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Berufs- und Schutzkleidung

Durch die Zunftkleidung der Handwerker und die Tracht der Bauern wurde einem in der Vergangenheit sofort klar, mit wem man es zu tun hatte. Die Zunftkleidung hatte jedoch nicht nur die Bedeutung der Sichtbarkeit des Handwerks, sondern es stand schon damals neben der Funktionalität der Schutzaspekt im Vordergrund. Da das seinerzeit beste Schutzmaterial Leder teuer und schwer war, wurde in den Webereien nach Alternativen gesucht und das sog. Deutschleder entwickelt. Dies ist kein Leder aus einer Tierhaut, sondern ein sehr robustes und glattes Atlasgewebe aus Baumwollstoff. Es ist sehr dicht und war lange Zeit die Grundlage für Berufskleidung, die einem hohen Verschleiß ausgesetzt ist. Es wird bis heute traditionell in der Zunftbekleidung verarbeitet.

Auf der anderen Seite des Ozeans gibt es keine ausgeprägte Handwerkertradition. Doch auch hier spielte und spielt die Kleidung eine Rolle. In den USA wird bis heute in blue-collar worker und white-collar worker differenziert. Der collar (engl. für Kragen) bezeichnet die gesamte Berufskleidung. Blue collar ist der klassische Blaumann (ein ursprünglich blauer Overall bzw. Arbeitsanzug). Die Arbeitsbekleidung in gewerb-lichen (und oft schmutzigen) Arbeitsfeldern. Mit white collar ist das weiße Hemd gemeint, das in der Regel mit Anzug und Krawatte im Büro getragen wird.

Eine Differenzierung der Beschäftigten und Ausdruck der betrieblichen Hierarchie war in der Vergangenheit auch in unserem Lande zu finden. Der Arbeiter trug den klas-sischen Blaumann (blauer Anton), der Meister hatte einen andersfarbigen Mantel und die Ingenieure standen mit weißem Kittel am Reißbrett.

Corporate Identity durch Berufskleidung

Die firmentypische Berufskleidung ist heut-zutage häufig ein Bestandteil der Corporate Identity. So wird auf den ersten Blick deutlich, zu welchem Unternehmen die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter gehört. Auf größeren Baustellen ist dieses durchaus sinnvoll, da man somit auch die jeweiligen Ansprechpartner gut identifizieren kann. An anderen Stellen wird aber durch die Differenzierung der Beschäftigten schon durch die Berufskleidung, insbesondere die Farbe der Klei-dung, eine Zwei- oder Mehrklassengesellschaft im Unternehmen deutlich. In vielen Betrieben gibt es inzwischen Konzepte der Kontraktlogistik, d. h. die Bereitstellung von Materialien und der Transport der Fertig-waren wird von einem externen Logistikdienstleister übernommen. Dieser hat in der Regel ein geringeres Lohnniveau als die di-rekt wertschöpfend tätigen Beschäftigten, die z. B. nach dem Metalltarif entlohnt werden. Die Berufskleidung zeigt hier neben der Firmenzugehörigkeit auch das Lohnniveau.

Historische Entwicklung

Die ersten Schutzkleidungen bestanden aus mehreren Lagen Leder. So bestanden z. B. Ritterrüstungen aus Leder, das wiederum mit Metallplättchen verstärkt war, oder auch aus übereinanderliegenden Metallplatten mit einem entsprechenden Gewicht. Mit dem Aufkommen der ersten Schusswaffen verloren diese Schutzpanzerungen ihre Be-deutung. Im ersten und zweiten Weltkrieg wurde der Schutz vor Splittern u. Ä. weiter-entwickelt. Die hier neu eingesetzten Materialien wie z. B. Kevlar haben auch Eingang in die Schutzkleidung im zivilen Bereich ge-funden.

Arten von Schutzkleidung

Neben speziellen Schutzkleidungen, wie z. B. der für Motorradfahrer, oder auch der bei Polizei und Militär, werden bei Schutzkleidung die folgenden sieben Schutzarten unterschieden:

  • Druckschutz (durch stark belastbare Ma-terialien)
  • Hygieneschutz (Schutz der Produkte in Lebensmittelbetrieben)
  • Warnschutz (Sichtbarkeit durch Reflektoren und leuchtendes Gewebe)
  • Wetterschutz (Wind und Wasser abwei-sende Stoffe)
  • Hitze- und Flammschutz (schwer entflammbares Gewebe)
  • Chemikalienschutz (zertifizierte Schutzkleidung)
  • Elektrostatikschutz (antistatisch wirkende Kleidung)

Oft muss die Kleidung auch Produkte bzw. Prozesse schützen. So dürfen im Reinraum keine Partikel in die Atmosphäre gelangen und bei sensiblen Produkten darf die Kleidung keine Spuren wie z. B. Kratzer bei der PKW-Montage hinterlassen. Im medizini-schen Bereich steht an der einen Stelle der Schutz des Patienten im Vordergrund und an anderer Stelle der Schutz des Personals. Dieser Schutz geht häufig mit einer Behin-derung der Beweglichkeit des Trägers durch die Schutzkleidung einher.

Bei der Arbeit mit Motorkettensägen ist z. B. eine spezielle Schnittschutzkleidung obligatorisch, in deren Spezialgewebe sich die Sägekette verfängt und bis zum Stillstand abgebremst wird. In der Chemieindustrie schützt die Schutzkleidung vor flüssigen Chemikalien. Zusätzlich zur Chemikalienschutzkleidung existieren bei zahlreichen Katastrophenschutzeinheiten und in Betrie-ben mit atomaren Stoffen spezielle Schutzanzüge für Strahlenschutzeinsätze (Konta-minationsschutzkleidung).

Schutz vor Hitze und Kälte

Vor Hitze, Flammen oder Metallspritzern schützt Hitzeschutzkleidung. Hier gibt es durch die Arbeit an Hochöfen, Walzwerken und Gießereien eine lange Tradition. Durch den Wandel der Wirtschaft und die gesellschaftlichen Entwicklung hat heutzutage die Kälteschutzkleidung eine zunehmende Bedeutung. Tiefgekühlte Lebensmittelpro-dukte werden bei Minustemperaturen her-gestellt, in Kühlhäusern gelagert und kom-missioniert. Diese sog. Convenience Produkte gewinnen in der modernen Lebens- und Ar-beitswelt eine zunehmende Bedeutung, was mehr Beschäftigte in Kühlhäusern zur Folge hat.

Untersuchungen der Uni Siegen haben gezeigt, dass männliche Kommissionierer im sehr kalten Bereich mit höherem Alter eine stärkere Beanspruchung des Herz-Kreis-laufsystems, eine empfindliche Abnahme der Körperkerntemperatur und ein erhebli-ches Absinken der Hautoberflächentemperaturen an den Extremitäten aufweisen. Bei Frauen sind es die jüngeren Frauen, die am Kältearbeitsplatz stärker belastet sind als die älteren Arbeitnehmerinnen. Die not-wendigen Aufwärmpausen stehen im Wider-spruch zur Wirtschaftlichkeit und machen somit die Entwicklung von Schutzkleidung mit hoher Isolationswirkung bei gleichzeitig gutem Tragekomfort notwendig. Der Kälteschutzanzug (Thermohose und Thermojacke) sowie die Arbeitshandschuhe mit Kälteschutz sind inzwischen hinsichtlich Kälteschutz und Komfort recht ausgereift. Regulation der Schweißabsonderung und Bewegungsmöglichkeiten sollten allerdings weiter optimiert werden. Problematisch ist eher die Fußbekleidung. Die Thermostiefel sind hinsichtlich Kälteschutz, Komfort, Regulation der Schweißabsonderung und der Bewegungsmöglichkeiten verbesserungsbedürftig. Das Gewicht der Stiefel ist noch deutlich zu hoch.

Kennzeichnung und Auswahl

Schutzkleidung muss nach der DGUV-Regel 112-189 „Benutzung von Schutzkleidung“ mindestens mit folgenden Angaben deutlich erkennbar und dauerhaft gekennzeichnet sein:

  • Name, Handelsname oder andere Formen zur Identifikation des Herstellers bzw. seines autorisierten Vertreters im Land eines CEN-Mitgliedes,
  • Typbezeichnung, Handelsnamen oder Codes,
  • Größenbezeichnung,
  • Nummer der speziellen EN-Norm,
  • Piktogramm und wo zutreffend, Angabe der Leistungsstufe, die den einzelnen Normen zu entnehmen ist.

In der DGUV-Regel findet sich auch eine Checkliste für die Auswahl der geeigneten Schutzkleidung.

Intelligente Schutzkleidung – von persönlicher Schutzbekleidung zum mobilen Schutzassistenzsystem

Das Thema Industrie 4.0 beinhaltet auch die Vernetzung mittels in die Schutzkleidung integrierter Chips. Dadurch wird Kleidung zu einem Cyber-physischen System und kann in sog. Industrie-4.0-Anwendungen integriert werden. Auch über industrielle Anwendungen hinaus ist ein großer Nutzen zu erwarten.

Wearable Computing ist ein neuer Forschungszweig der zu sog. Smart Clothes führt. Miniaturisierte, in die Kleidung eingebettete Computer eröffnen neue Funktionalitäten. Mit Sensoren und Aktoren aus-gestattet, wird die Schutzkleidung künftig intelligent. Die intelligente Schutzbekleidung erlangt ihre Schutzwirkung vorran-gig nicht über die materielle Verstärkung oder die Ausweitung physisch ausgeprägter Schutzprinzipien wie z. B. höhere Resistenz oder Dichtigkeit. Es geht um die Erfassung, Verarbeitung und Bereitstellung von Infor-mationen im Handlungsumfeld des Nutzenden. Durch die Bereitstellung von rele-vanter Information über Bedrohungen am richtigen Ort zur richtigen Zeit wird die neue Schutzwirkung erzielt. So können z. B. Feuerwehrschutzanzüge nach außen mit Temperatur und Gassensoren sowie mit GPS-Trackern ausgestattet werden und im Inneren kann die Körpertemperatur gemes-sen werden. Die Einsatzleitung bekommt somit ein Bild von der Lage und vom Zustand des jeweiligen Feuerwehrmannes. Weiterhin ist immer klar, wer sich an welcher Stelle befindet.

Weniger spektakulär kann die Anwendung im Büro sein. Über in die Kleidung eingewebte leitfähige Strukturen die als Elek-troden dienen, können die Muskelaktivitäten gemessen werden. Wird beispielsweise eine lange Phase der Inaktivität durch statisches Sitzen festgestellt, dann kann der Benutzer mittels einer elektrischen Stimulation die Aufforderung zu einer Bewegungspause erhalten.

Ähnlich einem Fahrerassistenzsystem in einem Automobil übernimmt die Schutz-kleidung die Beobachtung und Rückkopplung von Gefährdungen oder sicherheitsrelevanten Ereignissen in einem Arbeitsumfeld. Eine sensorische Näherungsdetektion von gefährlichen Maschinen und Geräten ähnlich der Kollisionserkennung im Automobil ist schon Realität. Weitere Anwendungen werden folgen.

Nicht alles, was in der Forschung behandelt wird, kann schon besichtigt werden. Trotzdem ist es immer wieder von Interesse auf der Messe A + A, insbesondere auf der Fashion Show in Halle 11, die neuen Produkte der Berufs- und Schutzkleidung im wahrsten Sinne hautnah zu erleben.

    Autor

    Prof. Dr.-Ing. M. Schmauder

    Professur Arbeitswissenschaft

    Institut für Technische Logistik und Arbeitssysteme

    Technische Universität Dresden

    Dürerstraße 26 – 01062 Dresden

    martin.schmauder@tu-dresden.de

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