Die Neufassung der Biostoffverord-nung (BioStoffV) wurde am 22. Juli 2013 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am 23. Juli 2013 in Kraft. Anlass für eine Neufassung war die Vorgabe der EU, die EU-Nadelstichrichtlinie (2010/32/EU) in nationales Recht umzusetzen. Diese Richtlinie beinhaltet Regelungen zur Vermeidung von Verletzungen durch scharfe oder spitze Instrumente im Krankenhaus- und Gesundheitssektor. Da-nach sind im Gesundheitsdienst spitze und scharfe Instrumente durch Instrumente zu ersetzen, bei denen keine oder eine geringere Gefahr von Stich- und Schnittverletzungen besteht, sog. sichere Instrumente.
Bei der Überführung der Richtlinie in na-tionales Recht sind weitere Aktualisierungen vorgenommen worden. Die BiostoffV wurde an den Stand von Wissenschaft und Technik angepasst, strukturell und sprachlich weiterentwickelt und mit anderen Arbeitschutzverordnungen harmonisiert. Daneben sind Erfahrungen aus der Praxis in die Neufassung eingeflossen, die seit 1999 bei der Anwendung der Verordnung gewonnen wurden.
Die Begriffsbestimmung für biologische Arbeitsstoffe (Biostoffe) wurde erweitert. So wurden die infektiösen, sensibilisierenden und toxischen Wirkungen um die „sonstigen die Gesundheit schädigenden Wirkungen“ ergänzt. Den Biostoffen gleichgestellt werden Ektoparasiten, die beim Menschen eigenständige Erkrankungen verursachen, z. B. Krätzemilben, oder sensibilisierende oder toxische Wirkungen, z. B. bestimmte Zeckenarten, hervorrufen können, wie auch technisch hergestellte biologische Einheiten mit neuen Eigenschaften, die den Menschen in gleicher Weise gefährden können wie Bio-stoffe.
Weitere Eckpunkte der Neufassung sind ein neuer Paragraf "Grundpflichten", in dem die Pflichten des Arbeitgebers zusammengestellt und bestimmte Regelungen der Nadel-stichrichtlinie, z. B. zu psychischen Belastun-gen und zur Beteiligung der Beschäftigten bei der Gestaltung der Arbeitschutzorganisation und der Einführung neuer Arbeitsmit-tel, für alle Tätigkeiten mit Biostoffen übernommen wurden. Es werden auch Aussagen zu allgemeinen sowie zusätzlichen Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten ab Schutzstufe 2 in Laboratorien, der Versuchstierhaltung, der Biotechnologie und im Gesundheitsdienst getroffen.
Für viele nicht gezielte Tätigkeiten, bei denen die Infektionsgefährdung nachrangig ist, oftmals jedoch die sensibilisierenden oder toxischen Wirkungen der Biostoffe im Vordergrund stehen, müssen keine Schutzstufen mehr festgelegt werden. Beispiele für solche Tätigkeiten sind Tätigkeiten in der Land- und Forstwirtschaft, der Abwasser- und Abfallwirtschaft, der Veterinärmedizin, Reinigungs- und Sanierungsarbeiten sowie Tätigkeiten in Schlachtbetrieben oder in Bio-gasanlagen. In Einrichtungen des Gesundheitsdienstes, in denen Menschen stationär medizinisch untersucht, behandelt oder gepflegt bzw. ambulant untersucht oder behandelt werden, sind weiterhin vom Arbeit-geber Schutzstufen festzulegen. Soweit dies technisch möglich und zur Vermeidung einer Infektionsgefährdung erforderlich ist, sind spitze und scharfe Instrumente durch solche zu ersetzen, bei denen keine oder eine geringere Gefahr von Stich- und Schnittverletzungen besteht.
Für Tätigkeiten mit hoch pathogenen Bio-stoffen in den Schutzstufen 3 und 4 in Labo-ratorien, der Versuchstierhaltung und der Bio-technologie sowie in der Schutzstufe 4 im Gesundheitsdienst (Sonderisolierstationen) wurde ein Erlaubnisverfahren anstelle des bisherigen Anzeigeverfahrens eingeführt. So bedarf es nach § 15 der BioStoffV einer Erlaubnis der zuständigen Behörde, bevor die Tätigkeiten erstmals aufgenommen werden. Dies gilt nicht für Biostoffe der Risikogruppe 3, die mit (**) gekennzeichnet sind, d. h. die nicht über den Luftweg übertragen werden. Die Erlaubnis erfasst die baulichen, technischen und organisatorischen Voraus-setzungen. Schließt eine andere behördliche Entscheidung, insbesondere eine öffentlich rechtliche Genehmigung oder Erlaubnis, z. B. nach dem Gentechnikrecht, die Anforderung nach BioStoffV ein, so wird die Anforderung durch Zusendung einer Kopie dieser Erlaub-nis erfüllt. Bei Bedarf kann die zuständige Behörde weitere Unterlagen anfordern. Eine Erlaubnis nach § 44 Infektionsschutzgesetz (IfSG) kann nicht eine Erlaubnis nach BioStoffV ersetzen, da es sich hier zum einen um eine personengebundene Erlaubnis zum Arbeiten mit Krankheitserregern handelt, zum anderen das IfSG weder Gefährdungsbeurteilung noch Schutzstufen kennt. Für die Erlaubnispflicht gibt es eine Übergangs-regelung. Bei Tätigkeiten, die vor Inkrafttreten der novellierten BioStoffV (23. Juli 2013) aufgenommen wurden, besteht keine Erlaubnispflicht, sofern diese Tätigkeiten der zuständigen Behörde angezeigt wurden. Für Laboratorien, Versuchstierhaltung und Biotechnologie gilt eine Anzeigepflicht für gezielte Tätigkeiten mit Biostoffen der Risiko-gruppe 2, für Tätigkeiten mit Biostoffen der Risikogruppe 3 (**), bei Änderungen erlaubter/angezeigter Tätigkeiten, die relevant für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten sind und bei Einstellung einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit. Die An-zeige hat spätestens 30 Tage vor Aufnahme oder Einstellung der Tätigkeiten zu erfolgen. Eine Anzeigepflicht besteht auch für Sonder-isolierstationen (Schutzstufe 4) unverzüglich bei Aufnahme eines mit einem Krankheitserreger der Risikogruppe 4 infizierten oder infektionsverdächtigen Patienten sowie bei der Entlassung des Patienten.
Eine der Neuregelungen ist auch die Kon-kretisierung der Anforderungen an die Fach-kunde in Abhängigkeit von der durchzufüh-renden Aufgabe und der Höhe der Gefährdung bei Tätigkeiten mit Biostoffen. Erreicht werden soll eine Rechtssicherheit der Anwender und eine Definition der Fachkunde in der BiostoffV analog zum Gefahrstoffrecht. Es sollen keine neuen bürokratischen Hürden geschaffen werden, deshalb ist der Grad der Fachkunde abhängig vom Grad der Gefährdung und der Tätigkeit. So hat die Gefährdungsbeurteilung für alle Tätig-keiten mit biologischen Arbeitsstoffen fach-kundig zu erfolgen. Für Tätigkeiten mit hoch pathogenen Biostoffen in den Schutzstufen 3 und 4 in Laboratorien, der Versuchstierhaltung und der Biotechnologie sind fachkundige Beschäftigte sowie eine fachkundige Person gefordert. Die fachkundige Person muss vom Arbeitgeber benannt werden und diesen insbesondere bei der Gefährdungs-beurteilung, der Kontrolle der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen und der Unterweisung unterstützen (Vier-Augen-Prinzip). Im Hinblick auf die Fachkunde, die in der Verord-nung in unterschiedlichem Zusammenhang gefordert wird, wurde die neue TRBA 200 „Fachkundeanforderungen“ erarbeitet, die auf der letzten Sitzung des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) Anfang Mai verabschiedet wurde und demnächst im „Gemeinsamen Ministerialblatt“ veröffentlicht wird. Die Differenzierung der Anforderungen an die Fachkunde erfolgt da-rin auf Grundlage dreier Komponenten: ein-schlägige Berufsausbildung, ausreichende Berufserfahrung und Kompetenz im Arbeits-schutz. Voraussetzungen für Kompetenz im Arbeitsschutz sind Kenntnisse der relevanten Biostoffe und ihrer Eigenschaften, der Arbeitsplätze und Tätigkeiten, der einschlägigen Rechtsgrundlagen, branchenspezifi-scher Vorschriften sowie die Fähigkeiten, Tätigkeitsabläufe und Expositionsbedingungen zu bewerten und tätigkeitsbezogene Schutzmaßnahmen zu ermitteln und festzulegen. Kompetenzträger können z. B. die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder auch der Betriebsarzt sein, sofern diese branchen-spezifische Kenntnisse zur Gefährdung durch Biostoffe besitzen.
Die Anforderungen der BiostoffV werden durch Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA), die vom ABAS ermittelt werden, konkretisiert. Im Rahmen der Neufassung der BioStoffV wurde die TRBA 100 „Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien“ strukturell inhaltlich und re-daktionell überarbeitet und an die neue Bio-stoffV angepasst. Es erfolgte eine klare Abgrenzung zu Labortätigkeiten, die unter den Geltungsbereich der TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege“ fallen. Die beispiel-hafte Schutzstufenzuordnung für nichtgezielte Tätigkeiten wurde thematisch geord-net. Für die einzelnen Schutzstufen werden jeweils alle zu treffenden baulichen, technischen, organisatorischen Maßnahmen sowie persönliche Schutzausrüstung/Schutz-maßnahmen beschrieben. Die Veröffentlichung dieser TRBA erfolgte im Oktober 2013.
Die Vorschriften zur Vermeidung von Stich- und Schnittverletzungen sind für die Einrichtungen des Gesundheitsdienstes von großer praktischer Bedeutung. Daher wurde die TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege“ überarbeitet und an die neuen An-forderungen angepasst. Die Veröffentlichung erfolgte im März 2014.
Aktualisiert wird zur Zeit auch die TRBA 400 „Handlungsanleitung zur Gefährdungs-beurteilung und für die Unterrichtung der Be-schäftigten bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen“, in der Beurteilungskonzepte für sensibilisierende und toxische biologische Arbeitsstoffe entwickelt werden auf der Grundlage der Festlegung von Werten für die Expositionshöhe, -dauer und -häufigkeit in Form von Konventionen.
Weitere Infos
TRBA 100 „Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien“
https://www.baua.de/DE/Angebote/Regelwerk/TRBA/pdf/TRBA-100.pdf?__blob=publicationFile&v=5
TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege“
http://www.dkgev.de/media/file/16468.RS154-14_TRBA-250_Anlage1.pdf
Für die Autoren
Dr. rer. nat. Gisela Martens
Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie
Fachbereich Gefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffe
Kurfürsten-Anlage 62
69115 Heidelberg