Simkult: A serious game for the promotion of health and safety at work
Objective: This article describes the serious game Simkult: an innovative approach to prevention in occupational health and safety. The game Simkult imparts knowledge of topics such as working atmosphere, leadership, participation and their impact on health and safety and serves as a starting point for reflection and further development of one’s own prevention culture.
Method: The serious game was developed together with employees, managers and game designers. It consists of a management simulation for 5-20 players. Within the game players have to manage their own restaurant over the course of several rounds. They are responsible for productivity as well as safety and health. An early version of the game was used to evaluate to what extent the game can serve as a starting point for further discussion of prevention issues in a work context. A total of 48 people played the Simkult digital prototype. In addition to the game, they had access to a digital learning environment on the topics of leadership, participation, working atmosphere, culture to deal with errors, health management and communication.
Results: The result of playing Simkult was to increase knowledge of the subject and the motivation to deal with the issue of safety and health.
Conclusion: Simkult provides an opportunity to illustrate the relationships between work processes (e.g. communication, participation) and productivity, and hence safety and health. It offers a good starting point for working as a team on one’s own prevention culture. Initial evaluation results suggest that the game, together with accompanying material, has the potential to address the topic of safety and health in a holistic manner.
Keywords: safety and health - prevention culture - serious games
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2020; 55: 642 – 644
Simkult: Ein Serious Game zur Förderung der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
Zielstellung: Der vorliegende Beitrag stellt mit dem Serious Game Simkult eine innovative Form der Prävention im Arbeitskontext vor. Das Spiel Simkult adressiert die eigene Präventionskultur. Es vermittelt Wissen zu Themen wie Betriebsklima, Führung, Partizipation und deren Auswirkung auf Sicherheit und Gesundheit und dient als Ausgangspunkt für die Reflektion und Weiterentwicklung der eigenen Präventionskultur.
Methode: Das Serious Game wurde gemeinsam mit Beschäftigten, Führungskräften und Game-Designern entwickelt. Es besteht aus einer Managementsimulation für fünf bis 20 Spieler. Die Spielenden werden dabei in mehreren Runden in die Rolle der Führungskraft in ihrem eigenen Restaurant versetzt. Dabei sind sie sowohl für die Produktivität als auch die Sicherheit und Gesundheit verantwortlich. Zur Evaluation wurde bereits während der Entwicklung z.B. mit Hilfe eines Prototyps untersucht, inwiefern das Spiel als Ausgangspunkt für die weiterführende Auseinandersetzung mit Präventionsthemen im Arbeitskontext dienen kann. Insgesamt 48 Personen spielten den digitalen Prototyp von Simkult. Zusätzlich zum Spiel wurde ihnen eine digitale Lernumgebung zu den Themen Führung, Partizipation, Betriebsklima, Fehlerkultur, Betriebliches Gesundheitsmanagement und Kommunikation zur Verfügung gestellt.
Ergebnisse: Sowohl die Motivation sich mit dem Thema Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit auseinanderzusetzen als auch Wissen zum Thema stieg durch das Spielen von Simkult an.
Schlussfolgerung: Simkult erlaubt es, Zusammenhänge zwischen Arbeitsprozessen (z.B. Kommunikation, Partizipation) und der Sicherheit und Gesundheit und dementsprechend auch der Produktivität zu verdeutlichen und bietet eine gute Grundlage, um im Team gemeinsam an der eigenen Präventionskultur zu arbeiten. Erste Evaluationsergebnisse legen nahe, dass das Spiel mit dem entsprechenden Begleitmaterial Potenzial hat, das Thema Sicherheit und Gesundheit ganzheitlich zu adressieren.
Schlüsselwörter: Sicherheit und Gesundheit – Präventionskultur – Serious Games – Teamentwicklung
Einleitung
Ein Ansatzpunkt, Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu fördern, ist, Präventionsangebote in Betrieben anzubieten, die umfangreiches Wissen zu den Themen vermitteln und Beschäftigte sowie Führungskräfte auf zukünftige Herausforderungen in einer sich schnell verändernden Arbeitswelt vorbereiten. Die Unfallversicherungsträger sehen als einen Ansatzpunkt die Stärkung einer eigenen Präventionskultur, die die Themen Sicherheit und Gesundheit ganzheitlich und als zentrale Begriffe bei allen Prozessen und Entscheidungen mitdenkt (DGUV 2016). Gleichzeitig stehen Präventionsangebote im Bereich Sicherheit und Gesundheit allgemein vor der Herausforderung, neue Wege und Lernkulturen zu gehen. Sie sollen interaktiv sein und die Teilnehmenden motivieren, sich mit den Themen auseinanderzusetzen. Serious Games – definiert als meist digitale Spiele, die einen Bildungszweck verfolgen und nicht in erster Linie der Unterhaltung dienen (Abt 1971) – stellen eine Möglichkeit dar, das bisherige Angebot zu erweitern. Sie bieten dabei verschiedene Vorteile gegenüber herkömmlichen Angeboten (wie z.B. der klassischen Unterweisung). Zum einen werden Serious Games als zusätzliches motivationales Angebot verstanden, das zu erhöhtem Engagement während der Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand führt (Plass et al. 2015). Darüber hinaus bieten Serious Games oftmals die Möglichkeit, auch komplexe Zusammenhänge in Form von Simulationen abzubilden und die Interdependenzen von Prozessen sichtbar zu machen. Dies ermöglicht die Vermittlung von komplexen Zusammenhängen. Die didaktische Einbettung ist für den Erfolg von Serious Games dabei von besonderer Bedeutung (Kerres et al. 2009).
Insbesondere die kognitiven Effekte konnten in Metaanalysen bereits bestätigt werden (Wouters et al. 2013). Als Erfolgsfaktoren arbeiteten Wouters und Kollegen dabei eine Verwendung von Serious Games in Gruppen, das Spielen über mehrere Sessions hinweg sowie eine Einbindung der Spiele in zusätzliche Instruktionsformen heraus. An diesen Erfolgsfaktoren hat sich auch die Entwicklung des Serious Games Simkult orientiert. Dieses wird im Folgenden näher dargestellt.
Das Serious Game „Simkult“
Das Simulationsspiel „Kultur der Prävention“ (Simkult) ist ein Präventionsangebot, das in Form eines Multiplayer-Management-Spiels Beschäftigte und Führungskräfte eines Teams miteinander spielen lässt und ihnen dabei Wissensinhalte aus den Themenbereichen Kommunikation, Führung, Beteiligung, Fehlerkultur, Betriebsklima und Sicherheit und Gesundheit als Strategie vermittelt. Jedes Mitglied des Teams leitet innerhalb des Spiels ein eigenes Restaurant, trifft Personalentscheidungen und muss auf kritische Ereignisse reagieren. Die einzelnen Runden, die idealerweise über je eine Woche hinweg gespielt werden, sind in mehrere Phasen eingeteilt: (1) die Planung für die anstehende Kalenderwoche, (2) das Tagesgeschäft, bestehend aus einem Minigame auf Zeit, (3) ein kritisches Ereignis und entsprechende Handlungsmöglichkeiten und (4) eine Feedback-Phase, in der die vergangene Woche ausgewertet wird und die Folgen des eigenen Handelns betrachtet werden. Insgesamt ist das Spiel für einen Zeitraum von acht Wochen konzipiert, wobei die Teammitglieder pro Woche ca. 30 Minuten spielen. Innerhalb des Spiels interagieren die Spielenden auch untereinander (z.B. konkurrieren sie um Fachkräfte). Der Erfolg des eigenen Restaurants ist eng mit dem Betriebsklima und der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten verbunden. Zugehörig zum Spiel ist umfangreiches Begleitmaterial und ein didaktisches Konzept, das das Spiel als Ausgangspunkt für die Reflexion der eigenen Präventionskultur betrachtet. Im Folgenden sind die Kernelemente des Spiels dargestellt.
1. Planung: Die Angestellten und Maßnahmen für Sicherheit und Gesundheit
Innerhalb des Unternehmens müssen die Spielerinnen und Spieler Personal einstellen, die Arbeit verteilen, sich um das Wohlbefinden, die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten kümmern und so das Spielziel erreichen. Dabei wählen alle Spielenden anfangs Personal vom Arbeitsmarkt aus. Jeder Non-Player Character existiert nur einmal. Wenn er also von einem Spielenden angestellt wurde, verschwindet er vom Arbeitsmarkt. Gleichzeitig ist es möglich, ihn/sie abzuwerben, falls das Betriebsklima eines Konkurrenten schlechter ist als das eigene.
Mit Hilfe von Maßnahmen, die man wöchentlich in den sechs Feldern Kommunikation, Führung, Fehlerkultur, Betriebsklima, Sicherheit und Gesundheit als Strategie und Beteiligung durchführen kann, lassen sich sowohl die individuelle Arbeitszufriedenheit als auch das Betriebsklima und der Gesundheitszustand des ganzen Unternehmens beeinflussen. Die Maßnahmen reichen dabei vom Teammeeting, über den Obstkorb hin zur Gefährdungsbeurteilung, sind sowohl mit finanziellen und zeitlichen Kosten verknüpft und haben manchmal auch negative Auswirkungen (➥ Abb. 1).
2. Das Tagesgeschäft: Der Restaurantbetrieb
Das eingestellte Personal wird im Restaurant in Schichten eingeteilt. Diese Schichten (Früh- und Spätschicht) werden an drei Tagen der Woche im Spiel auch manuell gespielt. Es gilt, die eingeteilten Beschäftigten kochen zu lassen und die ankommenden Gäste zu versorgen. Innerhalb des Spiels wird so Geld verdient. Basierend auf der Personalsituation, dem Zustand des Unternehmens in Bezug auf Betriebsklima, Arbeitszufriedenheit und Sicherheit und Gesundheit wird pro Schicht ein gewisser Gewinn erwirtschaftet, der sich durch manuelles Geschick bei der Bedienung der Gäste noch steigern lässt (➥ Abb. 2).
Die Arbeitszufriedenheit und der Gesundheitszustand der einzelnen Beschäftigten wirken sich dabei auf die Geschwindigkeit aus, mit der die Beschäftigten ihrer Arbeit nachgehen. Auf diese Weise bekommen die Spielenden ein visuelles Feedback, wie ein schlechter Gesundheitszustand und eine geringe Arbeitszufriedenheit sich auf die Produktivität auswirken.
3. Kritische Ereignisse
Ein weiterer Kernaspekt des Spiels sind so genannte kritische Ereignisse. Pro Woche geschieht in den Restaurants aller Spielenden ein unerwartetes Ereignis, das sich jeweils auf eines der Handlungsfelder bezieht. So fällt beispielsweise in Woche drei einer der Herde in der Küche aus. Dieser muss ersetzt werden, wobei sich für die Spielenden die Frage stellt, ob sie die Köche in die Kaufentscheidung miteinbeziehen oder nicht (Handlungsfeld Partizipation). Dafür werden verschiedene Möglichkeiten der Mitbestimmung zur Verfügung gestellt. Diese haben sowohl jeweils negative als auch positive Konsequenzen.
4. Feedback: Wochenrückblick
Am Ende jeder Woche wird den Spielenden Feedback in Form einer Übersicht über den Umsatz, den aktuellen Zustand in Bezug auf das Betriebsklima und der Gesundheit der Angestellten sowie der Kosten gegeben. Dabei wird auch deutlich, inwiefern die ergriffenen Maßnahmen Auswirkungen auf die einzelnen Variablen hatten.
Evaluation des Spiels
Bereits während der Entwicklung des Projekts wurden Teilaspekte evaluiert. Eine erste empirische Studie beschäftigte sich beispielsweise mit den kognitiven und motivationalen Effekten des Spiels und mit der Frage, inwiefern das Spiel als Ausgangspunkt für die weiterführende Auseinandersetzung mit Präventionsthemen im Arbeitskontext dienen kann. Dafür wurden insgesamt 48 Personen (überwiegend Studierende mit einem durchschnittlichen Alter von 23.7 Jahren, SD = 6.11) aufgefordert, einen digitalen Prototyp von Simkult zu spielen. Dabei handelte es sich um eine Single-Player-Version, die die grundlegenden Spielmechaniken inkl. der ersten kritischen Ereignisse beinhaltete, in Bezug auf die Grafik und die Usability aber noch einen vorläufigen Status hatte. Zusätzlich zum Spiel wurde den Testpersonen Zugang zu einer digitalen Lernumgebung zu den Themen Führung, Partizipation, Betriebsklima, Fehlerkultur, Betriebliches Gesundheitsmanagement und Kommunikation zur Verfügung gestellt. In der Instruktion zum Spiel wurde den Spielenden dabei mitgeteilt, dass sie sich in Bezug auf die Wirkungsweisen der Handlungsoptionen im Spiel in der Lernumgebung informieren können. Darüber hinaus wurde sowohl vor dem Spielen des Spiels als auch nach der einstündigen Spielphase erhoben, wie die Motivation, sich mit dem Thema Sicherheit und Gesundheit im Arbeitskontext zu befassen, ausgeprägt ist (tätigkeitsbezogene Motivation, erhoben mit je drei Items) als auch, wie spannend und interessant die Thematik wahrgenommen wird (gegenstandsspezifische Motivation, erfasst ebenfalls mit drei Items). Um einen möglichen Wissenszuwachs zu erheben, wurden die Teilnehmenden gebeten, vor und nach dem Spielen des Spiels eine so genannte Concept Map zum Thema Sicherheit und Gesundheit anzufertigen. Dabei erstellen die Spielenden eine Art Mind-Map, in der bekannte Konzepte und deren Verbindungen untereinander beschrieben und strukturiert werden. Mit Hilfe von Concept Maps lassen sich Rückschlüsse auf mentale Strukturen zu Themengebieten ziehen (Novak 1998), sie eignen sich daher, um Einblicke in kognitive Effekte von Präventionsmaßnahmen zu bekommen. In der vorliegenden Studie wurden die Concept Maps in Bezug auf die angegebenen Begriffe mit einer Expertenversion verglichen.
Ergebnisse
In der Evaluationsstudie konnte gezeigt werden, dass die Motivation, sich mit den Themen Sicherheit und Gesundheit zu beschäftigen, durch das Spielen des Spiels anstieg. Eine Varianzanalyse mit Messwiederholung ergab sowohl für die gegenstandsbezogene Motivation
(F (1,45) = 8.8, p < .01) als auch für die tätigkeitsbezogene Motivation (F (1,45) = 11.76, p < .005) einen signifikanten Anstieg. Darüber hinaus haben die Teilnehmenden ihr Wissen über das Thema Sicherheit und Gesundheit durch das Spielen des Prototyps vertiefen können. Die Anzahl der relevanten Konzepte in den Concept Maps war signifikant höher als vor dem Spielen (ANOVA mit Messwiederholung: F (1,46) = 47.05, p < .00). Eine zusätzliche Analyse der Nutzung des Begleitmaterials legt nahe, dass die Zurverfügungstellung nützlich sein kann. So korrelierte z. B. die Anzahl der aufgerufenen Seiten im Begleitmaterial (r = .44, p < .01) und die Anzahl der Klicks in der begleitenden Lernumgebung (r = .39, p < .01) positiv mit der Anzahl der genannten relevanten Oberbegriffe in der Concept Map. Zukünftige Untersuchungen mit größeren Stichproben sollten diese Frage aufgreifen.
Diskussion
Das Serious Games Simkult thematisiert Aspekte der eigenen Präventionskultur über ein Simulationsspiel, in dem die Spielenden in die Rolle einer Führungskraft in einem Restaurant versetzt werden. In einer ersten Evaluationsstudie konnte gezeigt werden, dass das Spiel Wissen über Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit vermittelt und motiviert, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Eine methodische Einschränkung der vorliegenden Studie ist dabei eine fehlende Kontrollgruppe. Weitere empirische Studien sollten die Effekte des Spiels im Vergleich zu klassischen Unterweisungen (als Kontrollgruppe) untersuchen sowie Erfolgsfaktoren beim Einsatz in der Praxis näher betrachten. Zu diesen Erfolgsfaktoren könnten beispielsweise passendes Begleitmaterial und entsprechende Workshop-Formate gehören. Nächste Schritte im Projekt Simkult sind daher auch die Entwicklung von verschiedenen Veranstaltungsformaten, in denen das Spiel zum Einsatz kommen kann, sowie die empirische Evaluation der Effekte des Spiels (nähere Informationen zum Projekt unter www.simkult.de).
Interessenkonflikt: Das Autorenteam gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
Literatur
Abt CC: Ernste Spiele: Lernen durch gespielte Wirklichkeit. Köln: Kiepenhauer & Witsch, 1971.
DGUV: Fachkonzept für die nächste gemeinsame Präventionskampagne der DGUV und ihrer Mitglieder. https://www.dguv.de/medien/inhalt/praevention/kampagnen/praev_kampagnen… (zuletzt abgerufen am: 23. 07.2020)
Kerres M, Bormann M, Vervenne M: Didaktische Konzeption von Serious Games: Zur Verknüpfung von Spiel- und Lernangeboten. MedienPädagogik 2009; 1–16.
Novak JD: Learning, creating, and using knowledge. Mahwah, NJ: Erlbaum, 1998.
Plass JL, Homer BD, Kinzer CK: Foundations of game-based learning. Educ Psychol 2015; 50: 258–83.
Wouters P, van Nimwegen C, van Oostendorp, van der Spek ED: A meta-analysis of the cognitive and motivational effects of serious games. J Educ Psychol 2013; 105: 249–265.
Kontakt
Dr. Felix Kapp
Technische Universität Berlin
Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft
Fachgebiet Mensch-Maschine-Systeme
Marchstraße 23, 10587 Berlin
felix.kapp@tu-berlin.de