Die finanziellen Mittel im Gesundheitswesen sind begrenzt. Darauf hat auch Prof. Dr. Hoppe, der ehemalige Präsidenten der Bundesärztekammer, immer wieder hingewiesen, und zwar auch in Zeiten, als die Politiker lange die Behauptung aufstellten, jeder könne jede Art der Versorgung sofort bekommen. Aber das entspricht nicht den Tatsachen. Er forderte wegen dieser Geldknappheit im Gesundheitssystem eine Medizin nach Rangliste, eine Priorisierung in der Medizin – schwere Fälle mit großem Leid sollen bevorzugt behandelt werden. Es ist nunmehr Tatsache, dass für die Versorgung einer alternden Bevölkerung mit steigender Krankheitslast nur begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stehen. Zudem stehen den gesetzlichen Krankenkassen sehr viel weniger Finanzmittel als in vergleichbaren Industriestaaten zu. In Schweden, das erheblich mehr Geld für Gesundheit bereit stellt als in Deutschland, wird bereits priorisiert.
Das Gesundheitswesen, hat sich stark kommerzialisiert. Ein Beispiel dafür sind die Aktiengesellschaften, die Kliniken betreiben. Sie müssen in einem System, das überwiegend aus Sozialversicherungsbeiträgen finanziert wird, Gewinn erwirtschaften. Daraus ergeben sich natürlich auch für die Beschäftigten im Gesundheitswesen ökonomische Zwänge. Die finanziellen Engpässe unseres Gesundheitssystems dürfen nicht im Arzt-Patienten-Verhältnis aufgefangen werden. Die Entscheidungen müssen auf anderer Ebene getroffen werden. Wir müssen uns aber der Diskussion über eine effektive und effiziente Alllokation von Gesundheitsgütern stellen.
In der gesundheitsbezogenen Versorgung gilt nunmehr das Wirtschaftlichkeitsgebot nach §12 SGB V, wonach Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht übersteigen dürfen. Nicht notwendige oder unwirtschaftliche Leistungen können Patienten nicht über die Krankenkasse beanspruchen und werden auch nicht erstattet. Die Gesundheitsökonomie ist im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung unverzichtbar, denn als empirische, theoretische und interdisziplinäre Wissenschaft versucht sie, unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Methoden, insbesondere durch die gesundheitsökonomische Analyse, einen Ausgleich zwischen Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit, Qualität und Gerechtigkeit herzustellen, wie es Schöffski so treffend formuliert hat.
Diese gesundheitsökonomische Analyse wird mit Erfolg seit vielen Jahren in der Krankenbehandlung durchgeführt und ist ungleich einfacher als die Analyse im Bereich der Prävention, Gesundheitsförderung und im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Dennoch rückt die Wirksamkeitsanalyse in Bezug auf präventive und gesundheitsfördernde Leistungen, mit neuen Ansätzen in der Analyse in den Vordergrund.
Dies bedeutet, dass sich auch Prävention und Gesundheitsförderung der Frage nach ihrer Effizienz durch gesundheitsökonomische Analysen stellen müssen. Die wissenschaftliche Forschung begann seit Mitte der 80er Jahre. Die Forschung wird in der heutigen Zeit durch das Präventionsgesetz von 2015 einen Anschub bekommen, da hierdurch die Aktivitäten der gesetzlichen Krankenkassen im Betrieb deutlich ausgeweitet werden.
Aber auch durch die Alterung unserer Gesellschaft und die damit einhergehende höhere Morbidität, durch altersspezifische, chronische Erkrankungen, die die Gesundheitskosten in die Höhe treiben, werden präventive und gesundheitsfördernde Ansätze zur Minderung der Krankheitslast des Einzelnen, aber auch der Gesellschaft zunehmend bedeutend.
Die Messung der Wirksamkeit von Prävention und Gesundheitsförderung wird jedoch von jeher von den Präventionsforschern in der Arbeitswelt als ein fast aussichtloses Unterfangen angesehen. Beispielsweise kann das Mesotheliom bei einem Beschäftigten nach Asbestexposition nach drei bis vier Jahrzehnten entstehen. Ob die Präventionsmaßnahmen in der Vergangenheit später Effekte zeigen, kann erst nach einem Beobachtungszeitraum von bis zu vier Jahrzehnten nach Exposition nachgewiesen werden.
Die Wirksamkeit der Prävention und der Gesundheitsförderung und deren Organisationsform, das Betriebliche Gesundheitsmanagement, zu messen, ist also eine Herausforderung unserer Zeit. Es muss Zeit und Kraft in die Forschung investiert werden, um beispielsweise die richtigen Kennzahlen zu finden und valide Ergebnisse zu erhalten.
Ahrens hat in seinem Artikel „Gesundheitsökonomische Bewertung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements“ den aktuellen Forschungsstand bezüglich der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Prävention und Gesundheitsförderung und des Betrieblichen Gesundheitsmanagements in hervorragender und neutraler Art und Weise zusammengefasst. Er bestätigt zwar die Aussagen der arbeitsmedizinischen Wissenschaftler, dass es ein schwieriges Unterfangen ist, Parameter zu entwickeln, die die Wirksamkeit von Prävention und Gesundheitsförderung verlässlich messen lassen, zeigt aber auf, dass es möglich ist. Er weist in seinem Beitrag auf die Erkenntnisse hin, dass Gesundheitsförderung im Setting Betrieb stets als „Systemeingriff“ zu interpretieren ist, bei dem sowohl Arbeitsbelastungen als auch Gesundheitsressourcen gleichermaßen betrachtet werden müssen. Gesundheitsfördernde Interventionen im Setting Betrieb sind nach dem modernen Verständnis der Gesundheitswissenschaften in der Regel höchst komplexe und häufig soziale Interventionen wie Personal- und Organisationsentwicklung.
Solche „komplexen Interventionen“ können aber in der Regel leider nichtdurch das oft eingesetzte epidemiologische Evaluationsdesign erfasstwerden, da eine notwendige Standardisierung von reproduzierbaren Ergebnissenhäufig nicht möglich ist.
Im Zuge der Evidenzbasierung gesundheitsbezogener Interventionen zeigt es sich immer deutlicher, dass auf einzelne Risikofaktoren abzielende Präventionsbemühungen, wie körperliche Aktivität und Ernährung, meist nur kurzfristig wirksam sind. Die zahlreichen Studien zur Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit gesundheitsfördernder Maßnahmen im Setting Betrieb zeigen zudem, dass die beobachteten Effekte umso geringer sind, je höher die methodische Qualität der Studien ist. Deswegen müssen Ergebnisse von Return-of-Invest-Studien vorsichtig interpretiert werden. Gesundheitsfördernde Interventionen sind also im Regelfall komplexe Interventionen. Demzufolge fordert Ahrens die Entwicklung von Evaluationsverfahren, die dieser Komplexität angemessen sind.
Dies und weitere wesentliche Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Forschung sowie Zahlen, Daten, Fakten werden in der vorliegenden ASU-Ausgabe Zeitschrift dargelegt.
Ich hoffe, dass mit diesem Schwerpunktthema sowie den weiteren Fachbeiträgen wieder ein interessantes Heft für Sie konzipiert wurde. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre.
Ihre
Annegret E. Schoeller
Chefredakteurin