Allerdings scheint Deutschland bisher nicht ausreichend vorbereitet. So haben z.B. nur wenige Kommunen Hitzeaktionspläne eingeführt. Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt fordert nun eine gesetzliche Verankerung von Hitzeschutz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat einen Hitzeschutzplan angekündigt, um das Land besser zu wappnen.
Wie sich Hitze auf den Körper und unsere Leistungsfähigkeit auswirkt und welche Maßnahmen man am Arbeitsplatz ergreifen kann, erklärt uns Dr. Julia Schoierer. Sie leitet die „AG Globale Umweltgesundheit“ am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin des LMU-Klinikums in München. In dem Interview, das Sie mit der ASU geführt hat, regt sie an, auch mal neue Wege beim Hitzeschutz zu gehen.
Frau Schoierer, die spanische Regierung will bei hohen Temperaturen künftig das Arbeiten im Freien verbieten. Ist das auch ein Zukunftsszenario für Deutschland?
Wir haben eine große Gruppe an Berufen, die bei Hitze besonders gefährdet sind. Sie arbeiten draußen, sind also der Hitze und Sonne direkt ausgesetzt, üben teilweise körperlich anstrengende Arbeiten aus, tragen oftmals isolierende Berufskleidung und sind je nach Tätigkeit an Einsätze gebunden, die nicht aufgeschoben werden können. Empfohlene Präventionsmaßnahmen wie beispielsweise eine lange Mittagspause oder der Verzicht auf anstrengende Tätigkeiten können nicht greifen. Vor dem Hintergrund, dass wir in Deutschland immer häufigere und intensivere Hitzewellen erwarten, müssen kluge Entscheidungen getroffen werden, um diese Berufsgruppen zu schützen. Andere Länder sind mit nationalen Hitzeaktionsplänen zum Schutz der Bevölkerung viel weiter als Deutschland und wir sollten uns erfolgreiche Maßnahmen abschauen – was wir auch bereits machen. Spanien diskutiert die Möglichkeiten, hat aber noch keine Lösung für systemrelevante Berufe, wie die Polizei oder Feuerwehr. Aber dass die Diskussion über die enorme Gesundheitsgefahr durch Hitze für einige Berufsgruppen auflebt, ist erstmal ein wichtiger Schritt.
Wann spricht man von Hitze bzw. gar einer Hitzewelle?
Eine Hitzewelle wird unterschiedlich definiert. Der Deutsche Wetterdienst spricht von einer mehrtägigen Periode mit ungewöhnlich hoher thermischer Belastung und gibt entsprechende Warnungen heraus.
Wie wirkt sich Hitze auf die Leistungsfähigkeit eines Menschen aus?
Hitze wirkt auf unseren ganzen Körper. Besonders das Gehirn ist empfindlich. Wenn wir unser Gehirn nicht schützen durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Vermeidung direkter Sonneneinstrahlung, dann ist es in seiner Leistung eingeschränkt. Wir kennen ja alle das Gefühl, bei Hitze geistig nicht ganz auf der Höhe zu sein. Da das Gehirn auch die überlebensnotwendigen Kühlmechanismen steuert, ist des doppelt wichtig, dass es gut funktioniert.
Hitze lässt uns aber auch schlecht schlafen, ist körperlich belastend und anstrengend, macht uns sogar aggressiver und erhöht das Unfallrisiko. Alles Aspekte, die sich negativ auf unsere Leistung auswirken. Sowohl auf die kognitive als auch auf die körperliche.
Gibt es Hinweise aus der Forschung, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz durch Hitze in den letzten Jahren zugenommen haben?
Wir haben uns mal die Zahlen zu den hitzeassoziierten Krankschreibungen der letzten Jahre angesehen. In den Sommern, die besonders heiß waren, kam es zu einer Zunahme von Krankschreibungen. Und die Tendenz ist steigend. Allerdings können wir daraus keinen Rückschluss auf die Arbeitsplatzbedingungen ziehen. Nationale wie internationale Projekte, die sich mit der Hitzebelastung von Arbeitenden im Freien befassen zeigen, dass z.B. Transport- und Bauwesen, Landwirtschaft und Tourismus besonders betroffene Branchen sind.
Aber wir müssen noch viel genauer hinsehen und Tätigkeitsfelder wie die Pannenhilfe, die Feuerwehr, die Rettungsdienste ansehen. Und natürlich heizen sich auch die Innenräume während einer Hitzewelle stark auf. Derzeit untersuchen wir die Leistungsfähigkeit von Büromitarbeitenden während Hitze und sind gespannt, welche Faktoren am Arbeitsplatz hier eine Rolle spielen. Es besteht ein großes Interesse von Unternehmen an dem Projekt mitzuwirken, was uns die Relevanz der Thematik zeigt.
Welche Menschen sind, z.B. aufgrund einer Vorerkrankung, besonders gefährdet?
Hitze kann eine bestehende chronische Erkrankung verschlechtern. Besonders Herzkreislauferkrankungen, Lungen- und Nierenerkrankungen. Auch Menschen mit Diabetes mellitus, neurologischen oder psychischen Erkrankungen sind besonders gefährdet. Aber es spielen viele Faktoren eine Rolle, weshalb manche Menschen eher von Hitze belastet sind als andere, wie die Einnahme bestimmter Medikamente, das Alter, körperliche Fitness und die Exposition gegenüber der Hitze. Durch die Wohnung, die Wohnumgebung, den Arbeitsweg, die Arbeitsstätte, das Tätigkeitsfeld.
Ab welchen Temperaturen sollte man im Freien, ab wann in Innenräumen besondere Vorkehrungen treffen?
Die Vorkehrungen für die Innenräume sind in der Arbeitsstättenregelung aufgelistet. Hier werden bereits ab einer Temperatur von 26 Grad im Innenraum bestimmte Hitzeschutzmaßnahmen empfohlen, aber das hängt natürlich mit der Schwere der körperlichen Aktivität, der isolierenden Wirkung der Berufskleidung, der körperlichen Verfassung oder auch der besonderen Schutzbedürftigkeit, z.B. bei Schwangerschaft, zusammen.
Für das Arbeiten im Freien bestehen diese Regelungen nicht, aber natürlich die Fürsorgepflicht des Unternehmens gegenüber den Mitarbeitenden.
Hitzebelastung hängt aber von vielen Faktoren ab, so dass es schwierig ist, das Einsetzen von Hitzeschutzmaßnahmen nur an den Faktor Temperatur zu koppeln. Die Faktoren von Hitzebelastungen müssen dem Unternehmen bekannt sein, so dass dann entsprechend den Tätigkeitsfeldern Hitzeschutzmaßnahmen umgesetzt werden können.
Was würden Sie Unternehmen empfehlen? Welche Vorkehrungen und Maßnahmen sollten bei Hitze getroffen werden
Das kommt sehr auf die Branche und das Tätigkeitsfeld an.
Wir sollten aber grundsätzlich immer unterscheiden zwischen kurzfristigen Maßnahmen, die im akuten Fall einer Hitzewelle getroffen werden und langfristigen Maßnahmen zur Vorbereitung auf den Sommer.
Im Akutfall einer Hitzewelle sollten mehr Getränke angeboten werden, die Pausenregelung flexibel gehalten, Arbeitszeiten angepasst, die Bekleidungsregelung gelockert werden, Speisenpläne auf leichte Sommerkost umgestellt werden und die Möglichkeit gegeben werden, dem Körper Wärme zu entziehen, z.B. durch kühlende Wickel auf Arme, in den Nacken, Fußbäder. Aber auch die Reduzierung thermischer Lasten durch Ausschalten wärmeabgebender Geräte und das Bereitstellen eines kühlen Erholungsraums können helfen mit den Temperaturen besser klarzukommen.
Viele der eben genannten Maßnahmen betreffen auch die Schutzmaßnahmen für das Arbeiten im Freien. Hinzukommt hier noch der Sonnenschutz durch Verschattung des Arbeitsplatztes (natürlich nicht immer möglich), das Anbieten von Getränken und dann natürlich auch die Möglichkeiten Toiletten zu nutzen. Hier gibt es in einigen Städten zum Beispiel Kooperationen mit Cafés. Auch die Identifizierung von kühlen Räumen in der Umgebung, um sich in der Pause von der Hitze zu entlasten ist eine Möglichkeit.
Langfristige Maßnahmen betreffen z.B. bauliche Aspekte wie Verschattung, Belüftung (nachts und in den frühen Morgenstunden), Installation von Kühlsystemen oder auch die Gestaltung der Außenanlagen mit kühlendem Grün und Blau. Auch die Einrichtung eines kühlen Pausenraums sollte langfristig geplant werden.
Was können Unternehmen darüber hinaus tun?
Es geht auch um organisatorische Maßnahmen und die Übertragung von Verantwortlichkeiten. Wer informiert die Mitarbeitenden über die zu treffenden Maßnahmen und die zum Eigenschutz, wie kann diese Information gelingen und über welche Formate? Schlicht was wird von wem wie kommuniziert, damit am Ende Hitzeschutzmaßnahmen im Betrieb erfolgreich sind?
Auch über eine entsprechende Personalplanung muss nachgedacht werden, um eine eventuelle Abnahme der Leistungsfähigkeit zu kompensieren, längere und häufigere Pausen oder auch kürzere Arbeitstage zu ermöglichen.
Wichtig ist es möglichst viele Maßnahmen zum Hitzeschutz umzusetzen und auch mal neue Wege zu gehen. Ein mit uns kooperierendes Pflegeheim hat Hitzeschutz fest verankert. Es liegt mitten in einer sogenannten Wärmeinsel in der Innenstadt und muss alle nur möglichen Hitzeschutzmaßnahmen in Betracht ziehen. Das zieht natürlich Personalkapazitäten. Im Sommer unterstützen regelmäßig Ehrenamtliche, die es dem Personal ermöglichen, auch Maßnahmen zum Selbstschutz umzusetzen. Ein ehrenamtlicher Hol- und Bringdienst fährt die Bewohner*innen im Sommer mit der Rikscha zu Terminen– übrigens auch gut für das Klima.
Ist die Arbeitswelt auf die klimatischen Veränderungen Ihrer Meinung nach gut genug vorbereitet? Oder besteht noch Aufklärungsbedarf?
Die klimatischen Veränderungen bringen nicht nur mehr hitzebedingte Gesundheitsrisiken, sondern zum Beispiel auch eine Zunahme durch Pollenbelastung, Luftschadstoffe, Infektionskrankheiten, Unfälle durch Extremwetterereignisse und haben einen negativen Einfluss auf unsere Psyche. Von der Leistungsfähigkeit einmal abgesehen.
Extremwetterereignisse, zu denen ja auch die Hitze zählt, schädigt auch die Infrastruktur.
Nein, die Arbeitswelt ist nicht genügend vorbereitet und weder Arbeitgeber*innen noch Arbeitnehmer*innen sind ausreichend informiert. Aber es gibt Projekte wie StopRisiko des Peco-Institutes, die Aufklärungsarbeit leisten. Die Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) hat den nationalen Hitzeaktionstag am 14. Juni mit einer anschließenden Reihe von Informationsveranstaltungen initiiert. Hierdurch werden wichtige Signale gesetzt.