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Deutscher Betriebsärzte-Kongress 2015 (23.–26.09.2015 in AAchen) | Eindrücke von der 31. Jahrestagung des VDBW

Arbeitsmedizinische Blitzlichter

T. Küpper, Aachen

In seinem Übersichtsreferat zur Asbestvorsorge stellte Prof. Dr. med. Kraus (Aachen) die Sinnhaftigkeit des „Routinethorax“ bei der G 1.2-Untersuchung in Frage. Neuere Daten belegen, dass dieses Instrument zur Früherkennung maligner Erkrankungen in keiner Weise beiträgt. Eine Thoraxaufnahme ist, auch wenn die Strahlenexposition bei modernen Geräten minimal und um ein Vielfaches geringer als bei einem Fernflug ist, als individuelle Indikation zu stellen. Dies wäre zum Beispiel auch eine mit dem Patienten zu besprechende sozialmedizinische Indikation zur Dokumentation von pulmonalen Veränderungen. Dagegen sollte bei einem streng selektierten Teil-kollektiv, für das ein signifikant erhöhtes Risiko belegt ist, ein Screening mit Hilfe eines Niedrigdosis-CT durchgeführt werden. Das betreffende Kollektiv ist derzeit folgendermaßen definiert: Alter mindestens 55 Jahre, Asbestexposition vor 1985 für eine Dauer von mindestens 10 Jahren und mit einer Raucheranamnese von mindestens 30 Pack Years.

Prof. Dr. med. Hartmann (Hamburg) stellte zahlreiche Hilfsmit-tel zur Abschätzung „wesentlich erhöhter körperlicher Belastungen“ vor, also vor allem Lastenhandhabung und Zwangshaltungen. Derartige Werke erscheinen für den betrieblichen Alltag zunächst arg komplex, führen jedoch zu einer gewissen Standardisierung der Belastungsabschätzung. Sie sind allerdings nicht in der Lage, Mischformen der genannten Tätigkeiten valide abzubilden. Aus Sicht des Berichterstatters wird auch leider ausschließlich die Belastungskomponente betont und mit keinem Wort das Thema „richtige Technik“ im Sinne einer ergonomischen Lasthandhabung erwähnt. Dem Berichterstatter sind zahlreiche Arbeitsplätze im Ausland bekannt, wo drastisch höhere Lasten als es die deutschen Empfehlungen vorsehen – bis zum etwa 2,5fachen des jeweiligen Körpergewichts! – ganztägig bewegt werden müssen, ohne dass Studien an diesen Kollektiven eine Schädigung der Wirbelsäule je haben nachweisen können. Der Unterschied liegt im Wesentlichen in einer physiologischeren Tragetechnik, die dort zur Anwendung kommt. Mehrere weitere Vorträge behandelten ebenfalls die Thematik des Muskel-Skelett-Systems. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass diese Krankheitsgruppe trotz aller Bestrebungen der Prävention nach wie vor den Hauptanteil der Ausfalltage verursachen. Auch wenn fast keine der Präventionsstrategien je validiert wurde, wäre es verfrüht, diese Bestrebungen als gescheitert anzusehen.

In einer Übersicht über die Ergebnisse der bislang vier durchgeführten ADEMED-Expeditionen („Aachen Dental and Medical Expedition“, www.ademed.de) wurden die für die international ausgerichtete Arbeitsmedizin und die Betreuung von Expatriates relevanten Ergebnisse herausgearbeitet. Als besonders relevante Themen ergab sich die Notwendigkeit zielgruppenspezifischer Erste-Hilfe-Kennnisse (auch für Ärzte!), die Korrektur verschiede-ner Vorurteile (z. B. zahlreiche Betroffene gehören entgegen spontaner Erwartung zu kardiovaskulären Risikogruppen), auch die Tatsache, dass (Höhen-)Erkrankungen einheimischer Mitarbeiter regelmäßig übersehen werden. Kenntnisse über zahnmedizinische Probleme, die mit einer Häufigkeit von 1:23 Tagen im Gelände vorgefunden wurden, werden nirgendwo vermittelt, das Sicherheitsmanagement diverser Unternehmungen muss dringend verbessert werden (insbesondere bei (Arbeits-)Einsätzen in großer Höhe). Auch ist industriell abgefülltes Trinkwasser entgegen allgemein verbreiteter Ansicht nicht grundsätzlich als sicher anzusehen. Neueste Ergebnisse aus Afrika zeigen, dass Infektionserkrankungen (im konkreten Beispiel Rickettsiosen) auch außerhalb bekannter Risikogebiete verbreitet sind und Angaben oder Karten zu Risikogebieten mangels Daten über viele Regionen mit Vorsicht zu interpretieren sind.

Dr. med. Middel (Gelsenkirchen) stellte die Ergebnisse eines Sportpräventionsprogramms vor, bei dem die Teilnehmer nach individueller sportmedizinischer Testung und Beratung über 3 Monate trainiert haben. Dabei wurde eine Verbesserung der aeroben Ausdauer von 1,9 auf 2,1 W/kg KG erzielt. Dieser Zuwachs von 10 % liegt wesentlich unter dem, was bei einem derart schlecht trainierten Kollektiv (Durchschnitt der untrainierten deutschen Bevölkerung 2,0 W/kg KG) eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Ähnliches gilt für das Krafttraining (11 % Kraftzuwachs), bei dem untrainierte Personen allein durch intramuskuläre Koordination in 6 Wochen ihre Maximalkraft verdoppeln können. Wahrscheinlich liegt der sub-optimale Erfolg des Programms an Confoundern wie z. B. unregelmäßiger Trainingsteilnahme. Einig war man sich dahin gehend, dass es unter präventivmedizinischem Blickwinkel viel wichtiger ist, die Zielgruppe überhaupt einigermaßen regelmäßig in Bewegung zu bekommen, als einseitig auf optimalen Leistungszuwachs zu fokussieren. Interessant war die relativ geringe Abbrecherrate von etwa 20 % über 3 Monate. Eine Follow-up-Studie sollte unbedingt erfolgen, um mögliche langfristige Änderungen der Lebensweise festzustellen, denn nur über langfristige Verhaltensänderung kann tatsächlich der gewünschte Effekt solcher Maßnahmen auch erreicht werden. Möglicherweise lassen sich die Ergebnisse gemäß der Daten von Dr. med. Schneider (Ingelheim) weiter verbessern. In seinem Referat über ein Program, bei dem zusätzlich ein regelmäßiges Coaching erfolgte, zeigte er die Vorteile derartiger Zusatzmaßnahmen im Vergleich zu reinen Trainingsangeboten.

Frau Priv.-Doz. Dr. med. Gube (Aachen) erläuterte in einem sehr systematischen Vortrag, warum Stäube bestimmter Korngröße wo problematisch werden können und vor allem auch, warum allein die Größe und Lokalisation nicht allein krankheitsverursachend sind. Bei Umweltstäuben z. B. aus Verbrennungsmotoren ist vielmehr anzunehmen, dass sie im Gegensatz zu experimentell erzeugten „oberflächenreinen“ Stäuben vermutlich oberflächlich mit Schadstoffen, z. B. PAHs, belegt sind und die eigentliche krankmachende Wirkung eher auf derartige Schadstoffwirkung zurück zu führen ist.

In der Zusammenschau bleibt ein gemischtes Fazit – kein Wunder, denn wo Licht ist, ist immer auch Schatten! Echt neue Informationen und Kenntnisse haben nur wenige Beiträge gebracht. Die meisten Beiträge waren Übersichten und vor allem auch Sachstand-berichte über teilweise nicht fertig ausgewertete oder nicht evaluierte Projekte. Als interessierter Zuhörer fragt man sich dann: Ist das ein Zeichen eines limitierten Erkenntnisgewinns im Fach Arbeitsmedizin? Darüber kann im Verlauf nachgedacht werden; jedenfalls schaffte ein gelungener Gesellschaftsabend in der ungewöhnlichen Atmosphäre eines Kunstmuseums das nach anstrengendem Tag notwendige Maß an Entspannung und Kommunikation.

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