Einleitung
Die meisten Menschen kennen gelegentliche Ein- und Durchschlafstörungen, insbesondere in Lebensphasen mit erhöhter berufli-cher oder privater Belastung. In vielen Fällen klingen die Beschwerden nach einiger Zeit ohne Behandlung wieder ab, sobald die akute Belastungsphase überwunden ist. Für einen bedeutenden Anteil der Bevölkerung jedoch werden die Schlafstörungen zu einem lang andauernden Problem, das Lebensqualität und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträch-tigen kann – so wurde in groß angelegten Studien herausgefunden, dass etwa 7–10 % der Bevölkerung unter einer Insomnie leiden, also Ein- und Durchschlafstörungen mit Krankheitswert haben. Von einer Insomnie wird dann gesprochen, wenn die Schlafstörungen ein erhebliches Ausmaß annehmen (als Richtwert gilt mindestens dreimal pro Woche über mindestens drei Monate) und zu Beeinträchtigungen der Tagesbefindlichkeit führen (beispielsweise Müdigkeit, reduzierte Konzentrationsfähigkeit und Motivation, ge-drückte oder gereizte Stimmungslage; American Academy of Sleep Medicine 2014).
Wie man sich leicht vorstellen kann, stellt eine chronische Insomnie für die Betroffenen eine große Belastung dar und kann auch die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz einschränken. Hinzu kommt, dass ein chronisch gestörter Schlaf einen Risikofaktor für Folge-erkrankungen darstellt. Zahlreiche bevölke-rungsweite Studien zeigten mittlerweile, dass Schlafstörungen das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen. Wodurch dieser Zusammenhang vermittelt wird ist, ist bislang nicht ausreichend geklärt. Zunächst ein-mal ist ausreichend Schlaf wichtig für die metabolische Erholung des Körpers und der Organe. Möglicherweise könnte auch eine persönliche Tendenz zum Grübeln und sich Sorgen, kombiniert mit einer hohen körperlichen und emotionalen Anspannung (sog. „Hyperarousal“) sowohl die Neigung zu re-gelmäßigen Schlafstörungen als auch das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen er-höhen. Darüber hinaus könnte auch ein regelmäßiger Schlafmittelgebrauch die kardio-vaskuläre Gesundheit gefährden.
Neben körperlichen Erkrankungen stehen Schlafstörungen auch in Verbindung mit psychischen Erkrankungen. Eine aktuelle Übersichtsarbeit zeigte, dass Menschen mit Insom-nie, im Vergleich zu Menschen ohne Schlafstörungen, ein zweifach erhöhtes Risiko ha-ben, an einer Depression zu erkranken. Eine Depression ist eine schwerwiegende psychi-sche Erkrankung, die sich insbesondere durch langfristig gedrückte Stimmung, chronische Erschöpfung und Motivationslosigkeit bemerkbar macht. Während eine Insomnie als Einzelerkrankung Menschen anfälliger für psychische Erkrankungen macht, gehen die meisten psychischen Störungen wie Depres-sionen, Angststörungen und Abhängigkeiten auch mit gestörtem Schlaf einher. Zusammen-fassend zeigen aktuelle Forschungsergebnisse also, dass chronische Schlafstörungen als Erkrankung ernst genommen werden müssen, da sie häufig auftreten, mit hohem Leidensdruck und reduzierter Leistungsfähig-keit einhergehen können, und mit anderen körperlichen und psychischen Erkrankungen in Verbindung stehen können.
Für die Arbeitswelt können Schlafstörungen in verschiedener Hinsicht eine Rolle spielen. Zunächst kann sich schlechter Schlaf negativ auf die Arbeitszufriedenheit und die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz auswir-ken. Umgekehrt können bestimmte Arbeits-bedingungen sich störend auf den Schlaf auswirken – hier ist vor allem an Schicht- und Nachtarbeit zu denken. Mit diesen Fragen beschäftigen sich die beiden folgenden Abschnitte.
Reduziert schlechter Schlaf die Arbeitsfähigkeit?
Eine pauschale Antwort auf diese Frage lautet: „Ja, und zwar in verschiedener Hinsicht“. Aktuellen Studien zufolge haben Menschen mit persistierenden Schlafstörungen ein min-destens 1,5-mal so hohes Risiko für einen Arbeitsunfall wie Menschen mit gesundem Schlaf. Auch Schicht- bzw. Nachtarbeit er-höht einerseits per se das Risiko für Arbeits-unfälle, da während der biologisch determi-nierten Ruhephase gearbeitet werden muss, und macht andererseits anfälliger für Schlaf-störungen, die wiederum zu Arbeitsunfällen beitragen können.
Eine wissenschaftliche Studie mit über 5000 skandinavischen Angestellten (Tagarbeiter) zeigte, dass eine niedrige subjektive Schlafqualität mit Erschöpfung nach der Ar-beit, erhöhtem Grübeln über die Arbeit, und niedrigerem Wohlbefinden am Arbeitsplatz korreliert.
Auch eine koreanische Befragung kam zu dem Schluss, dass Schlafstörungen mit Merkmalen einer niedrigen subjektiven Arbeitszufriedenheit wie erlebten hohen An-forderungen, wenig Kontrollerleben, niedri-gem Wohlbefinden und unzureichender so-zialer Unterstützung einhergehen. Da es sich hier um Querschnittstudien handelt, bleibt jedoch die Kausalität hinter diesem Zusam-menhang weitgehend unklar: Macht schlech-ter Schlaf unzufrieden, führt Belastung am Arbeitsplatz zu Schlafstörungen, oder gibt es weitere Einflussfaktoren, die sich sowohl auf den Schlaf als auch auf die Arbeitszufrieden-heit negativ auswirken? Und wie wirkt sich der schlechte Schlaf auf die Leistung am Ar-beitsplatz aus?
Diesbezüglich kam eine Übersichtsarbeit, in der 30 Studien zum Thema zusammen-gefasst wurden, zu dem Schluss, dass Insom-nie neben einer erhöhten Arbeitsunfallgefahr auch mit erhöhten Fehlzeiten, geringerer Pro-duktivität, niedrigerer Arbeitszufriedenheit und reduziertem Karrierefortschritt in Zusammenhang steht (Kucharczyk et al. 2012). Die Fehlzeiten scheinen bei Insomniepatien-ten etwa doppelt so hoch zu sein wie bei Ar-beitern mit gesundem Schlaf.
Eine andere Studie fand, dass Insomnie-patienten im Schnitt drei Fehltage mehr pro Jahr aufwiesen als Kontrollpersonen, so dass Gesunde im Schnitt auf drei, Insomniepatien-ten auf sechs krankheitsbedingte Fehltage pro Jahr kommen.
Ein weiteres Problem neben Fehlzeiten und reduzierter Arbeitsleistung ist der sog. „Präsentismus“. Damit ist gemeint, dass An-gestellte sich nicht krank melden, sondern zur Arbeit erscheinen, obwohl sie sich nicht gut fühlen, und dort dann reduziert leistungsfähig sind. Einer amerikanischen Studie zufolge verloren Patienten mit Insomnie durch Präsentismus hochgerechnet im Mittel 11 Ar-beitstage und lagen damit signifikant höher als Menschen mit gutem Schlaf.
Lediglich auf eine gemessene Ergebnis-variable scheint die Insomnie überhaupt keinen negativen Einfluss zu haben: die Pünkt-lichkeit. Eine Untersuchung unserer Arbeits-gruppe zeigte, dass sich Patienten mit Insom-nie, im Vergleich zu Patienten mit anderen Schlafstörungen, sogar durch eine frühere Ankunftszeit im Schlaflabor auszeichnen. Dies erstaunt zunächst, da vorstellbar wäre, dass Menschen mit Schlafstörungen häufig länger liegen bleiben, um Schlaf nachzuho-len. Eine mögliche Erklärung für die höhere Pünktlichkeit ist, dass Patienten mit Insom-nie zu einem hohen Grad an Perfektionismus neigen. Perfektionismus ist ein Charakterzug mit hohen persönlichen Standards, Streben nach Vollkommenheit und Angst vor Fehlern.
Eine potenzielle Limitation der genann-ten Übersichtsarbeit ist, dass sowohl die Schlafstörung als auch die Arbeitsleistung primär subjektiv erfragt wurden. Es wäre also prinzipiell möglich, dass Patienten mit Insomnie ihre Arbeitsleistung aufgrund ih-rer hohen Standards geringer einstufen – jedoch bei einer objektiven Messung der Arbeitsleistung nicht oder nur geringfügig schlechter abschneiden würden als Menschen ohne Schlafstörung. Bei objektiven kognitiven Leistungstests zeigen Insomniker Defizite insbesondere in den Bereichen Aufmerksamkeit und Gedächtnis, diese sind jedoch eher gering ausgeprägt (Fortier-Brochu et al. 2012).
Eine Längsschnittuntersuchung lieferte jedoch Hinweise darauf, dass Schlafstörun-gen durchaus ein Prädiktor für arbeitsbezo-gene Probleme sind: Hier wurden zu einem ersten Messzeitpunkt bei über 37 000 Menschen im arbeitsfähigen Alter Symptome von Insomnie und Depression erfasst (Overland et al. 2008). Zu einem Folgezeitpunkt 18 bis 48 Monate später wurde dann erfasst, ob die Studienteilnehmer arbeitsunfähig geworden waren. Insomnie und Depression waren beide ähnlich gute Prädiktoren für die Arbeitsunfähigkeit und erhöhten das Risiko um etwa 1,5 %. Ein gemeinsames Auftreten beider Störungsbilder erhöhte das Risiko nicht über das individuelle Risiko hinaus. Dies ist insofern erstaunlich, als Depression im Vergleich zu Insomnie in der Regel als die schwerwiegendere Erkrankung eingestuft wird. Die Ergebnisse dieser großen bevölkerungsweiten Stichprobe belegen je-doch, dass Schlafstörungen genauso ernst zu nehmen sind und deuten darauf hin, dass Präventionsmaßnahmen nicht nur depres-sive Symptome oder die „Burnout“-Proble-matik, sondern auch den Schlaf miteinbe-ziehen sollten, vor allem auch vor dem Hintergrund der hohen Prävalenz von Schlafstörungen.
Stört Arbeit den Schlaf?
Die Antwort auf diese Frage dürfte lauten: „Es kommt darauf an”. Zu hohe Belastung und Konflikte am Arbeitsplatz können sich wohl bei jedem Menschen zumindest pha-senweise negativ auf die Schlafqualität auswirken. Während soziale Unterstützung, er-lebte Kontrolle und erlebte Gerechtigkeit am Arbeitsplatz in einer wissenschaftlichen Untersuchung mit besserem Schlaf assoziiert waren, standen hohe Arbeitsbelastung, Mob-bing und erlebte Ungerechtigkeit mit Schlaf-störungen in Verbindung. Eine ganz direkte Einwirkung der Arbeit auf den Schlaf besteht insbesondere bei Menschen, die durch feste Arbeitszeiten gezwungen sind, entgegen ihrer natürlichen „inneren Uhr“ zu schlafen und zu arbeiten.
Einer skandinavischen Bevölkerungsumfrage zufolge schlafen Handwerker, Anlagenbediener und Kraftfahrer signifikant kürzer als Führungskräfte und Servicekräfte. Dementsprechend ist auch deren subjektive Schläfrigkeit am Tage erhöht. Der Studie zu-folge ist dieser Unterschied auf frühere Aufstehzeiten bei ähnlichen Bettzeiten zurück-zuführen, könnte also mit einem früheren oder unflexibleren Arbeitsbeginn zusammen-hängen. Insbesondere Menschen, die regelmäßig Schicht- und/oder Nachtarbeit leisten müssen, erleben häufig eine deutliche Beeinträchtigung ihrer Schlafqualität durch die Arbeit. Dies hängt damit zusammen, dass Menschen ein genetisch determiniertes zeit-liches „Fenster“ verfügen, in dem typischerweise eine Schlafneigung auftritt und in dem auch gut geschlafen werden kann. Alle bio-logischen Rhythmen des Menschen, also neben Schlaf z. B. auch die Körpertempera-tur, der Blutdruck, die Nahrungsaufnahme und die Hormonsekretion, sind auf dieses Fenster hin ausgerichtet. Die meisten Menschen, etwa 70 %, sind sog. Normaltypen. Sie werden ohne äußere Einflüsse ca. gegen 0 Uhr, plus/minus eine Stunde, müde und schlafen dann für 7–8 Stunden. Chronotypen sind jedoch normalverteilt – das heißt, dass bei einer geringeren Prozentzahl der Be-völkerung das optimale Schlaffenster deutlich früher oder später liegen kann. Unabhängig davon ist auch die benötigte Schlaf-dauer individuell unterschiedlich. Zwingt die Arbeit den Menschen nun dazu, regelmäßig außerhalb seines natürlichen Schlaffensters zu schlafen und während der biologischen Schlafenszeit zu arbeiten, erhöht sich dadurch die Wahrscheinlichkeit für Schlafstörungen.
Eine Schlafstörung durch Schichtarbeit wird diagnostiziert, wenn Schichtarbeiter regelmäßig über einen gestörten Schlaf und eine erhöhte Müdigkeit am Tag klagen. Bei etwa 5–10 % der Schichtarbeiter liegt eine solche Schlafstörung vor. Je nach Chronotyp können die verschiedenen Schichten unterschiedlich gut toleriert werden: Frühtypen, die von Natur aus früh zu Bett gehen und früh wach werden, haben wenig Probleme mit Frühschicht, sind jedoch ungeeignet für Spät- und Nachtschichten. Spättypen hingegen können Nachtschichten recht gut tolerieren, reagieren jedoch auf Frühschichten mit reduzierter Schlafqualität.
Auch auf dauerhafte Nachtarbeit rea-gieren Menschen unterschiedlich. Insbeson-dere eine klassische Insomniesymptomatik ist bei Nachtarbeitern mit kognitiven und funktionalen Einschränkungen assoziiert. Die klassische Insomnie ist durch eine Schlaf-losigkeit während der Nacht gekennzeichnet. Gleichzeitig berichten Betroffene in der Regel, sich tagsüber eher aufgedreht und hyperaktiv zu fühlen, sie können also auch tagsüber nicht schlafen. Eine andere Gruppe von Nachtarbeitern hingegen, die auch über schlechten Schlaf klagt, aber sich tagsüber schläfrig fühlt, zeigte in einer wissenschaftlichen Studie keine reduzierte Leistungsfähigkeit gegenüber Gesunden. Eine mögliche Erklärung ist, dass die erste Gruppe eine Anfälligkeit für eine Insomnie mitbringt, die dann durch die Nachtarbeit voll zum Ausbruch kommt. Die andere Gruppe hingegen reagiert mit der Tagesschläfrigkeit im Grunde normal auf die Nachtarbeit und hat keine erhöhte Anfälligkeit für eine krankheitswertige Insomnie.
Insgesamt weisen aktuelle Forschungsergebnisse darauf hin, dass individuelle Unterschiede wie der Chronotyp und die An-fälligkeit für eine Insomnie, aber auch soziale und familiäre Verpflichtungen, beim Thema Nachtarbeit eine wesentliche Rolle spielen und daher bei der Zuteilung zu den Dienstplänen wenn möglich berücksichtigt werden sollten. Das Zusammenwirken von Schlafstörungen, reduzierter Leistungsfähig-keit, reduzierter Arbeitsfähigkeit sowie ver-minderter Arbeitszufriedenheit, das die Form eines Teufelskreises annehmen kann, ist in Abb. 1 dargestellt.
Behandlung von Schlafstörungen
Idealerweise kann ein Unternehmen seinen Angestellten dabei helfen, Schlafstörungen vorzubeugen, bevor diese chronisch werden. Aus aktuellen Forschungsergebnissen lässt sich ableiten, dass ein gutes Arbeitsklima sich positiv auf den Schlaf der Mitarbeiter auswirken kann (siehe Abb. 1). So ist es z. B. ratsam, soziale Unterstützung anzubieten, Mitarbeitern eigenen Gestaltungsspielraum und ein Gefühl von Kontrolle zu geben, ge-recht zu sein und gegen Mobbing und Über-forderung vorzugehen. Darüber hinaus kann auch eine Aufklärung über Verhaltensregeln für einen gesunden Schlaf vorbeugend wir-ken (siehe Infokasten). Während viele Men-schen auch ohne strenge Beachtung der Re-geln gut schlafen, können diese bei begin-nenden Schlafstörungen helfen, eine Chronifizierung zu vermeiden.
Wenn Schicht- und Nachtarbeit nicht ver-mieden werden kann, so kann sie doch zur Prävention von chronischen Schlafstörungen so gestaltet werden, dass möglichst wenig Schaden entsteht. Hier erscheint es insbe-sondere wichtig, mit den betroffenen Mitar-beitern in Dialog zu treten – denn welche Form von Schichtarbeit in Bezug auf Beginn- und Endzeiten, Schichtlänge, Rotation etc. schädlicher oder weniger schädlich ist, kann kaum pauschalisiert werden, da zahlreiche individuelle Faktoren wie der Chronotyp, die Anfälligkeit für Schlafstörungen, familiäre und soziale Aktivitäten und die Art der Arbeit hierbei eine Rolle spielen.
Therapie der Insomnie
Die Therapieform mit der besten wissenschaftlichen Evidenz für Patienten mit Insomnie ist die Kognitive Verhaltensthera-pie (Trauer et al. 2015). Zahlreiche Studien zeigten, dass die Verhaltenstherapie das Ein- und Durchschlafen, die Schlafqualität und die Tagesbefindlichkeit langfristig verbessern kann. Sie ist sowohl bei reiner Insomnie als auch bei Insomnien kombiniert mit körperlichen oder psychischen Erkrankungen durchführbar. Die Behandlung kann als Einzel- oder Gruppentherapie durchgeführt werden und umfasst meist vier bis acht Sit-zungen. Sie beinhaltet neben einer ausführ-lichen Information über Schlaf und Schlafstörungen das Erlernen eines Entspannungs-verfahrens, eine Modifikation des Schlafverhaltens (Schlafrestriktion) und kognitive Therapieelemente. Je nach persönlicher Prä-ferenz können unterschiedliche Entspannungsverfahren wie beispielsweise die pro-gressive Muskelrelaxation, Achtsamkeitsmeditation oder autogenes Training einge-setzt werden. Das Verfahren sollte zunächst tagsüber eingeübt werden und kann dann in der Einschlafsituation oder bei nächtlichen Wachphasen gezielt eingesetzt werden.
Schlafrestriktion als Therapieelement bei Insomnie klingt zunächst paradox – hier geht es darum, die Bettzeit zu verkürzen, um den Schlafdruck zu erhöhen und so das Ein- und Durchschlafen zu erleichtern. Die Patienten führen zunächst für ein oder zwei Wochen ein Schlaftagebuch aus. Hieraus wird die durchschnittliche subjektive Gesamtschlaf-zeit berechnet. Für die Zeit der Schlafrestrik-tion wird dann die Bettzeit auf die durchschnittliche subjektive Gesamtschlafzeit reduziert (in der Regel nicht unter 5 Stunden). Tagsüber darf nicht geschlafen werden. Da Schlaf ein homöostatischer Prozess ist und biologisch gesehen der Schlaf-Homöostat bei Patienten mit Insomnie normal funktioniert, führt die Schlafrestriktion über eine Erhöhung des Schlafdrucks zu einer Verbesserung des Ein- und Durchschlafens. Hat sich die Schlaf-qualität gebessert, kann die Bettzeit schrittweise erhöht werden. In vielen Therapiestu-dien hat sich gezeigt, dass mit dieser Methode langfristig (für Beobachtungszeiträume zwi-schen sechs Monaten und zwei Jahren) eine bessere Schlafqualität erzielt werden kann. Bei der kognitiven Therapie lernen die Betroffenen zudem, wie sie mit schlafstörenden Gedanken umgehen können.
Bei schweren Insomnien kann zur Kurz-zeitbehandlung außerdem eine Medikation mit Benzodiazepinen oder Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten (z. B. Zopiclon) hilfreich sein. Hier muss jedoch beachtet werden, dass die Medikamente insbesondere bei älteren Menschen schwerwiegende Nebenwirkun-gen wie kognitive Störungen oder nächtliche Stürze haben können, und dass eine Abhän-gigkeitsgefahr besteht. Häufig werden in der Praxis auch niedrig dosierte Antidepressiva wie beispielsweise Trazodon oder Trimipramin eingesetzt.
Therapie von zirkadianen Rhythmusstörungen
Bei zirkadianen Rhythmusstörungen, also beispielsweise bei der Schlafstörung durch Schichtarbeit oder bei Menschen mit extre-mem Chronotyp (extremer Früh- oder Spät-typ) ist eine klassische Insomnietherapie wie oben beschrieben meist nicht erfolgversprechend. Hier geht es weniger darum, das Ein- und Durchschlafen zu fördern – denn die Menschen können ja grundsätzlich schla-fen – sondern vielmehr um eine Verschiebung der Schlafphase, so dass diese besser zu den sozialen bzw. beruflichen Anforderungen passt. Dennoch kann eine Beachtung der oben genannten Schlafregeln auch hier hilf-reich sein.
Darüber hinaus können auch biologische Zeitgeber gezielt eingesetzt werden, um den Rhythmus zu verschieben. Der suprachias-matische Nucleus (SCN) ist eine kleine Ge-hirnregion im Hypothalamus, die oberhalb der Sehnervenkreuzung sitzt, und als wich-tigster Rhythmusgeber des menschlichen Körpers gilt. Der SCN erhält Input von photo-sensitiven Zellen in der Retina und steuert so unseren zirkadianen Rhythmus. Dies kann man sich zunutze machen, indem man Licht-exposition gezielt einsetzt, um den Biorhyth-mus in die gewünschte Richtung zu verschie-ben. Will man die Schlafphase nach hinten verlagern, sollte man sich abends dem Licht aussetzen. Um morgens früher wach zu wer-den, sollte die Lichtexposition morgens er-folgen. Hierzu kann man wenn möglich das Sonnenlicht nutzen – ansonsten kann eine Tageslichtlampe (ca. 10 000 Lux) eingesetzt werden. Umgekehrt sollte dann zu der Tages-zeit, zu der geschlafen werden soll, die Licht-exposition minimiert werden (z. B. auch mit-hilfe einer Sonnenbrille oder einer Schlafmaske).
Ein weiterer wichtiger Rhythmusgeber ist das Hormon Melatonin, das von der Zirbel-drüse ausgeschüttet wird. Seine Konzen-tration ist am höchsten bei Dunkelheit wäh-rend des Schlafes und wird morgens durch Licht gehemmt. Melatonin kann in Tabletten-form verabreicht werden, um eine Rhythmus-verschiebung zu erzielen. Hierbei muss mit dem behandelnden Arzt individuell abgestimmt werden, wann das Melatonin eingenommen werden sollte, da der Einnahmezeitpunkt sowohl vom gewünschten Effekt als auch von der natürlichen Melatoninkurve des jeweiligen Patienten abhängt. Melatonin ist kein Schlafmittel, wirkt also auch nicht sedierend – es dient lediglich zur Rhythmus-verschiebung.
Literatur
American Academy of Sleep Medicine: International classification of sleep disorders, 3rd edn. (ICSD-3): AASM Resource Library, 2014.
Fortier-Brochu E, Beaulieu-Bonneau S, Ivers H, Morin C: Insomnia and daytime cognitive per-formance: A meta-analysis. Sleep Med Rev 2012, 16: 83–94.
Kucharczyk E, Morgan K, Hall A, Andrew P: The occupational impact of sleep quality and insomnia symptoms. Sleep Med Rev 2012, 16: 547–559.
Overland S, Glozier N, Sivertsen B, Stewart R, Neckelmann D, Krokstad S, Mykletun A: A com-parison of insomnia and depression as predictors of disability pension: the HUNT Study. Sleep Med Rev 2008 31: 875–880.
Trauer J, Qian M, Doyle J, Rajaratnam S, Cunning-ton D: Cognitive behavioral therapy for chronic in-somnia: a systematic review and meta-analysis. Ann Int Med 2015, 163: 191–204.
Info
Regeln für einen gesunden Schlaf
- Gehen Sie dann zu Bett, wenn Sie sich schläfrig fühlen (nicht früher und nicht später).
- Halten Sie eine Bettzeit von nicht mehr als 8 Stunden und eine regel-mäßige Aufstehzeit (wenn möglich auch am Wochenende) ein.
- Schlafen Sie nicht tagsüber.
- Trinken Sie abends keinen Alkohol, da dieser zwar das Einschlafen er-leichtert, aber das Durchschlafen stört.
- Sehen Sie nachts nicht auf die Uhr oder den Wecker – dies führt nur dazu, dass Sie sich Sorgen über das lange Wachliegen machen, und dann erst recht nicht einschlafen können!
- Nutzen Sie das Bett nur zum Schlafen (und für sexuelle Aktivitäten), nicht zum Fernsehen, Essen, Arbeiten etc.!
- Vermeiden Sie kurz vor dem Schlafen-gehen und in der Nacht Lichtquellen (z. B. auch Smartphone, Tablet etc.). Setzen Sie sich dafür morgens kurz nach dem Aufstehen dem Tageslicht aus, oder nutzen Sie eine Tageslicht-lampe!
Für die Autoren
Dipl.-Psych. Elisabeth Hertenstein
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinik Freiburg
Hauptstraße 5 – 79104 Freiburg