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– Folge 5 –

Künstliche Intelligenz

Einleitung

„Systeme der künstlichen Intelligenz (KI) sind vom Menschen entwickelte Softwaresysteme (und gegebenenfalls auch Hardwaresysteme), die in Bezug auf ein komplexes Ziel auf physischer oder digitaler Ebene handeln, indem sie ihre Umgebung durch Datenerfassung wahrnehmen, die gesammelten strukturierten oder unstrukturierten Daten interpretieren, Schlussfolgerungen daraus ziehen oder die aus diesen Daten abgeleiteten Informationen verarbeiten, und über das bestmögliche Handeln zur Erreichung des vorgegebenen Ziels entscheiden. KI-Systeme (...) sind auch in der Lage, die Auswirkungen ihrer früheren Handlungen auf die Umgebung zu analysieren und ihr Verhalten entsprechend anzupassen“ (Hochrangige Expertengruppe für Künstliche Intelligenz der EU-Kommission: Eine Definition der KI: Wichtigste Fähigkeiten und Wissenschaftsgebiete, EU-Kommission, Brüssel, April 2019, S. 6).

Die ASU-Serie beleuchtet in loser Folge verschiedene Forschungsprojekte und -initiativen, wo KI am Arbeitsplatz heute erprobt wird oder schon zum Einsatz kommt.

Folge 5 berichtet über Erkenntnisse aus einem sozialpartnerschaftlichen Forschungsprojekt zwischen der IBM Deutschland GmbH, der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie Feldstudien bei der Siemens AG und der Deutschen Telekom Service GmbH.

Folge 5: Erfolgreich nur gemeinsam auf betrieblicher Ebene

Im Zusammenwirken von Wissenschaft, Politik, Unternehmen sowie Gewerkschaften und unter dem Einfluss dieser unterschiedlichen Denkansätze, Perspektiven und Erfahrungen haben die Projektpartner einen konstruktiven Dialog über den Umgang mit dieser neuen technologischen Entwicklung geführt. Dabei war allen Beteiligten klar, dass es zu Umbrüchen und Veränderungen in den Geschäftsmodellen und in der Arbeitswelt kommen würde, die Dimension der Auswirkungen und der konkreten Handlungsnotwendigkeiten zum jetzigen Zeitpunkt jedoch kaum abzuschätzen sei.

Im Mittelpunkt der Forschung standen die Menschen, deren Arbeit durch den Einsatz smarter Technologien verändert wird: Sachbearbeiterinnen/Sachbearbeiten, Human-Resources(HR)-Expertinnen/-Experten und Kundenberaterinnen/-berater. Diese Berufe wurden ausgewählt, weil die Ergebnisse eine hohe Übertragbarkeit auf verwandte Arbeitsfelder aufweisen. Zudem werden diese Berufe heute schon durch den Einsatz KI-basierter Technologien verändert und umfassen ein hohes Maß an kognitiven Tätigkeiten, die mit „schwacher KI“ wie Chatbots automatisiert werden können. Im Forschungsprojekt wurde empirisch untersucht, wie sich Arbeit durch den Einsatz smarter Technologien verändert und wie Beschäftigte diese Veränderung wahrnehmen. Details zum Studiendesign und zu den -ergebnissen würden diesen Rahmen sprengen. Sie sind in einem umfangreichen Forschungsbericht enthalten, der im Internet abgerufen werden kann (s. „Weitere Infos“).

Mit der gemeinsamen Vision, dass KI stets dem Menschen dienen soll, haben die Projektpartner gemeinsam Rahmenbedingungen für ihren Einsatz abgeleitet, die sowohl politisch und wirtschaftlich als auch gesellschaftlich verankert sind. Wenn auch noch „vorläufig“ und „unvollständig“, so haben die Feldstudien dennoch eine Reihe von Erkenntnissen gebracht, die wegweisend für den Einsatz von KI in allen Unternehmen sein werden:

1. KI bedeutet nicht das Ende der Arbeit

Es wird strukturelle Veränderungen geben, immer mehr einfache und rein administrative Tätigkeiten werden von KI übernommen. Daraus ergeben sich zunehmend Substitutionseffekte; gleichzeitig entstehen neue, anspruchsvolle Arbeitsfelder und Arbeitsplätze in der Entwicklung, Beratung und Dienstleistung. Aufgaben im Bereich des Technologie-Enabling und des Trainings von Algorithmen ermöglichen es Beschäftigten auch, Skills und Arbeitserfahrungen zu erwerben, die auf internen und externen Arbeitsmärkten heute und in Zukunft nachgefragt
sind.

Allerdings werden sich bestehende Jobs verändern und manche Tätigkeiten wegfallen, während neue Berufsbilder entstehen und andersartige Kompetenzen gefragt sein werden. Menschen müssen auf diese neuen Aufgaben vorbereitet werden und Erwachsene müssen (wieder) lernen zu lernen.

2. Mensch und Maschine beziehungsweise Algorithmen können einander ergänzen,

und zwar dahingehend, dass die Technik und die Methoden (wie z. B. die Watson-KI) eine Erweiterung der menschlichen Intelligenz darstellen. KI-Assistenzsysteme übernehmen Routineaufgaben und unterstützen bei komplexeren Tätigkeiten. Dadurch ergeben sich für Führungs- und Fachkräfte Freiräume für die verstärkte Wahrnehmung der Kundenbeziehung sowie die kreativen und strategischen Aspekte wirtschaftlichen Handelns.

3. Ausbildung, Qualifizierung und permanentes Training

Die Veränderung der Aufgabenprofile muss in die Ausbildung, die Qualifizierung und in ein permanentes Training von KI-Skills eingehen. Alle drei Faktoren sind wesentlich für die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit auf den Arbeitsmärkten heute wie in der Zukunft.

4. Technologieakzeptanz als Schlüssel­qualifikation

Bei Qualifizierung, Training und Anwendung von KI spielt neben den technischen Fertigkeiten die Akzeptanz durch Führungs- und Fachkräfte sowie durch die Nutzenden eine große Rolle. Nur durch Technologieakzeptanz können Widerstände gegen den Einsatz neuer Technologien, die in der Praxis oft zu beobachten sind, abgebaut werden. Dies geschieht dadurch, dass KI-Techniken und -Methoden transparent und erklärbar sind und – es sei zum wiederholten Male betont – Führungs- und Fachkräfte intensiv im Umgang mit KI trainiert werden. Dadurch entsteht Vertrauen in KI und der einzelne Mensch behält die Kontrolle darüber.

5. Kontinuierliche Begleitung der Anwendenden

Bei der Auseinandersetzung mit KI in der Arbeitswelt sollte weder die Praxis noch die Forschung diejenigen übersehen, die in Organisationen am unmittelbarsten vom Technikeinsatz betroffen sind – die Beschäftigten, die mit neuen Technologien arbeiten oder an der Implementierung von KI und dem Training von Algorithmen beteiligt sind. KI-Anwendungen sollten auch aus der Perspektive von Beschäftigten und Führungskräften betrachtet und Technikfolgen schon bei der Implementierung in den Blick genommen werden.

6. KI zeigt positive Effekte auf die Qualität des Arbeitslebens und der Arbeitszufriedenheit

Das KI-Assistenzsystem verändert Arbeit bislang weniger im Hinblick darauf, was Menschen tun und welche Tätigkeiten sie ausführen, sondern vielmehr darauf, wie sie arbeiten. Dies kann sich in Zukunft ändern. Wenn zum Beispiel Telefonanrufe zunehmend durch Chats mit einem Bot ersetzt werden, lässt sich Substitutionspotenzial realisieren und eine Produktivitätssteigerung erzielen. Wenn es so weit ist, bedarf es einer erneuten Prüfung der Technikfolgen.

7. Robotergestützte Desktop-Automatisierung (RDA) kann Arbeitsqualität beeinflussen

RDA kann kausale Auswirkungen auf die Leistung und Performanz von Servicecentern haben, wenn auch die Effekte (anfangs) nicht besonders groß waren. In der Telekom-Fallstudie zeigen sich keine nachweisbaren Effekte auf die Qualität des Arbeitslebens: Die Arbeitszufriedenheit wird durch die Technologieeinführung weder positiv noch negativ nachweislich beeinflusst.

8. Kriterien zur Arbeitsplatzgestaltung
mitbestimmen

Die Arbeitszufriedenheit kann insbesondere dadurch erhöht werden, dass die Beschäftigten an der Gestaltung der Prozesse beteiligt werden, Ideen einbringen und sie andere Kolleginnen und Kollegen einarbeiten und trainieren können. Auf der anderen Seite wird bei heutigen Assistenzsystemen als negativ empfunden, dass der Überblick über den Gesamtprozess verloren geht und dessen Komplexität nicht mehr erkannt wird. Insofern belegen die praktischen Erfahrungen die Organisations- und Managementforschung, wonach es hilfreich ist, folgende Kriterien bei der Gestaltung motivierender Arbeitsplätze zu beachten:

  • Anforderungsvielfalt,
  • klarer Aufbau und Umfang der Aufgaben,
  • Aufzeigen des Sinns der Aufgabenstellung,
  • Autonomie und Freiraum bei der Umsetzung,
  • Feedback durch Führungskräfte, den Kollegenkreis sowie Kundinnen und Kunden.
  • 9. KI auf betrieblicher Ebene entwickeln

    Rahmenbedingungen ebenso wie konkrete Anwendungen von KI sollten gemeinsam im Rahmen der Sozialpartnerschaft auf der betrieblichen Ebene entwickelt werden. Dies fördert das Vertrauen und die Technologieakzeptanz bei den Beschäftigten, da die unterschiedlichen Perspektiven der handelnden Akteurinnen und Akteure zusammengeführt werden. Technologischer und gesellschaftlicher Wandel kann dabei am besten gelingen, wenn Unternehmen, Gewerkschaften, Betriebsräte, Wissenschaft und Politik gemeinsam daran arbeiten und konstruktive Dialoge miteinander führen.

    10. Tarifpartnerschaft als Schutzfunktion

    Auf Tarifebene können wichtige Grundlagen, etwa zur Qualifizierung und zum Gesundheitsmanagement, geschaffen werden. Dabei gilt es, die Schutzfunktion von Tarifverträgen und die Ansprüche der Beschäftigten mit der Eigenverantwortung – also auch einer intrinsischen Motivation – der Einzelnen für lebenslanges Lernen und eine gesunde Lebensweise zu vereinen. Ebenfalls sollen verbindliche ethische Leitlinien zum Einsatz von KI erarbeitet werden.

    Das gemeinsame KI-Forschungsprojekt von IBM, ver.di und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) endete im Herbst 2020 mit der Veröffentlichung des ersten Projektberichts. Die gemeinsame Arbeit der Projektpartner wird dadurch jedoch nicht beendet. Im Gegenteil: Das kleine, agile Forschungsprojekt dient vielmehr als Ausgangspunkt für eine längerfristige Kollaboration im Sinne von KI-Technikfolgenabschätzung und Zukunftsgestaltung digitalisierter Arbeitswelten.

    Dabei wird auf den Ergebnissen des KI-Forschungsprojekts aufgebaut und das praktizierte sozialpartnerschaftliche Vorgehen für eine gute Gestaltung von KI fortgeführt und vertieft. Ziel des vom BMAS ab 2020 geförderten Projekts ist es, die Beschäftigten selbst zu aktiven Gestaltenden zu machen. In enger Zusammenarbeit mit Vorreiterunternehmen bei der betrieblichen Anwendung von KI werden auf Basis einer wissenschaftlichen Technikfolgenabschätzung neue Gestaltungslösungen entwickelt, die in der Praxis evaluiert und in überbetrieblichen Lernräumen einem breiten Kreis von KMU (kleine und mittlere Unternehmen) und interessierten Anwendenden zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen umfassender Technikfolgenabschätzungen werden darüber hinaus weitere Feldexperimente zu und mit KI entwickelt und in verschiedenen Konzernen umgesetzt. Neben wissenschaftlichem Output setzt der Projektverbund dabei auch weiterhin auf Sozialpartnerschaften und Peer Learning von Konzernen, Betriebsräten, Gewerkschaften, Sozialwissenschaften und Politik: Der Austausch und das gemeinsame Gestalten des Einsatzes von KI in der Arbeitswelt und die Erforschung ihrer Folgen fangen also gerade erst an.

    Eines machen alle Beteiligten des Projektes deutlich: „Die Zukunft der Arbeit ist, was wir gemeinsam daraus machen.“

    Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Unternehmenskommunikation der IBM Deutschland GmbH, Ehningen.

    doi:10.17147/asu-1-233234

    Weitere Infos

    IBM Deutschland GmbH, Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di: Künstliche Intelligenz – Ein sozialpartnerschaftliches Forschungsprojekt untersucht die neue Arbeitswelt, Ehningen 2020
    https://www.ibm.com/de-de/­marketing/pdf/200918_IBM_KI-Broschure_Ansicht_Online-Einzel.pdf

    Begriffserklärungen

    Chatbots: Systeme, die mit Menschen über natürliche Sprache in Dialog treten können. Sie sind häufig auf ausgewählte Themen trainiert, zu denen sie Menschen Auskunft geben. Zumeist kommt KI zum Einsatz, damit das IT-System die Vielfalt unserer natürlichen Sprache zuverlässig verstehen und damit arbeiten kann. Chatbots kommen in zahlreichen Varianten vor, vor allem in Kombination mit physischen Systemen (z.B. Serviceroboter) oder digitalen Erscheinungsformen (z.B. Avatar). Wird nicht nur geschrieben („gechattet“), sondern auch beziehungsweise ausschließlich über gesprochene Sprache kommuniziert, ist von Voicebots die Rede (vgl. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/chatbot-54248).

    Cognitive Advisors (kognitive Assistenzsysteme) können eigenständig Zusammenhänge in großen Datenmengen erkennen und dadurch Aufgaben unterstützen oder übernehmen, zu deren Erfüllung geistige Wahrnehmung und Fähigkeiten (Kognition) benötigt werden. Die Technologie wird insbesondere in der Informationsbeschaffung und -bewertung eingesetzt.

    Durch Robotic Desktop Automation (robotergestützte Desktop-Automatisierung) werden Tätigkeiten an eine KI übergeben und von dieser automatisch durchgeführt, zum Beispiel im
    Bereich der Informationsverarbeitung. Die Bandbreite reicht von der standardisierten Prozess­ausführung durch die Maschine über die Automatisierung umfangreicher Geschäftsprozesse bis hin zur Automatisierung komplexerer kognitiver Aufgaben.

    Kontakt

    Dr. med. Hanns Wildgans
    Arzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, Umweltmedizin; Taubenstraße 2a; 85649 Brunnthal

    Foto: privat

    Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

    Hier finden Sie weitere Beiträge der Serie "Künstliche Intelligenz".

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