Einleitung
Im Juli 2021 erschien in ASU ein Artikel mit dem allgemein gehaltenen Titel „Infraschall aus technischen Anlagen“ von C. Vahl und W. Roos (in Folge mit V/R abgekürzt), der jedoch ausschließlich auf den von Windenergieanlagen (WEA) erzeugten, tief subliminalen Infraschall abzielt, dem sie mannigfaltiges „pathogenes Potential“ auf molekularer, zellulärer, organischer und neurologischer Ebene zuschreiben. Den unerschütterlichen Glauben daran vertreten die Autoren mit außergewöhnlicher Überzeugung und subjektiver Gewissheit, trotz der Unvereinbarkeit mit der objektiv nachprüfbaren Realität und gegenteiligen Beweisen.
In einer ersten Replik (85) ging das Autorenteam S. Holzheu, S. Koch und M. Hundhausen (in Folge H/K/H abgekürzt) auf zahlreiche Falschaussagen und Fehlschlüsse ein und stellte eigene Messungen sowie deren Einordnung im Vergleich zu alltäglichen, vielfach deutlich stärkeren Infraschallquellen vor. Sie zeigten in anschaulicher und fachlich korrekter Weise, dass die Schalldruckamplituden von WEA in nur wenigen hundert Metern Abstand in Relation zu den natürlichen Luftdruckfluktuationen im Infraschall-Frequenzbereich vernachlässigbar klein und in der zeitlichen Darstellung kaum noch zu erkennen sind.
In einer weiteren Replik (86) widmete sich das Autorenteam S. Bauer und F. Schertz (in Folge B/S abgekürzt) der - trotz Richtigstellung durch H/K/H - weiterhin aufrecht erhaltenen, absurd anmutenden Fehlinterpretation von Schalldruck-Spektren durch V/R, aus denen sie grotesk falsche Schlüsse ziehen. Darüber hinaus unterzogen B/S die von V/R angeführten Literatur-Referenzen einer gründlichen Analyse und stellten dabei fest, dass nicht nur deren Inhalt vielfach falsch wiedergegeben wurde oder Infraschall gar nicht zum Thema hatte, sondern dass sogar Pegelangaben grob manipuliert und schwere organische Schäden frei hinzuerfunden wurden.
In ihren beiden Antworten zeigten sich V/R nicht nur uneinsichtig gegenüber der fachlich fundierten kritischen Argumentation und leugneten die zahlreichen von ihnen begangenen Fehler, sondern offenbarten auch erhebliche schallphysikalische sowie signaltheoretische Wissenslücken und reicherten ihre Erklärungen mit zusätzlichen Falschaussagen, Fehlinterpretationen und ungeeigneten Literatur-Referenzen an.
Die folgende Abhandlung soll ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige der markantesten Falschinformationen und Fehlinterpretationen beleuchten, die nach dem initialen Artikel und den beiden Antworten von V/R auf die Repliken immer noch im Raum stehen. Es geht dabei ausschließlich um den durch die Flügel-Mast-Passage von WEA erzeugten Infraschall, nicht um Hörschall, der auch nicht Bestandteil des Artikels von V/R war.
Innovative Interpretation von Schalldruckpegel-Spektren
V/R schreiben, ein „wesentliches Ergebnis“ ihrer „Recherche“ sei die ihrer Meinung nach „wohlbegründete Vermutung, dass nicht die absolute Höhe des IS-Schalldrucks ausschlaggebend für seine biologische Wirkung sei, sondern das Ausmaß kurzzeitiger Änderungen“. Zum Kronzeugen dieser Aussage machen sie eine von ihnen schon öfters benutzte, aber offenbar immer noch nicht begriffene Grafik (aus 28) der Messung einer WEA des Typs Vestas V82 in Falmouth, Massachusetts, die von einigen Anwohnern erfolgreich gerichtlich bekämpft und mittlerweile stillgelegt wurde. Sie zeigt Schalldruckpegel in Form von hochaufgelösten FFT-Spektren innerhalb und außerhalb eines Wohnhauses, die in Abb. 1 zusammen mit einigen Wahrnehmungsschwellen reproduziert sind. Es ist sofort eindeutig und unzweifelhaft zu erkennen, dass im Haus die Immission im Frequenzbereich der Flügelharmonischen um bis zu 17 dB gedämpft ist.
Die eigenwillige Interpretation von V/R fällt freilich anders aus. Zur größten Verblüffung der geneigten Leserinnen und Leser erklären sie: „Der durch den Wind selbst verursachte Schalldruck ist im Gebäude vermindert, nicht aber die von der Anlage emittierten Pulse“. Welch kühner Gedankengang die beiden ausgewiesenen Signaltheoriespezialisten zu dieser verwegenen Aussage bewog, wird erst in ihrer uneinsichtigen Antwort auf die erste Replik deutlich:
„Die Druckdifferenz zwischen dem Messwert vor dem Peak und der Peakspitze beträgt z. B. 16 dB bei der Harmonischen „3 x BPF“, sowohl outdoor als auch in-house“. Hier wird klar: V/R wissen zwar, dass es sich bei der Abbildung um ein Spektrum handelt, aber sie wissen offenbar gar nicht, was ein Spektrum eigentlich ist. Die abgebildeten Kurven halten sie offenbar für eine Art alternative Pegel-Darstellung des Zeitsignals mit einer Abfolge von sieben oder acht „Druckpeaks“. Der Verdacht dieser grotesken Fehlinterpretation erhärtet sich in der Antwort auf die Replik von B/S, wo sie über den Anstieg besagter 3x BPF Komponente über den Noise floor schreiben: „Etwa um diesen Faktor steigt also der Schalldruck bei Ankunft eines Druckpeaks, unabhängig von seinem jeweiligen Anfangswert, der meist nahe am Hintergrundschall liegt.“ (kursive Hervorhebungen von mir). Hier wird zeitbezogenes Vokabular auf ein Leistungsspektrum angewandt. Bedingt durch diese offenkundige Orientierungslosigkeit zwischen Zeit- und Frequenzbereich sind V/R zwangsläufig nicht befähigt, aus den Spektren sinnvolle Informationen zu extrahieren. So glauben sie denn auch, aus der Schmalheit der Frequenzkomponenten auf die Steilheit der „Druckpeaks“ (und somit sicherlich auf ihr „pathogenes Potenzial“) schließen zu können. Diese fatale Fehlinterpretation und ihre weiteren wirren schallphysikalischen und signaltheoretischen Vorstellungen gipfeln schließlich in der folgenden formvollendeten Stilblüte:
„Die Höhe der Druckpeaks (in dB) über dem jeweiligen Hintergrundschall ist etwa gleich im Haus und im Freien. Damit entsteht bei jedem Flügeldurchgang am Mast etwa dieselbe Verstärkung (Vervielfachung) des momentanen Luftdrucks“.
Die Variation des Luftdrucks, die sich beim Flügeldurchgang ergibt, liegt bei den Falmouth-Messungen „outside house“ mit weniger als ±0,1 Pa Peak nicht einmal bei einem Millionstel des Luftdrucks. Wenn Letzterer tatsächlich eine „Vervielfachung“ erleiden würde, müsste man sich wohl tatsächlich Sorgen um Anrainer von WEA machen, die ihre Anwesen nur noch mit Astronauten-Druckanzügen betreten könnten.
V/R bedauern: „In einigen Fällen ist es uns offenbar nicht gelungen, das Gemeinte für Laien verständlich zu machen“. Vielmehr ist es aber hier offenbar Laien nicht gelungen, elementarste schallphysikalische und signaltheoretische Zusammenhänge zu verstehen. Dazu seien einige interessante Aspekte erwähnt:
V/R schreiben: „Der zentrale Dissens zwischen unserer Auffassung und den Einwendungen von Bauer/Schertz besteht in der Interpretation der Druckpeaks, die im Infraschallbereich emittiert werden“. Dem ist durchaus beizupflichten, wobei B/S auf der korrekten Seite fahren, während V/R in der Welt der Schallphysik und Signaltheorie als Geisterfahrer unterwegs sind.
Geht Infraschall nun ungedämpft durch Wände oder nicht?
Trotz der für sie offenbar überraschenden Tatsache, dass die Flügelharmonischen durch die Gebäudehülle hindurch nicht nur ihre Frequenz beibehalten, sondern auch ebenso stark gedämmt werden wie unmittelbare Nachbarfrequenzen, behaupten V/R: „Die Peaks werden also durch das Gebäude kaum gedämmt, wie für Infraschallemissionen seit langem bekannt“. Sie „folgen nicht der schon von Holzheu et al. geäußerten Auffassung (Holzheu et al., ASU 2021; 56(11)), die Differenz der Frequenzkurven zeige die Dämmung durch das Gebäude“.
V/R hätten allerdings nur in weitere Veröffentlichungen des von ihnen zitierten kanadischen Messingenieurs Andy Metelka schauen müssen, z.B. (32). Er bestimmte explizit mit dieser Methode die Infraschall-Dämmung verschiedener Häuser und verwendete dafür mehrere infraschallfähige Mikrofone mit GRAS 40AZ Kapseln, mit denen er simultan innen und außen maß (was windbedingte Unterschiede ausschließt) und dabei im Vergleich zu Abb. 1. ähnliche bis höhere Pegelunterschiede zwischen innen und außen registrierte.
Aufgrund seiner großen Wellenlängen wird Infraschall zwar über Schallschutzwände gebeugt, von einer geschlossenen Gebäudehülle aber tatsächlich merklich gedämmt, wie H/K/H korrekt ausführen. Bei mittleren und hohen Frequenzen erzielen Häuserwände ihre hohe Dämmung durch die Massenträgheit, die sie der mit der Frequenz steigenden periodischen Beschleunigung der Luftmoleküle entgegensetzen. Bei tiefen Frequenzen ist die Dämmwirkung gering. Zu tiefsten Frequenzen hinab steigt sie aber wieder mit 6 dB/Oktave an und zwar diesmal aufgrund der Steifigkeit, welche die Wände der mit fallender Frequenz steigenden Auslenkung der Luftmoleküle entgegensetzen. Bei luftdichten Hüllen (wie z.B. der von Druckkammern und Passagierflugzeugen) erreicht die Dämmung theoretisch unendliche hohe Werte bei statischen Druckdifferenzen (0 Hz). In der Praxis begrenzen viele kleine Lecks den Wert. Geschlossene Türen und Fenster haben deshalb tatsächlich einen erheblichen Einfluss auf die Infraschallpegel in Räumen, insbesondere in energieeffizienten luftdichten Bauten. Metelka selber konstatiert übrigens (etwas optimistisch), dass moderne energieeffiziente Häuser mit geschlossenen Fenstern und Türen eine Dämmung der Flügelharmonischen von 30 – 40 dB erreichen können (32).
The Tale of Mr. Todd
V/R schreiben: “Die Sensoren des menschlichen Gleichgewichtssystems können Infraschallvibrationen registrieren, deren Intensität weniger als 1/1000 der vor Ort wirksamen Schwerkraft beträgt (Artikel, Todd et al. 2008)“ (40) und meinen, daraus folgern zu können: „Das Vestibularsystem ist damit empfindlicher für Druckänderungen als die Cochlea für tieffrequenten Hörschall.“ Leider versteigen V/R sich hier aber zu einem unsinnigen Äpfel-mit-Birnen-Vergleich zwischen Beschleunigung und Luftschall. Beschleunigung wird durch mechanisch eingeleitete Kraft induziert, die also eine Richtung aufweist (Vektor), während Luftdruck (auch dynamischer, also „Druckänderungen“) einen Skalar darstellt, also isotrop wirkt. In den Versuchen von Todd wurde mit einem Brüel & Kjær 4810 Shaker eine periodische Wechselkraft direkt in das Schläfenbein oberhalb des Ohrs eingeleitet und damit der gesamte Schädel in translatorische Schwingungen versetzt. Das hat nichts mit luftgetragenem Infraschall zu tun, der aufgrund der großen Wellenlänge homogen von allen Seiten auf den Kopf einwirkt und ihn deswegen quasi nicht bewegt. Den Unterschied zwischen Knochenleitung und Luftschall kennt jeder Audiologe und nutzt ihn täglich zur Differenzialdiagnostik zwischen Schalleitungs- und Empfindungsstörungen bei Hörschäden.
Todd ging es allerdings um die normale Reaktion des Vestibularsystems auf Beschleunigung, nicht auf Luftschall. Diese wurde von seinem Team mithilfe der vestibulo-okulären Reflexe (VOR) ermittelt, die der Hirnstamm bei detektierten Bewegungen an die Augenmuskel zur Stabilisierung des Bildes auf der Netzhaut sendet und die sich an den Augen mit Elektroden in Form von oVEMPs (okulär-vestibulär evozierte myogene Potenziale (38, 39, 40)) abnehmen lassen. Dabei ergab sich ein Maximum bei 100 Hz, auf das sich auch die hohe Empfindlichkeitsangabe bezieht. Darüber und darunter sanken die Amplituden beträchtlich und lagen bei 12,5 Hz bereits 20 dB unter dem Maximum, so dass sie sich kaum noch vom Rauschen abhoben, obwohl die bei allen Testfrequenzen konstant gehaltene Beschleunigung des Schädels mit 0,1 g (ein Zehntel der Erdbeschleunigung) erheblich war.
Die Empfindlichkeit des Vestibularsystems für über das Mastoid eingeleitete Vibrationen nimmt also zu tiefen Frequenzen ebenso ab wie die des Hörsinns für Luftschall. Die beiden Dinge haben allerdings nichts miteinander zu tun. Schon Nina Pierpont, die Erfinderin des in der medizinischen Fachwelt nicht anerkannten „Wind Turbine Syndrome“, vermochte nicht zwischen Luftschall und Vibrationen zu unterscheiden und zitierte die Arbeit von Todd zur unbotmäßigen Untermauerung ihrer festen Überzeugung, das Vestibularsystem reagiere auf WEA-Infraschall. Ihr im Selbstverlag herausgegebenes gleichnamiges Buch wurde vom renommierten Schallexperten Geoff Leventhall scharf kritisiert (47). Todd verwahrte sich demzufolge bereits im Jahr 2009 öffentlich gegen Pierpont´s Fehlinterpretation seiner Ergebnisse. Diese Episode sollte Infraschall-Veteranen wie V/R eigentlich bekannt sein und es ist verblüffend, dass sie Todd et al. trotz seines persönlichen Dementis noch für ihre ungültigen Behauptungen missbrauchen.
Ist das Vestibularsystem empfindlich für Infraschall?
Die Otolithen-Organe des Gleichgewichtssinns registrieren Beschleunigung durch die Trägheitskraft, die lateral auf die schweren Kalziumkarbonat-Kristalle wirkt, die in der Statolithenmembran eingebettet sind. Dies führt zu einer seitlichen Auslenkung der Stereozilien und damit zur Änderung der Aktionspotenziale, was vom Gehirn registriert wird. Im Gegensatz dazu wirkt tieffrequenter Schalldruck, der anders als mittlere Frequenzen vom Mittelohr unverstärkt über das ovale Fenster in das Innenohr eingeleitet wird, senkrecht auf die Statolithenmembran. Da sie wie alle Flüssigkeiten und Gewebe quasi inkompressibel ist und im Gegensatz zur Cochlea im Labyrinth eines gesunden Innenohrs keine druckinduzierte Volumenbewegungen stattfinden (das verhindert das harte Schläfenbein, in das es eingebettet ist), findet so gut wie keine Auslenkung der Haarzellen statt. Sie reagieren nur bei sehr hohen Pegeln im mittleren Frequenzbereich um 1 kHz aufgrund der hohen Verstärkung durch das Mittelohr von ca. 25 dB (73). Zu tieferen Frequenzen nimmt die Empfindlichkeit deutlich ab (51). Unter 100 Hz fällt die Verstärkung des Mittelohrs auf Werte unter 0 dB.
Ganz im Gegensatz zur Behauptung von V/R ist das Vestibularsystem gegenüber „Druckschwingungen“ im Infraschallbereich sogar ausgesprochen immun. Das weiß auch der von V/R referenzierte HNO-Arzt Alec Salt (23): “auditory stimulus coupling to the structures of the vestibular system is inefficient so that they are unlikely to be influenced by airborne infrasound” und “as people do not become unsteady and the visual field does not blur when exposed to high level infrasound, it can be concluded that sensitivity is extremely low”. Würde das Vestibularsystem empfindlich auf Infraschall reagieren, würde uns in der Tat bei jeder Annäherung an starke Infraschallquellen wie z.B. Wasserfälle oder die Meeresbrandung schwindelig werden. Jeder leichte Windstoß würde eine Störung des Gleichgewichts bewirken – ein ganz offensichtlicher Nachtteil in der Evolution, die uns längst vom Planeten gefegt hätte, wenn sich nicht eine sehr hohe sensorische Trennung bei der Wahrnehmung von Beschleunigungskräften und luftgetragenen Druckschwankungen in unserem Innenohr entwickelt hätte.
Wie ausgesprochen resistent das Vestibularsystem tatsächlich gegen Infraschall im Frequenzbereich der Flügelharmonischen ist, haben Jurado und Marquardt (18) in ihrer Arbeit gezeigt. Bei 4 Hz reichten selbst 132 dB nicht aus (die kein normaler Kopfhörer zu erzeugen in der Lage ist und die deswegen dem Ohr über einen Schlauch aus dem Inneren eines potenten Subwoofers zugeführt werden mussten), um bei den Versuchspersonen einen messbaren vestibulocollischen Reflex auszulösen.
Die Theorie der Triggerung des Vestibularsystems durch schwachen Infraschall von WEA ist also sowohl empirisch als auch wissenschaftlich gründlich widerlegt. Im Frequenzbereich der Flügelharmonischen führen selbst Schallintensitäten, die hunderttausendfach über typischen Immissionen von WEA liegen, in einem gesunden Innenohr zu keinerlei Gleichgewichtsstörungen und mit ihnen assoziierter Kinetose. Selbst bei pathologischen Innenohr-Konditionen wie der SCD (superior semicircular canal dehiscence, (35),(36),(37),(48)) bei der ein Teil der vom ovalen Fenster induzierten Volumenschnelle (welche normalerweise vollständig die Cochlea durchläuft, (60)) durch das Vestibularsystem abgezweigt wird (54), reicht WEA-Infraschall dazu nicht aus.
Wer nimmt Infraschall besser wahr, Messgeräte oder wir?
Die schwachen „Druckpulse“ von WEA, die in Frequenz und Pegel in etwa dem äußerst geringen Unterschied des atmosphärischen Drucks entsprechen, der beim Gehen an den Ohren entsteht (nur ±1 cm vertikale Bewegung des Kopfs ergeben immerhin 75 dB SPL), verlieren sich in den „zugrunde liegenden Zeit-Druck-Kurven“, die, wie V/R uns kenntnisreich lehren, „die unmittelbar wahrnehmbare Emission abbilden“, bereits nach wenigen 100 m im allgemeinen Infraschall-Getöse und sind dort überhaupt nur noch durch FFT oder Schmalbandfilterung sichtbar zu machen. Genau diese Fähigkeiten besitzt unser Ohr aber nicht – unter 30 Hz geht jegliche Tonhöhenempfindung verloren. Außerdem steigt die Wahrnehmbarkeitsschwelle extrem an und liegt bei 2 Hz bereits über 120 dB.
Diese Einschränkungen gelten für Infraschall-Messtechnik nicht. V/R werfen H/K/H vor: „Generell gehen die Kritiker offenbar davon aus, dass die Perzeption der Infraschallpulse im Menschen mit gleicher Empfindlichkeit, Frequenzauflösung und Bandbreite erfolgt wie durch das von ihnen verwendete Messgerät (das nicht näher spezifiziert wird). Dies kann keinesfalls vorausgesetzt werden.“ Das kann es in der Tat nicht und die Kritiker gehen mitnichten davon aus. Sowohl die Empfindlichkeit des verwendeten Differenzdrucksensors SDP610 (der mit sehr guten Ergebnissen auch in der jüngsten Messkampagne (31) der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Sommer 2021 eingesetzt wurde) als auch die Frequenzauflösung, die sich durch FFT über lange Zeitabschnitte erzielen lässt, sind nämlich um viele Zehnerpotenzen höher als die „Perzeption der Infraschallpulse im Menschen“. Die Technik erlaubt überhaupt erst die hochselektive Visualisierung der weit unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle liegenden Infraschall-Frequenzkomponenten. Ohne diese Technik hätten Windkraftgegner die Flügelharmonischen nie für sich entdecken und als Angst-Faktor mit der infamen Behauptung aufbauen können, sie mache Anrainer krank.
Infraschall ist überall
Infraschallapologeten wie V/R sind sich der Tatsache durchaus bewusst, dass viele natürliche und anthropogene Infraschallquellen (vor allem Fahrzeuge) erheblich höhere Immissionen erzeugen und selbst physiologischer Infraschall (Herzschlag, Atmung, Verdauung, Muskelbewegung), der z.B. über den Aquaeductus cochleae abgeschwächt in das Innenohr gelangt (87), stärker ist. Um diesem Dilemma zu entkommen, ersannen sie die phantasiereiche Theorie, dass nur die ganz spezielle „Signatur“ bzw. die „Druckpeaks eine Stressorwirkung erlangen“, um so ihr ganzes „pathogenes Potential“ entfalten zu können. Das ist unplausibles, unlogisches und unsinniges Wunschdenken angesichts der riesigen Pegelunterschiede zu viel stärkeren, aber auch von V/R als unkritisch anerkannten Infraschallquellen.
Resonanzphänomene mit Afterburner
Resonanzen einzelner Köperpartien sind unter normalen Umständen nur für eingeleitete mechanische Vibrationen (zum Beispiel beim Sitzen in einem Verkehrsmittel) relevant. Bei tieffrequenten Luftschall treten sie durch die homogene Einwirkung von allen Seiten nur bei extrem hohen Pegeln und anderen Frequenzen in Erscheinung.
Nichtdestotrotz werden dem kardiovaskulären System von V/R realitätsfern „Resonanzphänomene“ unterstellt, „das heißt eine Vibration von Zell- und Gewebeverbänden durch Einwirkung von luftgetragenem Infraschall“, was ihr Unverständnis von selbigen und ihre Unfähigkeit zur Einordnung seiner Stärke bei alltäglichen Schallquellen ein weiteres Mal offenlegt. Zum vorgeblichen Beleg ihrer Behauptung geben sie vier Referenzen an. Vinokur 2004 (44) beschreibet aber gar nicht Körperresonanzen, sondern Helmholtz-Resonanzen von Wohnräumen (kleiner Unterschied). Das Paper von Randall (46) bezieht sich ausschließlich auf axial in die Füße eingeleitete vertikale Vibrationen. Der RKI 2007 Bericht wiederum beinhaltet ein mechanisches Modell stehender bzw. sitzender Personen aus der Firmenschrift BG 0063-12 der Firma Brüel & Kjær, welches ebenfalls ausschließlich für axial eingeleitete Vibrationen gilt.
Einzig in der Veröffentlichung von Smith (45) geht es tatsächlich um Resonanzen des Brustkorbs durch luftgetragenen Schall, und zwar bei Ramp-up Turbinentests von Militärjets am Boden, was bei zwei Modellen (F-14A und F/A-18C) sogar die Nutzung des Afterburners umfasste. Die mutige Testperson befand sich dabei auf einer zur Längsachse des Jets parallelen Linie mit einem seitlichen Abstand von nur 12,8 m. Bei Schalldruckpegeln von bis zu 147 dB ergab sich eine Erhöhung der Beschleunigungswerte im Bereich 63 Hz bis 100 Hz auf der Brust der furchtlosen Versuchsperson, allerdings schlossen die Autoren nicht aus, dass der heiße Luftausstoß mit Böen von 30 bis 40 Knoten, welche es ihr schwer machten, still zu stehen, die Messergebnisse verfälschte. Die Zusammenfassung beginnt übrigens mit: „Infrasound occurring at 40 Hz and below did not appear to be a problem for ground operation and maintenance personnel working with the tested aircraft”.
In wieweit Vollgas-Turbinen-Tests in nur wenigen Metern Abstand zu überschallfähigen Hochleistungs-Kampfflugzeugen mit Schallintensitäten, die ca. 100 Millionen Mal über der Infraschallimmission von modernen WEAs liegen, dazu geeignet sind, eine Gesundheitsgefährdung durch letztere herzuleiten, dazu seien V/R höchstselbst zitiert: „Wir vertrauen auch hier auf das Urteilsvermögen der ASU-Leser“.
Wahrheiten zur Wahrnehmungsschwelle
V/R werfen H/K/H die Benutzung des ihrer fachmännischen Meinung nach „überholten“ Begriffs „Wahrnehmungsschwelle“ vor, welche den frequenzabhängigen Schalldruckpegel kennzeichnet, unterhalb dessen 90 % der Menschen Einzeltöne nicht mehr wahrnehmen können. Sie behaupten diesbezüglich: „Wie hier gezeigt, erfolgen Infraschall-bedingte Schädigungen und Stressantworten über grundsätzlich andere Strukturen und Mechanismen“. Genau das haben sie eben nicht gezeigt. Die gesamte in ihrer „Recherche“ zusammengetragene Literatur zum Beleg des angeblich „pathogenen Potenzials von Infraschall“ bezieht sich überwiegend auf brachiale Schallpegel, die mitunter nicht nur millionenfach über den Intensitäten von WEA-Immissionen liegen, sondern stets auch weit oberhalb der Hörschwelle und teilweise sogar über der Schmerzschwelle. Daraus abzuleiten, dass auch millionenfach schwächerer, subliminaler Infraschall „auf mehreren Ebenen des Säugetierorganismus Stressantworten auslöst“ oder gar „Schädigungen“ hervorruft ist so unlogisch wie manipulativ. Diese unzulässigen, unseriösen Behauptungen sind deshalb mit aller Entschiedenheit zurückzuweisen.
Die Behauptung von V/R, die Hörschwelle sei „für die Perzeption von Infraschall“ nicht relevant, steht im Widerspruch zur etablierten Wissenschaft. Diese besagt einhellig und zweifelsfrei, dass auch für sehr tieffrequenten Infraschall unsere Ohren die empfindlichsten Rezeptoren sind (13),(14). Aufwändige Versuchsreihen zu den Wahrnehmbarkeitsschwellen von Infraschall wurden bereits seit den 70er Jahren (als es noch keinen Grund gab, „staatlich veranlassten“ Untersuchungen zu misstrauen) z.B. von Yeowart (65) und Watanabe (67) unternommen und seither von vielen anderen Forschungseinrichtungen wiederholt. Es ergaben sich dabei keine signifikanten Unterschiede zwischen Ganzkörper-Beschallung und Zuführung alleine über die Ohren. Landström (66) untersuchte zusätzlich die vibrotaktile, also über die Mechanorezeptoren der Haut (64) erfolgende Wahrnehmbarkeit für Taube und Normalhörende im Bereich von 4 Hz – 25 Hz. Sie lag durchschnittlich 15 dB über der Hörschwelle der Normalhörenden. Beide Untersuchungen und viele weitere beweisen eindeutig und unzweifelhaft, dass keine anderen „Strukturen und Mechanismen“ zur „Perzeption von Infraschall“ unter der Hörschwelle existieren. Auch die von V/R zitierten und im Anschluss besprochenen fMRI-Untersuchungen (68) knapp unterhalb der Hörschwelle widersprechen diesem Befund nicht, denn dabei wurde der Schall von vornherein nur aural zugeführt. Der RMS-Infraschalldruck der Flügelharmonischen liegt aushäusig typischerweise im Bereich von 60 dB bis maximal 75 dB und selbst V/R erkennen an, „dass die Infraschallemissionen von Windanlagen meist deutlich unter der Wahrnehmungsschwelle des Menschen liegen“. Außerdem müssen sie betrübt eingestehen: „Die Gesundheitsschäden von Anwohnenden durch den gepulsten Infraschall aus WEA sind bisher nicht durch staatlich zertifizierte Studien belegt“, wobei hier offenbar Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen mitschwingt. Ob „staatlich zertifiziert“ oder nicht, es existieren überhaupt keine wissenschaftlichen Mindeststandards genügenden Studien, die ihre unsinnigen Behauptungen belegen würden. Physiologisch bedingte Belästigungen oder gar ein „erhebliches Gesundheitsrisiko“ durch den bei der Flügelpassage vor dem Mast entstehenden schwachen Infraschall von WEA lassen sich mit Sicherheit ausschließen.
Die Aktivierung distinkter Gehirnregionen durch Infraschall
Die Ergebnisse der fMRI-Untersuchungen (funktionelle Magnetresonanztomographie) von Weichenberger et al (68), in denen anhand der Sauerstoffsättigung-des Blutes auf die gemeinsame Aktivität in einzelnen Hirnarealen geschlossen wird, werden von V/R leider ohne Verständnis für ihre wissenschaftliche Bedeutung zitiert. Es geht um einsetzende Gehirnaktivität bei Stimulation mit einem 12 Hz Signal nur knapp (2 dB) unterhalb der zuvor individuell ermittelten Hörschwellen der Testpersonen. Bei noch tieferen Pegeln ließ sich keine Gehirnaktivität mehr nachweisen. Somit bleibt die Hörschwelle weiterhin auch für die „Perzeption von Infraschall“ maßgeblich (allenfalls mit einem Offset von -2 dB). Das Testsignal wurde über drei Minuten lang dargeboten und die Versuchspersonen sollten aufmerksam lauschen. Die „Perzeption von Infraschall“ wurde über den Hörnerv vermittelt, was sich durch Aktivierung des auditiven Kortex auf der Seite des beschallten Ohres zeigte und in einer aktuellen fMRI-Studie bestätigt wurde (77).
Zu einem „Verdacht auf gesundheitliche Risiken aus der Perzeption von Infraschall im Unterbewusstsein“ durch WEA gibt die Arbeit mitnichten Anlass – die Frequenz des Testsignals von 12 Hz und sein Pegel zwischen 77 dB bis 94 dB lagen beide deutlich oberhalb der Werte nachweisbarer Flügelharmonischen in typischen WEA-Immissionssituationen. Deren energetische Summe lag im von V/R überstrapazierten Beispiel von Falmouth selbst outdoors kaum über 60 dB – und dies in einem Frequenzbereich, in dem das Ohr um mehr als 12 dB unempfindlicher ist als bei 12 Hz.
Problemloser Schlaf mit Infraschall
In einer weiteren wichtigen Studie der PTB und des UKE (19) bekamen 38 Teilnehmer während vier Wochen voluminöse Subwoofer in ihre Schlafzimmer gestellt. Bei 23 Teilnehmern wurde ein 6 Hz Dauersignal mit einem Schallpegel von 80 – 90 dB erzeugt, bei der Kontrollgruppe der restlichen 15 Teilnehmer nicht. Die Frequenz liegt am oberen Rand detektierbarer Flügelharmonischen typischer WEAs und der Pegel nicht weit unterhalb der Hörschwelle besonders infraschall-empfindlicher Personen (dunkelgrüne Linie in Abb. 7). Er wurde absichtlich um zirka 25 dB höher gewählt als typische WEA-Infraschall-Immission, da die Forscher bei niedrigeren Pegeln von vornherein keine Reaktion erwarteten. Er lag somit zwischen 11 dB und 21 dB oberhalb der nur von Alec Salt (58) postulierten neuronalen Aktivität der OHC (äußere Haarzellen in der Cochlea), von denen er vermutet, dass sie unbewusst wirken und Schlafstörungen verursachen. Nicht so bei den Teilnehmern: es ergaben sich keine Änderungen der Schlafqualität und der psychischen Parameter wie z.B. Stress und kognitiver Agilität. Die aus der Luft gegriffene Behauptung von V/R, dass „die chronische Einwirkung von Infraschall im Schlaf als besonders problematisch zu bewerten“ sei, ist damit in einem aussagekräftigen Langzeitversuch ebenso widerlegt worden wie die anhand von methodologisch zweifelhaften invasiven Meerschweinchenversuchen entwickelten Theorien von Alec Salt.
Irritieren interferierende „Infraschallpulse“ den Herzschlag?
Herzspezialist und Infraschallexperte Vahl wittert auf folgendem spannenden neuen Fachgebiet Forschungsbedarf:
„Wenig untersucht sind Interferenzen zwischen der durch den Herzschlag vorgegebenen Grundschwingung und von außen einwirkenden Infraschallpulsen. Die Konsequenzen solcher Wechselwirkungen – Abschwächung und Verstärkung – sind bedenkenswert …“.
Bedenkenswert ist in epistemologischer Hinsicht dieser Gedankengang selber. Er war es vermutlich, der ohne weitere Plausibilitätsprüfung (bzw. Würdigung derselben) letztendlich zu seinen In-vitro Versuchen an Myokard-Gewebe unter biophysikalisch inadäquaten Versuchsbedingungen mit folglich wertlosen Ergebnissen führte (dazu später mehr). Wie auch V/R wissen, erzeugt das Herz selber Blutdruckdifferenzen zwischen Systole und Diastole im Bereich von ca. 40 mm Hg (das entspricht 163 dB peak re. 20 µPa) im Ruhezustand bis über 200 mm Hg (177 dB peak) bei schwerer körperlicher Anstrengung. Typische aushäusige Worst-case Amplituden des Druckpulses beim Flügeldurchgang moderner Megawatt-WEA kommen selbst bei einem relativ geringen Setback von 500 m nicht über ±0.25 Pa. Das entspricht 82 dB peak re. 20 µPa für den Scheitelwert. Der Unterschied zwischen dem „Druckpeak“ einer WEA und dem des Blutes beträgt also mindestens 81 dB.
Wenn man zur Illustrierung dieses astronomischen Unterschieds das Blutdruck-Zeitsignal auf die Gesamthöhe einer modernen Hochleistungs-WEA (198 m) normiert darstellen würde, so hätten die Worst-case-„Druckpeaks“ typischer WEAs, wie z.B. die E115 in Gagel, selbst außerhalb von Häusern im selben Maßstab eine Amplitude von nicht einmal 2 cm, ungefähr dem Durchmesser einer Gänseblumenblüte.
Hochsignifikanter, negativ inotroper Effekt beim Schwimmen?
Wie unbekümmert das Herz tatsächlich auch auf erheblich stärkeren externen Wechseldruck mit Infraschallfrequenz reagiert, lässt sich beim Schwimmen erfahren. Die periodische Tiefenänderung des Oberkörpers von olympischen Brustschwimmern im Wasser beträgt ca. 30 cm (71). Daraus lässt sich mit der simplen Formel für den hydrostatischen Druck p = ρ g h die Amplitude des Wechseldrucks berechnen, die also bei knapp 3 kPa peak-to-peak und damit nicht weit unter der vom Herz erzeugten Blutdruckamplitude liegt. Interessanterweise wirkt er mit einer Frequenz auf den Brustkorb und folglich das Herz, welche ziemlich genau der Flügeldurchgangsfrequenz moderner Hochleistungs-WEA entspricht. Die Druckpulse beim Schwimmen sind also mindestens 6000 Mal (> 75 dB) stärker als die beim Flügeldurchgang einer WEA, bei denen V/R nichtdestotrotz „naheliegende Bezüge“ zu „Störungen der für die Kontraktion erforderlichen Membranprozesse und der Mikrozirkulation im Myokardgewebe“ mit dem „Bild einer beginnenden Herzinsuffizienz“ und somit „direkte Schädigungen von Zellen und Organen“ herausgefunden haben wollen.
Die inflatierten Kaninchenherzen von Campbell
Um zu belegen, dass auch andere Forscher angeblich eine debilitierende Wirkung von Infraschall auf das Herz herausgefunden hätten, führen V/R gerne dieses invasive Experiment an. Dabei wurde Versuchskaninchen ein stark vibrierender Ballon in die Herzkammer eingeführt. Auf die Kritik von B/S, dass die extern induzierten Volumenänderungen, welche dem Systolen-Diastolen-Zyklus einen Spitzendruck von 150 dB re. 20 µPa überlagerten, mit Frequenzen von 25 Hz bis 77 Hz oberhalb des Infraschallbereichs durchgeführt wurden, erwidern V/R: „Eine Muskelkontraktion beruht auf dem so genannten Querbrückenzyklus“, der „im Frequenzbereich von 10–100 Hz“ arbeitet, weshalb es keinen Grund gäbe, „für diese Fragestellung zwischen „infrasound and low-frequency noise“ zu unterscheiden“. Die „Fragestellung“ des Experiments war, ob die massive periodische Volumenverdrängung über das Aufbrechen besagter Querbrücken zu herabgesetzter myokardialer Kontraktilität führt. Genau dies war aber nicht der Fall, wie schon der Titel der Arbeit klar macht und im Diskussionsteil ausführlich erläutert wird (82).
Ob ein in die Herzkammer eingeführter, oberhalb des Infraschallbereichs vibrierender und dabei 150 dB peak Wechseldruck erzeugender Fremdkörper wohl eine gültige Repräsentation für die über 10 Millionen Mal geringeren Infraschall-Intensitäten typischer WEA-Immissionen darstellt? Dazu seien nochmals V/R zitiert: „Wir vertrauen auch hier auf das Urteilsvermögen der ASU-Leser“
Wie oben gezeigt, lastet beim normalen Brustschwimmen durchaus ein noch höherer Wechseldruck auf dem Herzen. Der wesentliche Unterschied ist allerdings, dass dieser homogen von allen Außenseiten auf den Körper einwirkt. Da Wasser und Gewebe im Vergleich zu Luft über 15.000 Mal inkompressibler sind, findet quasi keine Verschiebung von „Zell- und Gewebeverbänden“ statt (sonst würden Tiefseetaucher beim Abstieg merklich kleiner werden). Die periodische Verdrängung eines Volumens durch einen Fremdkörper inmitten der Herzkammer, welche durch Obstruktion auch noch mit dem Blutfluss interferieren dürfte, stellt hingegen eine radikal andere Situation dar. Nicht so für Herzchirurg Vahl. Er glaubt: „Dabei ist es unerheblich, ob die Schallwellen durch einen Lautsprecher, einen Vibrator oder wie in diesem Modell durch einen zyklisch inflatierten und deflatierten Ballon erzeugt werden.“ Genau diese Indifferenz in der Betrachtung von luftgetragenem Schall in Bezug zu anderen physikalisch-mechanischen Kräften zeigt, dass V/R die Schallphysik nicht durchdrungen haben und war mutmaßlich auch die Grundlage der nun beleuchteten hemdsärmeligen in-vitro Herzmuskelversuche der „Arbeitsgruppe Infraschall“ der Johannes-Gutenberg-Universität (JGU) Mainz.
Materialermüdungsversuche mit Industrievibrator
Einen beträchtlichen Teil der Argumentation von V/R nimmt die angebliche Schwächung des Herzmuskels durch Infraschall ein. Dabei misst Vahl der Arbeit seiner eigenen Arbeitsgruppe selbstverständlich „erhebliches Gewicht“ und „Stärke“ zu. Die angeführte Arbeit von Chaban et al. ist allerdings nicht die erste Versuchsreihe dieser Arbeitsgruppe, die „körperliche Schäden und Reaktionen" von WEA-Infraschall auf Herzmuskelgewebe nachzuweisen versuchte. Unter dem Titel „Are There Harmful Effects Caused by the Silent Noise of Infrasound Produced by Windparks?” wurden bereits 2018 Resultate von Experimenten an in-vitro Herzmuskelfasern mündlich vorgestellt (1). Bei den beschriebenen Versuchen wurden die Herzmuskelpräparate aber gar keinem Infraschall ausgesetzt, sondern stattdessen mit einem Ende an einen „Industrievibrator“ befestigt und mit dessen Hilfe periodisch um 5 % bzw. 10 % ihrer Länge überdehnt und gestaucht. Statt Infraschalldruck, der einen Skalar darstellt und aufgrund seiner hohen Wellenlängen phasengleich und homogen wie eine langsame Variation des statischen Drucks von allen Seiten einwirkt und die Herzmuskelfasern quasi nicht auslenkt, wurden die Präparate also einachsiger Vibration mit erheblichen Amplituden ausgesetzt, was mit Schalleinwirkung nichts zu tun hat. Wenig überraschenderweise zeigten die Proben durch die massive mechanische Belastung, welche die permanenten Streck- und Quetschvorgänge darstellen, tatsächlich Ermüdungserscheinungen.
In-vitro-Myokardbeschallung aus 30 cm Tieftöner
Vermutlich erkannten auch Chaban et al., dass dieses Versuchsdesign keineswegs Luftschallexposition repräsentiert, weshalb ein neuer Aufbau ersonnen wurde. Bei diesem wurde ein Tieftöner mit 30 cm Durchmesser auf einer Plexiglashaube montiert und die in einer kleinen Wanne mit Nährlösung an Pinzettenarmen fixierten Herzmuskelpräparate aus nächster Nähe beschallt.
Dieser Versuchsaufbau hat aber einen entscheidenden Fehler, auf den schon H/K/H zu Recht hingewiesen haben: Er ist nicht druckdicht, wie in einer Dokumentation des ZDF (3) deutlich sichtbar ist. Dies steht im eklatanten Widerspruch zur Skizze des Versuchsaufbaus und zu dessen Beschreibung in der Publikation der Arbeitsgruppe (2), in der ausdrücklich von einer „closed chamber“ die Rede ist. Der dramatische Designfehler hat zur Folge, dass sich der Aufbau im Nahfeld des Lautsprechers befindet, wo die Lautsprechermembran erhebliche Mengen Luft hin und her fächert, ohne nennenswerten Druck aufzubauen. Die für den gemessenen Schalldruck viel zu hohe Volumenschnelle der Luft wirkt auf die dünnen Pinzettenarme und versetzt diese in Schwingungen, die wiederum an den rigiden Befestigungsflächen mechanisch in das „Infraschall-exponierte Zellpräparat“ eingekoppelt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Vibrationen neben weiteren biophysikalischen Unzulänglichkeiten den Hauptanteil an der nach einer Stunde ab 110 dB SPL detektierten Kontraktilitätseinbuße haben dürften.
Kränkelnde Kardiomyozyten durch Infraschall?
Ist es überhaupt plausibel, dass Schalldruckpegel zwischen 100 dB und 120 dB zu einer direkten Schwächung des Herzmuskels führen? Dazu seien V/R abermals zitiert: „Wir vertrauen auch hier auf das Urteilsvermögen der ASU-Leser“. Ein „hochsignifikanter, negativ inotroper Effekt“ für Schalleinwirkung im allgemeinen und Infraschall im speziellen wäre in der Ätiologie für Herzkrankheiten in klinischen Alltag längst auffällig geworden. Unter anderem müssten Berufskraftfahrer (62), Schiffsbesatzungen und Industriearbeiter an schweren Maschinen, die allesamt nicht unerheblicher Infraschallexposition ausgesetzt sind (bisweilen vieltausendfacher Intensität im Vergleich zu WEA), durchweg an akuter Herzinsuffizienz leiden. Selbst in Fällen, wo 120 dB Schalldruck überschritten werden, die laut Chaban et al. zu 18 % Kontraktilitätsverlust binnen einer Stunde führen müssten, ist nichts über daraus resultierende Kardiomyopathien bekannt. Als Beispiele genannt seien EDM (electronic dance music) Veranstaltungen, bei denen Raver nächtelang zu mächtigen Tiefbässen bis 130 dB SPL aus extrem leistungsstarken Subwoofer-Stacks tanzen, ohne anschließend mit reinem Sauerstoff therapiert werden zu müssen, sowie Föhnstürme in Alpentälern, die sogar noch höhere Infraschall-Spitzenpegel produzieren, ohne dass sich die Notaufnahmen in den umliegenden Krankenhäusern mit hypoxämischen Patientinnen und Patienten füllen oder gar bei ortsansässigen Bestattungsunternehmen die Telefone nicht mehr still stehen würden. Schwimmer schließlich würden, wie oben gezeigt, in kürzester Zeit ertrinken: bereits ein einziger Bruststoß erzeugt die gleiche Infraschalldosis wie eine ganze Stunde Einwirkung von 120 dB, welche in Chaban´s physikalisch unzulänglichen Experimenten zu 18 % Einbuße der Kontraktilität führte.
Virtual Reality mit V/R
Die unter artifiziellen und inadäquaten Versuchsbedingungen von Chaban et al. erzielten Ergebnisse bewahrheiten sich in der realen Welt also selbstverständlich nicht. V/R geben auch unumwunden zu, dass „der Nachweis an Erkrankten noch aussteht“. In den artifiziellen in-vitro-Myokard-Versuchen wurde also ein virtuelles Problem identifiziert, welches in der Realität nicht existiert. Die Kritik am unzulänglichen Versuchsdesign wird von allen Akustikern, denen man den Aufbau anhand der Video-Aufnahmen (3) vorstellt, geteilt. So kommt z.B. auch die LUBW (Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg) „zu dem Ergebnis, dass die Studie in technischer Hinsicht (Versuchsaufbau, verwendetes Mikrofon, Versuchsreihen, Infraschall-Pegelwerte u.a.) sowie hinsichtlich des Versuchsdesigns und der Ergebnisauswertung mängelbehaftet ist“ (42).
Corpus Delicti: die berühmten BGR-Messungen
V/R behaupten: „Erhebliche Intensitäten des von Windanlagen ausgehenden Infraschalls wurden noch in mehreren Kilometern Entfernung gemessen“ und beziehen sich dabei auf eine fehlerhafte Publikation der BGR aus dem Jahre 2017 (81), die wiederum auf Messungen aus dem Jahre 2004 an einer Vestas V47 in Hufe nahe Schwarmstedt fußt. Bei der Berechnung der Schallpegel unterlief der Anstalt allerdings ein folgenschwerer Umrechnungsfehler in einer einfachen Formel, der dazu führte, dass alle SPL-Werte um 36,1 dB (Faktor 4096 bei der Schallintensität) zu hoch ausfielen. So publizierten sie einen Wert von 100 dB für die Flügelharmonischen ab 0.5 Hz in 200 m Abstand bei Starkwindbedingungen, während der wahre Wert nur bei 64 dB liegt.
Sehr aufschlussreich ist es, wenn man aus den öffentlich zugänglichen Rohdaten (6) nach Import mit (7) einmal die Flügelharmonischen isoliert und im Vergleich zum aufgenommenen Gesamtsignal darstellt. In der „Druck-Zeit-Kurve“ (dunkelblau in Abb. 11 und Abb. 12), die laut V/R ja „die unmittelbar wahrnehmbare Emission“ abbildet, reiten die winzigen, trotz des relativ geringen Abstands von nur 200 m kaum zu erkennenden WEA-Druckpulse als hauchzarte Zacken auf den riesigen Druck-Ausschlägen des vom Wind stammenden Infraschallgetöses. Erst wenn man sie im FFT-Spektrum isoliert (rote Bereiche), in den Zeitbereich zurück transformiert und dann die Amplitudendarstellung um den Faktor 40 zoomt, sind die ausgefilterten N-förmigen Impulse gut zu erkennen (Abb. 12 rechts). Die orangen Treppenstufen in der Spektraldarstellung stellen die Terzpegel dar – sie liegen alle um mehr als 50 dB unter der Hörschwelle selbst der empfindlichsten Personen (grün). Auch der für die Wahrnehmbarkeit maßgebliche G-bewertete Gesamtpegel der Flügelharmonischen liegt mit 52 dBG um mehr als 30 dB unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle empfindlichster Personen.
Vahl beweist: WEA sind kein „Störsender fürs Herz“
Die „Arbeitsgruppe Infraschall“ der JGU Mainz orientierte sich beim tiefsten der drei applizierten Schalldruckpegel (100 dB, 110 dB und 120 dB) an dem für obige Messung von der BGR um 36,1 dB zu hoch berechneten Infraschallpegel-Pegel. „Als wir die Daten von der BGR Studie gesehen haben, haben wir beschlossen, das zu messen“, vertraute Vahl in einem Interview der Mainzer AZ (33) an.
Bei Applikation eines 16 Hz Signals mit 100 dB konnte die Arbeitsgruppe allerdings keinen signifikanten negativen inotropen Effekt nachweisen. Trotzdem verbreitete Vahl in mehreren Zeitungs- und Fernsehinterviews als angebliches Ergebnis seiner Versuche offensiv die Behauptung, WEA seien „Störsender fürs Herz“ (12). Dabei nahm er es in einigen Interviews nicht so genau mit den Zahlen seiner eigenen Versuchsreihen – in (78) und (79) behauptete er beispielsweise, bei nur 100 dB hätte sich nach einer Stunde Einwirkdauer 20 % Kontraktilitätseinbuße ergeben – in Wahrheit tat sich bei 100 dB aber gar nichts und selbst beim höchsten Pegel von 120 dB (also hundertfach höherer Schallintensität im Vergleich zu 100 dB) ermittelte sein Team nur 18 % Einbuße (2).
Auch verblüfft die Applikation eines reinen Sinussignals, welches mit 16 Hz deutlich oberhalb des Frequenzbereichs der Flügelharmonischen von WEAs lag. Die Verwendung solcher Signale kritisieren V/R bezüglich einer Versuchsreihe des UBA (72) nämlich selber mit den Worten: „Dieser „artreine“, das heißt künstlich hergestellte und vereinfachte Infraschall kommt nach eigener Aussage in der Praxis kaum vor, so dass zur Wirkung von Infraschall aus realen Quellen, etwa den pulsierenden Emissionen von Windanlagen, keine Aussagen möglich sind“.
Als die BGR über ein Jahr nach den von Holzheu (34) erstmals geäußerten und anschließend von weiteren Wissenschaftlern (9) (10) bestätigten Zweifeln an der Richtigkeit der veröffentlichten Zahlen ihren wackeren Widerstand aufgeben und zerknirscht einräumen musste, dass alle Schallpegel um 36,1 dB zu hoch angegeben waren (59), brach das Kartenhaus der „Störsender“-Behauptung endgültig in sich zusammen. Würde sich nicht nur in den künstlich hergestellten und vereinfachten Versuchssituationen von Vahl, sondern tatsächlich auch in der Realität ab 110 dB Schalldruck eine beginnende Herzinsuffizienz abzeichnen, so läge dieser Wert demnach immer noch 46 dB (Faktor 40.000 bei der Schallintensität) über der tatsächlichen WEA-Immission - womit die Arbeitsgruppe unfreiwillig bewiesen hatte, dass der schwache Infraschall von WEA unter keinen Umständen eine Schwächung des Herzmuskels hervorrufen kann.
Weniger ist mehr
Wenn sich bei einem Dose-Response Experiment zur Ermittlung der vermuteten Schädlichkeit einer vermeintlichen Noxe herausstellt, dass ihre Konzentration bzw. Intensität um mehr als drei Zehnerpotenzen zu hoch angesetzt war, darf man von seriösen Wissenschaftlern eine Neubewertung der Versuchsergebnisse und öffentliche Richtigstellung der Schlussfolgerungen erwarten. Die drastische Korrektur der SPL-Daten der BGR, auf denen die Experimente von Chaban et al. fußten, hätte durchaus einen kognitiven Prozess anstoßen können, ob möglicherweise nicht doch viel näherliegende, plausiblere und wohlbekannte Gründe (24),(25),(26),(27),(50),(53),(56),(57) als tief subliminaler Infraschall die Beschwerden einiger WEA-Anrainer erklären könnten. Daraus hätte sich eventuell sogar die von V/R ausdrücklich erwünschte „problemorientierte, faktenbasierte Auseinandersetzung mit dem Thema“ ergeben können. Den eisern-axiomatischen, quasi-religiös verwurzelten Glauben des Teams V/R an die multiplen „pathophysiologischen“ Wirkungen der wenige µW/m2 transportierenden Infraschallintensität von WEA konnte die BGR-Pegelpleite freilich nicht erschüttern. Zur Erklärung der Diskrepanz zwischen Soll-Zustand (WEA-Infraschall macht krank!) und Ist-Zustand (dafür ist er um viele Zehnerpotenzen zu schwach) bemühte Vahl in einem kritischen Zeitungsinterview (33) schräge allegorische Mathematik: „Die Gleichung hat sich ja nur auf einer Seite verändert“ aber „die Beschwerden bleiben ja gleich“. Brilliante Konklusion: Infraschall sei „noch viel gefährlicher als bisher gedacht“. Diese Denkweise „weniger ist mehr“ erinnert an bestimmte Strömungen der alternativen Medizin, die ebenfalls einem Agens eine umso potentere Wirkung zuschreibt, je weiter es verdünnt wird.
Weg mit dem Dezibel-Fetischismus!
Zur Lösung des Dilemmas, dass die von den Flügeldurchgängen stammenden Infraschall-Immissionen weit unterhalb aller bekannten Wirk- und Wahrnehmbarkeitsschwellen liegen, verkünden V/R, dass eben „der Schalldruck allein nicht zur Beurteilung von Infraschallwirkungen am Menschen ausreicht“. Außerdem fordert Vahl in besagten Zeitungsinterview (33) mehrfach, dass man „wegkommen muss vom Dezibel-Fetischismus“. Die Intensität eines vermeintlich schädlichen Agens, die leider bei weitem nicht ausreicht, um die erwünschte „pathophysiologische“ Wirkung wissenschaftlich zu unterfüttern, wird also als schlicht nebensächlich eingestuft. Dieser wohl nicht nur den „Standards der experimentellen Medizin und Pharmakologie“ trotzende Ansatz verblüfft umso mehr, als einer der Autoren Pharmakologe ist. Ihm dürfte bestens bekannt sein, dass es in den Dose-Response-Kurven für die meisten gesundheitsschädlichen Agenzien eine Schwelle gibt (NOAEL = No-Observed Adverse Effect Level), unterhalb derer die Zufuhr auch bei Dauerexposition keine beobachtbaren schädlichen Auswirkungen auf den Organismus hat. Für Schall liegt diese Schwelle sogar außerordentlich hoch, wie der nächste Abschnitt zeigen wird.
Vergleich zu Schallintensitäten bei der Ultraschalldiagnostik
Die Schallintensität von typischen Infraschallimmissionen in der Nähe von WEA wie im von V/R bemühten Beispiel in Falmouth oder der von der BGR untersuchten Anlage in 200 m Abstand beträgt nur wenige µW/m2. Zur Einordnung der von V/R behaupteten gesundheitsschädlichen „biophysikalischen Wirkung“ auf Gewebe und zelluläre Prozesse inklusive von ihnen postulierter „zytotoxischer Wirkungen“ durch solch geringe Intensitäten ist es aufschlussreich, sie mit denjenigen zu vergleichen, die bei Ultraschalldiagnostik auftreten. Diese gilt nach wie vor als das schonendste bildgebende Verfahren (29),(30),(41).
Laut der FDA (amerikanische Food and Drug Administration) ist eine zeitlich gemittelte Intensität bis zu 720 mW/cm2 im Fokus des Ultraschallkopfs statthaft, und zwar auch für empfindliche Organe wie das Herz und seit 1992 sogar für Föten. Sie ist bei typischer Sonografie (B-Scan) allerdings deutlich geringer und liegt in der Größenordnung von ca. 100 mW/cm2 , die im Gegensatz zur Intensität von Luftschall (welche aufgrund des extremen Wellenwiderstandsunterschieds zwischen Luft und Wasser zu über 99.8 % vom Körper reflektiert oder um ihn herum gebeugt wird) auch tatsächlich ins Gewebe eingekoppelt wird. Das ist 300 Millionen (also 85 dB) mal mehr als die Infraschallintensität von 3 µW/m2, welche die von der BGR 2004 bei Starkwind-Bedingungen untersuchte Vestas V47 in nur 200 m Abstand im Freifeld erzeugte.
Um diesen astronomischen Unterschied in einen beispielhaften astronomischen Kontext zu stellen: Die nur von den Sternen und dem Glimmen der Atmosphäre ausgehende Beleuchtungsstärke des Himmels in einer Neumondnacht beträgt 0.001 Lux (75). Die maximale mittägliche Beleuchtungsstärke der Sonne bei wolkenlosem Himmel beträgt 120.000 Lux (76). Das ist ein Unterschied von nur 81 dB.
Der Wert liegt außerdem noch 30 dB, entsprechend der tausendfachen Intensität, über dem höchsten Schalldruckpegel (120 dB), den Chaban et. al in den von V/R zitierten artifiziellen Versuchen an In-vitro-Herzmuskelfasern applizierten und dabei nach einer Stunde eine Reduzierung der Kontraktilität um 18 % registrierten.
In 10 Sekunden die Schalldosis von 100 Jahren WEA-Infraschall
Um die von V/R für Infraschall geforderte „chronische Art dieser Einwirkung zu berücksichtigen“, ist es aufschlussreich, für obigen Vergleich die Dosen, also die Produkte aus Intensität und Zeit zu betrachten. Es ergibt sich, dass auf den Querschnitt im Fokus des Ultraschallwandlers in weniger als 10 Sekunden mehr Energie einfällt als von oben genannter WEA auf einer gleich großen Außenfläche während kontinuierlichem Starkwindbetriebs über mehr als 100 Jahre, wobei diese im Körper durch den Wellenwiderstandssprung dann nochmals um mehr als den Faktor 3500 gedämpft wird. Bei solch immensen Zeiträumen darf man auch als Nicht-Biologe vorsichtig vermuten, dass eher die genetische Prädisposition der Zellen als „der durch Infraschall verursachte, zusätzliche Ausstrom von Kalzium aus Mitochondrien und endoplasmatischem Retikulum in das Cytosol den Ca2+-abhängigen Apoptoseweg startet“.
Selbstverständlich ist die hohe Intensität im Ultraschall-Fokus nur auf ein kleines Volumen beschränkt. Da V/R aber hypothetisieren, dass WEA-Infraschall mit den aktin-myosin-basierten Kontraktionen der Muskelfasern interferiert (11), sie sich Sorgen um seinen „zytotoxischen“ Einfluss „am sarkoplasmatischen Retikulum und den Mitochondrien“ machen, dadurch „irreversibel geschädigte Zellen“ befürchten und ihnen außerdem „mechanosensitive Ionenkanäle“ als „potentielle Targets“ erscheinen, ist der Vergleich angebracht und legitim.
Während Chaban et al. also langsame homogene Druckschwankungen mit Intensitäten von weniger als 1 pW/cm2 innerhalb des Körpers für die Debilitierung des Herzens verantwortlich machen, schicken sie bei routinemäßigen Untersuchungen Ultraschall mit milliardenfach höherer Intensität durch sein Gewebe, ohne vermutlich jemals einen Gedanken an „irreversibel geschädigte Zellen“ verschwendet zu haben.
Auch das noch: Diagnostischer Ultraschall ist gepulst!
Im Gegensatz zu den kontinuierlichen Flügelharmonischen einer WEA und dem 16 Hz Sinus-Signal, dem Chaban et al. ihre in-vitro Herzmuskelfasern aussetzten, stellt diagnostischer Ultraschall in der Regel (Ausnahme: Doppler) ein periodisch gepulstes Signal dar – eine Signaleigenschaft, welche V/R fälschlicherweise auch dem WEA-Infraschall zuschreiben (eine Pulsfolge ist aber kein „gepulstes Signal“) und damit seine besondere „Gefährlichkeit“ erklären. In den klassischen Scan Modes (insbesondere B-Scan) wird der Ultraschall-Tastkopf nach jedem gesendeten-kurzen Burst auf Empfang geschaltet, um den an Gewebe und Knochen reflektierten Schall einzusammeln und anhand der Laufzeitunterschiede das Bild aufzubauen. Dieser Vorgang wiederholt sich mit einer Periodizität, die von einigen kHz bis zu einigen 10 kHz reichen kann. Die abrupten Ein/Ausschaltvorgänge des Sendesignals erzeugen dabei durch Intermodulation auch niederfrequente Komponenten, die zwar gering gegenüber dem eigentlichen Sendesignal ausfallen, aber trotzdem noch deutlich stärker als die Infraschall-Einwirkung durch WEA sind und von Föten sogar gehört werden können (55), (74).
Zur finnischen Studie (Maijala et al. 2020)
V/R behaupten „dass keine der in den letzten Jahren publizierten, staatlich veranlassten Studien die Wirkung der Infraschallpeaks aus Windanlagen auf Anwohner konkret getestet hat“. Genau dies wurde aber in der von ihnen ungerechtfertigterweise kritisierten finnischen VTT Studie (17) tatsächlich getan. Dort wurde mit hochauflösender Aufnahmetechnik und infraschallfähigen Mikrofonen wochenlang in nächster Nähe zu zwei großen Windpark (Raahe und Kurikka) aufgezeichnet und aus den Terabytes angefallener Daten die Intervalle mit dem höchsten Infraschall-Anteil und der höchsten Hörschall-Amplitudenmodulation (AM) des Hörschalls herausgesucht und zu Hörbeispielen verarbeitet. Um diese in voller Bandbreite bis 0.5 Hz herab mit linearen Frequenzgang in der Original-Lautstärke wiedergeben zu können, wurde sehr aufwendig eine hermetisch abgedichtete Druckkammer als Abhörraum für Ganzkörper-Exposition eingerichtet und der Frequenzgang der Lautsprecher mit FIR-Filtern präzise entzerrt. Bei der Wiedergabe wurde wahlweise das breitbandige Gesamtsignal dargeboten oder der Infraschallanteil herausgefiltert. Es konnte kein signifikanter Unterschied gehört werden. In einem weiteren Test wurde nur der Infraschall alleine wiedergegeben. Er konnte nicht signifikant wahrgenommen werden.
„Signatur geglättet“ – weg sind die „Druckpeaks“?
In der detaillierten Dokumentation der VTT-Studie sind auch Terz-Spektren der Geräuschszenarien abgebildet. Über diese behaupten V/R fälschlicherweise: „Letztere bestehen aus Mittelwerten des Schalldrucks über festgelegte Frequenzbereiche jeweils vom Umfang einer Terz.“ Diese Desinformation wurde bereits in (3) verbreitet. Terzpegel entstehen aber nicht aus „Mittelwerten“, sondern aus der leistungsmäßigen Summe aller Frequenzkomponenten innerhalb der Bandgrenzen. Die Abbildung der Terzspektren führt V/R außerdem zu folgender törichter Interpretation: „Damit wurde die für gesundheitliche Beeinträchtigungen höchstwahrscheinlich entscheidende Signatur geglättet“. V/R schließen also aus den Terz-Spektren in den Grafiken des Reports, dass die in ihnen nicht sichtbaren „steilen Druckpeaks“ wundersamerweise auch aus den zugrundeliegenden hochaufgelösten Audio-Rohdaten entwichen seien und deswegen bliebe es „fraglich, ob die Infraschall-Druckpeaks der Anlagen im Test korrekt abgestrahlt wurden“. Das ist ungefähr genauso sinnvoll, wie zu monieren, auf dem ebenfalls im Report abgebildeten Foto des Inneren der Druckkammer sei ja gar kein Infraschall zu sehen und deswegen sei es fraglich, ob die Probanden ihm auch wirklich ausgesetzt wurden.
Die wundersame „Pionierarbeit“ von Sharipova
Auf ihrer emsigen „Suche nach konkreten Stressoren und kausaler Pathogenese“ stießen V/R auch auf eine dubiose Veröffentlichung an der Al-Farabi Kazakh Universität in Kasachstan, die bereits ausgiebig von B/S durchleuchtet wurde. Zur Erinnerung: Wasser wurde in einem „Infraschall-Radiator“ mit Intensitäten von „10.9 – 14 dB“ behandelt und anschließend von Ratten getrunken, woraufhin sich bei diesen angeblich veränderte Hämolyse-Werte zeigten. Obwohl V/R der Ansicht sind, dass gar „nicht die absolute Höhe des Schalldrucks ausschlaggebend für eine biologische Wirkung“ sei, war ihnen die geringe Maximalpegel-Angabe von nur 14 dB wohl doch suspekt, weshalb sie nonchalant eine „1“ davorsetzten. Dieser Handstreich, mit welchem sie aufgrund der logarithmischen dB-Skala die Intensität mal eben um 10 Milliarden erhöhten, würde man in der Finanzwelt wohl als „kreative Buchführung“ bezeichnen. Für das beschriebene Versuchsdesign spielte er aber keine Rolle, da man die Intensität durchaus noch um weitere 30 dB erhöhen könnte, ohne dass sich für die Ratten etwas ändern würde – die einzige Weise, auf welche Wasser durch Schalleinwirkung seine „biophysikalischen Eigenschaften“ ändern könnte, wäre durch Erwärmung (was aber wegen der erforderlichen Energiedichte nur mit Ultraschall funktioniert). Schwerer wiegt allerdings die völlig aus der Luft gegriffene freie Erfindung von V/R, die Ratten hätten „unspezifische Entzündungsprozesse … gefolgt von einer perivaskulären Koronarsklerose“ gezeigt – den nichtssagenden und langweiligen Hämolyse-Grafiken (denen im Übrigen völlig die von V/R versprochene „nachvollziehbare statistische Transparenz“ fehlt) entbehrte es wohl an der gewünschten Dramatik.
Anstatt auf die Kritik einzugehen, die Manipulationen einzugestehen und sich dafür zu entschuldigen, loben V/R in ihrer Antwort stattdessen das von ihnen falsch wiedergegebene, esoterisch angehauchte Schriftstück (in welchem auch über die Umwandlung des Infraschalls in „biochemische“ und „bioelektrische“ Energie im Rahmen von „Bio-Resonanz-Phänomenen“ des Wassers fabuliert wird) auch noch als "wichtige Pionierarbeit“. Selbst das ist schlecht recherchiert: Schon drei Jahre vorher berichteten Tuleuhanov et al. am selben Ort von ganz ähnlichen Versuchen unter denselben Versuchsbedingungen (83), inklusive der absonderlichen Intensitätsangabe von „10.9 – 14 dB“. Allerdings ging es dort um weiße Blutkörperchen, deren Produktion selbstredend auch von Infraschall gestört wurde, egal ob die Ratten ihm direkt ausgesetzt wurden oder nur infraschallverseuchtes Wasser tranken.
V/R verteidigen Sharipovas Arbeit mit der frivolen Behauptung: „Der Befund, dass Wasser nach Infraschallexposition unmittelbare Auswirkungen auf Zelleigenschaften hat (hier bei Erythrozyten) wurde bisher nie seriös bezweifelt.“ Damit mögen sie durchaus recht haben: Es hatte sich vermutlich auch noch nie jemand seriös damit beschäftigt. Es darf angezweifelt werden, ob beide Arbeiten in dieser Form überhaupt stattgefunden und die angegebenen Ergebnisse geliefert haben.
Aquaporine und die magischen 30%
Zum Ende der Lobeshymne auf Sharipova´s Meisterwerk wird von V/R wie zur Bestätigung, dass noch andere Forscher auf diesem Gebiet unterwegs seien, “auch an die inzwischen besser erforschten Wasserkanäle (Aquaporine) erinnert, deren spezifische Eigenschaften möglicherweise erklären können, warum ca. 30% der Menschen Infraschall empfindlicher wahrnehmen als andere“. Der referenzierte Tagungsbeitrag von LePage u. Avan hat zwar tatsächlich „Infraschall“ im Titel, es geht aber um sehr langsame Druckänderungen nahe an DC (0 Hz) und zugehörige Ausgleichsströmungen im Innenohr. Die Grafiken in der Arbeit zeigen dann auch Druckausgleichsvorgänge, die sich über Minuten bis Stunden hinziehen und haben somit nichts mit der „Perzeption von Infraschall“ von Windanlagen zu tun. Die „30%“ Angabe ist von V/R erfunden und ohne Angabe, worauf sie sich eigentlich bezieht, völlig sinnfrei.
Kampf gegen Windmühlen vs. Patientenwohl
Infraschall von WEA ist nicht wahrnehmbar und völlig harmlos, die Angst davor nicht. Der Nocebo-Effekt ist auf vielen Gebieten bewiesen, auch bei Infraschall-Angst (20), (21), (57). Wenn Ärztinnen und Ärzte als absolute Vertrauenspersonen diese Angst auch noch befeuern und wider aller wissenschaftlichen Evidenz Infraschall zum monokausalen „Stressor“ erklären, ist das im Sinne einer objektiven und ergebnisoffenen ätiologischen Herangehensweise kontraproduktiv für das Patientenwohl. Fast immer ist Hörschall das Problem und die Patienten wären mit der Erarbeitung von coping strategies besser beraten, um toleranter und unbesorgter mit der Lärmbelästigung umgehen zu können, anstatt weiter unter diffusen Ängsten vor vermeintlicher körperlicher Schädigung leiden zu müssen. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang die von Vahl offensiv über die Medien verbreitete, perfide und absolut falsche Behauptung, Infraschall von WEA wäre ein „Störsender fürs Herz“ (12). Das spätestens seit der BGR-Pegelpleite überfällige persönliche Dementi steht weiterhin aus.
Ist das noch Wissenschaft?
Der Text von V/R ist zwar als wissenschaftliche Review camoufliert, missachtet aber permanent die gute wissenschaftliche Praxis sowie elementare „Standards der experimentellen Medizin und Pharmakologie“, deren Zugrundelegung V/R anfänglich versprachen, „wo immer möglich“. So ziehen sie zur Untermauerung ihrer unglaubwürdigen Hypothesen ungeeignete Literatur heran, in der teilweise tierquälerische oder waghalsige Experimente bei extremen Schallintensitäten beschrieben werden, die bis zu 100 Millionen Mal über typischen WEA-Immissionen liegen. Diese schillernde Collage von für die Thematik völlig irrelevanten oder sogar fiktiven Forschungsergebnissen, die in keinem einzigen Fall eine Belästigung oder gar ein „latentes Gesundheitsrisiko für Anwohnende“ durch WEA-Infraschall auch nur ansatzweise vermuten lassen, ist mit einer schier unüberschaubaren Vielzahl von Fehlinterpretationen und Falschaussagen gespickt. Dabei offenbaren V/R erhebliche Wissensdefizite in elementarer Schallphysik, Signaltheorie und Gehörphysiologie. Sie benutzen Luftschall, Beschleunigung, Vibration und Volumenverdrängung in arbiträrer Weise und halten die radikalen Unterschiede in deren Wirkmechanismen auf den Körper für „unerheblich“. Schalldruck und Schallintensität werden laufend verwechselt, Logarithmenrechnung nicht beherrscht und außerdem Zeitsignale und Spektren sowie deren signaltheoretische Begrifflichkeiten durcheinandergebracht. Das Wesen der Fourier-Analyse und -Synthese ist ihnen nicht bekannt. Der Schalldruckpegel wird als unmaßgeblich eingestuft, ein Gespür für die Größenordnungen der involvierten physikalischen Größen ist nicht vorhanden. Logische Gedankengänge bereiten ihnen Schwierigkeiten.
Hilft hier noch Nachhilfe?
V/R beschweren sich: „Wir benötigen hier weder Nachhilfe in Schallphysik noch zu den „Grundregeln wissenschaftlicher Arbeit“. Diese Aussage ist insofern zutreffend, als dass erfolgreiche Nachhilfe sowohl ein rudimentäres Basis-Gerüst an Grundwissen als auch Lernbereitschaft voraussetzt. Allerdings ist beides nicht vorhanden, wie sie durch ihr beharrliche Festhalten an völlig falschen Interpretationen, abstrusen Denkweisen und ungeeigneten Referenzen sowie dem kunterbunten Durcheinanderwürfeln von unterschiedlichen physikalischen Größen und signaltheoretischen Begriffen zur Schau stellen. Dass viele leicht zu entlarvende Falschaussagen von V/R auch nach der zweiten kompetenten Richtigstellung noch vehement verteidigt wurden, zeugt außerdem von einer gewissen starrsinnigen Beratungsresistenz. Die mangelhafte Anwendung der „Grundregeln wissenschaftlicher Arbeit“ wurde bereits in den vorangegangenen Repliken gerügt, wobei die Manipulation von Pegeldaten und die freie Erfindung von organischen Schäden bereits als wissenschaftliches Fehlverhalten eingestuft werden darf.
„Naiv oder populistisch motiviert“?
Mit der absurden Behauptung, der von WEA ausgehende schwache Infraschall besitze „pathogenes Potenzial“ und könne gar „körperliche Schäden“ bei Anwohnern auslösen, treffen V/R eine nicht verantwortbare Aussage. Für die suggerierten Schäden auf Organ- oder Zellebene durch subliminalen Infraschall finden sich weder in den von ihnen zitierten Arbeiten noch in der restlichen seriösen wissenschaftlichen Literatur irgendwelche Anhaltspunkte.
Nach der Lektüre fragt man sich, ob solch ein konzentriertes Konglomerat eklatanter Falschaussagen ausschließlich der ungenügenden Expertise der Autoren geschuldet ist ober ob andere Intentionen dahinterstehen. Die Kritik an der fehlenden Darlegung ihrer Interessenkonflikte durch B/S ist gerechtfertigt und die nachgelieferten hilflosen Erklärungsversuche von V/R wenig überzeugend. Interessenkonflikte bestehen keinesfalls nur dort, wo die Veröffentlichung dem Autor einen pekuniären Vorteil verspricht. Bei Roos ist ein ideelles Sekundärinteresse manifest. Als vehementer Windkraftgegner und Vorsitzender eines lokalen Ablegers des gegen erneuerbare Energien opponierenden Netzwerks „Vernunftkraft“ kämpft er unermüdlich für den vorgeblichen „Schutz der Bürger vor den Gesundheitsrisiken durch industrielle Windenergie-Anlagen“ und gegen die „schmerzhaft empfundene Verschandelung ihrer Heimatlandschaft“ (80). Außerdem kritisiert er ostentativ die „gegenwärtige Energiepolitik“, wobei seine ideologisch geprägten Einlassungen zu diesem Thema keineswegs kompetenter wirken als seine so nachweislich falschen wie leicht widerlegbaren Behauptungen über „chronische Schädigungen“ durch WEA-Infraschall.
Die 1-Million-Euro-Frage
Bei Vahl wiederum steht der Verdacht des wirtschaftlichen Sekundärinteresses sehr wohl im Raum. Im Interview der Mainzer AZ (33) erklärte er, dass Teile seiner Arbeitsgruppe es spannend gefunden hätten, im Kontext Windkraft zu forschen. „Damit war auch die Hoffnung verbunden, dass man so Forschungsmittel erhält“ bevor er dann „aus der Industrie eine Millionen-Spende erhalten“ habe. Wer der Spender sei, könne er allerdings nicht sagen, betonte Vahl. „Er möchte nicht genannt werden“. Wenn Vahl, der anonyme Spender sowie die JGU Mainz den Zweifel zerstreuen möchten, dass Interessensgruppen hinter der Spende stehen, die sich einen Vorteil aus der Torpedierung des Ausbaus erneuerbarer Energien versprechen, täten sie gut daran, den Geber und die eventuelle Zweckbindung der Mittel zu offenbaren. Vahl´s Entschuldigung, er habe von der eingeworbenen Spende noch keine Mittel verwendet, spielt keine Rolle – ob sie nun als Belohnung für die bisher geleistete pseudowissenschaftliche Arbeit gedacht war oder weitere solche finanzieren soll, ist unerheblich.
Interessenkonflikte
Ich arbeite als Akustiker und Ingenieur der Nachrichtentechnik in Forschung und Entwicklung bei der Firma NTi Audio AG in Liechtenstein, die Messtechnik für Audio & Akustik herstellt und in der Umweltlärm-Messtechnik weltweit stark vertreten ist. WEAs spielen im Geschäftsfeld keine signifikante Rolle. Ich bin kein Parteimitglied, verdiene mit Windkraft kein Geld, kenne niemanden, der in der Windbranche arbeitet und werde von niemanden für diese Kritik bezahlt. Sie ist aus Eigeninitiative in der Freizeit entstanden und hat den alleinigen Zweck, meiner Verärgerung über die Vielzahl von Falschaussagen Ausdruck zu verleihen und zumindest einige richtig zu stellen.
Einige Fakten zu WEA-Infraschall
· Infraschall wirkt fast vollständig homogen als langsame periodische Änderung des Umgebungsdrucks von allen Seiten auf den Körper. Durch ihre hohe Inkompressibilität bleiben Gewebe und Zellverbände dabei quasi in Ruhe.
· Der Organismus hält mit Ausnahme des Gehörs problemlos dynamische Druckamplituden von 150 dB re. 20 µPa und mehr aus. Schwimmen und Ultraschalluntersuchungen sind Beispiele in verschiedenen Frequenzbereichen.
· Infraschall wird aufgrund seiner großen Wellenlänge und des enormen Wellenwiderstandsprungs von Luft zu Wasser größtenteils um den Köper herum gebeugt, seine Intensität ist im Körperinneren um mehr als 35 dB vermindert.
· Bei typischer WEA-Immission liegen die Druckspitzen mit ca. ±1 Millionstel des Atmosphärendrucks in der gleichen Größenordnung, wie sie beim Gehen an den Ohren durch den periodischen Höhenunterschied bei der vertikalen Kopfbewegung entstehen.
· Die Druckpulse von WEA sind so schwach, dass sie nach einigen hundert Metern im breitbandigen Zeitsignal des Schalldrucks nicht mehr zu erkennen sind. Hochaufgelöste FFT-Spektren, mit denen die Flügelharmonischen konstant rotierender WEAs auch in größerer Entfernung aus dem Umgebungslärm herausgelöst werden können, sind für den Menschen in physiologischer Hinsicht völlig irrelevant.
· Infraschall sowohl natürlicher (Wind, Micro-Barome, Brandung) als auch anthropogener (Verkehr, Industrie, Landwirtschaft) und physiologischer Provenienz (Herzschlag, Atmung, Darmaktivität) bewirkt höhere Pegel im Körper und in den Ohren als der von WEAs.
· Die gehörrichtig bewertete Intensitäts-Summe der Flügelharmonischen liegt bei typischen Setbacks mindestens 30 dB unter der Wahrnehmbarkeitsschwelle. Eine geschlossene Gebäudehülle senkt sie mühelos um weitere 15 dB (siehe Abb. 1).
· Unser Gehör ist bewiesenermaßen auch für Infraschall der empfindlichste Sensor.
· Die taktile Empfindungsschwelle aller Drucksensoren der Haut für Infraschall liegt bei Normalhörenden über 115 dB und außerdem mindestens 15 dB über der Hörschwelle.
· Das Vestibularsystem in einem gesunden Innenohr ist extrem unempfindlich für Infraschall. Selbst bei pathologischen „third window“ Konditionen wie SCD reicht WEA-Infraschall nicht aus, um Empfindungen auszulösen.
· Die OHC (äußeren Haarzellen der Cochlea) tragen einige dB unterhalb der Hörschwelle nicht zum Hören bei und lösen auch keine anderen Aktivitäten im Gehirn aus (68). Insbesondere interferiert ihre postulierte subliminale Aktivität (23) nicht mit dem Schlaf (19).
· „Zytotoxische Wirkungen“ oder gar „organische Schäden“ durch WEA-Infraschall sind absolut ausgeschlossen.
· Das einzige, was die in-vitro Myokardversuche von Chaban et al. beweisen, ist dass die inadäquaten Versuchsbedingungen in keiner Weise die reale Situation des in-vivo Herzens widerspiegeln.
· WEA erzeugen auch hörbaren Schall, der im Vergleich zu anderen Lärmquellen aufgrund tonaler Anteile und Amplitudenmodulation (die häufig mit Infraschall verwechselt wird, (15),(16),(24),(27)), als deutlich störender empfunden wird. Die (manipulierbare) persönliche Einstellung zu Windkraft spielt bei der Bewertung der Belästigung eine große Rolle.
· Infrasound anxiety (ISA) gehört zu den modern health worries (MHW), so wie auch elektromagnetische Hypersensibilität (EHS) und idiopathic environmental intolerance (IEI), bei denen die Betroffenen ebenfalls über polysymptomatische Beschwerdebilder klagen, auch wenn die beschuldigten Expositionen weit unterhalb der bekannten Wirkschwellen liegen oder gar nicht vorhanden sind.
· Das Thema WEA-Infraschall wird in orchestrierten Desinformationskampagnen als Angstmacher missbraucht, um bei besorgten Bürgern und Lokalpolitikern Entscheidungen im Sinne von großen Interessenverbänden herbeizuführen, die den Ausbau erneuerbarer Energien mit allen Mitteln verhindern wollen.
· Die Faktenlage zu WEA-Infraschall ist eindeutig und es besteht diesbezüglich kein weiterer Forschungsbedarf.