Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Schwierige Abgrenzungsfragen zur BK Nr. 2112 bei Schadensanlagen und / oder Vorschäden

Die Berufskrankheiten des Kniegelenks

Zwei Krankheiten aus der Gruppe der durch physikalische Einwirkungen verursachten Berufskrankheiten betreffen speziell das Kniegelenk. Es sind die vorzeitigen Texturstörungen der Menisken, die „Meniskusschäden“ (BK Nr. 2102) sowie die „Gonarthrose“ (BK Nr. 2112), also die vorzeitigen Texturstörungen des Gelenkknorpels.

Beide Berufskrankheiten lassen einen Dosis-Wirkungs-Zusammenhang im Einzel-fall letztlich nicht begründen. Ursächlich da-für sind:

  • Ein weitgehend klinisch stummer Ver-lauf.
  • Das Schadensbild lässt sich in seinem Verlauf zeitlich nicht an der als ursächlich zu diskutierenden Exposition abgleichen. Es kann also letztlich nicht gesichert werden, nach welcher Belastung (Exposition) es beginnt, und wann es zur Fortentwicklung des versicherten Schadensbildes kommt.
  • Das Fehlen von belastungsspezifischen strukturellen Reaktionsmöglichkeiten.
  • Sowohl die Menisken als auch der Ge-lenkknorpel reagieren auf unterschiedlichste Ursachen, z. B. auf Überlastung, Verletzung, durchblutungs- und stoffwechselbedingte Einwirkungen etc. auf Dauer jeweils in gleicher Weise. Aus der strukturellen Veränderung kann somit nicht auf ihre Ursache rückgeschlossen werden.
  • Dem Fehlen einer absoluten Belastungs-grenze, also einer Schwelle, von der in jedem Einzelfall auf eine unphysiologische Belastung und auf einen dadurch verursachten Gesundheitsschaden rück-geschlossen werden kann.
  • Die Multikausalität des Schadensbildes.
  • Verschiedenste Ursachen können isoliert oder gemeinsam das gleiche Schadensbild verursachen.

Für beide Berufskrankheiten bleibt deshalb als Rechtfertigung folgende Begründung (Pressel 1980): „Ein Meniskusschaden (und Knorpelschaden) wird dadurch zum sozialen und versicherungsmedizinischen Problem, dass eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke Konsequenzen nach sich zieht, die bei fehlender Belastung nicht erforderlich wären oder sich zumindest noch einige Zeit hinausschieben ließen“.

Dies bedeutet, dass die innere Rechtfertigung der Berufskrankheiten Nr. 2102 und Nr. 2112 in ihren belastungsbedingten Auswirkungen liegt und weniger in ihren belastungsbedingten Ursachen.

Rückblick, Statistik und Recht-sprechung zur Berufskrankheit nach Nr. 2112

Der Begriff Arthrose – bezogen auf die Knie-gelenke: Gonarthrose – geht zurück auf den Radiologen H. Aßmann (1925). Er führte diesen Begriff in Anlehnung an den Begriff Arteriosklerose ein, um nicht entzündliche von entzündlichen Gelenkerkrankungen (Arthritiden) zu unterscheiden.

Arthrosen sind definiert als die unspezifischen Endprodukte unterschiedlicher mechanischer und biologischer gelenkschädigender Einflüsse (Hackenbroch 2002), die zu einer Destabilisierung zwischen Aufbau und Abbau des Gelenkknorpels führen.

Die Diskussion um eine Berufskrank-heit „Gonarthrose“ wird seit der Diskussion über die Berufskrankheit „Meniskusschäden“ geführt, die im Jahre 1952 erstmals als Listenberufskrankheit (damals BK Nr. 26) eingeführt wurde. Im Blickpunkt standen zunächst, wie zur Berufskrankheit „Meniskusschäden“, unter Tage arbeitende Bergleute (Kellgren u. Lawrence 1952), dann auch Bauarbeiter, Bodenleger, Dachdecker, Schweißer und Schiffsbauer sowie diesen verwandte Berufe.

Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziales (BGMS) gab am 01. 10. 2005 bekannt, dass der Ärztliche Sachverständi-genbeirat, Sektion Berufskrankheiten, empfohlen habe, als neue Berufskrankheit die „Gonarthrose“ in die Liste aufzunehmen.

Im Rahmen der Aktualisierung der Berufskrankheitenverordnung vom 11. 06. 2009 wurde die Berufskrankheit Nr. 2112 in die Berufskrankheitenliste aufgenommen.

Wie bei allen durch physikalische Einwirkungen verursachten Berufskrankheiten klaffen Verdachtsanzeigen und als Berufskrankheit anerkannte Fälle weit auseinander ( Tabelle 1).

Nachdem die beiden Berufskrankheiten Nr. 2102 und Nr. 2112 Schadensbilder mit vergleichbaren funktionellen Auswirkungen versichern, hätte erwartet werden können, dass die Berufskrankheit Nr. 2102 einen signifikanten Schwund mit der Einführung der Berufskrankheit Nr. 2112 erlebt. Dies lässt sich jedoch an der Berufskrankheitenstatistik nicht ablesen ( Tabelle 2).

Nach einem Anstieg im Jahr 2000, erklärt durch die Wiedervereinigung, pendelte sich die BK 2102 wieder auf die vorherigen Zahlen ein, wobei die Verdachtsanzeigen leicht rückläufig sind, jedoch keinen signifikanten Einbruch aufzeigen. Eine Veränderung der Verdachtsanzeigen der Berufskrankheit Nr. 2102 durch die Kodifikation der Berufskrankheit Nr. 2112 lässt sich nicht erkennen.

Bisher liegen erst wenige Gerichts-Entscheidungen zur BK Nr. 2112 vor:

  • Das SG Heilbronn (Urteil v. 14. 12. 2011 – S 6 U 1145/09) verlangt, wenn die beruflichen (arbeitstechnischen) Voraussetzungen (13 000 Stunden Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung) erfüllt sind und die Gonarthrose (entsprechend Grad 2 bis 4 der Klassifikation nach Kellgren et al. 1963) zeitlich den beruflichen Voraussetzungen nachfolgt sowie konkurrierende Ursachen nicht erkennbar sind, keine besondere Lokalisation der Knorpelschäden. Dies steht in Übereinstimmung mit der „Be-gutachtungsempfehlung für die Berufs-krankheit Nummer 2112“ mit Stand vom 03. 06. 2014, herausgegeben von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), erarbeitet von einem breiten Spektrum von Mitgliedern aller beteiligten Fachgesellschaften. Diese „Begutachtungsempfehlung“ gibt den Stand der herrschenden Meinung wieder.
  • Das LSG Baden-Württemberg (Urteil v. 28. 02. 2014 – L 8 U 5339/12) stellt auf einen ähnlichen Gesichtspunkt ab. Die Klage wurde abgewiesen, weil die beruflichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der erstmaligen Manifestation der Gonarthrose nicht gegeben waren.
  • Das SG Karlsruhe (Urteil v. 12. 12. 2013 – S 1 U 225/13) verneint die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2112 mit der Begründung, dass sich ein belastungskonformes Schadensbild nicht begründen lasse, da bei einem Fliesen-leger ein Seitenunterschied von mehr als einem Kellgren-Grad im Bereich beider Kniegelenk bestanden habe – rechts 0–I, links III. Für diesen Seitenunterschied fehle eine plausible Erklärung. Auch dieses Urteil steht in Übereinstimmung mit der „Begutachtungsempfehlung“.

Die Rechtsprechung folgt somit der „Begutachtungsempfehlung“. Diese ist herrschende Meinung. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung der BK Nr. 2112 sind demgemäß wie folgt:

  • Sicherung des Krankheitsbildes einer primären Gonarthrose – gleich in welchem Abschnitt des Kniebinnenraums.
  • Beidseitiges Auftreten des Schadensbildes, es sei denn, es findet sich für das einseitige Auftreten eine schlüssige Erklärung.
  • Erstmanifestation der BK Nr. 2112 zeit-lich nach Erfüllung der beruflichen Vor-aussetzungen („Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13 000 Stunden sowie einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht).
  • Fehlen eines allein wesentlichen Ursachenbeitrags einer konkurrierenden Ursache.

Schadensanlage / Vorschaden

Zu unterscheiden ist zwischen Schadensanlage und Vorschaden. Während die Schadensanlage in aller Regel ein Problem der Kausalität ist, ist der Vorschaden in aller Regel vor allem ein Problem der Einschätzung/Feststellung der berufskrankheitsbedingten MdE.

Eine Schadensanlage ist eine anlagebedingte, in aller Regel klinisch stumme Ver-änderung, die jederzeit klinisch manifest (handgreifbar) werden kann, auch im zeitlichen Zusammenhang mit einem als Berufs-krankheit zu diskutierenden Gesundheitsschaden. Eine Meniskopathie kann als Scha-densanlage konkurrierende Ursache einer Gonarthrose sein und im zeitlichen Zusammenhang mit dieser manifest werden. Zu entscheiden kann dann die Frage sein, ob eine eigenständige Berufskrankheit „Gonarthrose“ vorliegt, oder ob die Gonarthrose Folgeschaden der Meniskopathie ist. Zu beantworten sind also Kausalitätsfragen.

Als Schadensanlage ist insbesondere das zunehmende Alter zu berücksichtigen. Es ist gesichert, dass die Gonarthrose mit zunehmendem Alter signifikant zunimmt. Gesichert ist auch, dass Frauen davon stärker betroffen sind als Männer.

Als Schadensanlagen kommen zudem kniegelenksbelastende Sportarten in Betracht: Rauer Bewegungssport bzw. Sportarten, die mit einem erhöhten Verletzungsrisiko verbunden sind. Diese können vor allem zu Mikrotraumen und Texturstörungen der Menisken führen und in Folge dessen zu Schadensanlagen, die sich in einer Gonarthrose manifestieren können.

Manifestiert sich eine Gonarthrose über 5 Jahre nach Aufgabe der beruflichen Exposition, ist mit zunehmendem zeitlichen Abstand davon auszugehen, dass es sich nicht mehr um ein beruflich bedingtes Schadensbild handelt, auch wenn die Gonarthrose über lange Zeit klinisch stumm verlaufen kann. Die Einwirkung aus dem nicht versicherten Bereich nimmt dann an Bedeutung zu. Der zunehmende zeitliche Abstand zwischen Aufgabe der Exposition und erstmaliger Manifestation der Erkrankung löst den Zusammenhang zunehmend. Auszugehen ist dann von der Manifestation berufsfremder Schadensanlagen.

Ein Vorschaden ist ein bereits vor dem aktuell zu begutachtenden Gesundheitsschaden vorbestehender Gesundheitsscha-den. Als Rechtsbegriff der Gesetzlichen Unfallversicherung liegt ein Vorschaden nur vor, wenn er MdE-relevant ist.

Liegt ein Vorschaden vor, ist die berufskrankheitsbedingte MdE wie folgt zu ermitteln: Die Vorerwerbsfähigkeit, also die Erwerbsfähigkeit unter Berücksichtigung des Vorschadens, ist individuell mit 100 % anzusetzen. Dies heißt aber nicht, dass ein Vorschaden im Rahmen der Entschädigung einer Berufskrankheit mit entschädigt wird. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Vorerwerbs-fähigkeit, die die vorbestehenden Funktions-einbußen beinhaltet, die mit 100 % anzusetzen ist, durch die Berufskrankheit (Gonarthrose) gemindert wurde. Die Frage lautet also: Führt die Gonarthrose zu einer Funktionseinbuße, die die bereits aufgrund des Vorschadens vorhandene Funktionseinbuße übersteigt? Diese zusätzliche Funktionseinbuße wäre dann bezogen auf 100 % einzuschätzen.

Dies darf anhand eines Urteils des Bun-dessozialgerichts (BSG) erläutert werden, auch wenn diese Entscheidung sich nicht auf die Berufskrankheit Gonarthrose bezieht (BSG, Urteil vom 05. 09. 2006 – B 2 U 25/05R):

Beim Versicherten anerkannt war hier eine BK Nr. 5101 („Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“). Streitig war die Einschätzung der berufskrankheitsbedingten MdE. Als Vorschäden standen zur Diskussion: „Atoptische Diathese“ (erblich bedingte Neigung zu Überempfindlichkeitsreaktionen), „Verlust der rechten Großzehe“, „Lungenfunktionsstörung“ und „Zuckerkrankheit“. Das BSG führte aus: „Für die Bemessung der MdE bei Vorschäden ist die bei dem Verletzten vor dem Versicherungsfall bestandene Erwerbsfähigkeit zugrunde zu legen und mit 100 vH einzusetzen. Die durch den Versicherungsfall bedingte Einbuße dieser individuellen Erwerbsfähigkeit ist in einem bestimmten Prozentsatz davon auszudrücken“.

Leidet ein Versicherter also z. B. unter einem signifikanten unfallbedingten Verschleiß eines Hüftgelenks, das totalprothetisch ersetzt wurde, und manifestiert sich dann eine Gonarthrose, ist die Vorerwerbsfähigkeit – trotz des Vorschadens im Bereich eines Hüftgelenks – mit 100 % anzusetzen. Die berufskrankheitsbedingte MdE ist einzuschätzen aufgrund der Funktionseinbußen, die ein Versicherter nach totalprothetischem Ersatz eines Hüftgelenks infolge der Gonarthrose erleidet – bezogen auf 100 %. Dabei ist einerseits zu beachten, dass einem Versicherten nach totalprothetischem Ersatz eines Hüftgelenks allein schon, um die Standzeit der Endoprothese zu sichern, aus präventiven Überlegungen alle Anteile des allgemeinen Arbeitsmarktes verschlossen sind, die mit rauer Bewegungsbeanspruchung, häufigem Heben und/oder Tragen schwerer Lasten und langer Laufbeanspruchung verbunden sind. Diese Tätigkeiten können dem Versicherten infolge der Gonarthrose nicht mehr genommen werden. Die Vorerwerbsfähigkeit von 100 % umfasst diesen Anteil des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht. In Abhängigkeit von den klinischen Auswirkungen der Gonarthrose kann also auch der Fall eintreten, dass sich eine messbare MdE bei vorbestehender Hüftendoprothese nicht begründen lässt.

Als Vorschäden kommen alle Erkrankungen und Unfallfolgen in Betracht, die zu Funktionseinbußen führen, die auch durch die Berufskrankheit Gonarthrose bedingt sein können. In Betracht kommen z. B. schwere Lungenfunktionsstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, extremes Übergewicht, unfallbedingter totalprothetischer Ersatz von Hüft- und Sprunggelenk etc.

Nachfolgend werden einzelne das Gonarthroserisiko erhöhende Schadensanlagen/Vorschäden erörtert. Auch wenn versucht wird, jeweils konkrete Anhaltspunkte für die Begutachtung der Berufskrankheit „Gon-arthrose“ zu geben, darf jedoch nicht übersehen werden, dass es in jedem Einzelfall einer sorgfältigen Abwägung bedarf. Die Angabe von „Koch“-Rezepten als Grundlage der Begutachtung ist grundsätzlich nicht möglich.

Die nachfolgenden Schadensbilder, de-ren Konkurrenz zur Gonarthrose jeweils überprüft werden, lehnen sich an die „Begutachtungsempfehlung“ an (DGUV, Stand 2014).

Meniskusschaden

Der Zusammenhang zwischen Meniskusschaden und Gonarthrose ist Gegenstand von zwei auf den ersten Blick divergierenden Urteilen zur Berufskrankheit Nr. 2102.

Das BSG (Urteil vom 07. 06. 1988 – 8/5a RKnU 4/87) hat einen neben einer Gonarthrose bestehenden Meniskusschaden als Berufskrankheit nach Nr. 2102 anerkannt mit der Begründung: „Nach den – auch insoweit unangegriffenen – Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ist die Untertagetätigkeit des Klägers eine wesentliche, wenn auch mittelbare Ursache für den Me-niskusschaden. Dadurch wird nicht die Arthrose zur Berufskrankheit, sondern nur zum Bindeglied für die Kausalität; denn für diese Entschädigung hat auch das LSG nur den Meniskusschaden berücksichtigt“.

Diese Entscheidung betrifft einmal nur die Rechtsfrage, ob die Theorie der wesentlichen Bedingung auch mittelbare Ursachen umfasst, was völlig zu Recht bejaht wurde. Die Tatsachenfeststellungen waren für das BSG bindend vorgegeben. Zum anderen bezieht sie sich auf die Verschlimmerung einer zu diesem Zeitpunkt nicht als Berufskrankheit versicherten Arthrose, die ihrerseits – das war vorgegeben – durch im Rahmen der BK Nr. 2102 versicherte Exposition einen Meniskusschaden verursacht hatte. Wenn dieser Sachverhalt – meniskusbelastende Exposition und dadurch bedingter Meniskusschaden bei vorbestehender Arthrose – tatsächlich gesichert werden könnte, was vom BSG zu unterstellen war, jedoch nicht realistisch ist, ist die Entscheidung nicht zu kritisieren. Ein dem entschiedenen Sachverhalt vergleichbarer Fall stand seitdem nicht mehr zur Entscheidung an.

Das Bayerische Landessozialgericht (Ur-teil vom 05. 12. 2007 – L 2 U 446/04) führt aus, dass – in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Literatur – nur die primäre Meniskopathie versichert ist, die sich jedoch nicht begründen ließ. Die Gonarthrose konnte zwar zu diesem Zeitpunkt bereits als „Wie“-Berufskrankheit an-erkannt werden. Dazu waren jedoch von Seiten der Verwaltung zu diesem Zeitpunkt noch keine Feststellungen getroffen worden, so dass die Gonarthose nicht Gegenstand der Entscheidung war.

Gonarthrose und Meniskopathie betreffen beide den Kniebinnenraum, die Gon-arthrose den Gelenkknorpel, die Menisko-pathie die Menisken. Sie können sich gegenseitig verursachen und kommen daher jeweils als Folgeschaden in Betracht, der Meniskusschaden also als Folgeschaden der BK Nr. 2112 – er ist dann über die BK Nr. 2112 versichert – und der Knorpelschaden als Folge der BK Nr. 2102 – er ist dann über die BK nach Nr. 2102 versichert. Als Schadensanlage, geschweige denn als Vorschaden, das gleiche Kniegelenk betreffend, sind weder die Meniskopathie noch die Gonarthrose realistisch, allenfalls als konkurrierende Ursache, also als nebeneinander ablaufende, die gleichen Funktionseinbußen verursachende Schadensbilder.

Es ist nicht naheliegend, dass sich auf eine Schadensanlage – eine klinisch stumme Veränderung – oder auf einen Vorschaden – ein klinisch manifestes Schadensbild – je-weils der andere das gleiche Kniegelenk betreffende Gesundheitsschaden aufpropft. Sowohl Gonarthrose, als auch Meniskopa-thie führen zu Veränderungen im Bereich des Kniebinnenraums. Sie verlaufen beide weitgehend klinisch stumm. Eine derartige Differenzierung übersteigt die ärztlich-gutachtlichen Erkenntnismöglichkeiten. Nahe-liegend ist jedoch, dass der Erst-Gesundheitsschaden die weitere Entwicklung bestimmt.

Möglich ist zwar, dass sich im Bereich eines Kniegelenks die BK Nr. 2112 (Gonarthrose) und im Bereich des kontralateralen Kniegelenks die BK Nr. 2102 manifestiert. Dann müssen aber die beruflichen Voraussetzungen für beide Berufskrankheiten er-füllt sein. In diesem Fall kann die eine Berufskrankheit ein Vorschaden in Bezug auf die andere Berufskrankheit sein.

Frakturen

Alle die Beinachse verändernden Knochenbrüche – Beckenbrüche, Oberschenkelbrüche, Unterschenkelbrüche und Sprunggelenksbrüche – sind konkurrierende Ur-sachen, also Schadensanlagen, neben einer fraglich belastungsinduzierten Gonarthrose. Entscheidend ist, dass es zu einer Mehrbelastung einzelner oder aller Kniegelenksabschnitte kommt. Der Ursachenzusammenhang – wesentliche Verursachung durch kniegelenksbelastende Tätigkeit und/oder Achsabweichung – entscheidet sich sowohl nach dem Ausmaß der Achsabweichung als auch nach dem Verlauf der Knorpelveränderungen. Tritt das Schadensbild einer Gonarthrose innerhalb kurzer Zeit, wobei 3, höchstens 5 Jahre die Obergrenze sein dürften, nach einem mit einer Achsabweichung ausgeheilten Knochenbruch auf, so kann von dessen allein wesentlichem Ursachenbeitrag ausgegangen werden.

Frakturen können – daneben – auch ein Vorschaden sein, wenn sie zu MdE-relevanten Funktionseinbußen geführt haben.

Kniescheibenbruch, Schienbeinkopf-gelenkbruch

Diese Verletzungen betreffen unmittelbar den Gelenkknorpel des Kniegelenks. Kommt es in einem zeitlichen Zusammenhang mit diesen Verletzungen zur Ausbildung einer Gonarthrose, ist der verletzungsbedingte Ursachenzusammenhang wahrscheinlich. Ein belastungsinduzierter Gesundheitsschaden lässt sich demgegenüber nur begründen, wenn ein 3 bis 5 Jahre dauerndes Intervall zwischen Verletzung und kniegelenksbelastender beruflicher Tätigkeit gegeben ist. Entscheidend ist, ob unfallbedingt eine Gelenkstufe verblieben ist.

Bandinstabilität

Dass ein instabiles Kniegelenk mit dem hohen Risiko von Folgeschäden verbunden ist, liegt auf der Hand. Kommt es zu einer Zusammenhangstrennung des vorderen Kreuzbands und dadurch zu einer messbaren vorderen Schublade, insbesondere wenn diese Instabilität muskulär nicht zu kompensieren ist, ist ein Gelenkverschleiß, der alle Gelenkstrukturen einbeziehen kann, vorbestimmt. Gefährdet sind insbesondere die Menisken, auf die ein Teil der Krafteinwirkungen trifft, die ansonsten durch das vordere Kreuzband abgefangen werden und für deren Abwehr die Menisken nicht geschaffen sind, mit der Folge von vorzeitigen Texturstörungen. Gefährdet ist den Menisken nachfolgend der Gelenkknorpel. Für den Ursachenzusammenhang ist erneut der zeitliche Zusammenhang entscheidend – 3, höchstens 5 Jahre nach dem Unfall, ansonsten kann davon ausgegangen werden, dass das betroffene Kniegelenk muskulär stabilisiert ist und eine nachfolgend auftretende Gonarthrose bei Vorliegen der be-ruflichen Voraussetzungen eine Berufskrank-heit ist.

Die gleichen Überlegungen betreffen auch eine Zusammenhangstrennung des hinteren Kreuzbandes.

Führt eine Zusammenhangstrennung der Seitenbänder (Innen- und / oder Außen-band) zu einer signifikanten Instabilität des Kniegelenks, kann auch dies zur Gonarthrose führen. Es handelt sich um Schadensanlagen, die in Konkurrenz zur Kniegelenksbelastung treten. Auch hier gilt: Ist der zeitliche Zusammenhang zur Entstehung der Seitenbandinstabilität gegeben, ist diese als Ursache für eine Gonarthrose zu diskutieren.

Liegt dagegen ein anlagebedingt laxer Bandapparat vor und wird dann eine das Kniegelenk belastende Arbeit aufgenommen, ist also kein Ereignis festzumachen, an dem sich die Gelenkstabilität verändert hat, liegen zwei konkurrierende Ursachen, die Bandlaxität und die Kniegelenksbelastung, vor. Sind die beruflichen Voraussetzungen einer Gonarthrose erfüllt und kommt es dann zum Gesundheitsschaden, lässt sich der wesentliche Ursachenbeitrag auch der beruflichen Exposition nicht verneinen.

Achsabweichungen und Amputationen auf der Gegenseite

Es ist fernliegend, dass Veränderungen im Bereich des kontralateralen Beins das Risiko einer Gonarthrose erhöhen. Die Stabilität des Kniegelenks bleibt davon unberührt. Fernliegend ist auch, dass es zu signifikanten unphysiologischen Belastungen des Kniegelenks kommt. Betroffen ist von Achsabweichungen und Amputationen auf der Gegenseite zunächst das Becken und dann erst die kontralaterale Seite. 

Literatur

Aßmann H: Klinische Einteilung der chronischen Gelenkerkrankungen. Röfo 1925; 16: 901.

DGUV: Begutachtungsempfehlung für die Berufs-krankheit Nr. 2112 (Gonarthrose), Stand 03.06.2014.

Hackenbroch M: Arthrosen – Basiswissen zur Klinik, Diagnostik und Therapie. Stuttgart: Thieme, 2002.

Kellgren JH, Lawrence JS: Rheumatism in miners, Part II: X-Ray-Study. Brit J Industr Med 1952; 9: 197–207.

Kellgren JH, Jeffrey MR, Ball J: Atlas of standard radiographs of arthritis. Vol. II the epidemiology of chronic rheumatism. Oxford: Blackwell Scientific, 1963.

Pressel G: Die Bedeutung der beruflichen Exposition für die Ätiologie des chronischen Meniskusschadens. Habilitationsschrift, Frankfurt am Main, 1980.

    Autor

    Dr. med. Elmar Ludolph

    Institut für ärztliche Begutachtung

    Sonnenacker 62

    40489 Düsseldorf

    info@ifabd.de

    Jetzt weiterlesen und profitieren.

    + ASU E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
    + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
    + Exklusive Webinare zum Vorzugspreis

    Premium Mitgliedschaft

    2 Monate kostenlos testen