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Gesundheitliche Aspekte der Chlorung von Schwimm- und Badebeckenwasser

Infektionsschutz

Mikroorganismen, unter denen auch Krankheitserreger sein können, werden im Umfang von durchschnittlich etwas mehr als 2 Milliarden pro Badegast an das Badewasser abgegeben. Gleichzeitig wird angenommen, dass versehentlich 50 bis 100 ml Wasser während des Badens verschluckt werden (Badewasserkommission des Umweltbundesamtes 1998, s. „Weitere Infos“; WHO 2006). Damit aus dem Eintrag von Mikroorganismen in das Badebeckenwasser und zum Beispiel der gastrointestinalen Aufnahme desselben keine Übertragung einer Infektionskrankheit wird, schreibt das Infektionsschutzgesetz den Einsatz von Desinfektionsmittel im Rahmen der Badebeckenwasseraufbereitung in öffentlichen Bädern vor (s. Infokasten und „Weitere Infos“).

Desinfektionsmittel für Badebeckenwasser ist dann geeignet, wenn im Wasserkörper der Badebecken ein Depot mit rascher antimikrobiologischer Wirksamkeit erzielt wird. Dazu hat sich Chlor, eingesetzt in verschiedenen Formulierungen, bestens bewährt. Die Chlorung von Schwimm- und Badebeckenwasser dient, und dies ist der bedeutendste und vorrangigste gesundheitliche Aspekt, dem Schutz der Gesundheit vor einer schädigenden Wirkung durch Mikroorganismen und Viren. Im Bäderkontext soll Chlor konkret unter anderem vor Pseudomonas aeruginosa (kann Haut-, Ohren- und Lungenentzündung auslösen), Legionella pneumophila (kann Legionellose verursachen), pathogenen Stämmen von Escherichia coli (z. B. EHEC, kann Gastroenteritis verursachen) oder auch Adenoviren (können Augenentzündungen auslösen) schützen.

Exposition

Diese Auswahl an Krankheitserregern veranschaulicht typische Expositionspfade: dermale Exposition durch Eintauschen in das Badebeckenwasser; inhalative Exposition durch Aerosole (Legionellen); gastrointestinale Exposition durch Verschlucken.

Regulation

Qualitätsvorgaben für Schwimm- und Badebeckenwasser sowie Anforderungen an entsprechende Aufbereitungsverfahren sollten nach IfSG § 38 in einer zur Trinkwasserverordnung analogen Badebeckenwasserverordnung geregelt sein. Allerdings existiert eine solche Verordnung bis heute nicht. In der Praxis werden daher Vorgaben durch eine Empfehlung des Umweltbundesamtes zu „Hygieneanforderungen an Bäder und deren Überwachung“ und das technische Regelwerk gemacht, dem in Form der Norm DIN 19643 und ihren Teilen eine besondere Bedeutung zukommt.

Abb. 2:  Wirksame Reduktion von Pseudomonas aeruginosa um 99,99 Prozent innerhalb von 30 Sekunden

Abb. 2: Wirksame Reduktion von Pseudomonas aeruginosa um 99,99 Prozent innerhalb von 30 Sekunden
Abb. 3:  Wechselspiel zwischen Keimreduktion und der Erzeugung ­unerwünschter Desinfektionsnebenprodukte (DNP)

Abb. 3: Wechselspiel zwischen Keimreduktion und der Erzeugung ­unerwünschter Desinfektionsnebenprodukte (DNP)

Aufbereitung

Die in der Norm beschriebene Aufbereitung umfasst die in ➥ Abb. 1 dargestellten Schritte. Abgebadetes Rohwasser, ergänzt um 30 Liter Frischwasser je Badegast, wird filtriert, wobei auch Flockungsmittel und Aktivkohle zur Sorptionsfiltration eingesetzt werden können. Das Filtrat wird mit Desinfektionsmittel versetzt, im pH-Wert angepasst und als Reinwasser dem Badebecken zugeführt. Durch die Badegäste gelangen Verunreinigungen wie Schmutzstoffe und Mikroorganismen in das Badewasser. Anders formuliert: Ideales Bade­beckenwasser läge nur ohne Badegast vor.

Eine leistungsfähige Aufbereitungsanlage nach DIN 19643 bewirkt eine kontinuierliche Aufrechterhaltung hygienisch einwandfreier Zustände, nicht zuletzt durch die Anwendung von Chlor als wirksames Desinfektionsmittel. Als Wirksamkeitskriterium bezieht sich die DIN 19643 auf die in der Literatur beschrieben Reduktion von Pseudomonas aeruginosa um 99,99 Prozent (entspricht 4 log10 Stufen) innerhalb von 30 Sekunden (Seidel et al. 1991), schematisch wiedergegeben in ➥ Abb. 2. Nur wenn ein Desinfektionsmittel dieser Anforderung gerecht wird, kann es in öffentlichen Bädern eingesetzt werden. Neben Chlor, wird dies beispielsweise noch von Chlordioxid, Brom und Ozon erreicht. Ozon wird aufgrund seiner deutlich gesundheitsschädigenden Wirkung nur in der Aufbereitung eingesetzt und ist auch in geringen Konzentrationen nicht im Badewasser zulässig. Chlordioxid wird ebenfalls aufgrund nachteiliger Eigenschaften nicht im Becken, sondern allenfalls im Ausnahmefall innerhalb der Aufbereitungsanlage eingesetzt. Allen hier genannten ausreichend wirksamen Desinfektionsmitteln ist ihr oxidierender Charakter gemeinsam, das heißt, chemisch betrachtet handelt es sich um Oxidations­mittel. An dieser Stelle tritt der Grundsatz zu Tage, dass dort wo Licht ist, auch mit Schatten zu rechnen ist. Das eingesetzte Chlor “stürzt” sich nicht ausschließlich und zielgerichtet auf die zu inaktivieren­den Mikroorganis­men, sondern rea­giert als Oxidationsmittel – unter anderem – mit ihnen. Daneben kann Chlor aber eben auch mit anderen oxidierbaren Materialen und Stoffen reagieren, die ebenfalls durch die Nutzung in Badebeckenwasser eingetragen werden. Geeignete Vorläuferverbindungen aus dem Nutzungseintrag, aus dem Füllwasser oder aus den eingesetzten Chemikalien (s. unten) reagieren zusammen mit dem Desinfektionsmittel zu Desinfek­tionsnebenprodukten, das heißt zu Stoffen, die durch den Desinfektionsmitteleinsatz unbeabsichtigt entstehen. Einige dieser Des­infektionsnebenprodukte weisen toxikologisch bedenkliches Potenzial auf. Anforderungen an die Badebeckenwasserqualität verstehen sich daher als Abwägung zwischen dem Schutz der Gesundheit vor einer mikrobiologischen Belastung und gleichzeitiger Vermeidung einer Gesundheitsschädigung durch toxische Desinfektionsnebenprodukte, veranschaulicht in ➥ Abb. 3 (nach Zwiener 2006). Vorteilhaft erweist sich in diesem
Zusammenhang die Verfahrenskombina­tion aus (Flockungs-)Filtration und Chlorung, da durch die Abtrennung von Verunreinigungen durch die Filtration nur eine minimal nötige Menge Chlor eingesetzt werden muss. Die DIN 19643 sieht dafür üblicherweise 0,3 bis 0,6 mg/l freies Chlor vor, eine im internationalen Vergleich geringe Menge. Dieser Ansatz erweist sich als weiterer wichtiger und positiver Aspekt für die Gesundheit.

Abb. 4:  Vielfalt an Stoffklassen von Desinfektionsnebenprodukten; Schriftgröße illustriert die Bedeutung für die Badebeckenwasserqualität

Abb. 4: Vielfalt an Stoffklassen von Desinfektionsnebenprodukten; Schriftgröße illustriert die Bedeutung für die Badebeckenwasserqualität

Desinfektionsnebenprodukte

Mittlerweile ist eine Vielfalt von mehr als 600 möglichen Verbindungen als Desinfektionsnebenprodukte nachgewiesen worden, wobei bei weitem nicht alle in allen Wässern relevant sind. Unter den organischen Verbindungen (Auswahl siehe ➥ Abb. 4) sind für das Badebeckenwasser besonders Chloroform und weitere Trihalogenmethane (THM) von Bedeutung. Diese Stoffe entstehen auf verschiedenen Reaktionswegen, aus unterschiedlichen Ausgangsstoffen und zum Teil über mehrere Zwischenstufen (Kämpfe 2018). Die Konzentration der THM sind daher sinnvolle Beurteilungsparameter für die Qualität von Badebeckenwasser. Als oberen Wert sieht die DIN 19643 eine Höchstkonzentration von 20 µg/l THM, berechnet als Chloroformäquivalente, vor, womit dieser Wert für das Badebeckenwasser niedriger als für Trinkwasser ist.

Als weiteres Nebenprodukt der Desinfektion wird Trichloramin diskutiert, das aus der Reaktion von Harnstoff mit Chlor hervorgeht (Blatchley u. Cheng 2010). Es wird für den typischen Schwimmbadgeruch verantwortlich gemacht und reizt Augen und Atemwege (Umweltbundesamt 2017, s. „Weitere Infos“). Die analytische Erfassung von Trichloramin ist aufwändig, so dass dieser Para­meter in der Routine nicht überwacht wird. Stattdessen wird es bei der der Bestimmung des so genannten gebundenen Chlors mit erfasst (Palin 1957). Unter den anorganischen Desinfektionsnebenprodukten ist das Chlorat von besonderer Bedeutung. Dies kann durch die Reaktion von freiem Chlor mit sich selbst im Wasser entstehen. Darüber hinaus kann es auch bei nicht sachgerechter Lagerung zum Beispiel von Natriumhypochloritlösung, die als chlorliefernde Formulierung eingesetzt wird, entstehen und mit den Aufbereitungschemikalien dem Badebeckenwasser zudosiert werden. Dies muss und kann vermieden werden.

Exposition zum Zweiten

Die Minimierung der Konzentration ist geboten, da Badegäste diesen teilweise bedenklichen Stoffen in gleicher Weise ausgesetzt
sind, wie den zu entfernenden Mikroorganismen: dermal, inhalativ, gastrointestinal (s. oben). Sehr effektiv lässt sich dies durch die Vermeidung des Eintrags von Ausgangsstoffen für die Bildung von Desinfektions­nebenprodukten erreichen.

Abb. 5:  Vorläuferverbindungen reagieren mit Desinfektionsmittel zu Nebenprodukten

Abb. 5: Vorläuferverbindungen reagieren mit Desinfektionsmittel zu Nebenprodukten

Ausgangsstoffe

Verunreinigungen liefern das Ausgangsmaterial für die Nebenreaktion mit Desinfek­tionsmittel, wie in ➥ Abb. 5 veranschaulicht werden soll. Zum Teil sind diese Verunreinigungen unvermeidlich, da sie entweder aus dem eingesetzten Füllwasser stammen, oder mit der zweckbestimmten Nutzung einhergehen, etwa durch Schwitzen während des Badens oder durch Textilien. Das heißt auch, dass zu einem gewissen Teil Desinfektionsnebenprodukte unvermeidlich sind. Zu einem wesentlichen Teil ist der Verunreinigungseintrag aber vermeidbar.

Durch gründliches Duschen (inklusive Haarewaschen) vor dem Baden lässt sich der Großteil anhaftender Verschmutzungen (lose Haare, Hautschuppen, Kosmetik etc.) sowie die Hauptmenge des in der Haut vorliegenden Harnstoffes entfernen. Reduzierte Harnstoffkonzentrationen im Badewasser minimieren beispielsweise die Entstehung von Trichloramin. Dadurch leisten alle Badegäste jeweils einen einfachen, aber essentiellen Beitrag zum Schutz der eigenen Gesundheit sowie der Gesundheit aller anderen Badegäste (Umweltbundesamt 2017, s. „Weitere Infos“). Hygienisch einwandfreies Sanitärverhalten darf in diesem Zusammenhang als Selbstverständlichkeit von allen Badegästen erwartet werden. Es darf an dieser Stelle der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, dass sowohl das Duschen vor Badeantritt sowie die Toilettennutzung während des Badens im Bewusstsein der Allgemeinheit natürliche Verankerung finden.

Fazit

Desinfektionsmittel in Bädern werden zum gesundheitlichen Nutzen eingesetzt, um schädliche Mikroorganismen sicher zu entfernen. Effektiv gelingt dies zusammen mit einer leistungsfähigen Aufbereitung, die für eine umfassende Partikelabtrennung sorgt. Durch einfache Maßnahmen der Körper­hygiene und hygienische Verhaltensweisen schützen die Badegäste selbst die eigene und fremde Gesundheit, da so die Bildung von unerwünschten und zum Teil gesundheitlich nicht unbedenklichen Desinfektionsnebenprodukten auf ein Minimum beschränkt bleibt.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

Blatchley ER, Cheng M: Reaction mechanism for chlorination of urea. Environ Sci Technol 2010; 44: 8529–8534.

DIN 19643: Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser. Berlin: Beuth, 2012.

Hygieneanforderungen an Bäder und deren Überwachung: Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Schwimm- und Badebeckenwasserkommission beim Bundesministerium für Gesundheit. Bundesgesundheitsblatt 2014: 57: 258–279.

Kämpfe A: Nebenprodukte der Desinfektion. Archiv des Badewesens 2018; 3: 156–159.

Palin AT: The determination of free and combined chlorine in water by the use of diethyl-p-phenylene diamine. J Am Water Works Assoc 1957; 49: 873–880.

Richardson SD, DeMarini DM, Kogevinas M et al.: What’s in the pool? A comprehensive identification of disinfection by-products and assessment of mutagenicity of chlorinated and brominated swimming pool water. Environ Health Perspect 2010; 118: 1523–1530.

Seidel KM Lopez Pila JM, Grohmann A: Disinfection capability in water for swimming and bathing pools: a simple method for their evaluation in practice. Water Sci Technol 1991; 24: 359–362.

WHO Guidelines for safe recreational water environments, volume 2: “Swimming pools and similar environments”. Geneva: WHO, 2006.

Zwiener C: Trihalomethanes (THMs), haloacetic acids (HAAs), and emerging disinfection by-products in drinking water. In: Reemtsma T, Jekel M (eds.): Organic Pollutants in the Water Cycle. Weinheim: Wiley-VCH, 2006 (nach Sadiq R et al.: Disinfection by-products (DBPs) in drinking water and predictive models for their occurrence: a review. Sci Total Environ 2004; 321: 21–46.

Weitere Infos

Mitteilung der Badewasserkommission des Umweltbundesamtes, Bundesgesundheitsblatt 1998; 10: 441–444.
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/419/dokumente…

Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) geändert worden ist
https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/BJNR104510000.html

Broschüre des Umweltbundesamtes (2017): Rund um das Badebeckenwasser
https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikati…

Info

IfSG §37 Absatz 2 (Auszug)

„Wasser, das in Gewerbebetrieben, öffentlichen Bädern sowie in sonstigen nicht ausschließlich privatgenutzten Einrichtungen zum Schwimmen oder Baden bereitgestellt wird […] muss so beschaffen sein, dass durch seinen Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist. Bei Schwimm- oder Badebecken muss die Aufbereitung des Wassers eine Desinfektion einschließen.“

Kontakt:

Dr. rer. nat. Alexander Kämpfe
Umweltbundesamt; Wörlitzer Platz 1; 06844 Dessau-Roßlau

Foto: privat

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