Berufliche Hautkrankheiten sind häufig. Seit Jahrzehnten stehen sie an der Spitze der gemeldeten Berufskrankheiten, und sie dürften nach der zum Jahresbeginn in Kraft getretenen Aufhebung des „Unterlassungszwangs” im Berufskrankheitenrecht auch die häufigsten anerkannten Berufskrankheiten darstellen, sobald die Pandemie-bedingt hohen Fallzahlen der berufsbedingten Infektionskrankheiten (BK 3101) bei Beschäftigten des Gesundheitswesens zurückgegangen sind.
Berufsbedingte Hautkrankheiten sind aber – mit allen geeigneten Mitteln – auch gut präventabel. Während nach dem STOP-Prinzip die technischen und organisatorischen Maßnahmen in der Prävention an erster Stelle stehen, sind die individuellen Schutzmaßnahmen für die Haut wirksam und zumutbar und daher in allen Stufen der Prävention von besonderer Bedeutung. Neben Handschuhen und Schutzkleidung ist es der Hautschutz mit spezifischen Hautmitteln, der das Auftreten der so häufigen irritativen Kontaktekzeme durch berufliche Noxen verhindern oder reduzieren kann. In Deutschland vertreten wir traditionell das dreistufige Hautschutzkonzept mit Hautschutzpräparaten vor der beruflichen Hautbelastung, einer angemessenen, möglichst milden Hautreinigung und einer postexpositionellen Pflege zur Förderung der Regeneration der epidermalen Barriere.
Da es sich bei den eingesetzten Hautmitteln regulatorisch um Kosmetika handelt, die zwar eine Sicherheitsbeurteilung benötigen, um auf den Markt gebracht zu werden, jedoch keinen Wirksamkeitsnachweis als Voraussetzung für eine Zulassung, war es lange offen, ob Hautmittel überhaupt wirksam sind in der Prävention der kutanen Irritation und wie dies geprüft werden könnte. Mit dem Forschungsvorhaben „FP 275“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wurde vor einigen Jahren in einer Multicenterstudie ein solches Prüfverfahren entwickelt, das in einem repetitiven Irritationstest die Berechnung eines Wirkindexes anhand hautphysiologischer Standardmethoden erlaubt.
Eine differenzierte Betrachtung der Wirksamkeit des Hautschutzes je nach Einsatzbereichen ist jedoch erforderlich. Welche Hautschutzmittel gegen welche Irritanzien wie stark wirken, sollte als Unterstützung für beratende Arbeitsmedizinerinnen und -mediziner sowie die Sicherheitsfachkraft von den Herstellern entsprechender Präparate in einem validierten Verfahren ermittelt und transparent kommuniziert werden. Hautschutz ist daher branchenspezifisch, wie dies in diesem Heft der ASU in den Beiträgen zum Hautschutz bei Pflegekräften der Osnabrücker Arbeitsgruppe um Christoph Skudlik und zum Hautschutz im Nahrungsmittelbereich der Jenaer Arbeitsgruppe um Sibylle Schliemann eindrücklich dokumentiert wird. Besondere Herausforderungen stellt die aktuelle COVID-19-Pandemie an den Hautschutz, und zwar nicht nur bezüglich der klassisch betroffenen Gesundheitsberufe, sondern für viele Branchen, in denen die Hygieneanforderungen zugenommen haben; diesem Thema ist daher ein eigener Beitrag gewidmet.
Häufig aus der Praxis nachgefragt wird die Vereinbarkeit von Hautschutz und Handschuhen. Das häufige und/oder lang andauerende Handschuhtragen, das nach der TRGS 401 die Kriterien der Feuchtarbeit erfüllt, verhindert einerseits den Kontakt mit Irritanzien, stellt andererseits aber selbst eine irritative Hautbelastung dar, so dass sich die Frage nach der Bedeutung des Hautschutzes unter dem Handschuh stellt. Manigé Fartasch und Gina Michal vom IPA in Bochum haben sich mit diesen Fragen über Jahre beschäftigt und stellen in ihrem Beitrag den aktuellen Stand des Wissens dar.
Eingebettet werden muss der Hautschutz bei beruflich Hauterkrankten in eine Gesamtstrategie der sekundären und der tertiären Individualprävention, mit deren Umsetzung in der Praxis sich die Arbeit der Heidelberger Berufsdermatologinnen und -dermatologen en um Elke Weisshaar beschäftigt. In den vergangenen Jahrzehnten ist es gelungen, in Deutschland eine flächendeckende Versorgung durch Schulungs- und Beratungszentren, durch Hautschutzzentren und dezentrale Seminarangebote ergänzend zum Hautarztverfahren zu entwickeln, über die gefährdend tätig Beschäftigten bereits beim ersten Auftreten von beruflich verursachten Hautveränderungen eine differenzierte Hautschutzberatung und -schulung zuteil werden kann. Für die schwer und chronisch beruflich Hauterkrankten konnte seit 2005 mit der stationären tertiären Individualprävention ein entsprechendes Angebot geschaffen werden, wobei mit der Schließung der BG-Klinik Falkenstein 2020 leider mittlerweile in den östlichen Bundesländern eine hoffentlich bald wieder geschlossene Lücke besteht.
Zusammenfassend verfügen wir in Deutschland erfreulicherweise über das Wissen, die Strukturen und die Ressourcen, um den Hautschutz als wichtiges Instrument der Prävention flächendeckend umzusetzen und so auch unter den nach der Reform des BK-Rechts neuen Herausforderungen, nämlich der Fortsetzung der hautgefährdenden Tätigkeit trotz Anerkennung einer BK 5101, für viele Beschäftigte einen weitgehend uneingeschränkten Verbleib im erlernten Beruf zu ermöglichen.
Peter Elsner, Klinik für Hautkrankheiten,
Universitätsklinikum Jena