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Infektionsrisiken und Gefahren für Maskenbildner und Darsteller?

Arbeitsmedizin in der “Maske“

Das Projekt

Im Arbeitskreis einiger Hamburger Bühnenbetriebsärzte (i. W. Dr. A. Hartjen, Staatsoper Hamburg; Dr. R. Krause, Albertinenkrankenhaus; Dr. J. Stranzinger, BGW; Dr. J. Wehner, hanza; Dr. B. Zachradnik; AMP Dr. Rogall, im Folgenden: „wir“) kam die Frage auf, inwieweit durch die Mehrfachverwendung von Kosmetikartikeln oder Arbeitsmaterialien ein Infektionsrisiko sowohl für die Darsteller als auch für die Maskenbildner besteht. Interessant dabei waren die Erfahrungsberichte aus den verschiedenen Häusern mit ganz unterschiedlichem Bewusstsein und Voraussetzungen zum Thema Hygiene.

Gemeinsam mit dem Leiter der Maske des Deutschen Schauspielhauses, Thorsten Kirchner, unter Beteiligung von Matthias Storch als Vertreter der Berufsschule für Mas-kenbildner erfolgte eine Analyse der Tätigkeiten. Daraus entstand die Idee, eine praxis-orientierte Untersuchung durchzuführen. Finanziert und unterstützt wurde das Projekt vom Deutschen Schauspielhaus Hamburg und der Unfallkasse Nord als Unfallversicherer des Hauses, Letztere mit dem Ziel, das Projekt zu nutzen, um anderen Spielstätten Arbeitshilfen zur Verfügung zu stellen.

Im Folgenden wird im Wesentlichen auf die Infektionsgefährdung eingegangen. An-dere arbeitsmedizinisch relevante Bereiche in der Maskenbildnerei werden nur gestreift. Insofern erhebt diese Darstellung keinen An-spruch auf Vollständigkeit. Ohnehin werden die Anforderungen und Bedingungen in den Spielstätten abhängig von Ausrichtung und Größe sehr unterschiedlich sein.

Gefährdungsbeurteilung

Neben den in der Gefährdungsbeurteilung erhobenen physikalischen Risiken und den Risiken durch Gefahrstoffe darf auch die Gefährdung durch Infektionen nicht verges-sen werden. Das Risiko muss für die Maskenbildner, aber auch für die Darsteller berücksichtigt werden. In Zusammenarbeit mit Angelika Mielke vom Institut für Hygiene und Umwelt in Hamburg wurden mikrobiologische Untersuchungen von Arbeitsmitteln und Produkten genommen und aus-gewertet. Hier wurden bakterielle Besiedlungen ermittelt. (Natürlich ist uns bewusst, dass es sich hierbei nur um eine Momentaufnahme handelt, deren mikrobiologische Ergebnisse nicht allgemeingültig und von verschiedenen Faktoren abhängig sind.) Die nicht unwesentliche Gefährdung als Folge einer möglichen Kontamination mit Viren (beispielsweise Adenovirusinfektionen des Auges) konnten jedoch in diesem Rahmen nicht untersucht werden. Bezüglich der vira-len Kontamination mussten wir auf bereits vorhandene Studien über die Viruskontami-nationen auf unbelebten Flächen zurückgreifen.

Die Ergebnisse aus den Proben brachten weder überraschende, noch für immunkom-petente Menschen besonders beängstigende Ergebnisse. Der eine oder andere Befund (z. B. Pseudomonas aeruginosa im Sprühwasser oder Enterobacter cloacae auf Handtüchern), machte jedoch deutlich, dass durch eine Änderung der Arbeitsweise die Infektionsgefährdung weiter reduziert werden kann, auch da der Kontakt zu allen möglichen Körperflüssigkeiten immer wieder gegeben ist: Speichel (z. B. Lippenstift), Tränenflüssigkeit (z. B. Lidstrich), Gewebsflüssigkeit (z. B. Abdecken einer Verletzung), Blut (z. B. Schnittwunde beim Rasieren) und gegebenenfalls weitere.

Hier gilt es, die besonders gefährdenden Tätigkeiten unter Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen zu analysieren und durch Maßnahmen zu entschärfen (Beispiel 1: Klin-genwechsel bei Mehrfachrasierern – Ersatz durch Einmalrasierer, die nach Gebrauch in einen Abwurf entsorgt werden. Beispiel 2: Ein Mascara für mehrere Darsteller – personenbezogene Mascara-Benutzung).

Insgesamt lässt sich durch organisatori-sche Maßnahmen und präventive Information die Infektionsgefährdung für Maskenbildner recht gut minimieren. Schwieriger aber ist die Minimierung der Risiken für die Darsteller. Hier müssen eigene Strategien unter Berücksichtigung der darstellenden Tätigkeit entwickelt werden.

Der Hygieneplan

Anhand dieser Untersuchungsergebnisse und der Arbeitserfahrung der Maskenbildner wurde ein Hygieneplan für die Maske entwickelt, der sich in der Anwendungsphase befindet. Der Ansatz soll ein Kompromiss aus optimaler Hygiene und Machbarkeit in Verbindung mit Information/Schulung der Maskenbildner und möglichst auch der Dar-steller sein, um eine kontinuierliche Hygiene zu gewährleisten und die Sensibilität für die Thematik zu erhöhen.

Die einzelnen Tätigkeiten wurden analysiert. Dann wurde gemeinsam mit den Mit-arbeitern eine machbare Optimierung der Hygiene gefunden und im Hygieneplan festgelegt. Abschließend erfolgte eine Probe-phase und danach die kritische Revision der Maßnahmen.

Man muss sich jedoch im Klaren darüber sein, dass es sich um eine pragmatische Lösung mit dem Ziel der Verbesserung der Infektionsprophylaxe/Hygiene handelt und nicht um eine optimale Lösung, wie man sie für einen medizinischen Betrieb vorsehen würde. Die Leitung muss hinter den Maßnahmen stehen, sonst wird die Umsetzung nicht gelingen.

Wie sieht ein Hygieneplan aus? Er setzt sich zusammen aus einer Risikobewertung, aus den Hygiene-, Reinigungs- und Desinfektionsanforderungen an Räume, Ausstat-tung, Arbeitsmaterialien sowie aus Empfeh-lungen und Vorgaben für die persönliche Hygiene inklusive Hautschutz und Arbeitsmedizinischer Vorsorge. Es werden zu den einzelnen Arbeitsmitteln in der Maske der Zeitpunkt, das Reinigungs- und Desinfektionsmittel und die Methoden aufgeführt (was, wann, womit, wie?).

Einen Ausschnitt aus Basishygiene zeigt  Tabelle 1.

Umsetzung für andere Bühnen

Die finanzielle Ausstattung, die örtlichen Bedingungen und die Anzahl der zu bearbeitenden Darsteller sind in den einzelnen Häusern sehr unterschiedlich, so dass jede Veranstaltungsstätte ihren eigenen Hygiene-plan erstellen muss. Nur dann kann dieser auch gelebt und authentisch vertreten wer-den. Sehr wichtig, wie schon erwähnt, ist die Sensibilisierung aller Beschäftigtengruppen, um eine Akzeptanz bei den Masken-bildern als auch den Darstellern zu erreichen. Beispielsweise kann man durch Information und Aufklärung dafür sorgen, dass die Darsteller bereits rasiert in der Maske erscheinen. So kann die Verletzungs- und Infektionsgefahr durch Rasuren unter Zeitdruck vermieden werden.

Diskussion

Natürlich kann man sagen: „Na, wann pas-siert denn schon einmal etwas?“. Dazu sind uns – trotz Recherche – keine Studien oder Zahlen zu Infektionen bei Maskenbildnern oder Darstellern bekannt, aber wer weiß denn schon, von wem er seinen Herpes, seine Gelbsucht o. Ä. hat? Welcher Darsteller denkt daran, dass eine Infektion durch die Tätigkeit entstanden sein könnte? Und ist nicht jede verhinderte Ansteckung den Mehraufwand wert? Im Übrigen kostet jede abgesagte Vorstellung ein Vielfaches des Präventionsaufwandes!

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Ausgehend von der Gefährdungsbeurteilung in der Maske ergibt sich die Notwendigkeit der individuellen Arbeitsmedizinischen Vorsorge. Sie kann die übrigen Maßnahmen der Gefahrenreduktion nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen.

Konkret: Es ist immer erstes Ziel, die Ex-positionsbedingungen zu verbessern, die Überschreitung von Grenzwerten und den Hautkontakt zu Gefahrstoffen (z. B. Feuchtarbeit, Isocyanate oder Lösemittel) zu ver-hindern als ausschließlich arbeitsmedizinische Vorsorge orientiert an den Empfehlun-gen der BG-Grundsätze zu initiieren.

  • Hautgefährdung („G 24“): Diese Gefährdung führt zur Angebotsvorsorge (haut-gefährdende Tätigkeit mehr als zwei, weniger als vier Stunden) oder zur Pflichtvorsorge (mehr als vier Stunden). Sie ist aus meiner Erfahrung notwendig, sinn-voll und effizient zur Früherkennung von Hautschäden und Verhinderung von chronischen Handekzemen als Berufskrankheit.
  • Atemschutzgerät („G 26 I oder II“): Prüfung, ob die Indikation zum Tragen ins-besondere einer Atemschutzmaske der Gruppe 2 besteht. Hier ist oft arbeitsmedizinische Überzeugungsarbeit gefragt, da das Schutzbedürfnis gegenüber Arbeitsstoffen nicht immer mit den tatsächlichen Gefahren übereinstimmt und die Gefährdung durch das Tragen von Masken ebenso wenig im Bewusstsein ist wie die Pflicht des Arbeitgebers, entsprechende arbeitsmedizinische Beratung oder auch Vorsorge zu veranlassen.
  • Infektionsgefährdung („G 42“): Der ungezielte Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen kommt vor bzw. kann vorkommen, sowohl bei Maskenbildnern als auch bei Darstellern (hier soll jetzt nicht weiter auf den Umgang z. B. im Rahmen von darstellenden Tätigkeiten, z. B. Küssen, eingegangen werden). Gemäß Arbeitsmedizinischer Vorsorgeverordnung ist hier keine Pflichtvorsorge vorgesehen. Eine Verpflichtung zur Angebotsvorsorge ist nach der Datenlage eher nicht außerhalb der Entstehung einer Infektion indiziert, denn Untersuchungen, Berichte zur Übertragung von Infektionen im Bereich der Masken-bildnerei sind uns trotz Recherche (In-ternet, RKI, BGW, VBG, UK Nord) nicht bekannt. Eine Wunschvorsorge nach § 5a ArbMedVV käme infrage, es sei denn, die getroffenen Maßnahmen führen da-zu, dass nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen ist. Und genau hier setzt der Hygieneplan an. Sein Ziel ist es, Gesundheitsschäden zu verhindern.
  • Impfungen können sowohl bei Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge ange-boten werden, wenn die Infektionsgefahr über dem der Allgemeinbevölkerung liegt. Ob dies hier zutrifft, muss im Einzelfall diskutiert werden. Hierzu sind Empfehlungen in den Hygieneplan aufgenommen worden. Jedoch boten die vorhandenen Informationen und Daten keine Basis, um eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Hepatitis-B-Impfung zu generieren (wenn dieses auch nicht unumstritten in unserem Kreise war).
  • Vorsorge zum Bildschirmarbeitsplatz („G 37“): Betrifft beispielsweise Abteilungsleitungen.

Persönliche Schutzausrüstung

Hier sind Betriebsärztin/-arzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit aufgerufen, bei der Anwendung und Auswahl zu beraten:

  • Handschuhe: die richtigen Handschuhe für die Tätigkeit (Materialien, Durchbruchszeiten, Dicke, Stulpenlänge)
  • Atemschutzmaske: partikelfiltrierende Halbmasken, Halb- oder Vollmasken mit Atemschutzfilter
  • Schutzbrille
  • Schutzkleidung (u. a.flüssigkeitsdichte Schürzen, Langarmkittel).

Gefahrstoffe

Die Gefahrstoffe sollen in einem Kataster gelistet sein. Regelmäßig soll im Rahmen der Ersatzstoffprüfung und bei der Neubeschaffung von Gefahrstoffen gemeinsam mit FASI und Betriebsarzt geprüft werden, ob es weniger gefährdende Stoffe gibt. Die Bevorratung soll fachgerecht erfolgen. Betriebsanweisungen sollen vorliegen. Die Persönliche Schutzausrüstung, wie Handschuhe, Atemschutz, Schutzbrille und -klei-dung sollen den Anforderungen des Arbeits-schutzes entsprechen. Eine Überschreitung der Grenzwerte (ggf. Messungen), Hautkontakt und Einatmen sollen vermieden werden (z. B. Arbeiten unter der Abzugshaube).

Unterweisung/Schulung/Information

Grundsätzlich ergibt es Sinn, wenn der Be-triebsarzt zu den genannten Themen im Rahmen von Unterweisungen oder Schulun-gen teilnimmt, besonders dann, wenn es um die Einführung eines neuen Instruments wie den Hygieneplan geht. Dabei ist die arbeitsmedizinische Beratung besonders wichtig, da die medizinische Information und Aufklärung für die Sensibilisierung zum Thema Hygiene/Infektionsgefährdung ein wesentlicher Bestandteil ist.

Es ist auch sinnvoll, die Darsteller zu sensibilisieren. Ihr Infektionsrisiko ist nicht auszuschließen und sie sollen befähigt wer-den, vorsorgen zu können. Sei es, dass der Impfstatus aktualisiert wird, sei es, dass sie selbst mit darauf achten lernen, dass sie unter Berücksichtigung der Infektionsprophylaxe/Hygiene in der Maske „bearbeitet“ werden.

Es empfiehlt sich, die Informationen an-schaulich mit Bildmaterial und Beispielen aus der Praxis und gegebenenfalls praktischen Übungen (z. B. UV-Lampe zur Kontrolle der korrekten Händedesinfektion) an-zureichern.

Fazit

Es ist sinnvoll, die Hygiene in der Maskenbildnerei sowohl bei deren Mitarbeitern als auch den Darstellern zu thematisieren, um zu einem verbesserten Arbeits- und Gesund-heitsschutz beizutragen.

Die Umsetzung beruht auf zwei Säulen: Nur mit Unterstützung der Leitung des Hauses und der Maskenbildnerei und mit Ein-bindung der betroffenen Mitarbeitergruppen ist ein auf die vor Ort herrschenden Bedingungen zugeschnittener und gelebter Hygieneplan möglich, denn es Bedarf der Änderung von Gewohnheiten und es kostet Zeit und – zumindest auf den ersten Blick – Geld. 

Literatur

BMAS: Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Bonn 2013.

Bundesverband der Unfallkassen: BGI 8560 – Gefahrstoffe in Veranstaltungs- und Produktions-stätten für szenische Darstellung. München, 2007.

Kramer A, Schwebke I, Kampf G: How long do nosocomial pathogens persist on inanimate surfades? A systematic review. BMC Infectious Diseases 2006; 6: 130.

Nienhaus A: Gefährdungsprofile – Unfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen in Gesundheits-dienst und Wohlfahrtspflege, Virusinfektionen bei Friseuren. Landsberg: Ecomed, 2005, S. 123–130.

Paintsil E et al.: Hepatitis C virus maintains infectivity for weeks after drying on inanimate surfaces at room temperature: implications for risks of transmission. J Infect Dis 2014; 209: 1205–1211.

    Weitere Infos

    Autorin

    Dr. med. Frauke Graue-Martens

    Betriebsärztin Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Ohnsorg-Theater

    Hanza – Hanseatisches Zentrum für Arbeitsmedizin

    Hammerbrookstraße 93

    20097 Hamburg

    f.graue-martens@hanza.de

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