TN: Warum kooperiert die BARMER mit der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM)?
JR: Ziel der seit Frühjahr 2016 laufenden Kooperation ist es, die Gesundheit am Arbeitsplatz nachhaltig zu verbessern. Die BARMER und die DGAUM setzen auf diesem Wege eine zentrale Forderung des Präventionsgesetzes um. Dies impliziert auch, dass wir unser Angebot im Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) kontinuierlich ausbauen.
TN: Welche Rolle spielen dabei die Betriebsärzte aus Sicht der BARMER?
JR: Die rund 12.000 Arbeitsmediziner und Betriebsärzte sind in der Lage, fast 43 Millionen arbeitende Menschen anzusprechen und für Präventionsmaßnahmen zu sensibilisieren. Deshalb sind sie für uns wichtige Lotsen und unverzichtbare Berater in Sachen betrieblicher Gesundheitsförderung, ambulanter Versorgung, arbeitsmedizinischer Vorsorge und berufsfördernder Rehabilitation. Mit Unterstützung der Arbeitsmediziner und Betriebsärzte können wir unsere Präventionsangebote vom kleinen mittelständischen Betrieb bis hin zum Großunternehmen anbieten. Die Betriebsärzte sind vor Ort, kennen die Unternehmen und haben zu den Beschäftigten ein Vertrauensverhältnis. Das sind die besten Voraussetzungen, um nachhaltige Präventionsmaßnahmen anbieten und die Belegschaft dafür auch gewinnen zu können.
TN: Was haben die BARMER und die DGAUM konkret gemeinsam vor?
JR: Mit den Betriebsärzten können wir zielgerichtete, individuelle Projekte entwickeln und anbieten, die die Gesundheit am Arbeitsplatz fördern. Hier ergänzen sich unsere Erfahrungen. Das Modellvorhaben mit der DGAUM soll in den nächsten fünf Jahren aufzeigen, wie man die Belastungen für Arbeitnehmer abbauen kann, Risikopotenziale minimiert und das gesundheitsbewusste Verhalten fördert. An dieser Stelle setzt auch unser regionales Kooperationsprojekt „Gesund arbeiten in Thüringen“ mit der DGAUM an. Zudem bietet die Zusammenarbeit schon jetzt Vorteile im Arbeitsalltag. Bestimmte Impfungen im Unternehmen können die Betriebsärzte künftig direkt mit der BARMER abrechnen.
TN: Was versprechen Sie sich von dem Projekt „Gesund arbeiten in Thüringen“?
JR: Zusammen wollen wir Modelle für mehr Gesundheit am Arbeitsplatz für kleinere und mittelgroße Betriebe in strukturschwächeren Regionen entwickeln. Hier geht es um die Frage, wie die Qualität, Effizienz und Akzeptanz von Betrieblicher Gesundheitsförderung und BGM-Maßnahmen gesteigert werden können. Nach der Planungsphase in diesem Jahr werden ab dem Jahr 2018 erste Vorhaben umgesetzt. Wenn sich diese nach einer Evaluation als effektiv und effizient erwiesen haben, können sie auch auf andere Regionen in Deutschland übertragen werden.
TN: Wie können Unternehmen ganz grundsätzlich von Ihrer Kooperation mit der DGAUM profitieren, sei es nun in Thüringen oder auf Bundesebene?
JR: Für unsere Modelle mit der DGAUM wird dasselbe gelten, wie für unsere bereits bestehenden BGM-Maßnahmen. Sie werden individuell auf Firmen zugeschnitten sein und die Gesundheit am Arbeitsplatz verbessern. In einer Firma, deren Beschäftigte vor allem im Sitzen arbeiten, sind zum Beispiel ergonomische Arbeitsplätze hilfreich. Für einen Betrieb, in dem die Beschäftigten viel heben müssen, sind spezielle Rückenkurse interessant. Seminare zum Stressabbau oder die gesunde Ernährung am Arbeitsplatz sind weitere BGM-Elemente. In diese Richtung wird auch unsere Kooperation mit der DGAUM gehen. Auf diesem Wege profitieren Unternehmen am Ende durch weniger krankheitsbedingte Ausfälle, bessere Arbeitsabläufe, weniger Reibungsverluste, leistungsfähige Mitarbeiter, aber auch durch einen Imagegewinn.
TN: BGM ist gut für das Firmen-Image?
JR: Genauso ist es. In der heutigen Zeit ist es gerade für kleinere und mittelständische Unternehmen immer schwerer, Topleute auf dem Arbeitsmarkt zu gewinnen. Die Zeiten, in denen ein dicker Gehaltscheck als Visitenkarte eines Betriebs diente, sind vorbei. Heute muss ein Unternehmen mehr bieten, weil die Anforderungen der Arbeitnehmer gestiegen sind. Ein umfassendes Betriebliches Gesundheitsmanagement kann hier zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden.
TN: Was haben die Arbeitnehmer von der Kooperation mit der DGAUM?
JR: Die Beschäftigten profitieren von geringeren gesundheitlichen Belastungen, einem besseren psychischen und physischen Wohlbefinden, einem angenehmeren Betriebsklima und einer positiveren Arbeitseinstellung.
TN: Was bietet die BARMER in Sachen BGM grundsätzlich an?
JR: Die BARMER bietet sowohl kleinen und mittleren als auch großen Unternehmen passgenaue Angebote für eine gezielte Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz. Das können konkrete Bewegungsangebote, aber auch Ernährungstipps sein. Unsere Angebote reichen bis hin zu Highlights wie Mitarbeitertraining durch Profisportler, die ihre Fitnesstricks verraten. Mit Olympiasiegern und Weltmeistern wie z. B. Heike Drechsler, Christina Obergföll, Kati Wilhelm oder Martin Schmitt zu trainieren, dürfte den meisten Teilnehmern einen Extra-Motivationsschub geben. Neben unserem Bewegungsprogramm mit den Spitzensportlern bieten wir beispielsweise Anti-Stress-Programme sowie Maßnahmen gegen Erschöpfung und zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen an. Dazu gehört etwa unser HerzCoach.
TN: Wobei handelt es sich bei dem HerzCoach, und inwieweit profitieren die Versicherten davon?
JR: Bei dem BARMER HerzCoach handelt es sich um ein von europäischen Kardiologen entwickeltes interaktives Programm zur Risikoeinschätzung und Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eigens geschulte betriebliche Gesundheitsberater der BARMER führen die Beschäftigten in etwa 15 Minuten durch das interaktive Programm. Natürlich können auch Betriebsärzte den HerzCoach einsetzen. Neben Alter, Geschlecht, Größe und Gewicht werden zudem die Ess- und Trinkgewohnheiten sowie die Stressbelastung im Beruf und im Privatleben erfasst. Der BARMER HerzCoach soll das Bewusstsein für die persönliche Situation schärfen, so dass der Teilnehmer mehr für seine Herzgesundheit machen kann.
TN: Welche Erfahrungen hat die BARMER mit dem HerzCoach bislang gemacht?
JR: Auf Gesundheitstagen in Firmen haben viele Mitarbeiter ein großes Interesse daran, mehr über den Zustand ihres Herzens zu erfahren und sich beraten zu lassen. Das Ergebnis der Ist-Analyse zum eigenen Herzalter ist für viele überraschend und motiviert oftmals dazu, nachhaltig das Verhalten zu ändern.
TN: Was erhofft sich die BARMER vom HerzCoach?
JR: Der HerzCoach soll möglichst viele Arbeitnehmer zu einem gesünderen Lebensstil ermuntern. Hier geht es nicht darum, den Alltag komplett umzukrempeln. Prävention beginnt vielmehr im Kleinen. Wer sich laut HerzCoach zum Beispiel zu wenig bewegt, könnte auf der Arbeit die Treppe anstatt des Aufzugs nehmen. Wer sich ungesund ernährt, könnte mehr Gemüse und weniger Fleisch konsumieren und sich aus der Kantine noch etwas Obst für den Nachmittag mitnehmen. Prävention ist kein Hexenwerk, und mit ganz simplen Schritten kann man schon einiges bewirken. Wenn diese Botschaft ankommt, haben wir viel erreicht.
TN: Vielen Dank für das Gespräch!
Info
Kooperation von BARMER und DGAUM bei der DGAUM-Jahrestagung 2017 an der Universität Hamburg
Veranstaltung Freitag, 17.03.2017, 14:00–16:00 Uhr, Hörsaal RW 221:
„Das Präventionsgesetz gestalten: Die Kooperation DGAUM und BARMER“
- Einführung: Das Präventionsgesetz und die Arbeitsmedizin (Prof. Dr. Hans Drexler, Präsident DGAUM, Erlangen)
- Das Präventionsgesetz im Fokus der gesetzlichen Krankenversicherung: Erwartungen der BARMER an das Gesetz und die Kooperation mit der DGAUM (Dr. Christian Graf, Abteilungsleiter Produktentwicklung, Versorgungsmanagement, Prävention, BARMER, Wuppertal)
- GESUND ARBEITEN IN THÜRINGEN: Ein Modellvorhaben zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement im Rahmen des Präventionsgesetzes (Prof. Dr. Dipl.-Ing. Stephan Letzel, Vizepräsident DGAUM, Mainz)
- Das Präventionsgesetz gestalten: Schutzimpfungen durch Betriebsärzte als Aufgabe im Betrieb (Prof. Dr. Dirk-Mattias Rose, DGAUM, Mainz)
- Das Präventionsgesetz gestalten: Allgemeine Primärprävention mit dem BARMER HerzCoach und dem Modul ProMind (Dr. Christian Graf, Klaus Brecht, BARMER, Wuppertal)
- Diskussion der Referentinnen und Referenten mit dem Auditorium
- Kongressverabschiedung: Übergabe Kongressschlüssel von Tagungspräsident HH 2017 an Tagungspräsident München 2018 (Prof. Dr. Hans Drexler, Prof. Dr. Volker Harth, Prof. Dr. Peter Angerer)