Die 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin findet vom 15.–17. März 2017 in Hamburg statt. Dabei stellt der Gesundheitsschutz für die Beschäftigten in der Transport- und Logistikbranche einen der drei Themenschwerpunkte dar. Gerade für die Metropolregion Hamburg und insbesondere für den Hamburger Hafen, dem „Tor zur Welt“, sind der Güter- und Warenverkehr genauso wie der Tourismus von hohem Stellenwert. Die Februar-Ausgabe der ASU ist daher im Vorlauf zur Jahrestagung den Themen und Fragestellungen aus diesem wichtigen Sektor gewidmet und bestätigt in beeindruckender Weise die Vielfalt des Themengebietes. Bei der Arbeit in der Luft, auf der Straße und auf dem Wasser entstehen für die Beschäftigten eine Vielzahl von Belastungen und Beanspruchungen.
Matthias Graw, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin, und Klaus Püschel von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin beschreiben in ihren Beiträgen die Aufgaben und Ziele bzw. Berührungspunkte ihrer Fachgebiete mit der Verkehrsmedizin.
Marc Wittlich thematisiert die Belastungen und Gefährdungen von Lademeistern und Flugzeugabfertigern durch solare ultraviolette (UV-)Strahlung auf dem Flughafenvorfeld. Anhand von Messergebnissen aus der individuellen UV-Dosimetrie werden die Jahresexpositionswerte quantifiziert und Präventionsmaßnahmen abgeleitet.
Der Artikel von Helge Homann stellt ein Projekt zur betrieblichen Gesundheitsförderung für Kofferlader am Hamburg Airport vor. Im Rahmen dieses von der Hamburger Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz ausgezeichneten Projekts konnten die krankheitsbedingten Ausfallzeiten wegen Rückenbeschwerden bei den Teilnehmenden um ca. 40 % gesenkt werden.
In ihrem Übersichtsartikel führen Britta Schulz et al. in die Public-Health-relevante Thematik der Schiffshygiene in der Kreuzschifffahrt ein. Halbjährliche Hygieneinspektionen im Rahmen der internationalen Hygiene- und Gesundheitsvorschriften, wie den International Health Regulations (IHR) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und flaggenstaatlichen Auflagen, sichern die Gesundheit von Passagieren und Besatzungen an Bord von Kreuzfahrtschiffen.
Gabriela Petereit-Haack und Ulrich Bolm-Audorff stellen in ihrer Arbeit Ergebnisse einer standardisierten Fragebogenerhebung zu gesundheitlichen Belastungen bei Berufskraftfahrern vor. Sie geben Empfehlungen zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes und leiten Maßnahmen zur Gesundheitsförderung ab.
Mit möglichen Traumata, verursacht durch die Beteiligung an schweren Unfällen beim Abbiegen im Güterkraftverkehr, beschäftigen sich Michael Fischer et al. und zeigen die Belastung von Lkw-Fahrern beim Rechtsabbiegen auf. Sie diskutieren die Vor- und Nachteile von Kamera-Monitor-Systemen als Präventionsmaßnahme. Dabei wird nicht nur die hohe Verantwortlichkeit für die eigene Gesundheit, sondern auch für die dritter Personen als Teilnehmer am Verkehrsgeschehen hervorgehoben.
Für die Verkehrs- und Logistikbranche geben Beate Köhler und Gerlinde Wiemann eine Übersicht über notfallpsychologische Betreuungskonzepte, die für schwere Verkehrsunfälle oder gewalttätige Übergriffe entwickelt werden. Im Berufsleben können diese traumatisierenden Ausnahmesituationen bei den beschäftigten Betroffenen zu extremen psychischen wie physischen Belastungen führen.
Annegret Schoeller stellt in ihrem Beitrag das von der Bundesärztekammer 2016 überarbeitete Curriculum „Verkehrsmedizinische Begutachtung“ vor, dessen Ziel die Steigerung der verkehrsmedizinischen Kompetenz bei Ärzten ist.
Im Wissenschaftsteil thematisieren Annika Clarner und Koautoren in einer Originalarbeit die Akutversorgung von potenziell psychisch traumatisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach traumatischen Schadensereignissen im Schienen-, Transport- und öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). In ihrer Studie evaluieren sie Erstbetreuungssysteme und geben eine arbeitsmedizinische Einschätzung zur Versorgung für potenziell psychisch traumatisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Arbeitsunfällen im straßen- und schienengebundenen Fahrdienst. Eine besondere Herausforderung ist dabei der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit von traumatisierten Berufskraftfahrern.
Marcial Velasco Garrido et al. geben in einer Übersichtsarbeit einen Einblick in die physischen, physikalischen sowie chemischen Belastungen und Gefährdungen in der Offshore-Windenergiebranche. Der Offshore-Bereich in der Nord- und Ostsee ist ein stetig wachsendes Beschäftigungsfeld für Tausende von neuen Fachkräften, die zur Gewinnung von Offshore-Windenergie auf insgesamt ca. 1400 km2 Wasserfläche Windparks in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) betreiben bzw. errichten.
Diese Ausgabe zeigt einmal mehr, dass eine moderne Arbeitswelt immer neue und zugleich vielfältige Herausforderungen an ein betriebliches Gesundheitsmanagement stellt. Hierbei gilt es, dass die betrieblichen Akteure sich gemeinsam dafür einsetzen, moderne Präventionskonzepte und intelligente Ansätze für ein betriebliches Gesundheitsmanagement zu entwickeln. Eine eindimensionale Fokussierung allein auf physische oder psychische Belastungen wird den Herausforderungen nicht gerecht. Der Präventionsansatz muss vielmehr den Menschen und seine Arbeit in ihrer Gesamtheit berücksichtigen, um dem individuellen Gesundheitszustand der Beschäftigten verbessern zu können.
Autor
Prof. Dr. med. Volker Harth
Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM)
Seewartenstraße 10, Haus 1
20459 Hamburg