Optische Strahlung – die vernachlässigte Gefahr?
Jeder Mensch ist immer und zu jeder Zeit optischer Strahlung ausgesetzt: im Freien, in Gebäuden, tagsüber und auch nachts. Nicht jede Strahlungsquelle stellt dabei eine Gefährdung dar, vieles ist völlig harmlos. Dennoch ist es wichtig, die Gefährdung im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung richtig zu benennen und dann einzuschätzen.
In den vergangenen Jahren hat sich nicht nur in der Welt des Arbeitsschutzes, sondern auch in der Allgemeinbevölkerung das Interesse an der Exposition gegenüber der kanzerogenen ultravioletten (UV-)Strahlung der Sonne erheblich verstärkt. Obwohl dieses Thema von großer Wichtigkeit ist und bleibt, so stellt die als schädlich erkannte UV-Strahlung nur einen kleinen der Teil der optischen Strahlung dar. Auch andere Teile des elektromagnetischen Spektrums, zu dem die optische Strahlung gehört, können gefährdend auf den Menschen einwirken. Die Sonne ist unsere bedeutsamste Quelle für natürliche optische Strahlung. Der Blick auf die Gefährdung zeigt, dass die Sonnenstrahlung durch manche künstliche Quelle optischer Strahlung darin deutlich übertroffen wird. Das wird in der Praxis leider oft vergessen, zum einen, weil Strahlungsquellen als solche nicht wahrgenommen werden, und zum anderen, weil keine Kenntnis über das tatsächliche Ausmaß der Exposition vorliegt.
Die Erfahrung zeigt, dass mancherorts noch ein erheblicher Nachholbedarf bei der Einschätzung und Quantifizierung der Strahlungsexpositionen von Beschäftigten besteht. Das gilt für den Geltungsbereich der Optischen Strahlungsverordnung (OStrV), aber gleichermaßen auch für Beschäftigungen im Freien mit der Sonne als Hauptstrahlungsquelle (s. auch Infobox 1).
In der Diskussion wird zwischen der optischen Strahlung natürlicher und künstlicher Quellen unterschieden. Aus rein physikalischer Sicht macht dies wenig Sinn, da einem Lichtquant, einem Photon, nicht die Information innewohnt, woher es kommt. Die Zusammensetzung des Strahlungsspektrums ändert sich von Quelle zu Quelle, so dass hieraus und aus der eigentlichen Bestrahlungsstärke die Gefährdung durch die Quelle resultiert. Dementsprechend basiert die Beurteilung von Strahlungsspektren auf so genannten Wichtungsfunktionen, die jede Wellenlänge entsprechend der biologischen Wirksamkeit bewerten.
Biologische Wirkung optischer Strahlung
Wie bei anderen physikalischen Einwirkungen auch gibt es Bereiche der optischen Strahlung, die durch die menschlichen Sinne nicht erfasst werden können. Das führt zum einen dazu, dass Expositionen nicht vor Beginn der Schädigung bemerkt werden, und zum anderen, dass (langfristige) Schädigungen als solche gar nicht in Betracht gezogen werden.
Die Eindringtiefe der optischen Strahlung in den Körper ist wellenlängenabhängig und damit verbunden auch die biologische Wirkung. Grundsätzlich sind Augen und Haut die Zielorgane, innere Organe sind nicht erreichbar. Mit Hilfe von Wirkungsspektren, die aus intensiver Forschungsarbeit resultieren, kann die Bewertung der Strahlung gemäß ihres Effekts auf das Zielorgan erfolgen (s. DIN 5031-10:2016-11). Augen und Haut können unterschiedlich geschädigt werden, sowohl akut als auch langfristig.
Das am meisten gefährdete Organ beim Umgang mit optischer Strahlung ist aber das Auge. Die vorderen Bereiche können insbesondere durch UV-Strahlung geschädigt werden, es kann zu einer Hornhaut- oder Bindehautentzündung kommen. Letztere ist landläufig bekannt als „Schneeblindheit“, „Verblitzen der Augen“ oder „Schweißer-blende“. Die Netzhaut ist besonders empfindlich gegenüber zu hohen Bestrahlungsstärken. Sichtbare Teile und Teile der IR-Strahlung können sie erreichen; eine Schädigung ist irreversibel und kann zu einer (lokalen) permanenten Blindheit führen. Die Haut ist ein sekundäres Empfangsorgan für optische Strahlung, sie erfasst keinen optischen Eindruck. UV-Strahlungsexposition kann beispielsweise zu einem akuten Sonnenbrand, chronischer Hautalterung oder auch langfristig zu Hautkrebs führen; eine zu hohe Exposition gegenüber Licht oder IR-Strahlung kann eine Verbrennung bewirken.
Was ist im Arbeitsschutz zu tun?
Beschäftigte müssen vor Gefährdungen durch optische Strahlung geschützt werden. Im Rahmen einer Präventionskultur sollte dies zur Selbstverständlichkeit werden. Das Stichwort heißt „Gefährdungsbeurteilung“, die vor Aufnahme einer Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen durchzuführen ist.
Die Gefährdungsbeurteilung ist ein vielschichtiges Instrument, das klaren Abläufen und Regeln unterworfen ist. Beginnend mit der Informationsermittlung erfolgt eine Bewertung der Qualität der zur Verfügung stehenden Daten. Steht fest, dass die vorliegenden Informationen nicht ausreichen, um zu einer Entscheidung zu kommen, dann muss eine eingehende Expositionsermittlung geplant werden. Hierzu müssen unter anderem folgende Fragen gestellt werden:
- Haben Beschäftigte oder ihre Interessenvertreter bereits Erfahrungen?
- Gibt es Bereiche und Tätigkeiten mit optischer Strahlungsemission?
- Welche Strahlungseigenschaften werden vorgefunden?
- Gibt es mehrere, gleich zu beurteilende Arbeitsbereiche?
- Welche Messstrategie ist am ehesten geeignet?
- Gibt es eine Alternative zur Messung?
Nach der Ermittlung der Exposition müssen Maßnahmen nach dem Stand der Technik abgeleitet und durchgeführt werden, sofern unter Berücksichtigung der Unsicherheit der gewählten Ermittlungsmethode eine Gefährdung ausgeschlossen werden kann. Zu diesen Maßnahmen gehören solche nach dem TOP-Prinzip, wie zum Beispiel Unterrichtung und Unterweisung der Beschäftigten, aber auch die Organisation einer arbeitsmedizinischen Vorsorge. Dieser Schritt wird iterativ immer wiederholt, wenn die Wirksamkeitsprüfung noch keine ausreichende Minimierung der Gefährdung ergibt.
Sind die Ziele des Schutzes erreicht, so muss der gesamte Vorgang inklusive der getroffenen Maßnahmen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben dokumentiert werden. Zu beachten ist dabei, dass es für den Geltungsbereich unterschiedlicher Gesetze und Verordnungen bisweilen auch unterschiedliche Aufbewahrungsfristen gibt.
Die Gefährdungsbeurteilung ist kein einmaliger Vorgang, sondern ein Prozess. Sie muss stetig auf aktuellem Stand gehalten und überprüft werden, insbesondere wenn
- neue oder zusätzliche Maschinen oder Arbeitsmittel eingesetzt werden,
- Änderungen der Tätigkeit, der Arbeitsverfahren, -umgebung oder Schutzmaßnahmen anstehen,
- neue Erkenntnisse zu Wirkungen von optischer Strahlung vorliegen,
- sich die betreffenden Vorschriften ändern,
- sich Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge hinsichtlich einer Gefährdung ergeben.
Seit einigen Jahren gibt es konkrete Regelungen für den Arbeitsschutz. Die Mindestvorschriften zum Schutz der Beschäftigten vor künstlicher optischer Strahlung sind auf europäischer Ebene durch die EU-Richtlinie 2006/25/EG geregelt, die im Jahr 2010 auf nationaler Ebene in der Optischen Strahlenverordnung (OStrV) umgesetzt worden ist. Technische Regeln zur Konkretisierung geben dem Arbeitgeber Hilfen bei der Umsetzung der Vorschriften und der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung (TROS, s. „Weitere Infos“, s. auch Infobox 1).
Für den Schutz der Versicherten vor natürlicher optischer Strahlung bestehen keine direkten Vorschriften oder Expositionsgrenzwerte. Dennoch muss der Arbeitgeber im Sinne der Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie 89/391/EWG optische Strahlung entsprechend berücksichtigen. Forschung muss zudem zeigen, ob Erfahrungen aus dem Bereich der künstlichen Strahlung auf die natürliche Strahlung übertragbar sind.
Berechnen und Messen der UV-Strahlung der Sonne
Wenn es darum geht, die UV-Strahlungsexposition durch die Sonne zu ermitteln, dann kann es je nach Anforderung notwendig werden zu rechnen oder zu messen. Seit der Einführung der Berufskrankheit Nr. 5103 „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung“ ist es für die Anerkennung relevant, wie viel kanzerogene UV-Strahlung während eines Lebens angesammelt wurde. Hier können Messungen nur bedingt weiterhelfen, da sich die damaligen Arbeitsbedingungen möglicherweise heutzutage nicht mehr wiederfinden lassen. Dann muss man unter Kenntnis der heutigen Exposition mit Hilfe von Algorithmen Berechnungen durchführen. Der in der Unfallversicherung gängige Algorithmus hierfür ist die „Wittlich’sche Formel“ (Wittlich et al. 2016).
Die Idee des mathematischen Modells, das die Exposition beschreibt, geht von einer Referenzbestrahlung aus, die durch „Zeitfaktoren“, „geografische Faktoren“ und „persönliche Faktoren“ auf Basis der vom Versicherten gemachten Angaben individualisiert werden kann. Die jährliche während der Arbeit gesammelte Bestrahlung ist eine Summe aller Einzelbestrahlungen, die beispielsweise während verschiedener Beschäftigungsverhältnisse oder verschiedener Tätigkeiten stattgefunden haben.
Die Referenzbestrahlung ist zurzeit festgelegt auf einen Jahreswert von 300 SED, sollte aber nach den Ergebnissen der GENESIS-UV-Studien mittelfristig durch ein Kataster der Expositionen verschiedener Berufs- und Tätigkeitsgruppen ersetzt werden. Die dosimetrischen Messungen, die dann in das Kataster einfließen werden, spiegeln dabei den durchschnittlichen Beschäftigten in dem Berufsbild wider. Dementsprechend wird der Referenzwert für die gesamte UV-Bestrahlung eines Versicherten durch das Tätigkeitsprofil des Versicherten definiert. Individuelle Anpassungen können dennoch für einen Beschäftigten gemacht werden, die von dem durchschnittlichen Beschäftigten der betrachteten Gruppe deutlich abweichen.
Für Prävention und Berufskrankheitengeschehen ist die Messung der tatsächlichen Exposition demnach von entscheidender Bedeutung. Daher werden seit dem Jahr 2014 großangelegte Feldstudien mit dem neuen System GENESIS-UV (GENeration and Extraction System for Individual expoSure) des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) durchgeführt. Bislang trugen etwa 1000 Probanden aus den unterschiedlichsten Tätigkeitsfeldern bei. Es konnten bislang über 3,4 Milliarden valide Datensätze gesammelt werden, die über 80.000 auswertbaren Messtagen entsprechen. Die bisher gewonnenen Ergebnisse sowie die entsprechend festgelegten Tätigkeitsprofile lassen sich auf den Webseiten des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA; s. „Weitere Infos) einsehen.
Der Wertebereich für die jährliche Bestrahlung in den verschiedenen Berufen erstreckt sich von 39 SED (SED = Standarderythemdosis, 1 SED = 100 J/m² erythemwirksame Bestrahlung) bis hin zu 581 SED. Das Potenzial für Schädigungen an den Zellen in der Haut ist von der Energie abhängig – je kürzer die Wellenlänge, desto höher die Energie und damit im Prinzip auch das Schädigungspotenzial. Jede Wellenlänge der einfallenden Strahlung wurde hinsichtlich ihrer Fähigkeit gewichtet, einen Sonnenbrand („Erythem“) auszulösen. Zum Vergleich: Für einen hellen Hauttyp („1“, nach Fitzpatrick, blonde/rötliche Haare, Sommersprossen, bräunt nie) liegt die Schwelle, nachdem ein Sonnenbrand ausgelöst wird, zwischen 1 SED und 1,5 SED. Der in Deutschland am häufigsten (78 %) vorkommende Hauttyp 3 erreicht die Sonnenbrandschwelle etwa bei 3 SED.
Ein Blick auf die Übersicht der zehn Berufe mit den höchsten Bestrahlungen ( Abb. 1) bestätigt die Vermutung, dass dort eine Vielzahl von Berufen aus der Bauwirtschaft zu finden sind. Dennoch verfälscht der Blick auf dieses „TOP-10-Ranking“ den Gesamteindruck. Nicht alle Berufe aus der Bauwirtschaft gehen auch mit solch hohen Bestrahlungen einher. Neben den Hochexponierten, wie beispielsweise den Kanalbauern (581 SED), gibt es auch im Bausektor Niedrigexponierte wie die Führer von Turmdrehkranen (39 SED, Abb. 2), die sich nahezu den gesamten Arbeitstag im Kranführerhaus aufhalten. Grundsätzlich kann aus den Daten – und den Berufen mit den höchsten Expositionen – abgeleitet werden, dass es immer die Beschäftigten sind, die kaum Schatten zur Arbeit finden.Viele Studien haben aber auch gezeigt, dass bei den Beschäftigten oftmals das Bewusstsein für die Gefährdung fehlt, oder sie ignorieren diese.
Gerade diese Messergebnisse können den Arbeitgebenden nützliche Hilfestellung bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung geben. Sobald das Kataster fertiggestellt ist, können auch bis auf die einzelnen Tätigkeiten spezifizierte Schutzmaßnahmen ausgewählt werden.
Optische Strahlung künstlicher Quellen
Die lange Praxis lehrt, dass optische Strahlung am Arbeitsplatz in vielen Formen auftritt. Grob können diese Arbeitsplätze in Gruppen eingeteilt werden, unabhängig davon, ob es sich um eine bewusste Erzeugung der optischen Strahlung handelt oder ob diese prozessbegleitend auftritt. Bei der Gruppe mit hoher Exposition, wie zum Beispiel bei allen Varianten des Elektrohandschweißens, kann eine verkürzte Gefährdungsbeurteilung für die Beschäftigten direkt zu dem Ergebnis führen, dass Schutzmaßnahmen für Augen und Haut unbedingt verwendet werden müssen. In diesem Beispiel kommt es bereits nach Sekunden zu einer Überschreitung des Expositionsgrenzwertes; daher ist ein vollständiger Schutz der Person unumgänglich. Es gibt aber auch Arbeitsplätze, die nach branchenspezifischen Grundsätzen aufgebaut werden sollten, wie zum Beispiel die Rissprüfung mit UV-Strahlung. Berücksichtigt man die Vorgaben in solchen Grundsätzen (an denen zumeist die Unfallversicherung beteiligt ist), kann von einer Einhaltung der Expositionsgrenzwerte ausgegangen werden und eine aufwändige, komplexe Messung ist nicht notwendig.
In eine zweite Gruppe sind die Expositionssituationen einzuordnen, bei denen die Sachlage nicht so klar ist und insbesondere die Expositionszeit den entscheidenden Faktor darstellt. Je länger die Exposition andauert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, den Grenzwert zu erreichen. Hieraus lassen sich aber je nach Arbeitsplatz organisatorische Schutzmaßnahmen ableiten – wie Abkühlpausen bei zu hoher Exposition durch Wärmestrahlung – und klare Schlussfolgerungen für den Arbeitsschutz ziehen. Oft müssen Expositionsmessungen durchgeführt werden, die eine Aussage über die Grenzwerte möglich machen – der Aufwand steigt.
Das Büro, der Monitor und die Raumbeleuchtung
Bereits zur Zeit der Einführung der EU-Richtlinie 2006/25/EG und der nationalen Umsetzung, der Optischen Strahlenverordnung, würde befürchtet, dass jede auch noch so triviale Strahlungsquelle (z.B. Deckenleuchte) hinsichtlich ihrer Gefährdung untersucht und in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen werden müsste. Dies ist nicht notwendig, denn eine bestimmungsgemäße Verwendung von Raumbeleuchtung führt nicht zu einer nennenswerten Exposition der Beschäftigten. Ebenso verhält sich dies mit Computermonitoren, man kann sie als strahlungsphysikalisch sicher bezeichnen. Ausdrücklich erwähnt werden soll aber, dass hierbei nicht die Wirkung auf den zirkadianen Zyklus subsummiert ist. Dazu muss noch Forschung angestellt werden, die dann aber nicht auf die Strahlungsphysik als solche ausgerichtet ist.
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass Bühnenbeleuchtung eine Ausnahme darstellen kann. Ein Verbund von Forscherinnen und Forschern ist gerade dabei, Untersuchungen an Strahlern hoher Leistung durchzuführen. Werden diese gebündelt eingesetzt (z.B. „Spotlight“), dann kann eine Blaulichtgefährdung der Augen nicht ausgeschlossen werden.
Was kann die Zukunft bringen?
Obwohl es bereits viele Regelungen, Forschungsergebnisse und Schutzmaßnahmen gibt, bleibt auch zukünftig im Spannungsfeld der optischen Strahlung noch viel zu tun. Eines der vordringlichen Ziele ist die Ableitung branchen- und tätigkeitsspezifischer Schutzmaßnahmen für UV-Expositionen durch die Sonne im Freien. Inwiefern sich Schutzmaßnahmen, die bereits seit Jahren erfolgreich in der betrieblichen Praxis zum Schutz vor künstlicher optischer Strahlung eingesetzt werden, verwenden lassen, muss noch erörtert werden. In jedem Fall aber ist eines der vordringlichen Ziele die Verhaltensprävention. Dazu gehört ein holistischer Ansatz zum Schutz der Haut und der Augen, er schließt also das Freizeitverhalten mit ein.
Die Frage, die im Zusammenhang mit der künstlichen UV-Strahlung immer wieder gestellt wird, ist die Berufskrankheiten-(BK-)Reife. Es wird noch viel Forschungsarbeit zu leisten sein, bis diese Frage medizinisch und juristisch fest beantwortet werden kann. Die biologische Wirksamkeit der vom Sonnenspektrum deutlich abweichenden Strahlungsspektren muss noch genauer untersucht werden, da die aktuellen Wirkungskurven unzureichend sind. Zudem muss der Einfluss der sich unterscheidenden Expositionsszenarien (im Freien eher konstante Exposition, gegenüber künstlichen Quellen eher intermittierend) in jedem Fall studiert werden. Aufgrund der geringen Fallzahlen ist auch eine epidemiologische Näherung an das Thema schwierig. Wird der Arbeitsschutz, der durch Verordnung und Technische Regeln bereits gut reguliert ist, konsequent umgesetzt, dann ist ein weitreichender Schutz der Beschäftigten bereits heute möglich.
Literatur
DIN 5031-10:2016-11 (Entwurf): Strahlungsphysik im optischen Bereich und Lichttechnik – Teil 10: Photobiologisch wirksame Strahlung, Größen, Kurzzeichen und Wirkungsspektren. Berlin: Beuth .
Richtlinie 2006/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (künstliche optische Strahlung) (19. Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG), Amtsblatt der Europäischen Union, L 114/38 – L 114/60.
Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung vom 19. Juli 2010 (BGBl. I S. 960).
Wittlich M, Westerhausen S, Kleinespel P, Rifer G, Stoppelmann W: An approximation of occupational lifetime UVR exposure: algorithm for retrospective assessment and current measurements. J Eur Acad Dermatol Venereol 2016; 30 (Suppl 3): 27–33.
Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Info 1
Vorkommen von Optischen Strahlungsquellen
Quellen optischer Strahlung sind vielfältig. Hierzu gehören alle Quellen, die elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich von 100 nm bis 1 mm emittieren. Dies beinhaltet unter anderem UV-Strahlung, sichtbare und infrarote Strahlung, aber auch langwelligere Strahlung, die beispielsweise bei Nackt-Scannern auf Flughäfen verwendet wird („Terahertz-Strahlung“).
Grundsätzlich strahlt jeder Körper, jeder Gegenstand, alles, was eine Temperatur besitzt – das folgt aus dem Planck’schen Strahlungsgesetz. Entsprechend ist man ohnehin und immer Strahlung ausgesetzt.
Das prominenteste Beispiel für natürliche Strahlungsquellen ist die Sonne. Sie entsendet große Mengen an Energie, die wellenlängenabhängig von unserer Atmosphäre absorbiert wird. Wir sind an Teile des solaren Spektrums gut angepasst, so dass unser Körper einen natürlichen Schutz aufweist. Da aber eine evolutive Anpassung sehr viel länger dauert als Veränderungen im Verhalten, ist der Schutz nicht ausreichend. Beispiel: Noch im vorletzten Jahrhundert war es schön, blasse Haut zu haben und sich vor zu viel Sonne stark zu schützen. Heutzutage ist „Sonnenbaden“ keine Seltenheit mehr. Dieses Verhalten in Verbindung mit einer deutlich erhöhten Lebenszeit stellt erhebliche Anforderungen an das Funktionieren der Haut zum Schutz vor optischer Strahlung. Eine negative Folge zu hoher Exposition kann der Hautkrebs durch UV-Strahlung sein, der nach Jahrzehnten auftritt.
Künstliche Quellen optischer Strahlung sind extrem vielfältig. Für so genannte Wärmestrahler ist es eine Frage der Temperatur: Metall- oder Glasschmelzen mit Temperaturen bis 1700 °C haben ihre wesentlichen Strahlungsanteile im Infraroten, bei Temperaturen darüber muss auch die Gefährdung durch UV-Strahlung beachtet werden. Diese Strahlungsquellen sind auch gut zu bewerten – die Expositionsberechnung kann auf dem Papier erfolgen, alleine durch das Wissen der Schmelzentemperatur und der Fläche der Strahlungsquelle.
Etwas anders sieht es bei Strahlungsquellen aus, die Emissionslinien aussenden – wie zum Beispiel Schweißlichtbögen, Gasbrennerflammen, UV-Lampen (Entkeimung, Glaskleben, Rissprüfung), LED, Wärmelampen und viele mehr. Die Masse der Anwendungen ist nicht so einfach kalkulierbar und muss durch Messungen der Emission/Exposition der Beschäftigten charakterisiert werden.
Info 2
Expositionsgrenzwerte zum Schutz vor künstlicher Optischer Strahlung
Zum Schutz vor künstlicher optischer Strahlung gibt es wissenschaftlich erforschte Expositionsgrenzwerte. Werden diese eingehalten, dann kann davon ausgegangen werden, dass keine akuten Schädigungen durch optische Strahlung auftreten. Ob sie auch vor langfristigen Schädigungen schützen, wie zum Beispiel Hautkrebs durch UV-Strahlung, ist nicht erwiesen und wird von einigen Fachleuten stark bezweifelt.
Diese Expositionsgrenzwerte sind bei jeder Quelle optischer Strahlung abzuprüfen ( Abb. 3). Dabei ist eine Messung ein probates Mittel, jedoch nicht zwingend erforderlich, wenn sich die Information auch anders erlangen lässt (z.B. durch Herstellerangaben).
Checkliste
Kernpunkte bei der Auswahl von Schutzmaßnahmen
- Stand der Technik berücksichtigen
- Arbeitsmittel so auswählen, dass keine oder nur vernachlässigbare Expositionen der Beschäftigten auftreten können
- Alternative Arbeitsverfahren prüfen
- Technische Schutzmaßnahmen, vorrangig an der Quelle (wenn möglich): z. B. Abschirmungen, Einhausungen, Verriegelungseinrichtungen, optischer Filter
- Organisatorische Schutzmaßnahmen: z. B. Abstand zwischen Quelle und Beschäftigten erhöhen, Aufenthaltsdauer begrenzen, Kennzeichnung, Warnsignale, Unterweisung
- Persönliche Schutzmaßnahmen: z. B. geeignete Arbeits-, Berufs- oder Dienstkleidung, Auswahl geeigneter Persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Augen- und Gesichtsschutz, textiler Hautschutz
- Beschäftigte bei der Auswahl von Schutzmaßnahmen einbinden
Weitere Infos
GENESIS-UV: Messergebnisse aus den Messkampagnen
Technische Regeln inkohärente optische Strahlung
Autor
Dr. rer. nat. Marc Wittlich
Institut für Arbeitsschutz der DGUV
Alte Heerstraße 111
53757 Sankt Augustin