Hintergrund
Das Cytomegalievirus (CMV) gehört zur Familie der Herpesviren (HHV 5). Der Großteil der Infektionen verläuft inapparent, führt aber dennoch typischerweise zu einer Viruspersistenz mit der Möglichkeit einer Reaktivierung oder Sekundärinfektion. Bei Blutspendern (18 bis 60 Jahre) wird eine mittlere SP von 46 % beschrieben, die alters- und geschlechtsabhängig bei den über 65-Jährigen auf > 80 bis 90 % ansteigt. Die jährliche Inzidenz unter erwachsenen Blutspendern ist am höchsten bei den 30- bis 35-Jährigen (1,55 %). Nur bei etwa 20 bis 30 % der infizierten Personen treten Symptome auf, die oft unspezifisch sind und einer Grippe ähneln. Zu einer der besonders gefährdeten Gruppen zählen Immungeschwächte. Bei ihnen können durch eine CMV-Infektion komplexe Krankheitsbilder ausgelöst werden unter Beteiligung von verschiedenen Organen wie Lunge, Leber, Darm und Auge. Eine weitere Risikogruppe stellen seronegative Schwangere dar. Bei ihnen kann eine CMV-Primärinfektion diaplazentar den intrauterinen Tod, kongenitale Anomalien der Föten oder Mangelgeburten nach sich ziehen. Sie führt bei 10 % der lebendgeborenen, erkrankten Kinder zu bereits postnatal sichtbaren Behinderungen, weitere 10 % entwickeln erst später Symptome wie beispielsweise Hörstörungen. Die Inzidenz der kongenitalen CMV-Infektion bei Lebendgeborenen wird in Deutschland zwischen 0,3 und 1,2 % geschätzt. Die Folgen einer pränatalen CMV-Infektion sind bei Primärinfektionen ausgeprägter als bei Sekundärinfektionen und umso schwerwiegender, je früher sie in der Schwangerschaft erfolgen. Als privater und beruflicher Hauptrisikofaktor gilt der enge Kontakt mit Kindern unter drei Jahren. Unter ihnen wird eine hohe Anzahl inapparenter CMV-Ausscheider vermutet. Sie sezernieren über mehrere Monate oder Jahre größere Mengen von CMV in Urin und Speichel, nachdem sie selbst pränatal über die Plazenta, postnatal über Muttermilch oder durch den Kontakt mit anderen, meist kindlichen Ausscheidern infiziert wurden.
Die Wahrnehmung des beruflichen Risikos im Niedriginzidenzland Deutschland ist noch immer maßgeblich von älteren Studien aus Nordamerika geprägt. Zusammengefasst schwankte international unter schwangeren Frauen aus der Allgemeinbevölkerung die jährliche Serokonversionsrate zwischen 1 und 7 % (mittlere Rate 2,3 %). Beschäftigte im Gesundheitswesen, inklusive derjenigen mit beruflichem Umgang mit Kleinkindern, hatten identische Serokonversionsraten wie schwangere Frauen in der Allgemeinbevölkerung. Bei Eltern, deren Kinder kein CMV ausschieden, trat mit sehr viel geringerer Wahrscheinlichkeit eine Serokonversion auf als bei Eltern, die mit einem CMV-ausscheidenden Kind zusammenlebten (2,1 vs. 24 %). Unter Mitarbeitern in der Kinderbetreuung/-tagespflege war die jährliche Serokonversionsrate besonders weit gestreut (0 bis 12,5 %). Im Mittel ergab sich bei Beschäftigten in Kindertagesstätten über Hoch- und Niedriginzidenzgebiete hinweg eine relativ hohe jährliche Inzidenz von 8,5 % (Hyde et al. 2010).
Die Verunsicherung der schwangeren Erzieherinnen, ihrer Frauenärzte und der zuständigen Arbeitsschützer ist mangels aktueller Untersuchungen entsprechend massiv und führte außerdem in einzelnen Bundesländern Deutschlands zu rigorosen Beschäftigungsverboten für seronegative Schwangere in KiTas.
Für den fachgerechten und angemessenen Schutz der Schwangeren am Arbeitsplatz ist eine Ergänzung der Datenlage zum CMV-Infektionsrisiko besonders für Beschäftigte in KiTas deshalb von Interesse. Für die Auswertung zugänglich waren anonymisierte CMV-Daten aus arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen und von Blutspenderinnen.
Auswertung von Daten aus arbeitsmedizinischen Untersuchungen und von Blutspenderinnen
Zwischen 2010 und 2013 wurde der CMV-Serostatus und mögliche Risikofaktoren von schwangeren Krippenmitarbeiterinnen aus Kindertagesstätten (n = 509) mit den Daten von Erstblutspenderinnen aus Hamburg und Umgebung verglichen (n = 14 358). Außerdem wurde im Jahr 2014 den Beschäftigten eines großstädtischen KKH (n = 219) bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge ein CMV-Antikörper-Test angeboten. Diese drei Kollektive wurden jeweils in identische Altersgruppen aufgeteilt. Zusätzlich zum Einfluss von Alter, Schwangerschaften und Wohnort auf die CMV-Seroprävalenz (CMV-SP) konnte im KKH auch der Beruf, die Anzahl eigener Kinder und Migrationshintergrund (MIG) erfasst und mittels logistischer Regression untersucht werden. Die Gruppe der Frauen ohne MIG konnte nur in der Krankenhauspopulation getrennt betrachtet werden. Auf weitergehende, statistische Vergleiche zwischen den beiden Erhebungen wurde wegen der methodisch uneinheitlich erhobenen Datenbasis für diesen kurzen Bericht verzichtet.
Ergebnisse in der Übersicht
Schwangere Krippenerzieherinnen und Beschäftigte des Kinderkrankenhauses hatten insgesamt ein etwas höheres Durchschnittsalter als Blutspenderinnen (31 Jahre/SD 5,1 vs. 34 Jahre/SD 10,5 vs. 26,6 Jahre/SD 7,2). Krippenerzieherinnen zeigten eine höhere CMV-SP als die deutlich jüngeren Blutspenderinnen (54,6 vs. 41,5 %; OR 1,6; 95 %-KI 1,3–1,9), vergleichbar mit den Frauen im KKH (52,6 %). Die Untergruppe der Blutspenderinnen, die mindestens einmal in ihrem Leben schwanger war und im Stadtgebiet lebte (n = 2591), wies eine vergleichbare CMV-SP auf wie die schwangeren Krippenerzieherinnen (53,9 vs. 54,6 %; OR 0,9; 95 %-KI 0,8–1,2).
Unter den Beschäftigten im Kinderkrankenhaus hatten Frauen eine signifikant höhere CMV-SP als Männer (adjustiertes Odds Ratio [aOR] 3,0; 95 %-KI 1,1–7,8). Ab dem 30. Lebensjahr war die CMV-SP doppelt so hoch wie für die jüngeren unter 30 Jahren (aOR 2,0; 95 %-KI 1,0–3,9); diejenigen über 40 hatten ein aOR von 2,3 (95 %-KI 1,1–4,7). Beschäftigte mit Migrationshintergrund waren häufiger CMV-seropositiv als diejenigen ohne (95,5 % vs. 45,7 %). Die CMV-SP bei den Frauen insgesamt war 52,6 %, ohne MIG betrug sie 47,7 %. Auch bei Frauen ohne MIG fand sich ein auffälliger Zusammenhang zwischen CMV-Seropositivität und Alter (p = 0,08). Mit der Anzahl der Kinder stieg die Wahrscheinlichkeit, Anti-CMV IgG positiv zu sein (OR 2,5; 95 %-KI 1,3–5,1). Nach Adjustierung für Alter, Geschlecht und Herkunft findet sich dieser Effekt aber nicht mehr ( Tabelle 1).
Diskussion und Fazit
Es wurden aus der Region Hamburg drei unterschiedlich erhobene Labordatensätze ausgewertet, um Risikoabschätzungen für CMV-exponierte Krippenerzieherinnen und Beschäftigte in Kinderkrankenhäusern allgemein und insbesondere für eine Primärinfektion in der Schwangerschaft vornehmen zu können. Dabei wurden zuerst CMV-Daten von arbeitsmedizinischen Untersuchungen schwangerer Erzieherinnen denen von Blutspenderinnen gegenübergestellt (Stranzinger et al. 2016b). In einer zweiten, unabhängigen Untersuchung wurden arbeitsmedizinische Daten von Beschäftigten in einer Kinderklinik ausgewertet (Stranzinger et al. 2016a). Bei den weiblichen Beschäftigten lag die CMV-SP zwischen 39 % und 63 %, abhängig von Alter, Anzahl eigener Kinder und Migrationshintergrund (MIG). 45 bis 47 % aller Frauen waren seronegativ und damit ungeschützt vor einer CMV-Primärinfektion sowie einer konnatalen Infektion im Falle einer Schwangerschaft. Die detaillierten Ergebnisse werden in den Originalarbeiten ausführlich auf dem Hintergrund der aktuellen Literatur diskutiert.
Auf der Suche nach Gruppen mit ähnlichen Risikofaktoren wurden die Krippenerzieherinnen mit gleichaltrigen Blutspenderinnen aus der Region verglichen. Die im Durchschnitt um 5 Jahre älteren Erzieherinnen hatten zwar insgesamt eine höhere CMV-Seroprävalenz, es bestand jedoch in den verschiedenen Altersgruppen kein Unterschied zu gleichaltrigen Subgruppen der Blutspenderinnen mit Schwangerschaft in der Anamnese und wohnhaft im Stadtgebiet. Die Ergebnisse bestätigten die neueren Daten aus dem europäischen Umland, die das berufliche CMV-Risiko von Erzieherinnen vergleichbar mit privaten Infektionsrisiken einschätzten. Allenfalls die ersten beiden Berufsjahre in einer Kindertagesstätte wiesen eine Risikoerhöhung auf (Stelma et al. 2009).
Die dritte, unabhängig untersuchte Gruppe waren Beschäftigte in einem Kinderkrankenhaus. Signifikante Unterschiede der CMV-Seroprävalenz zwischen den Berufsgruppen im KKH fanden sich nicht. Eine Geburt außerhalb Europas und das Alter waren jedoch statistisch signifikante Einflussfaktoren. Da jedoch die untersuchten Untergruppen insgesamt zu klein waren und zudem nicht nach gefährdenden Tätigkeiten gefragt wurde, konnte keine Aussage dazu getroffen werden, ob der engere Kontakt zu Kleinkindern bei bestimmten ärztlichen oder pflegerischen Interventionen ein höheres individuelles, berufliches Risiko im Vergleich zu anderen nicht exponierten Gruppen nach sich zieht. Die meisten Studien aus den letzten Jahrzehnten sprechen gegen ein beruflich bedingtes, generell erhöhtes CMV-Infektionsrisiko bei Beschäftigten in KKH verglichen mit nicht gegenüber Patienten exponierten Beschäftigtengruppen, wenn die persönlichen Risikofaktoren berücksichtigt werden (Lepage et al. 2011).
Fazit
Die vorgelegten Studien an zufällig erhobenen Daten aus arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen konnten keine beruflichen Hochrisikogruppen in KiTas oder KKH beschreiben. Auch wenn die neueren Studien aus dem europäischen Umland für eine Überschätzung des beruflichen CMV-Risikos sprechen, fehlen hierzulande weiterhin aussagekräftige Daten. Deshalb sollte in prospektiven, kontrollierten Folgestudien geprüft werden, ob Maßnahmen wie eine gute Händedesinfektion am Arbeitsplatz ausreichenden Schutz bieten und Tätigkeitsverbote bei CMV-seronegativen Schwangeren reduzieren oder ersetzen können. Ebenfalls wichtig ist die Schulung der Beschäftigten zu speziellen Hygienemaßnahmen zum Schutz vor CMV-Primärinfektionen in besonders exponierten Bereichen wie der Neonatologie, der Geburtshilfe, der Onkologie und Intensivpflege sowie der Kindertagespflege im Krippenbereich.
Literatur
Hyde TB, Schmid DS, Cannon MJ: Cytomegalovirus seroconversion rates and risk factors: implications for congenital CMV. Rev Med Virol 2010; 20: 311–326.
Lepage N, Leroyer A, Cherot-Kornobis N, Lartigau I, Miczek S, Sobaszek A: Cytomegalovirus seroprevalence in exposed and unexposed populations of hospital employees. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2011; 30: 65–70.
Stelma FF, Smismans A, Goossens VJ, Bruggeman CA, Hoebe CJ: Occupational risk of human Cytomegalovirus and Parvovirus B19 infection in female day care personnel in the Netherlands; a study based on seroprevalence. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2009; 28: 393–397.
Stranzinger J, Kindel J, Henning M, Wendeler D, Nienhaus A: Prevalence of CMV infection among staff in a metropolitan children’s hospital – occupational health screening findings. GMS Hyg Infect Control 2016a; 2016: Doc20.
Stranzinger J, Kozak A, Schilgen B et al.: Are female daycare workers at greater risk of cytomegalovirus infection? A secondary data analysis of CMV seroprevalence between 2010 and 2013 in Hamburg, Germany. GMS Hyg Infect Control 2016b; 11: Doc09.
Für die Autoren
Dr. med. Johanna Stranzinger
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)
Pappelallee 33/35/37
22089 Hamburg