Return to work after primary hip-replacement
Objectives: The aim of the retrospective study was to determine the rate of restoration of capacity for work after primary hip prosthesis.
Method: The study included a total of 56 patients (29 men and 27 women) at an average age of 55.2 (SD 6.6) years who underwent the implant of a unilateral hip joint prosthesis due to coxarthrosis.
Results: Preoperatively, 49 (87.5 %) patients had a light (6.1 %), moderate (61.2 %) or heavy (37.7 %) workload. The remaining patients were considered to be looking for work. At the time of the operation, 67.9 % of patients were able to work, 12.5 % were incapacitated for less than 4 weeks, and the remaining patients were incapacitated for more than 4 weeks. Only 30.4 % of patients had no concomitant diseases or obesity. In 42 patients (75.0 %) the ability to work was restored after an average of 13.1 (SD 7.5; 4–48) weeks. Retirement within the first postoperative year occurred in 8.9 % of cases. Overall, 37.2 % of patients switched to easier physical work. The presence of an accompanying disease (p = 0.001), obesity with a BMI > 30 (p = 0.834) or the presence of concomitant morbid obesity (p = 0.411) showed no link in terms of restoring work ability. Overall, a very good result was achieved in 71.4 % of cases and a good result in 26.8 %. However, there was no link between gender, comorbidity or occupational rehabilitation.
Conclusions: In the vast majority of patients, it is possible to achieve satisfactory to good professional rehabilitation after implanting a hip prosthesis. Occupational stress factors and social factors in the workplace play a role in rehabilitation. A smaller proportion of patients currently have to accept a reduced physical workload as a precautionary measure. There is a need for more information on probationary periods at work after a hip replacement; this must be systematically collected and linked to actual occupational stress.
Keywords: hip osteoarthritis – replacement – return to work
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2020; 55 705 – 712
Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nach primärer Hüftendoprothetik
Zielstellung: Ziel der retrospektiven Untersuchung war es, die Rate der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nach primärer Hüftendoprothese zu bestimmen.
Methode: Die Untersuchung umfasst insgesamt 56 Patientinnen und Patienten (29 Männer und 27 Frauen) in einem durchschnittlichen Alter von 55,2 (SD 6,6) Jahren, die sich der Implantation einer unilateralen Hüftgelenksendoprothese aufgrund einer Koxarthrose unterzogen.
Ergebnisse: Präoperativ bestand bei 49 (87,5 %) der Betroffenen ein Arbeitsverhältnis mit leichter (6,1 %), moderater (61,2 %) und schwerer (37,7 %) Arbeitsbelastung. Die übrigen Patientinnen und Patienten galten als arbeitssuchend. Zum Zeitpunkt der Operation waren 67,9 % Personen arbeitsfähig, bei 12,5 % bestand eine Arbeitsunfähigkeit von weniger als
4 Wochen, die übrigen waren länger als 4 Wochen arbeitsunfähig. Nur 30,4 % der Betroffenen hatten keine Begleiterkrankungen oder eine Adipositas. Bei 42 Personen (75,0 %) konnte die Arbeitsfähigkeit nach durchschnittlich 13,1 (SD 7,5; 4–48) Wochen wiederhergestellt werden. Eine Berentung innerhalb des ersten postoperativen Jahres erfolgte in 8,9 % der Fälle. Insgesamt wechselten 37,2 % der Patientinnen und Patienten zu einer leichteren körperlichen Arbeit. Das Vorliegen einer Begleiterkrankung (p = 0,001), eine Adipositas mit einem BMI > 30 (p = 0,834) oder das Vorliegen einer Begleiterkrankung mit gleichzeitiger Adipositas permagna (p = 0,411) zeigten keinen Zusammenhang in Bezug auf die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit. Insgesamt wurde in 71,4 % der Fälle ein sehr gutes und in 26,8 % ein gutes Ergebnis erzielt. Einen Zusammenhang zwischen Geschlecht, Komorbidität oder berufliche Rehabilitation fand sich hier jedoch nicht.
Schlussfolgerungen: Beim überwiegenden Teil der Patientinnen und Patienten gelingt es nach Implantation einer Hüftendoprothese, eine befriedigende bis gute berufliche Rehabilitation zu erzielen. Bei der Rehabilitation spielen berufliche Belastungsfaktoren sowie soziale Faktoren der Arbeitsplatzsituation eine Rolle. Ein kleinerer Teil der Betroffenen muss derzeit vorsorglich eine verminderte physische Belastung im Beruf akzeptieren. Es werden weitere systematisch gesammelte und mit den realen beruflichen Belastungen verknüpfte Informationen über die Bewährung im Beruf nach Hüftgelenksersatz benötigt.
Schlüsselwörter: Koxarthrose – Endoprothese – Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit
Einleitung
Mit einer Inzidenz von 2,1/10 000 Personenjahren ist die Koxarthrose eine der häufigsten orthopädischen Erkrankungen weltweit. Während bei Patientinnen und Patienten unterhalb des 50. Lebensjahres radiologisch nachweisbare Koxarthrosen eher selten sind (0–3 %), steigt die Prävalenz der radiologischen Koxarthrose ab diesem Zeitpunkt kontinuierlich an. Bereits in der Altersgruppe zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr lassen sich in bis zu 15 % aller Hüftgelenke radiologische Arthrosezeichen nachweisen und diese Prävalenz steigt schließlich in der Altersgruppe über 80 Jahrenauf bis zu 25 % an (Spahn et al. 2014). In der Hälfte derjenigen Patientinnen und Patienten, die radiologische Veränderungen im Hüftgelenk aufweisen, kommt es auch zu einer symptomatischen, behandlungsbedürftigen Koxarthrose (Sharma u. Kapoor 2007).
Bei jüngeren Menschen kann durch arthroskopische Maßnahmen einschließlich einer Chondroplastik der Krankheitsprozess vorübergehend aufgehalten oder verzögert werden. Ebenso ist es in einigen Ausnahmefällen möglich, durch eine Osteotomie ein gutes Ergebnis zu erzielen.
Aufgrund der inzwischen sehr guten funktionellen Resultate und der inzwischen auch über Jahrzehnte anhaltenden Langzeitstandzeiten ist jedoch heute die Implantation einer Totalendoprothese in der Regel als „Methode der Wahl“ anzusehen (AWMF-S3-Leitlinie Orthopädie: Koxarthrose).
Im Jahr 2016 wurden im Endoprothesen Register Deutschland (EPRD) insgesamt 122 961 primäre Hüftgelenkimplantationen dokumentiert. Seit vielen Jahren ist daher die Hüftendoprothese in Deutschland unter den zehn am häufigsten stationär durchgeführten Operationen (Statistisches Bundesamt 2018).
Neben der Minderung beziehungsweise Beseitigung der Schmerzen und funktionellen Beeinträchtigungen besteht das Ziel dieser Operation auch darin, die Betroffenen in Bezug auf ihre beruflichen und sportlichen Aktivitäten möglichst vollständig wieder zu rehabilitieren. Die berufliche Rehabilitation ist gerade für Patientinnen und Patienten, die sich noch im arbeitsfähigen Alter befinden, ein ganz wesentliches Ziel für einen Behandlungserfolg. In der internationalen Literatur finden sich in Bezug auf die berufliche Rehabilitation nach Endoprothese unterschiedliche Angaben (Hoorntje et al. 2018; Kuijer et al. 2009).
Im Jahre 2013 berichteten Krischak et al. über die Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation nach Hüftgelenkstotalendoprothese (HTP) in Deutschland. Dabei werteten sie Daten der Rentenversicherungsträger von Fällen, die im Zeitraum zwischen 2002 und 2009 operiert wurden, aus und konnten zeigen, dass 84,9 % der Operierten wieder in das Erwerbsleben zurückgeführt werden konnten. Aktuelle Daten in Bezug auf die Möglichkeiten der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nach Endoprothese des Hüftgelenks in Deutschland gibt es zurzeit nicht.
Zielstellung
Diese retrospektive Studie wurde mit dem Ziel durchgeführt, die Rate von beruflicher Rehabilitation bei Patientinnen und Patienten unterhalb des Renteneintrittsalters nach Hüftgelenksendoprothese zu untersuchen. Zudem war es das Ziel, Einflussfaktoren durch Komorbidität, Schwere der körperlichen Arbeit und in Bezug auf den präoperativen Beschäftigungsstatus (Arbeitsverhältnis versus Arbeitssuche) zu erforschen.
Material und Methode
Patientenkollektiv
Für die Durchführung dieser Untersuchung lag ein positives Votum einer universitären Ethikkommission (Universitätsklinikum Jena, Bearbeitungsnummer 5473-03/18) vor.
Im Zeitraum 01/2006 bis 06/2017 wurden insgesamt 1384 HTP in der Einrichtung vorgenommen. Ausgeschlossen wurden Patientinnen und Patienten, die das 65. Lebensjahr erreicht hatten beziehungsweise bei denen eine Operation infolge von Trauma, eine Wechseloperation beziehungsweise eine Operation aufgrund einer rheumatischen Erkrankung erfolgte. Damit standen 92 Personen (6,6 %) grundsätzlich für die Untersuchung zur Verfügung. Von diesen 92 Patientinnen und Patienten waren jedoch 20 bereits in Altersrente, in fünf Fällen musste innerhalb des ersten Jahres aufgrund postoperativer Komplikationen eine Revisionsoperation durchgeführt werden, ein Patient verstarb im Nachuntersuchungszeitraum und bei 10 Personen (10,8 %) waren keine sicheren Angaben zur prä- beziehungsweise postoperativen Arbeitsfähigkeit retrospektiv ermittelbar. Somit konnten schließlich die Daten von 56 Patientinnen und Patienten ermittelt werden (➥ Tabelle 1). Das Flow-Chart dieser retrospektiven Untersuchung ist in ➥ Abb. 1 dargestellt.
Als relevante Begleiterkrankung galt eine Erkrankung ASA-Stadium II oder höher (American Society of Anesthesiologists; https://www.asahq.org/). Diese Schweregrade wurden den Anästhesieprotokollen entnommen. Diese Schweregradeinteilung liegt der Anästhesie unmittelbar nach der präoperativen Untersuchung zum Eingriff vor.
Entsprechend der orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgesellschaften, zum Beispiel auch der Deutschen Gesellschaft für Endoprothik, ist diese Schweregradeinteilung für die Beurteilung der Komorbidität und als Qualitätskriterium allgemein (https://www.ae-germany.com/) wie folgt:
I: normale/r, gesunde/r Patientin/Patient
II: Patientin/Patient mit leichter Allgemeinerkrankung
III: Patientin /Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung
IV: Patientin/Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung, die eine ständige Lebensbedrohung ist
V: Moribunde/r („totgeweihte/r“) Patientin/Patient, die/der ohne Operation voraussichtlich nicht überleben wird.
VI: hirntote/r Patientin/Patient, Deren/dessen Organe zur Organspende entnommen werden
Gemäß den WHO-Kriterien wurde eine Adipositas bei einem BMI > 30 kg/cm2 angenommen.
Untersuchungsablauf
Die erforderlichen Daten wurden retrospektiv aus der Patientenakte erhoben, zusätzlich erfolgt eine postalische Befragung der Betroffenen. Hinsichtlich der Arbeitsschwere wurden die Angaben der Patientinnen und Patienten zu ihrer beruflichen Tätigkeit als auch ihre subjektive Einschätzung verwendet:
Nach Abschluss des ersten postoperativen Jahres wurden alle Patientinnen und Patienten bezüglich ihrer subjektiven Zufriedenheit mit der erfolgten Behandlung befragt und konnten folgendermaßen votieren:
Statistische Auswertung der Patientendaten
Die ermittelten Daten wurden zunächst in eine Excel-Tabelle übertragen. Die endgültige statistische Auswertung erfolgte mit SPSS (Version 25.0). Der Vergleich prozentualer Häufigkeiten wurde mit dem Chi-Quadrat-Test durchgeführt, für Mittelwertvergleiche erfolgte eine ANOVA. Das Signifikanzniveau wurde einheitlich auf p < 0,05 festgelegt.
Ergebnisse
Präoperative Daten
Präoperativ bestand bei insgesamt 49 (87,5 %) Personen ein festes Arbeitsverhältnis, die übrigen 7 Patientinnen und Patienten (12,5 %) galten als arbeitssuchend. Insgesamt 38 (67,9 %) der im Arbeitsprozess stehenden Personen hatten bis zum Zeitpunkt der Operation gearbeitet, bei 7 (12,5 %) bestand präoperativ eine Arbeitsunfähigkeit < 4 Wochen, die übrigen waren länger als 4 Wochen arbeitsunfähig. Retrospektiv war es jedoch nicht ermittelbar, ob die Arbeitsunfähigkeit allein aus der Hüftgelenkserkrankung resultierte oder ob die Begleiterkrankungen hier eine Rolle spielten. Einen Zusammenhang zwischen der bestehenden Komorbidität und der präoperativen Arbeitsfähigkeit konnte jedoch nicht gefunden werden (p = 0,125). Tendenziell waren jedoch die arbeitssuchenden Patientinnen und Patienten mit 52,4 (SD 6,6) Jahren tendenziell jünger als diejenigen mit einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis (55,6, SD 6,7); p = 0,234. Die genauen Daten sind in Tabelle 1 dargestellt.
Postoperative Daten
Bei insgesamt 42 (75,0 %) der Patientinnen und Patienten gelang es, die Arbeitsfähigkeit postoperativ innerhalb des ersten Jahres wieder herzustellen (➥ Tabelle 2). Alle absolvierten nach Entlassung aus dem Akutkrankenhaus eine ambulante beziehungsweise stationäre Reha (DRV = Deutsche Rentenversicherung) und wurden entsprechend der Entlassungsbriefe als „arbeitsunfähig“ entlassen.
Die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeit betrug 13,1 (SD 7,5; 4–48) Wochen. Unterschiede in Bezug auf das Geschlecht wurden nicht gefunden. Bei insgesamt vier der Patientinnen und Patienten (7,1 %), die präoperativ arbeitslos waren, konnte postoperativ eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erreicht werden. Zwei Männern wurden postoperativ krankheitsbedingt gekündigt. Insgesamt 5 Personen (8,9 %) wurden postoperativ berentet.
Tendenziell (p = 0,231) waren die Patientinnen und Patienten, die postoperativ wieder schwer arbeiten mussten, länger arbeitsunfähig (➥ Abb. 2). Das Vorliegen einer Begleiterkrankung (p = 0,001), eine Adipositas mit einem BMI > 30 (p = 0,834) oder das Vorliegen einer Begleiterkrankung mit gleichzeitiger Adipositas permagna (p = 0,411) zeigten keinen Zusammenhang in Bezug auf die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit.
Beurteilung des Ergebnisses der Operation
Insgesamt 71,4 % der Patientinnen und Patienten (n = 40) waren mit dem Operationsergebnis sehr zufrieden, 26,8 % (n = 15) beurteilten das Ergebnis als gut und nur 1 Patient als moderat. Keiner erreichte ein schlechtes Ergebnis. Signifikante Unterschiede in Bezug auf Geschlecht, Komorbidität oder berufliche Rehabilitation konntenin Abhängigkeit vom subjektiven Zufriedenheitsgrad der Betroffenen nicht gefunden werden (➥ Tabelle 3).
Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass weit mehr als 90 % der Patientinnen und Patienten innerhalb eines Jahres ein subjektiv wenigstens befriedigendes Resultat erreichen. Damit stimmen die erzielten Ergebnisse auch mit denen aus der internationalen Literatur weitgehend überein (➥ Tabelle 4, s. folgende Seite).
In zwei Drittel der Fälle wurde auch eine berufliche Rehabilitation erreicht. Allerdings gelang diese Rehabilitation wesentlich seltener bei Personen jenseits des 60. Lebensjahres im Vergleich zu den jüngeren.
Vergleicht man unsere Ergebnisse mit denen aus der internationalen Literatur, so findet man dort Angaben über die Rate der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, die zwischen 40 und 95 % liegen (Baker et al. 2018; Bohm 2010; Cowie et al. 2013; Nunley et al. 2011; Styron et al. 2011). Bohm et al. (2010) konnten dabei jedoch auch zeigen, dass es oftmals zwar zunächst gelingt, die Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen, innerhalb eines Verlaufszeitraums von 4 Jahren jedoch der Anteil der Wiederherstellungen der Arbeitsfähigkeit altersbedingt beziehungsweise aufgrund der nicht vollständigen Belastbarkeit wieder sank (Bohm 2010).
Innerhalb des ersten postoperativen Jahres mussten 5,6 % der Patientinnen und Patienten nach Hüftendoprothese berentet werden. Die Komorbidität hatte hierauf jedoch keinen signifikanten Einfluss. Man kann daraus schlussfolgern, dass das Hüftleiden in diesem Prozentsatz tatsächlich zu einer Frühverrentung führt. Etwa die Hälfte der Betroffenen, bei denen die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gelang, konnte einer gleich schweren körperlichen Tätigkeit postoperativ wieder nachgehen. Das bedeutet aber, dass nach der Operation tatsächlich nur in der Hälfte der Fälle eine wirkliche berufliche Rehabilitation an den alten Arbeitsplatz gelingt. Mehr als ein Drittel konnte zwar eine Berufstätigkeit wieder aufnehmen, allerdings war dies mit einem Arbeitsplatzwechsel zu leichterer körperlicher Arbeit verbunden. Nur zwei Personen übten postoperativ schließlich eine schwerere körperliche Arbeit aus.
Medizinische Ursachen für diese Wechsel in der Arbeitsplatzschwere konnten durch unsere Untersuchungen nicht ermittelt werden. Dafür mag es verschiedene Ursachen geben. Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass die Implantation einer Hüftgelenksendoprothese zu einem großen Teil zu sehr guten und guten Ergebnissen in Bezug auf die Symptomatik und die Wiederherstellung innerhalb der „Aktivitäten des alltäglichen Lebens“ führt. Deshalb bezeichneten zum Beispiel Learmonth et al. (2007) diese Operation auch als „Operation des Jahrhunderts“. Auch die inzwischen sehr hohen Standzeiten der Prothesen unterstreichen die Wertigkeit dieser Operationsmethode (Learmonth et al. 2007). Offensichtlich müssen nach Implantation einer Hüftgelenksendoprothese jedoch Einschränkungen in Bezug auf besonders hohe physische Aktivitäten akzeptiert werden. Dies betrifft zunächst einmal sportliche Aktivitäten, insbesondere für die Hüfte stark belastende Sportarten wie Gewichtheben, Turnen, Abfahrtslauf usw. Aus Untersuchungen im Leistungssport ist bekannt, dass es oft nur in weniger als der Hälfte der Fälle gelingt, ein „return to sports“ zu erreichen (Cheatham et al. 2016; Jassim et al. 2014; Jones 2011). Böttner et al. (2017) wiesen jedoch darauf hin, dass die Empfehlungen zu sportlichen Restriktionen nach Hüftendoprothese früheren Leitlinien entsprachen und die generelle Ablehnung bestimmter Sportarten inzwischen aufgrund der verbesserten Implantat-Designs nicht mehr in dieser Art und Weise aufrechterhalten werden muss. Allerdings gibt es in Bezug auf hohe Sportaktivitäten keine aktuellen sicheren Angaben zu den Langzeitstandzeiten der Hüftendoprothese. Gleiches gilt auch für berufliche körperliche Belastungen.
Aus unseren Ergebnissen ist nicht nachvollziehbar, ob die Restriktionen in Bezug auf die physische Belastbarkeit der Gelenke in Beruf ursächlich mit dem Operationsergebnis zusammenhängen oder auch auf dem Vorurteil innerhalb der Ärzteschaft beziehungsweise bei Patientinnen und Patienten beruhen, dass „ein operierter Patient mehr Schonung bedürfe“.
Mithin bleibt unklar, inwiefern sämtliche Patientinnen und Patienten aus den Rehaeinrichtungen als „arbeitsunfähig“ entlassen wurden. Offensichtlich scheuen hier die Rehabilitationsmedizinerinnen und -mediziner die letztliche Verantwortung für die Übernahme der Vollbelastung und überlassen das den Operierenden. Grundsätzlich ist jedoch die Wiederaufnahme leichter körperliche Tätigkeiten bereits nach 2–3 Monaten und sogar die Aufnahme schwerer körperlicher Tätigkeiten nach mindestens 4 Monaten möglich. Dies findet auch seinen Niederschlag in den nationalen und internationalen Leitlinien (DGOU 2018; Wirtz 2011; Wirtz u. Stöckle 2018). Jedoch ist auch hier zu vermuten, dass durch die behandelnden Rehabilitationsmedizinerinnen und -mediziner Hinweise auf die eingeschränkte Belastbarkeit der Hüftgelenke gegeben wurden. Dies würde sich auch mit den allgemeinen Empfehlungen für die Einschätzung der MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) beziehungsweise des GdB (Grad der Behinderung) im deutschen sozialen Entschädigungsrecht decken, bei dem unabhängig von der erreichten Funktion des Hüftgelenks von einem Mindest-MdE in Höhe von 20 % beziehungsweise einem Mindest-GdB von 10 % nach wie vor ausgegangen wird (Weise u. Schiltenwolf 2014). Diese generelle Empfehlung sollte deshalb überdacht werden.
Mit durchschnittlich 8 Monaten postoperativer Arbeitsunfähigkeitsdauer lagen unsere deutschen Patientinnen und Patienten offensichtlich im internationalen Vergleich weit höher. Übereinstimmend fanden sich in systematischen Reviews außerhalb Deutschlands durchschnittliche Arbeitsunfähigkeitszeiten von 2–5 Monaten, die kürzesten AU-Zeiten hatten US-amerikanische Patientinnen und Patienten mit 2–3 Monaten (Kuijer et al. 2009; Tilbury et al. 2014). Auf diesen Umstand hatten bereits Krischak et al. (2013) in ihrer Analyse der Hüftendoprothesen aus den Jahren 2002–2009 hingewiesen. Sie interpretierten dieses Phänomen dahingehend, dass Deutschland über ein relativ sicheres Sozialsystem verfügt, in dem längere Arbeitsunfähigkeitszeiten selten die berufliche Perspektive bedrohen. Vor allem US-Amerikaner haben häufig eine Krankenversicherung ohne einen durchgängigen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
Medizinische Ursachen, insbesondere eine vorhandene Komorbidität, konnten bei vorliegender Studie nicht als wesentlicher Grund für verzögerte oder behinderte Wiedereingliederung ermittelt werden. Dennoch sollten hier in Zukunft nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten (z. B. berufsspezifische Rehabilitationskonzepte) gesucht werden. Wahrscheinlich müssen auch Unternehmen für die veränderte Situation auf dem Arbeitsmarkt in Bezug auf die häufigere Erkrankung der Koxarthrose sensibilisiert werden. Aus Sicht der Autoren besteht hier Verbesserungsbedarf in der Qualität der Rehabilitationseinrichtungen im Auftrage der Rentenversicherungsträger.
Offensichtlich problematisch ist die Situation für Patientinnen und Patienten, die bereits vor dem Eingriff arbeitssuchend sind, beziehungsweise bei Personen, denen postoperativ „krankheitsbedingt gekündigt“ wurde. Medizinische Faktoren dafür ließen sich hier nicht finden.
Da körperliche Belastungen die wichtigste Ursache für mögliche Einschränkungen des weiteren beruflichen Einsatzes sind, wäre ein differenzierteres Herangehen an die zumutbaren Belastungen zu wünschen: Nach derzeitigen Vorstellungen wären Krafteinwirkungen auf das Implantat durch hohe Kraftspitzen beim Heben sehr schwerer Lasten, wiederholte höhere Kraftaufwendungen mit Beugen des Oberkörpers, an der das Hüftgelenk gemeinsam mit der Lendenwirbelsäule beteiligt ist, und langzeitiges bis ständiges starkes Beugen im Hüftgelenk wichtige Einschränkungen der beruflichen Belastbarkeit. Das erfordert, diese Belastungen gezielter zu ermitteln, wie es im Rahmen der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung zunehmend möglich wird. Das hätte konkretere Empfehlungen für den beruflichen Einsatz des Einzelnen zur Folge.
Selbstverständlich hat die vorliegende Untersuchung eine Vielzahl von Limitation. Zunächst ist festzustellen, dass es sich lediglich um eine retrospektive Analyse eines längeren Zeitintervalls handelt. Zudem war es zum Teil retrospektiv bestimmt nur unsicher möglich, die genauen Arbeitsbelastungen zu bestimmen. Die größte Unsicherheit ergibt sich dabei durch die retrospektiven subjektiven Angaben der einzelnen Patienten. Insofern sind in Zukunft Untersuchungen an einem größeren Kollektiv, möglichst unter prospektivem Studiendesign mit genauer präoperativer und postoperativer Arbeitsanalyse zu fordern.
Schlussfolgerungen
Beim überwiegenden Teil der Patientinnen und Patienten gelingt es nach Implantation einer Hüftendoprothese, eine befriedigende bis gute berufliche Rehabilitation zu erzielen. Die postoperative ambulante oder stationäre Reha-Behandlung umfasst in den meisten Fällen eine befriedigende Wiederherstellung von Funktion und Schmerzbeseitigung, allerdings wird nach unserer Auffassung die berufliche Reintegration oftmals nur ungenügend entsprechend der Leitlinien beachtet. Hier bedarf es in Zukunft deutlicher Verbesserungen.
Ein kleinerer Teil der Betroffenen muss eine verminderte physische Belastbarkeit im Beruf akzeptieren. Es werden weitere prospektive Daten mit gezielter Ermittlung der beruflichen Belastungen benötigt. Eine Möglichkeit zu solchen Untersuchungen böte in Zukunft sicher das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD).
Interessenkonflikt: Das Autorenteam erklärt, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.
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Kontakt
Prof. Dr. med. habil. Gunter Spahn
Universitätsklinikum Jena
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Praxisklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Eisenach
Sophienstraße 16 – 99817 Eisenach
spahn@pk-eisenach.de