Gesundheitskommunikation hat bei der Information zu Gesundheit und damit auch bei der Prävention eine wichtige Funktion, weil sie Informationen in die Zielgruppen transportiert. Sie ist jedoch nur dann erfolgreich, wenn die zu kommunizierenden Botschaften bei den Adressaten ankommen und umgesetzt werden. Gesundheitskommunikation, die entsprechend den Bedürfnissen, Präferenzen und dem Mediennutzungsverhalten der Adressaten adäquate Kommunikationskanäle nutzt und genderbasiert angelegt ist, könnte dazu beitragen.
Was muss bedacht werden, wenn betriebliches Gesundheitsmanagement Männer ansprechen soll? Gibt es überhaupt Aspekte, die männerspezifisch oder besser: genderspezifisch sind, weil sie neben dem biologischen Geschlecht „Mann“ auch noch weitere Aspekte berücksichtigen?
Männergesundheit versus Frauengesundheit
„Indianerherz kennt kein' Schmerz“. Männer haben im Gegensatz zu Frauen sehr oft noch ein traditionelles Körperselbstbild, das von ewiger Unversehrtheit und Funktio-nalität geprägt ist. Dabei geht es weniger um Ästhetik, Attraktivität oder Schönheit, sondern vielmehr um körperliche Stärke und Kraft (Faltermaier 2004). So hält sich bei vielen Männern die Annahme, dass sie sich durch körperliche Präsenz und eine hohe physische, „männerspezifische“ Leistungsfähigkeit von Frauen unterscheiden können (Golombek u. Goosses 2006). Daraus resultiert ein häufig rücksichtsloses Verhalten dem eigenen Körper gegenüber. Diese Instrumentalisierung des Körpers steht in direktem Zusammenhang mit einem Männerbild, das männlichen Habitus, Virilität und Attraktivität in direkte Beziehung zu Status und Erfolg setzt (Klotz 2007).
Konzeptionelle Ansätze zur Ver-besserung von Männergesundheit
Männer sind darum vor allem dann für Gesundheitsförderung wie beispielsweise Präventionsmaßnahmen offen, wenn diese ohne großen Aufwand am Arbeitsplatz oder anlässlich eines ohnehin fälligen Arztbesuchs erfolgen können (Kurth u. Selbmann 2006). Männer sind schwer durch direkte Präventionsangebote anzusprechen. Gesundheitsrelevantes Informationsbedürfnis lässt sich mit „wer aktiv nach Gesundheitsinformationen sucht, der hat häufig auch einen konkreten Anlass hierfür“ zusammen-fassen (Baumann 2006), was bei Männern eher selten ist. Die Herausforderung für die Kommunikation von Präventionsmaßnah-men für Männer beinhaltet eine Sensibilisierung für männerspezifische Gesundheitsthemen, die Anregung zu eigenverantwortlichem Handeln, den Einbezug des männlichen Lebensstils und schließlich die Verknüpfung von Botschaften mit beruflichen Interessen oder Freizeitaktivitäten, die Männer mögen (Fromm et al. 2010; Altgeld et al. 2007).
Vor der Prävention steht die Kommunikation
Aufklärung über Prävention kann nur dann funktionieren, wenn die zu kommunizierenden Botschaften bei den Adressaten, hier Männern, auch ankommen. Eine genderbasierte Kommunikation könnte dazu beitragen.
Dabei stellen sich unterschiedliche Fragen:
- Wie wird Prävention und Gesundheitsförderung erfolgreich kommuniziert?
- Welche internen und externen Faktoren sind dabei bestimmend?
- Welche Grundlagen und Ausgangssituationen müssen bedacht werden?
- Wie müsste Gesundheitskommunikation gender-based konzipiert werden?
Da es hierzu noch wenig Daten gibt, wurde eine eigene hypothesengenerierende Studie („Genderbasierte Gesundheitskommunikation für Männer in der Prävention und Gesundheitsförderung“) durchgeführt. Mit einer Fokusgruppe wurde untersucht, wie genderbasierte Gesundheitskommunikation für Männer in Bezug auf Instrumente, Kommunikationskanäle, Mediennutzungsverhalten, Gestaltung und Absender gestaltet sein muss, damit sie gesundheitsbezogenes Präventionsverhalten von Männern fördert. Die Daten wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet und den Kriterien Terminologie, Motivation, Me-dien, Gestaltung und Beziehung zugeordnet.
Ausgewählte Ergebnisse
Die Untersuchung vermittelt einen ersten Eindruck, was in der Gesundheitskommu-nikation für Männer wichtig ist, kann jedoch aufgrund des Studiensettings nicht als repräsentativ gelten. Die Auswertung der Daten zeigte, dass „Männergesundheit“ wenig bis keine inhaltliche Aussagekraft hat. Männer können mit den Begriffen „Männergesundheit“ und „Vorsorge“ nur wenig anfangen.
Bei Gesundheitsinformation hat Vorsorge eine untergeordnete Rolle, der wenig Bedeutung beigemessen wird. Positive Erfahrungen – eigene oder im Umfeld – können jedoch zu Vorsorge oder sogar zu erneuter Vorsorge motivieren. Bei der Übermittlung von Gesundheitsinformation spielen klassische Medien wie Printmedien oder Fernsehen für Männer kaum eine Rolle. Das Internet wird als Medium für Gesundheitsinformationen ambivalent erlebt, da es zwar schnelle Information liefert, deren Absender jedoch oft nicht transparent ist.
Veranstaltungen zu Gesundheit schätzen Männer offenbar gar nicht. Kurze sachliche Informationen wie Checklisten hingegen werden gerne genutzt. Furchtappelle werden bei Gesundheitsinformationen zwar wahrgenommen, aber oft sofort ausgeblendet. Die Verbindung von Sport und Gesundheit spricht viele Männer an. Ärzte sind für Männer als Berater nur bedingt vertrauenswürdig, weil ihnen wirtschaftliches Eigeninteresse unterstellt wird. Eine persönliche Beziehung und Vertrauen zum Absender von Gesundheitsinformationen war für die befragten Männer wichtig. Interessanterweise werden Mütter eher akzeptiert als die Partnerin, wenn es um die Aufforderung zu einer fälligen Untersuchung geht.
BGM-Angebote wie z. B. der „Rundum-Check an einem Tag“ gelten als besondere Wertschätzung durch den Arbeitgeber, sind jedoch meist nur für das gehobene Manage-ment realisierbar.
In der Präventionskommunikation mit Männern müssen neue Wege gegangen werden, wenn Maßnahmen erfolgreich sein sollen. Ein innovatives Medium, möglichst viele Männer im Rahmen von betrieblichem Gesundheitsmanagement genderspezifisch anzusprechen, sind Gesundheitspodcasts.
Der Gesundheitspodcast/Healthcast in der Präventionskommunikation
Das Bremer Flachstahlwerk von ArcelorMittal ist ein Männerbetrieb: Mehr als 90 % der Belegschaft ist männlich und überwiegend in Schichtarbeit tätig. Um Präventionsmaßnahmen „an den Mann“ zu bringen, müssen gleich zwei Hürden genommen werden.
Zum einen muss man das männliche Gesundheitsverhalten lesen und verstehen können. Dabei gibt es leider nicht „den“ Mann. Männer unterscheiden sich auch innerhalb ihres Geschlechts deutlich, manchmal sogar mehr als Frauen und Männer. Der „Schlipsträger“ in einer Führungsposition möchte anders angesprochen werden als der Arbeiter auf dem Steuerstand, dessen Meister wiederum anders als sein Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Zielgruppenspezifische Ansprache und daraus ableitbare Maßnahmen sind durch diese Diversität erschwert.
Zum anderen muss man um die schlechte Erreichbarkeit von Vollkonti-Schichtarbeitern wissen. Wer zwei Tage Frühdienst hat, dann in den Spätdienst wechselt und zwei Tage später schon wieder in der Nachtarbeit steckt, ist schwieriger zu Präventionsmaßnahmen zu motivieren. Mitarbeiter mit einem „Eigth-to-Five-Job“ hingegen können gleichmäßiger angesprochen werden und Maßnahmen besser einplanen.
Große Industriestandorte der Chemie- oder Autobranche haben es diesbezüglich leichter. Sie gehen mit der Gesundheitsförderung zu ihren Mitarbeitern an den Arbeitsplatz – wenn es sein muss auch nachts. In der Montanindustrie wiederum hat die Gesundheitsförderung eine lange Tradition und war schon immer „Männergesundheitsförderung“. Das wurde nur nie als solche bezeichnet, um nicht unmodern zu sein und Frauen per se auszuschließen. Viele deutsche Betriebe sind jedoch zu klein oder ihr Standort ist so dezentral, dass die Gesundheitsförderung vor Ort personell schnell an ihre Grenzen stoßen würde. Dann sind effektive, zielgruppenspezifische Maßnahmen wie der Gesundheitspodcast (im Weiteren als Healthcast bezeichnet) für die Präventionskommunikation von enormer Bedeutung. Sie können die direkte Ansprache ergänzen, Themen begleiten oder an-triggern. Und sie dienen als niedrigschwellige Motivationshilfe, für die man keine Broschüre lesen oder einen langen Vortrag anhören muss.
Seit Anfang 2013 werden bei ArcelorMittal Bremen neben den üblichen Kommunikationswegen solche Healthcasts ge-nutzt. Diese werden für kleine und große Gesundheitskampagnen zu verschiedenen Themen erstellt und den Mitarbeitern über unterschiedliche Zugangswege gezeigt.
Ein Healthcast ist eine betriebliche Mitarbeiterkurzschulung in Form einer Videopräsentation, die mit prägnanten Bildern illu-striert und von einer bekannten Stimme gesprochen wird. Eine solche Kurzintervention zur Sensibilisierung für ein bestimmtes Thema dauert meist zwischen drei und sieben Minuten. Zielgruppe für einen Healthcast sind vor allem Mitarbeiter mit einem eher nachlässigen Gesundheitsverhalten, das auch als „Reparaturmedizindenken“ bezeichnet werden kann. Sie handeln erst dann, wenn ein gesundheitlicher Defekt aufgetreten ist.
Die Hauptansprache gilt daher Männern, die sich nicht direkt vom Gesundheitssystem erreichen lassen. Denn man stellt in der betrieblichen Arbeit oft fest, dass bei der normalen Darstellung von Gesundheitsthemen gerade Männer häufig nicht hinsehen. Der Healthcast nutzt die Kombination aus prägnanten Bildern und einfach formulierten Erklärungen, die man sich leicht merken kann – durchaus vergleichbar mit der Sprache aus Verbraucherwerbung.
Bei der Konzeption eines Healthcasts wird derzeit primär die männliche Belegschaft als Zielgruppe fokussiert. Diese hat wenig Interesse, lange und komplizierte Texte zu lesen, sondern bevorzugt ein Medium wie den Healthcast, der übrigens auch Frauen gefällt. Als Stimme für die Healthcast wurde der Stadionsprecher von Werder Bremen, Arnd Zeigler, engagiert, den viele Bremer Fußballfans kennen und mögen. Andere kennen ihn und seine Stimme von seiner Sendung „Zeigler’s wunderbarer Welt des Fußballs“ aus Hörfunk und WDR-Fernsehen. Wenn Arnd Zeigler über Gesundheit spricht, erhebt er nicht den ermahnenden Zeigefinger – viele Männer mögen seinen eher humorvollen Blick auf Gesundheitsthemen. Der Healthcast wird im Intranet jedem Mitarbeiter zur Verfügung gestellt. Der Download, mit dem unter anderem Mit-arbeiterkurzschulungen durchgeführt werden, wird auch Vorgesetzten angeboten. Jeder Healthcast schließt mit einer Frage, die eine Diskussion über das jeweilige Thema anregen soll.
Die Healthcasts für Männer haben als Motto „Du und Deine Technik“. Da Männer technikaffiner sind als Frauen, wird versucht, sie über dieses spezielle Interesse anzusprechen. Der menschliche Körper wird dabei als technische Einheit dargestellt, die regelmäßig vorbeugend instand gesetzt werden sollte. Diese stereotype Darstellung wird dabei ganz bewusst genutzt. Der häufig gebrauchte Vergleich mit dem Auto, das zum TÜV muss, liegt hierbei nahe.
Der aktuelle Healthcast wurde für die im September 2013 durchgeführte Gesundheitswoche von ArcelorMittal Bremen erstellt. Die Woche fand unter dem Motto „Darmkrebsvorsorge“ statt und beinhaltete die üblichen Maßnahmen wie ein begehbares Darmmodell, die Ausgabe von Stuhltests und begleitenden Vorträgen. Der Healthcast zur Darmkrebsvorsorge lief unter dem Titel „Darmkrebsvorsorge – Warum die Rohrinspektion?“ Die Loslösung vom üblichen Blick auf die Darstellung eines Darmes wurde bewusst gewählt: Männer oder Ingenieure, die in der Industrie tätig sind, können sich viel eher eine Rohrleitung als einen Darm vorstellen. Alle kennen dabei die Rostentwicklung und würden dieser immer vorbeugen. Durch diese Metapher wird die Nachricht „Geht zur Vorsorge!“ besser verstanden und verinnerlicht. Im Internet kann der aktuelle Healthcast „Darmkrebsvorsorge – Warum die Rohrinspektion?“, der auch bei ArcelorMittal zum Einsatz kommt, angesehen werden („Weitere Infos“).
Literatur
Altgeld T, Rosenbrock R, Amhof R: Gesundheitsbezogene Verhaltensweisen und Präventionskonzepte im Wandel? In: Böcken J, Braun B, Amhof R (Hrsg.): Gesundheitsmonitor. Gütersloh, 2007, S. 157.
Baumann E: Auf der Suche nach der Zielgruppe – Das Informationsverhalten hinsichtlich Gesundheit und Krankheit als Grundlage erfolgreicher Gesund-heitskommunikation. In: Böcken J, Braun B, Amhof R (Hrsg.): Gesundheitsmonitor. Gütersloh, 2006, S. 124.
Faltermaier T: Männliche Identität und Gesundheit. In: Altgeld T (Hrsg.): Männergesundheit. Neue Herausforderungen für Gesundheitsförderung und Prävention. Weinheim: Juvanta, 2004, S. 29.
Fromm B, Lampert C, Baumann E: Gesundheits-kommunikation und Medien. Stuttgart: Kohlhammer, 2010, S. 144.
Golombek J, Goosses A: Gesundheit und Gesundheits-verhalten bei Männern. In: Forum Männer, Heinrich Böllstiftung. Berlin, 2006, S. 37.
Klotz T: Wohin mit der Männergesundheit? Blick-punkt der Mann 2007; 5: 10–11.
Kurth B-M, Selbmann H-K (Hrsg.): Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Gesundheit in Deutschland. Berlin: Robert Koch-Institut, 2006, S. 123, 138.
Info
Das Wort „Sex“ bezeichnet das biologische Geschlecht, „Gender“ die gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägten Geschlechter-rollen von Frauen und Männern, die sozial erlernt und somit auch veränderbar sind.
Weitere Infos
Kölln/Widhalm: Männer im Betrieb(s)zustand. Ab August 2014, Universum-Verlag
http://www.universum.de/webcom/show_article.php/_c-2/_nr-19/_lkm-16/i.html
Healthcast „Darmkrebsvorsorge – Warum die Rohrinspektion?“
Für die Autoren
Simone Widhalm, MSc.
Widhalm Gesundheits-kommunikation
Kölner Straße 59
40211 Düsseldorf
Mitautor
Dr. med. Peter Kölln
Facharzt für Arbeitsmedizinund Berater des betrieblichen Gesundheitsmanagements
Colmarer Straße 37a – 28211 Bremen