden keine Videosignale empfangen und keine Videosignale gesendet. In der Bedingung „geteilter visueller Kontext“ wurden Videosignale gesendet und empfangen. Der Arbeitsbereich der Versuchsperson an der Maschine wurde somit an die Versuchsperson in der Zentrale übertragen und somit ein geteiltes Sehen ermöglicht.

Messung der Leistung

In der Originalstudie wurden sechs Hypothesen sowie drei explorative Forschungsfragen formuliert und untersucht (Kirchhoff 2018). Der vorliegende Artikel konzentriert sich auf die Leistung bei der Störungsbehebung. Die Leistung wurde durch die Anzahl der behobenen Fehler (maximal 7) beschrieben. Die Versuchsleiterin, die sich im Raum mit der Maschine aufhielt, vermerkte während der Aufgabendurchführung in einem Beobachtungsbogen, welche Fehler behoben wurden. Da teilweise während der Aufgabendurchführung nicht beurteilt werden konnte, ob ein Fehler tatsächlich behoben wurde, wurden die Beobachtungsprotokolle anhand der Videoaufnahmen durch eine weitere Person überprüft. Die gerichtete Hypothese bezüglich der Leistung besagte, dass die Leistung in der Bedingung „geteilter Kontext“ besser war, als in der Bedingung „nicht geteilter Kontext“.

Die Hypothese wurde wie folgt operationalisiert:

Hypothese 1 – Anzahl der insgesamt behobenen Fehler

H1: μgeteilter_visueller_Kontext > μnicht geteilter_visueller_Kontext
H0: μgeteilter_visueller_Kontext ≤ μnicht geteilter_visueller_Kontext

Messung der Beurteilung der akzeptanzrelevanten Merkmale

Neben weiteren Kontrollvariablen (für eine detaillierte Beschreibung s. Kirchhoff 2018) wurde die Beurteilung der akzeptanzrelevanten Merkmale der verwendeten Datenbrille erhoben. Die neun Items zur Beurteilung der akzeptanzrelevanten Merkmale wurden aus den Ergebnissen einer Repertory-Grid-Studie zur Beurteilung der Akzeptanz von Datenbrillen (Grauel 2014) abgeleitet. In einem semantischen Differenzial wurden den Versuchspersonen, die das Head-Mounted Display trugen, jeweils zwei gegensätzliche Aussagen präsentiert. Auf einer fünfstufigen Skala wurde ausgewählt, welcher Aussage eher zugestimmt wurde. Gruppenunterschiede wurden nicht erwartet, da alle Versuchspersonen dasselbe Display trugen. Die Bedingungen unterschieden sich wie beschrieben darin, ob ein Videobild gesendet wurde oder nicht.

Versuchsablauf

Für die Durchführung der Studie lag ein positives Votum der Ethikkommission der Fakultät für Ingenieurwissenschaften, Ableitung für Informatik und Angewandte Kognitionswissenschaft, Universität Duisburg-Essen, vor. Der Versuchsablauf ist in ➥ Abb. 2 dargestellt.

Nach einer gemeinsamen Begrüßung der Versuchspersonen wurden diese durch je eine Versuchsleiterin zur vorab zugewiesenen Position begleitet. An der jeweiligen Position fand eine Einführung in den Versuch statt. Im Anschluss daran wurden die Fragebögen zu den demografischen Angaben, zum Vorwissen, zum Kognitionsbedürfnis und zur allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung papierbasiert ausgefüllt. Auf die Erhebung der Kontrollvariablen erfolgte eine schriftliche Erklärung der Versuchsaufgabe. Diese unterschied sich je nach Rolle und Bedingung. Die Versuchsperson in der Zentrale erhielt zudem eine Einführung in das Handbuch zur Störungsbehebung. Der Aufbau und die Inhalte des Handbuchs wurden erläutert. Die Versuchsperson an der Maschine wurde zusätzlich in die Maschine sowie die Verwendung des Multimeters eingewiesen.

Im Anschluss an die Erklärung der Versuchsaufgabe füllten beide Versuchspersonen den Wissenstest aus. Die Durchführung der Versuchsaufgabe begann mit einer Einführung in die Konferenzsoftware für die Versuchsperson in der Zentrale und einer Einführung in die Datenbrille für die Versuchsperson an der Maschine. Nachdem beide Versuchspersonen bereit waren, wurde die Versuchsaufgabe gestartet. Die gesprochene Kommunikation wurde im Anschluss transkribiert. Die Durchführung der Versuchsaufgabe endete, sobald alle Fehler behoben waren oder sobald durch die Versuchsleiterinnen nach vorher festgelegten Kriterien für einen Abbruch entschieden wurde.

Abb. 2:  VersuchsablaufFig. 2: Test procedure

Abb. 2: Versuchsablauf
Fig. 2: Test procedure

Ergebnisse

Die Auswertung der quantitativen Daten erfolgte mit IBM SPSS ­Statistics 24.

Leistung

Die Hypothese zur Leistung nahm an, dass in der Bedingung „geteilter visueller Kontext“ im Mittel insgesamt von den Teams mehr Fehler behoben werden als in der Bedingung „nicht geteilter visueller Kontext“.

Die deskriptiven Statistiken zur Leistung sind in ➥ Tabelle 1 dargestellt. Die Normalverteilung der insgesamt behobenen Fehler wurde mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test überprüft. Die Daten in der Bedingung „nicht geteilter visueller Kontext“ wichen nicht signifikant von der Normalverteilung ab, D(17) = 0,169, p = 0,2004. Die Daten in der Bedingung „geteilter visueller Kontext“ wichen signifikant von der Normalverteilung ab, D(17) = 0,208, p = 0,048.

Zur Testung der Hypothese wurde ein t-Test für unabhängige Stichproben berechnet, obwohl die Daten in der Bedingung „nicht geteilter visueller Kontext“ signifikant von der Normalverteilung abwichen, der Levene-Test der Varianzgleichheit wurde jedoch nicht signifikant. Die Anzahl der korrekt behobenen Fehler war in der Bedingung „geteilter visueller Kontext“ (M = 4,50, SD = 2,36) signifikant höher als in der Bedingung „nicht geteilter visueller Kontext“ (M = 2,82, SD = 2,30), t(32) = 2,099,
p(einseitig) = 0,022, d = –0,72. Somit wurde die Alternativhypothese H1 angenommen.

Tabelle 1:  Deskriptive Statistik der behobenen Fehler im Vergleich für beide Bedingungen (M = Mittelwert, SD = Standardabweichung, SE = Standardfehler des Mittelwerts)Table 1: Descriptive statistics for repaired faults in comparison for both conditions (M = Mean, SD = Standard Deviation, SE = Standard Error of the Mean)

Tabelle 1: Deskriptive Statistik der behobenen Fehler im Vergleich für beide Bedingungen (M = Mittelwert, SD = Standardabweichung, SE = Standardfehler des Mittelwerts)
Table 1: Descriptive statistics for repaired faults in comparison for both conditions (M = Mean, SD = Standard Deviation, SE = Standard Error of the Mean)

Beurteilung der akzeptanzrelevanten Merkmale

Die additive Skala zur Beurteilung der akzeptanzrelevanten Merkmale bestand aus acht Items und wies eine interne Konsistenz von Cronbachs α = 0,809 auf.

Die Normalverteilung der Daten wurde mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test überprüft. Die Beurteilung akzeptanzrelevanter Merkmale wich in beiden Bedingungen nicht signifikant von der Normalverteilung ab, p > 0,05. Die Homogenität der Fehlervarianzen zwischen den Bedingungen war gemäß dem Levene-Test erfüllt,
p > 0,05. Die Einschätzung der akzeptanzrelevanten Merkmale unterschied sich nicht signifikant zwischen den Bedingungen „nicht geteilter visueller Kontext“ (M = 2,60, SD = 0,77) und „geteilter visueller Kontext“ (M = 2,88, SD = 0,65), t(70) = –1,120, p = 0,271, d = 0,39.

Die Werte für die einzelnen Items sind getrennt nach Versuchsgruppe in ➥ Abb. 3 dargestellt.

Abb. 3:  Beurteilung der akzeptanzrelevanten Merkmale getrennt nach VersuchsbedingungenFig. 3: Assessment of acceptance-relevant features separated according to test conditions

Abb. 3: Beurteilung der akzeptanzrelevanten Merkmale getrennt nach Versuchsbedingungen
Fig. 3: Assessment of acceptance-relevant features separated according to test conditions

Diskussion

In der vorliegenden laborexperimentellen Studie wurde eine synthetische Teamaufgabe eingesetzt, um eine kontrollierte Überprüfung der Hypothesen und Forschungsfragen (interne Validität) und gleichzeitig eine Übertragbarkeit der Ergebnisse in den realen Aufgabenkontext (externe Validität) zu ermöglichen. Es muss jedoch angemerkt werden, dass synthetische Aufgaben jeweils lediglich einen kleinen Ausschnitt realer Aufgaben abbilden können. Die Ergebnisse sollten daher in weiteren Feldstudien validiert werden.

Die transkribierten Kommunikationsdaten der Teams während der Aufgabendurchführung belegten, dass der geteilte visuelle Kontext von allen Teams in der Bedingung „geteilter visueller Kontext“ für die Bearbeitung der Aufgabe genutzt wurde. Die Operationalisierung der unabhängigen Variable war somit erfolgreich. Da die Bedingungen sich nicht hinsichtlich der erhobenen Kontrollvariablen unterschieden, kann davon ausgegangen werden, dass personenbezogene Störvariablen zumindest nicht in großem Umfang auf das Ergebnis einwirkten (für Details s. Kirchhoff 2018).

Die Ergebnisse in Bezug auf die Leistung bestätigten die Hypothese. Der Mittelwertsunterschied zwischen der Bedingung „nicht geteilter visueller Kontext“ und der Bedingung „geteilter visueller Kontext“ war jedoch gering. Die bisherigen Befunde zu den Auswirkungen eines geteilten visuellen Kontextes auf die Leistung bei der örtlich getrennten Zusammenarbeit waren uneinheitlich. Bei wenig realistischen Puzzleaufgaben wurden in der Vergangenheit positive Auswirkungen auf die Leistung berichtet (Gergle et al. 2004a,b, 2006, 2013; Kraut et al. 2002), nicht jedoch bei einer realistischeren Reparaturaufgabe (Fussell et al. 2000; Kraut et al. 2003). Allerdings wurden in bisherigen Studien Versuchspersonen von anderen Personen bei der Durchführung einer Aufgabe angeleitet, es war keine Teamarbeit zur Lösung von Fehlern erforderlich. Die vorliegende Studie leistete somit einen Beitrag zur Untersuchung der Auswirkungen eines geteilten visuellen Kontextes auf die Leistung bei realitätsnahen, problemlösenden Teamaufgaben.

Bei der Beurteilung der akzeptanzrelevanten Merkmale des Head-Mounted Displays zeigten sich wie erwartet keine Unterschiede zwischen den Versuchsbedingungen, da in beiden Bedingungen dasselbe Display getragen wurde. Die Ergebnisse (s. Abb. 3) zeigten jedoch, dass der Tragekomfort der Technologie generell gering bewertet wurde und das Display als eher hinderlich und einengend empfunden wurde. Dies ist bemerkenswert, da in der Studie ein vergleichsweise leichtes Head-Mounted Display in Form einer Schutzbrille ohne Kopfträger oder ähnliches verwendet wurde.

Schlussfolgerung

Es zeigte sich, dass das visuelle Teilen des Arbeitsbereichs bei der örtlich getrennten Störungsdiagnose zur einer verbesserten Leistung führte. Dies spricht für den Einsatz einer Technologie, die die Übertragung eines Videobilds in Ergänzung zu einer Audioverbindung ermöglicht. Head-Mounted Displays sind geeignet, wenn die Aufgabe durch die freie Verwendbarkeit der Hände erleichtert wird und Mobilität erfordert. Bei ortsunveränderlichen Aufgaben sollte über eine alternative Technologie nachgedacht werden, die nicht am Körper befestigt wird und somit Nutzerinnen und Nutzer nicht unnötig belastet. Kommt eine alternative Technologie nicht in Frage, sollte die Auswahl eines Head-Mounted Displays sorgfältig und unter Einbezug der späteren Verwenderinnen und Verwender erfolgen. Da das Tragen eines Head-Mounted Displays selbst bei leichten Modellen als einschränkend empfunden werden kann, sollte die Tragedauer nicht länger als nötig sein. Im Bereich der Instandhaltung wäre es beispielsweise denkbar, das Display lediglich für die örtlich getrennte Störungsbehebung einzusetzen und für andere Tätigkeiten (z.B. Kontrollgänge, Wartungsaufgaben) nicht zu verwenden.

Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

Botthof A, Hartmann EA (Hrsg.): Zukunft der Arbeit in Industrie 4.0. Berlin: ­Springer Vieweg, 2015.

Fussell SR, Kraut RE, Siegel J: Coordination of communication: Effects of shared visual context on collaborative work. Beitrag präsentiert im Rahmen von Proceedings of the 2000 ACM conference on Computer supported cooperative work, 2000.

Gergle D, Kraut RE, Fussell SR: Action as language in a shared visual space. Beitrag präsentiert im Rahmen von Proceedings of the 2004 ACM conference on Computer supported cooperative work, 2004a.

Gergle D, Kraut RE, Fussell SR: Language efficiency and visual technology: Minimizing collaborative effort with visual information. J Language Soc Psychol 2004b; 23: 491–517.

Gergle D, Kraut RE, Fussell SR: The impact of delayed visual feedback on collaborative performance. Beitrag präsentiert im Rahmen von Proceedings of the SIGCHI conference on Human Factors in computing systems, 2006.

Gergle D, Kraut RE, Fussell SR: Using Visual Information for Grounding and Awareness in Collaborative Tasks. Human-Computer Interaction, 2013; 28: 1–39.

Grauel BM, Terhoeven JN, Wischniewski S, Kluge A: Erfassung akzeptanzrelevanter Merkmale von Datenbrillen mittels Repertory Grid Technik. Z Arbeitswiss 2014; 68: 250–256.

Kirchhoff B: Örtlich getrennte Teamaufgaben und neue Technologien: Untersuchung von Passung, Akzeptanz und makrokognitiven Prozessen. Doctoral dissertation, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2018.

Kraut RE, Fussell SR, Brennan SE, Siegel J: Understanding effects of proximity on collaboration: Implications for technologies to support remote collaborative work.
In: Hinds P, Kiesler S (Hrsg.): Distributed work. Cambridge London: The MIT Press, 2002, S. 137–162.

Kraut RE, Fussell SR, Siegel J: Visual information as a conversational resource in collaborative physical tasks. Human-computer Interaction 2003; 18: 13–49.

Kraut RE, Gergle D, Fussell SR: The use of visual information in shared visual spaces: Informing the development of virtual co-presence. Beitrag präsentiert im Rahmen von Proceedings of the 2002 ACM conference on Computer supported ­cooperative work, 2002.

Rasker PC, Post WM, Schraagen JM: Effects of two types of intra-team feedback on developing a shared mental model in Command & Control teams. Ergonomics 2000; 43: 1167–1189.

Kontakt:

Dr. rer. nat. Britta Marleen Kirchhoff

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Wissenschaftliche Leitung Fachbereich 2 „Produkte und Arbeitssysteme“
Friedrich-Henkel-Weg 1-25
kirchhoff.britta@baua.bund.de