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Die DGAUM informiert

Sonne, Outdoor-Working: Krebsgefahr?

Prof. Dr. med. Hans Drexler

Stellungnahme des Präsidenten der DGAUM zur arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Beschäftigung im Freien

Zum 1. Januar 2015 wurde die Berufskrankheit Nr. 5103 (Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung) in die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) aufgenommen. Dies war der Beginn eines Erfolgs um die Verbesserung der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Beschäftigung im Freien. Denn gemäß § 3 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) hat der Arbeitgeber auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sorgen.

Präventionspotenzial

In der Öffentlichkeit, provoziert durch eine zuletzt veröffentlichte Stellungnahme des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB), werden aktuell diese Fortschritte sowie die Bedeutung der arbeitsmedizinischen Vorsorge für Outdoor-Worker in Frage gestellt. Im Fall der Einwirkung von UV-Strahlung müssen insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt werden, die eine arbeitsmedizinische Vorsorge rechtfertigen:

  • UV-Strahlung ist hinsichtlich Initiation, Progression, Promotion ein komplettes Humankanzerogen.
  • Das Plattenepithelkarzinom hat eine hohe Erkrankungsprävalenz und das Risiko zu erkranken ist für Outdoor-Worker deutlich erhöht.
  • Die Vorsorge verfügt über ein gutes präventives Potenzial: technisch, organisatorisch, persönlich (TOP) und beinhaltet
  • gute Möglichkeiten der Früherkennung bei leicht zugänglichem Zielorgan.

Risikoabschätzung

Die Risikobetrachtung spricht für die Rechtfertigung einer arbeitsmedizinischen Vorsorge. Für das risikobasierte Konzept beim Umgang mit kanzerogenen Arbeitsstoffen werden seit 2005 Expositions-Risiko-Beziehungen beschrieben. Dabei wird eine Exposition am Arbeitsplatz (Menge/m³) unter Zugrundelegung eines Achtstundentages einem Risiko zugeordnet. Dieses Konzept lässt sich auch auf die Risiken bei physikalischen Einwirkungen übertragen. Der  Versuch einer Quantifizierung des Hautkrebsrisikos, das von einer UV-Exposition ausgeht, dient dem Vergleich arbeitsbezogener Risiken und beruht auf den derzeit zur Verfügung stehenden Daten. Vereinfachend wird in dieser Berechnung eine lineare Dosis-Wirkungs-Kurve zugrunde gelegt, obwohl der Zusammenhang zwischen UV-Dosis-Bestrahlung und Plattenepithelkarzinomen mit einer exponentiellen Funktion zu beschreiben wäre. Daneben werden die ebenfalls UV-induzierten Basalzellkarzinome nicht mit in die Berechnungen einbezogen. Die genaue Inzidenzrate von Plattenepithelkarzinomen in Deutschland ist nicht bekannt. In Kenntnis der wissenschaftlichen Literatur ist anzunehmen, dass diese im Bereich von 100/100 000 (= 1/1000) liegt (Wissenschaftliche Begründung, BK-Nr. 5103, GMBl 2013).

Um das Toleranzrisiko analog zu TRGS 910 abzuschätzen, wird die Wissenschaftliche Begründung zur BK-Nr. 5103 zugrunde gelegt. Eine zusätzliche UV-Bestrahlung von 40 Prozent führt zu einer Risikoverdoppelung (d. h. 2/1000). Eine zusätzliche UV-Belastung von 80 v. H. entspricht dem Toleranzrisiko von 4 Plattenepithelkarzinomen/1000 exponierten Personen. Legt man die Annahmen der wissenschaftlichen Begründung der BK-Nr. 5103 zur UV-Dosis-Bestrahlung zugrunde, lässt sich ein

  • Toleranzrisiko von 1,15 SED/Tag und ein
  • Akzeptanzrisiko von 0,115 SED/Tag bzw. ein
  • Akzeptanzrisiko ab 2018 von 0,0115 SED/Tag

ableiten.

Gemäß eines Statements der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) wird in unseren Breiten eine tägliche Bestrahlung von 1 SED als Grenzwert vorgeschlagen (Health Physics 2010; 99: 66–87). Dies steht in guter Übereinstimmung mit den o. g. Überlegungen. Messwerte von Beschäftigten im Freien weisen Werte bis zu 5 SED/Tag auf (Wittlich 2017).

In Deutschland sind bei keiner krebserzeugenden Wirkung am Arbeitsplatz derart hohe Risiken zulässig. Hinzu kommt, dass das Risiko für Hautkrebs mit Abstand das größte Krebsrisiko ist.

Die Verlautbarungen des Deutschen Baugewerbes (ZDB) zur arbeitsmedizinischen Vorsorge bei regelmäßigen Tätigkeiten im Freien mit intensiver Belastung durch natürliche UV-Strahlung, die mit einer Gesundheitsgefährdung für die Haut verbunden sind, basieren daher auf falschen Darstellungen oder wissenschaftlich unrichtigen Aussagen:

  1. Eine verpflichtende Hautuntersuchung, die angeblich jährlich durchgeführt werden soll, wäre nicht gesetzeskonform und würde nicht dem primär-präventiven Auftrag gerecht werden. Ein Hautkrebsscreening wäre erst nach langjähriger Exposition in der zweiten Lebenshälfte indiziert. Zu diesem Zeitpunkt hätte jedoch schon eine hohe kumulative UV-Dosis eingewirkt und unumkehrbar Schäden an der Haut verursacht.
  2. Eine Vorsorge zur individualmedizinischen Beratung setzt daher viel früher ein und soll dazu beitragen, dass sich Beschäftigte lebenslang und effektiv schützen können.
  3. Das Untersuchungsangebot wird sich auf beruflich exponierte Areale und benachbarte Hautstellen beschränken, da anderenfalls ein Versicherter seinen GKV-Schutz verlieren könnte, wenn für ihn in der Vorsorge stets eine Ganzkörperuntersuchung bei Vorliegen beruflicher Ursachen angeboten würde.
  4. Die ArbMedVV regelt die Vorsorge bei arbeitsbezogenen Einwirkungen auf die Gesundheit der Beschäftigten, nicht aber in bestimmten Berufsgruppen wie etwa Bauarbeiter.
  5. Normadressaten der ArbMedVV sind die Arbeitgeber sowie die Arbeitsmediziner und Betriebsärzte. Die DGAUM steht als wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft daher bei diesem Thema in einem engen wissenschaftlichen Austausch mit der dermatologischen Schwestergesellschaft DDG und deren Arbeitsgemeinschaft Berufs- und Umweltdermatologie (ABD).

Die vom ZDB vorgetragenen Argumente, dass beruflich hautkrebsgefährdete Beschäftigte Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrnehmen würden und durch ihr Verhalten für eine Hautkrebserkrankung selbst verantwortlich seien, erscheinen sowohl aus arbeitsmedizinischer als auch aus dermatologischer Sicht mehr als zweifelhaft. Die Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM) steht uneingeschränkt zum Konzept der arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie zu den Bemühungen, eine nachhaltige und erfolgreiche Prävention von Hautkrebs zu erreichen, um so nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen, sondern auch, um unserem Sozialsystem Krankheitskosten zu ersparen

Präsident der DGAUM

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