Nach dem DAK Gesundheitsreport 2015 nehmen knapp drei Millionen Deutsche verschreibungspflichtige Medikamente ein, um am Arbeitsplatz leistungsfähiger zu sein oder um Stress abzubauen und zur Ruhe kommen zu können. Zur letzten Gruppe, eher der Gruppe der weiblichen Beschäftigten, zählt wohl auch die Mitarbeiterin, welche wegen zunehmender Leistungsdefizite die Sprechstunde des Betriebsarztes aufsuchte. Auf die Frage nach ihrer Schlafqualität gab sie folgende erschütternde Antwort: „… auch schlechtes Schlafen geht nur noch mit Zopiclon oder Neurocil. Selbst ordentlich Rotwein hilft nicht mehr.“ Steigender Leistungsdruck und anhaltende Überlastung haben sie aus ihrem Gleichgewicht gebracht. Entspannung findet sie nur noch mit Alkohol und Medikamenten.
Fest und Rausch – Arbeit und Doping
Drogen und Rausch sind Teil jeder zivilisierten Gemeinschaft. Stand früher der Genuss und eben auch der Rausch als dem Fest und den Feiern vorbehaltene Besonderheit im Vordergrund, so scheint nun ein zunehmender Teil der Deutschen, Drogen und Medikamente zur Bewältigung der alltäglichen Arbeit zu benötigen.
Wolfgang Wittgens beschreibt unser Arsenal der gängigen Drogen im Spiegel der Zeit und zeigt auf, in welcher Weise Mittel bereits in früheren Zeiten zur Leistungssteigerung benutzt worden sind. Aber hat sich unser Verhältnis zu Drogen nicht doch eher vom Lustgewinn zur Frustbewältigung verschoben? Hubert Buschmann erklärt den neuen Suchtpatienten mit den besonderen Leistungserwartungen in der modernen Arbeitswelt, aber auch mit dem Bedürfnis nach permanenter, eben auch medikamentös unterstützter Selbstoptimierung. Besorgniserregend ist, dass viele Studierende Ritalin zur Leistungssteigerung im Studium einsetzen. Umfragen bei Schülern zeigten, dass bereits in diesem Alter Kopfschmerzen und andere Erschöpfungssymptome am ehesten mit Tabletten bewältigt werden. Hubert Buschmann beschreibt die besonders betroffenen Gruppen und verweist auf das Ab-hängigkeits- und Schädigungspotenzial der zurzeit „gängigen“ Drogen.
THC als „cleane“ Droge
Neben neuen Drogen scheint auch eine Verharmlosung der altbekannten Drogen wie Haschisch und Marihuana um sich zu greifen. Pharmakologisierend werden sie von ihren meist jungen Usern als THC bezeichnet. Deren Freigabe wird im medialen und politischen Raum gefordert, obwohl es neue Studien zu schädigender Wirkung gerade bei adoleszenten Menschen gibt. Haschisch und Marihuana werden aber gerade von Jugendlichen konsumiert, weil sie ihnen gegenüber dem verpönten Alkohol als vergleichsweise „clean“ erscheinen. Ist das vielleicht ein fataler Irrtum? Dieser Frage geht Hanns Jürgen Kunert in seinem Beitrag nach. Schließlich stellen wir ein Kurzzeittherapie-Modell der Klinik Tönisstein vor, welches als Entwöhnungsbehandlung gerade für Berufstätige konzipiert wurde. Doch vor der Rehabilitationsmaßnahme sollten betriebliche Präventionsinstrumente greifen. Ines Popp beschreibt aus dem Blickwinkel eines Konzerns die betriebliche Suchtprävention als Teil eines modernen Betrieblichen Gesundheitsmanagements.
Ich hoffe, Sie finden eine interessante Lektüre und Anregungen für Ihre Arbeit!
Ihre Ulrike Hein-Rusinek