Einleitung
Beruflich bedingte Hauterkrankungen stehen seit Jahren an der Spitze der Berufskrankheiten-Verdachtsanzeigen. Durch medizinische Versorgung, Krankengeld, Wiedereingliederung sowie Arbeits- und Produktionsausfall entstehen viele Kosten, so dass berufliche Hauterkrankungen eine hohe sozioökonomische und sozialmedizinische Bedeutung haben. In der überwiegenden Zahl der Fälle handelt es sich um Handekzeme, für die Feuchtarbeit einer der wichtigsten Risikofaktoren ist. In der TRGS 401 wird das Tragen okklusiver Handschuhe als Feuchtarbeit, also gefährdende berufliche Tätigkeit eingestuft (AGS 2008, s. Infokasten). Nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) hat der Arbeitgeber bei Feuchtarbeit oder dem Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe über täglich mindestens vier Stunden eine arbeitsmedizinische Vorsorge, die so genannte Pflichtvorsorge, zu veranlassen (ArbmedVV 2013). Dass das Arbeiten mit okklusiven Handschuhen mit sauberen Händen und ohne Anwesenheit von Gefahrstoffen die Haut in gleichem Maße wie Feuchtarbeit oder überhaupt nennenswert schädigt, ist bisher kaum wissenschaftlich belegt (Ochsmann et al. 2006). Zu dem Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe kommen aber in vielen Berufen mit Feuchtarbeit weitere belastende Expositionen hinzu, wie beispielsweise das Arbeiten in feuchtem Milieu, häufiges Händewaschen oder Kontakt zu irritierenden Substanzen, die bei Verbleiben auf der Haut unter der Okklusion besonders intensiv wirken können. Eine Einzelbewertung dieser möglichen Risikofaktoren ist daher schwierig. In den Reinräumen der Halbleiterfertigung müssen dagegen flüssigkeitsdichte Handschuhe getragen werden, um die Konzentration luftgetragener Teilchen so gering wie möglich zu halten und damit eine optimale Produktion gewährleisten zu können. Es besteht meist kein zusätzlicher Kontakt zu irritierenden oder Gefahrstoffen.
Es wurde daher in einer Studie in der Halbleiterindustrie untersucht, ob Beschäftigte aus dem Reinraum, die mit sauberen Händen und ohne Gefahrstoffkontakt täglich vollschichtig okklusive Handschuhe tragen, häufiger oder schwerere Hautveränderungen an den Händen aufweisen als Beschäftigte aus der Verwaltung, die keine Handschuhe tragen. Die Ergebnisse der Studie wurden bereits publiziert (u. a. Weistenhöfer et al. 2015, 2017).
Material und Methode
Kollektiv
Beschäftigte eines Betriebs der Halbleiterfertigung wurden im Frühjahr (Teil 1) und im Winter (Teil 2) untersucht.
Untersuchungen der Haut der Hände
Standardisierter Fragebogen
Systematische Erfassung von Risikofaktoren für das Handekzem zur Abschätzung eines möglichen Bias.
Ergebnisse und Diskussion
Klinischer Hautbefund
Mit dem HEROS, einem standardisierten
Hautscore, mit dem objektiv sowohl ein manifestes Handekzem als auch Minimalläsionen der Haut bei weitgehend hautgesunden Personen erfasst werden können, wurden Hautveränderungen mit Werten von im Mittel 15 (Teil 1) bzw. 13 (Teil 2) Punkten ermittelt. Die beobachteten Befunde liegen somit in einem Bereich, wie er auch in einer großen Studie in der Metallindustrie beobachtet wurde. Dabei zeigte sich kein signifikanter Unterschied im klinischen Hautbefund der Hände zwischen den Personen, die im Reinraum mehr als vier Stunden pro Tag flüssigkeitsdichte Handschuhe trugen, und den Kontrollpersonen aus der Verwaltung. Lediglich das Geschlecht war signifikanter Einflussfaktor für den Hautbefund, Männer hatten einen signifikant schlechteren Hautbefund als Frauen.
Hautphysiologische Untersuchungen
Bei der Untersuchung der Hautbarriere durch Messung des transepidermalen Wasserverlusts zeigten handschuhtragende Personen im Vergleich zu Kontrollen signifikant höhere Werte. Unter Berücksichtigung der Zeit zwischen dem Ausziehen der flüssigkeitsdichten Handschuhe und der Untersuchung zeigte sich, dass etwa 30 bis 40 Minuten nach dem Ausziehen der Handschuhe TEWL-Werte gemessen wurden, die sich nicht signifikant von denen der Kontrollpersonen unterschieden (➥ Abb. 1). Es ergab sich so kein Hinweis auf eine dauerhafte Schädigung der Hautbarriere. Auch andere Publikationen konnten nur für eine kurze Zeit nach einer Okklusion der Haut erhöhte Werte im transepidermalen Wasserverlust messen. Im Teil 2 dieser Studie stellte sich in der multiplen linearen Regression neben dem männlichen Geschlecht die Beschäftigungsdauer im Reinraum als signifikanter Einflussfaktor auf die Höhe des TEWL dar. Da diese Untersuchung im Winter stattfand, ist zu diskutieren, inwieweit dieser Befund durch das zu diesem Untersuchungszeitpunkt miteinwirkende Wetter beeinflusst wurde.
Bei der Messung der Hautfeuchte zeigten sich in der Corneometrie signifikant erhöhte Werte für die handschuhtragenden Personen im Vergleich zu den Kontrollpersonen. Unter Berücksichtigung der Zeit zwischen dem Ausziehen der Handschuhe und der Untersuchung war bereits 20 (Teil 1) beziehungsweise 30 (Teil 2) Minuten nach dem Ausziehen der Handschuhe kein signifikanter Unterschied zwischen den Corneometrie-Werten von Handschuhträgerinnen und -trägern und Kontrollen zu beobachten, so dass auch hier ein lediglich transienter Effekt zu diskutieren ist.
Anamnestische Angaben
Hinsichtlich der Angaben zu relevanten Hautveränderungen an den Händen im Sinne eines Handekzems und Atopiezeichen zeigte sich zwischen den Kollektiven kein signifikanter Unterschied, was gegen einen Selektions-Bias spricht. Hauterkrankungen an den Händen seit der Beschäftigung im Reinraum wurden von den handschuhtragenden Personen jedoch signifikant häufiger genannt. Hautveränderungen an den Händen beziehungsweise Handekzeme sind in der Allgemeinbevölkerung weit verbreitet. Daher ist zu diskutieren, ob das andauernde Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe subjektiv als unangenehm empfunden wird und eventuell auftretende Hautveränderungen mit diesen Arbeitsbedingungen eher in Zusammenhang gebracht werden als mit einer Bürotätigkeit (ohne Handschuhe).
Schlussfolgerung
Insgesamt ergibt sich aus dieser Studie kein Hinweis auf einen gravierenden Einfluss auf den Hautzustand der Hände durch das Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe. Dies deckt sich auch mit mehreren anderen Befunden unter anderem von Ochsmann et al. (2006), die bei Beschäftigten in medizinischen Berufen, die größtenteils längere Zeit okklusiv wirkende Schutzhandschuhe tragen, bei arbeitsmedizinischen Untersuchungen über keine Häufung von Handekzemen berichteten (Zahnärztinnen/-ärzte: 0,03 %, Chirurginnen/Chirurgen 0,01 %).
Bei der vorliegenden Studie handelt es sich aber um eine Querschnittstudie, mit der sich keine möglichen Änderungen des Hautzustands über die Zeit darstellen lassen, so dass ein Einfluss durch das Tragen okklusiver Handschuhe trotz sensitiver Untersuchungsmethoden und Beachtung eines möglichen „Healthy-Worker“-Effekts niemals völlig ausgeschlossen werden kann.
Fazit
Da sich kein Hinweis eines gravierenden Einflusses auf den Hautzustand der Hände durch das Tragen flüssigkeitsdichter Handschuhe bei sauberen Händen und ohne zusätzlichen Gefahrstoffkontakt ergab, erscheint es sinnvoll, die Durchführung der durch die ArbMedVV vorgeschriebenen Pflichtvorsorge in festen zeitlichen Abständen für Arbeiter im Reinraum zu überdenken. Es sollte für diese Beschäftigten ein konkretes (reinraumbezogenes) Hautschutzkonzept erstellt werden, das durch anlassbezogene Untersuchungen (umgehend beim Auftreten von Hauterscheinungen) ergänzt werden kann.
Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Förderung: Die Studie wurde durch die BG ETEM gefördert..
Literatur
Ochsmann E, Drexler H, Schaller K-H et al.: Feuchtarbeit versus okklusiver Schutzhandschuh – der Versuch einer evidenzbasierten Bewertung der beiden potentiell hautschädigenden Einflüsse. Dermatologie in Beruf und Umwelt 2006; 54: 3–12.
Weistenhöfer W, Uter W, Drexler H: Protection during production: Problems due to prevention? Nail and skin condition after prolonged wearing of occlusive gloves. J Toxicol Environ Health A 2017; 80: 396–404.
Weistenhöfer W, Wacker M, Bernet F, Uter W, Drexler H: Occlusive gloves and skin conditions: is there a problem? Results of a cross-sectional study in a semiconductor company. Br J Dermatol 2015; 172: 1058–1065.
Weistenhöfer W, Kütting B, Baumeister T, Schaller B, Drexler H: Der HEROS. Ein validiertes Untersuchungsinstrument für die arbeitsmedizinische Vorsorge. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2014;
49: 802–806.
Weitere Infos
AGS – BAuA: TRGS 401:
Technische Regeln für Gefahrstoffe: Gefährdung durch Hautkontakt – Ermittlung, Beurteilung, Maßnahmen. Juni 2008, zuletzt berichtigt GMBl 2011 S. 175 [Nr. 9]
https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regel…
ArbMedVV, Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 18.12.2008 (BGBl. I, p. 2768), zuletzt geändert durch Artikel 1 der zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 12. Juli 2019 (BGBl. I, S. 1082); in Kraft getreten am 18. Juli 2019
https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a453-arbe…
Info
Feuchtarbeit durch das Tragen okklusiver Handschuhe nach TRGS 401 (AGS 2008)
Zu Feuchtarbeit gehören Tätigkeiten, bei denen die Beschäftigten einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit, das heißt regelmäßig mehr als zwei Stunden pro Tag [...]
Schutzhandschuhe mit Okklusionseffekt (Wärme- und Feuchtigkeitsstau) tragen. Die flüssigkeitsdichte Wirkung von Schutzhandschuhen verhindert die Schweißabgabe nach außen, so dass die Haut mit zunehmender Tragedauer aufquillt, wodurch ihre Barrierewirkung nachlässt. Durch diese vorgeschädigte Haut wird ein Eindringen von Irritanzien, potenziell allergen (sensibilisierend) wirkenden Stoffen oder Infektionserregern erleichtert.